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Die Küsse, die niemals passiert sind

von

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2014, 16. Oktober 17:50

Er drückte seine Hände zusammen und lauschte nur dem Ticken der großen Uhr an der Wand. In dem kleinen Raum, der nur mit ein paar Stühlen gefüllt war, wartete Guren. Er wartete darauf, dass etwas geschah. Sie hatten Shinya in das Militärkrankenhaus in Shinjuku gebracht, wo seine Wunden versorgt wurden. Sie sagten, sie würden ihn stabilisieren und ihm Bluttransfusionen geben, um den Blutverlust auszugleichen, und sobald er stabil sei, würden sie Guren mitteilen, dass er ihn sehen könne.
 

Aber das war schon vor über einer Stunde geschehen. Guren wusste, dass Operationen selbst für schwarze Dämonenträger Zeit benötigen. Aber Guren hasste jede Sekunde, die er warten musste, unsicher, ob es Shinya gut ging. Es musste ihm gut gehen. Guren starrte auf seinen rechten Arm und bewegte seine Finger. Er selbst hatte seinen Arm verloren, und er war perfekt wieder angewachsen.
 

"Guren?"
 

Als er Mitos Stimme hörte, blickte er auf. Sie ließ Goshis Hand los und kam zu Guren herüber.
 

"Geht es dir gut?", fragte sie.
 

"Mir geht's gut", sagte Guren, während er immer noch seine Hände drückte.
 

"Willst du dich nicht umziehen? Du bist immer noch voller Blut."
 

Guren schaute an sich herunter. Er hat es nicht einmal bemerkt. Seine Uniform war vollständig mit Blut beschmiert, der Stoff war klebrig, obwohl die Hälfte des Blutes bereits getrocknet war. Er sah aus, als käme er direkt aus einem Massaker. Aber das war ihm egal. Es war nicht das erste Mal, dass er so aussah.
 

Hinter Goshi erschienen Sayuri und Shigure. Sayuri trug etwas in ihren Armen.
 

"Guren-sama", sagte sie und reichte ihm eine Uniform. "Yuki-chan und ich haben dir eine saubere besorgt. Damit du dich umziehen kannst."
 

"Das macht nichts", sagte Guren und nahm die Uniform nicht an. " Es ist in Ordnung so."
 

"Du hast dir nicht mal die Hände gewaschen, Guren-sama...", fügte Shigure besorgt hinzu.
 

"Ich sagte, es geht mir gut!"
 

"Wenn Shinya aufwachen und dich so sehen würde, wäre er wütend.", betonte Mito.
 

"Mito-Chan hat Recht", fügte Goshi hinzu." Geh duschen und zieh dich um. Wir werden dir sagen, wenn etwas passiert."
 

"Aber...", fing Guren an zu protestieren, aber Mito schnitt ihm das Wort ab.
 

"Komm schon! Du willst Shinya doch nicht wütend machen! Also geh!" Sie nahm Sayuri die Uniform ab und drückte sie Guren in die Hand.
 

Guren sah sie alle an. Sie waren alle hier, sie alle waren nur seinetwegen hier. Sie waren schließlich seine Freunde. Guren drückte die Uniform in seinen Händen. Sie wollten sich alle vergewissern, dass es ihm gut ging.
 

"Nicht quetschen, Guren-sama!" schrie Sayuri in Panik auf. "Sie ist frisch gebügelt!"
 

Überrascht sah Guren sie an. Als sie seinen Blick bemerkte, sah sie wie ertappt aus, und ihr Gesicht wurde sofort rot. "Es tut mir leid, Guren-sama! Ich weiß, dass wir im Moment größere Probleme haben..."
 

"Sayuri! Lass ihn die Uniform zusammendrücken, wenn er will", fauchte Mito.
 

"Entschuldige, Sayuri", sagte Guren mit ruhiger Stimme. "Ich werde besser auf sie aufpassen."
 

Alle starrten ihn jetzt an. Es war ihm unangenehm, beobachtet zu werden. Hat er etwas Falsches gesagt? Er dachte, seine Worte würden die Situation verbessern.

Aber es hatte keinen Sinn, seinen Freunden weiterhin zu widersprechen. Sie würden ihn sowieso zwingen, unter die Dusche zu gehen.
 

"Also, ihr sagt mir, wenn ihr etwas über Shinya hört?" fragte Guren, als er vom Stuhl aufstand.
 

"Aber natürlich!" Goshi zeigte ihm Daumen hoch.
 

"Wir werden an deiner Stelle warten", nickte Mito.
 

"Sicher, Guren-sama!" sagten Sayuri und Shigure zur gleichen Zeit.
 

Guren schaute von einem zum anderen und hielt die Uniform dicht an seinen Körper. Obwohl er nicht wusste, wie es Shinya ging, ließ ihn das Wissen, dass seine Freunde für ihn da waren, zur Ruhe kommen. Wenn er seinen Freunden einen Gefallen damit tun könnte, auf sich selbst aufzupassen, dann würde er das tun.
 

Er beeilte sich, zu den Duschräumen zu kommen. Er wusch das Blut von seinem Körper und zog die frische Uniform an. Es fühlte sich wirklich anders an. In der Dusche hatte er Zeit zum Nachdenken. Zeit, seine Gedanken schweifen zu lassen. Shinya würde es gut gehen. Es musste ihm gut gehen. Aber er konnte es nicht glauben, bis er es gesehen hatte.
 

Gerade als Guren seine Jacke zuknöpfte, steckte Goshi seinen Kopf durch die Tür. "Sie sagten, sie würden Shinya aus dem künstlichen Koma aufwecken. Wir können ihn jetzt besuchen!"
 

Gurens Herz setzte einen Schlag aus und er beeilte sich, in seine Schuhe zu schlüpfen, um Goshi zu folgen. Auf dem Flur trafen sie sich mit dem Rest und betraten dann das Krankenhauszimmer, in dem Shinya sein sollte.
 

Shinya lag auf dem Bett, einen Arm noch auf der Infusion, um etwas Blut in seinen Körper zurück zu bekommen. Er sah blass aus, und sein Hals war mit Verbänden umwickelt. Als sie eintraten, öffnete er die Augen.
 

Es war eine Flut von Worten, als alle gleichzeitig etwas sagten. "Shinya!" "Wie geht es Dir?" "Geht es dir gut?" Es war so laut, dass Gurens Ohren schmerzten.
 

Shinya hatte die gleiche Reaktion. Mit der freien Hand hielt er sich die Ohren zu. "Autsch! Könntet ihr bitte etwas leiser sein? Einer nach dem anderen!" Seine Stimme war schwach und immer noch beeinträchtigt. Aber er war in der Lage zu sprechen.
 

Es war alles, was Guren in diesem Moment glücklich machte. Zu sehen, dass es ihm gut ging. Während sich die anderen um Shinyas Bett versammelten, hielt er Abstand und beobachtete sie nur, während sie Shinya viele Fragen über sein Wohlbefinden stellten. Und Shinya versuchte, alle ihre Fragen zu beantworten, obwohl seine Stimme immer noch schwach war.
 

Nach einer Weile sah Shinya auf und zu Guren hinüber. "Geht es dir auch gut?" fragte Shinya.
 

Sich ertappt fühlend fuhr Guren mit der Hand durch sein Haar. "Sicher, warum fragst du überhaupt?"
 

"Weil du aussahst, als wolltest du gefragt werden", lachte er, zog dann aber vor Schmerz sein Gesicht zusammen. "Autsch... keine gute Idee..."
 

"Du solltest dich schonen."
 

"Das tu ich doch." Shinya lächelte ihn an. "Jetzt komm rüber, Guren. Steh nicht nur so da."
 

"Na gut", seufzte Guren, trat vor und setzte sich auf Shinyas Bett.
 

Dann begann Goshi wieder zu sprechen: "Weißt du, dass Guren dich den ganzen Weg zum Wagen getragen hat?
 

"Oh, hat er das?" fragte Shinya überrascht.
 

"Halt die Klappe, Goshi! Du hättest dasselbe getan!" Guren verschränkte die Arme, obwohl er wusste, dass Goshi nur die Wahrheit sagte. Aber er hätte es Shinya nicht sagen müssen.
 

"Er wollte dich nicht loslassen. Wenn er könnte, wäre er dir in den Operationssaal gefolgt."
 

"Wirklich? Er sieht gar nicht so aus."
 

"Wie sollte ich deiner Meinung nach aussehen?" grummelte Guren.
 

" Dankbarer, dass es mir gut geht?"
 

"Ich bin dankbar. Also sei jetzt still!"
 

Shinya hielt einen Moment inne und betrachtete seine Fingerspitzen. Dann schaute er auf und setzte ein Lächeln auf. " Danke, Guren."
 

Die Art, wie Shinya ihn anlächelte, ließ Guren den Magen umdrehen. Seine Brust zog sich schmerzhaft zusammen. Er hatte wirklich gedacht, dass er dieses Lächeln nicht mehr sehen würde.Und da war er nun, gesund und munter, machte sich über ihn lustig und lächelte, wie er es immer tat. Ohne es zu merken, erwiderte er sein Lächeln.
 

Guren fühlte eine Berührung an seiner Hand und zog sie instinktiv weg.
 

Mito setzte sich ebenfalls auf das Bett. "Sollen wir dir etwas zum Spielen bringen, Shinya? Ich könnte von Zuhause ein Shogi-Spiel besorgen."
 

"Ich könnte dir Pornohefte organisieren", fügte Goshi hinzu und fing sich dafür eine Faust von Mito ein.
 

"Nein, danke... nicht nötig..."
 

"Möchtest du etwas essen, Shinya?" fragte Sayuri. "Wenn ich für Guren koche, könnte ich dir auch etwas mitbringen?"
 

"Was kochst du denn, Shinya?" Shinya ließ seinen Blick zu Guren hinüber wandern.
 

"Ist das eine echte Frage?" fragte Guren.
 

"Ich nehme an.... die Antwort ist... Curry?" sagte Sayuri zögernd.
 

" Natürlich ist es Curry."
 

"Dann könnte ich dir Curry machen!" schloss Sayuri. "Willst du auch was?"
 

"Ich hätte gerne welches."
 

"Okay, Yuki-chan. Wir sollten sofort einkaufen gehen!" Sie beeilte sich, aufzustehen, aber bevor sie ging, hielt sie neben Guren an. "Sollen wir um 20 Uhr zu Abend essen?"
 

"Klingt gut."
 

"Oh! Sollen wir alle hier zu Abend essen?" fragte Sayuri und klatschte in die Hände.
 

"Das ist eine schöne Idee!" Mito stimmte zu. "Ich werde das Shogi-Spiel holen!"
 

"Und ich besorge die Porno -" Goshi blieb stehen, als er Mitos Blick erhaschte. "Motorrad-Magazine..."
 

Shinya kicherte, aber gleichzeitig stöhnte er vor Schmerz.
 

"Siehst du!" fauchte Mito. "Jetzt hast du Shinya zum Lachen gebracht!"
 

"Mir geht's gut!", keuchte Shinya. "Geht und holt eure Sachen."

"Dann treffen wir uns hier um 8?" sang Sayuri.
 

Alle stimmten zu, und einer nach dem anderen verließen den Raum, bis nur noch Guren und Shinya übrig waren. Die Tür schloss sich hinter ihnen und Stille legte sich über den Raum.
 

"Also, Guren..." Shinya rückte näher an Guren heran. "Was wolltest du sagen?"
 

Guren drehte sich zu ihm. "Wovon redest du?"
 

"Ich hatte das Gefühl, dass du dich nicht wohl dabei fühlst, etwas zu sagen, wenn die anderen dabei sind."
 

"Nein, es ist nichts."
 

Guren hatte sich daran gewöhnt, es zu leugnen. Es gab so viele Dinge, die er Shinya erzählen wollte. So viele Dinge in seinem Kopf. Warum hast du mich geküsst? Warum hast du mir Sorgen bereitet? Warum sorge ich mich überhaupt um dich?

Aber nichts davon fühlte sich richtig an, zu sagen.
 

"Geht es dir gut?" fragte Shinya.
 

"Warum fragst du überhaupt? Du bist derjenige, der schwer verwundet wurde."
 

"Danke, dass du dir Sorgen um mich machst."
 

"Sag es nicht mir, sag es den anderen!"
 

"Es fühlt sich immer noch seltsam an, Freunde zu haben, die sich um dich sorgen, nicht wahr?" Shinya strich eine Strähne hinter sein Ohr. "Ich war immer alleine.Aber jetzt haben wir Freunde. Das würde ich nicht missen wollen."
 

Guren grummelte nur als Antwort.
 

"Guren?" fragte Shinya mit leiser Stimme. "Lass uns das nicht ruinieren, okay?"
 

Seine Worte trafen Guren. Er wusste genau, was Shinya meinte. Aber er war es gewesen, der ihn immer wieder angegraben hatte. Warum sagte er ihm also, er solle es nicht ruinieren. Er sollte es selbst nicht ruinieren.
 

Aber Guren konnte ihm das nicht sagen. Er tat immer noch so, als wüsste er nichts, und er würde nicht derjenige sein, der zugeben würde, dass er gelogen hatte. Er wird nicht derjenige sein, der gegen Shinya verliert.
 

"Ich weiß nicht, wovon du sprichst."
 

Shinya griff nach seiner Hand und umfasste sie vorsichtig. Diesmal zog Guren sie nicht zurück. Einige Sekunden lang hielt er seine Hand, bevor er aufblickte.
 

Ihre Blicke trafen sich. Guren kannte diesen Blick in Shinyas Augen. Es war derselbe wie in der Nacht, in der er ihn geküsst hatte. Er beruhigte ihn. Doch der Gedanke an diesen Kuss erregte ihn auf irgendeine Weise.
 

Eine lange Zeit saßen sie einfach so da. Guren konnte nicht sagen, für wie lange. In seinem Kopf versuchte Guren, die Erinnerung an diesen Kuss zu löschen. Aber Erinnerungen waren nicht wie Dämonen. Er konnte sie nicht einfach mit Pillen unterdrücken. Shinyas Lippen, seine Zunge, sie waren in seiner Erinnerung so lebendig, dass er die Erregung spürte, die er damals empfand. Und da war er und sah ihn an. Seine Lippen waren nur Zentimeter entfernt.
 

Guren beugte sich nach vorne, als die Tür wieder aufschwang. Guren zog sich sofort zurück und ließ Shinyas Hand los.
 

"Entschuldigung!" sagte Mito hastig. "Ich muss meine Schlüssel vergessen haben!" Sie tauchte unter das Krankenhausbett. Shinya und Guren starrten sie an.
 

Mito stand auf. "Ich habe sie gefunden! Bin gleich wieder da!"
 

Dann eilte sie aus dem Zimmer. Die Tür fiel wieder in das Schloss.
 

Shinya und Guren saßen nur verwirrt auf dem Bett. Gurens Herz raste. Er war so in Panik, dass er sich überhaupt nicht mehr bewegte. Erst als sie gegangen war, entspannte er sich und verschränkte die Arme. Er fühlte, wie seine Wangen brannten. Was hatte er überhaupt versucht zu tun? Er war so ein Idiot.
 

"Hey, Shinya", sagte er, als er vom Bett aufstand. "Stirb mir nicht noch einmal weg, okay?"
 

Shinya sah ihn überrascht an, aber dann lächelte er. "Ich werde es versuchen. Aber du solltest dasselbe tun."
 

Guren versuchte danach nie wieder, ihn zu küssen.



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