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Großstadtgeflüster

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich hau jetzt einfach raus, solange wie es flutscht. Dauert aber echt lange, diese Story zum Laufen zu kriegen...

Song zu diesem Kapitel:
Paul Kalkbrenner - Sky and Sand (ein Klassiker xD) Komplett anzeigen

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Im Sommer tust du gut

„Jo, äh, Dings, Herr - Herr Ivanov! Farid hat mir mein Handy weggenommen!”

„Alter, halt’s Maul, gar nix hab ich!”

„Ja aber wer hat dann?”

„Ja keine Ahnung!”

„Schwör?”

„Walla!”

„Glaub aber nicht. Herr Ivanov!”

Yuriy seufzte und legte das Buch weg. Er hatte Pause, keine Pausenaufsicht, aber die Kids würden das wohl nie begreifen. Mit einem Wink holte er sich die beiden Streithammel heran. Sie waren beide dreizehn, aber Katha kleidete sich seit diesem Schuljahr anders und schmatzte ständig mit Kaugummis, während Farid immer noch aussah wie ein Milchbubi.

„Farid, hast du Kathas Handy?”, fragte er und der Kleine brauste sofort auf. „Ich hab doch gesagt, ich hab nicht, Mann!”

„Ich bin nicht ‘Mann’.”

„‘Tschuldigung, Herr Ivanov. Aber ich hab wirklich nicht!”

„Ist ja gut.” Yuriy wandte sich an das Mädchen. „Hast du es vielleicht irgendwo liegen gelassen?”

Bei diesen Worten fing es hinter Kathas Stirn an zu arbeiten, dann hörte das Kaugeräusch plötzlich auf. Sie schlug sich mit der Hand an die Stirn. „Ich hab’s bei Denise in Turnbeutel gepackt!”

Beinahe hätte Yuriy die Augen verdreht. War ja klar. „Na dann ist ja alles in Ordnung. Hey, wartet mal”, fügte er hinzu, als die beiden schon wieder davonrennen wollten. „Wie läuft es denn mit Monica, die ist doch bei euch in der Klasse?”

„Ja, die ist voll schlau”, antwortete Farid, während Katha schon wieder betont gelangweilt dreinblickte.

„Versteht sie schon alles?”

„Ja, voll krass, die hat voll schnell gelernt!”

„Boah Farid, stehst auf die?”, fragte Katha nun sichtlich genervt. Aber das musste sie auch, sie war schließlich die Chefin in ihrer Klasse. Hoffentlich hatte er sie jetzt nicht auf die arme Monica angesetzt. Die konnte nämlich kein Wässerchen trüben und war an dieser Schule eigentlich total fehl am Platz. Aber wegen ihrer mangelnden Sprachkenntnisse war sie erstmal hierher gesteckt worden. Yuriy hatte leider herzlich wenig zu sagen, aber er hatte sich fest vorgenommen, alles in seiner Macht stehende zu tun, um Monica auf irgendein Gymnasium zu bringen.

In diesem Moment schallte die Glocke über den Schulhof. Yuriy stand auf und begann, die Kinder in seiner unmittelbaren Nähe vor sich herzuscheuchen, sonst dauerte es wieder ewig, bis alle in ihren Klassen waren. Ihn erwarteten jetzt noch zwei Telefonate und ein persönliches Gespräch sowie ein Stapel Papierkram, dann war er auch schon fertig für heute. Er hätte gut und gern die doppelte Anzahl Stunden pro Woche arbeiten können, doch im Rahmen dessen, was die Schule sich leisten konnte, bzw. an Unterstützung bekam, war nur eine halbe Stelle drin. Diese hatte er aber immerhin schon seit über einem Jahr inne. So konnte er zumindest sicher gehen, dass er die Miete bezahlen konnte, und alles andere fand sich meistens irgendwie. Mit seinem besten Freund zusammenzuleben war da auch nicht die schlechteste Voraussetzung.

Ein paar Stunden später stand er vor der Tür seines „Büros” (eine umfunktionierte, winzige Abstellkammer) und wollte gerade abschließen, als er sah, wie Moses den Gang entlang kam. Moses war das, was man gemeinhin als Schrank bezeichnen würde, dementsprechend ehrfürchtig behandelten die Kids ihn auch. Dabei war er wohl der friedliebendste Mensch, den Yuriy kannte - abgesehen vielleicht von Sergeij, der allerdings selbst ein Riese war. Im wahren Leben war Moses Programmierer bei irgendeinem Startup, aber seit seine Familie Monica in seine Obhut gegeben und er sie selbst in der ihr fremden Sprache unterrichtet hatte, hatte er sein Talent dafür erkannt. Nun half er an der Schule seiner Schwester mit Sprachkursen für Willkommensklassen aus.

Sie begrüßten sich mit Handschlag. „Alles gut?”, fragte Yuriy und Moses nickte.

„Deine Schwester macht sich gut, hab ich gehört. Die Kolleginnen und Kollegen lieben sie.” Er konnte zusehen, wie die Brust seines Gegenübers vor Stolz noch breiter wurde. „Hey”, fuhr er fort, „Hast du am Wochenende Zeit? Wir legen wahrscheinlich im Zentrum auf. Ich kann dich auf die Gästeliste schreiben.”

„Danke, aber nein”, sagte Moses sofort, „Wir haben freitags immer so ein kleines Afterwork Get-together im Büro. Das reicht mir. Am Wochenende möchte ich die Zeit mit Monica verbringen.”

Yuriy unterdrückte ein Seufzen. Moses war einfach zu gut für diese Welt. „Alles klar; wenn du es dir anders überlegst, schreib mir einfach, okay?”

„Okay. Danke, dass du an mich gedacht hast, Yuriy.”

Sie schlugen noch einmal ein - auch das hatte Moses noch nicht drauf, es wirkte immer so, als würde seine Hand knapp an Yuriys vorbeisausen - dann machte Moses sich auf den Weg in sein Klassenzimmer und Yuriy lief in die entgegengesetzte Richtung, um endlich rauszukommen. Neben dem Tor zum Schulhof wartete sein neuester Besitz auf ihn: Ein etwas in die Jahre gekommenes Rennrad, für das er auf dem Fahrradflohmarkt am Wochenende viel zu viel bezahlt hatte. Aber immerhin hatte es eine Gangschaltung, Bremsen und sah nicht komplett grottig aus. Das Schloss, das er tags darauf erstanden hatte, war in etwa die Hälfte des Rads wert, also würde es ihm hoffentlich nicht sofort wieder geklaut werden. Boris hatte nur die Augenbrauen hochgezogen, als er mit dem Ding vor ihrer Tür stand und irgendetwas davon gemurmelt, dass er, wenn er jetzt jeden Tag dreißig Kilometer radelte, bald nur noch ein Strich in der Landschaft war. Und was er denn bitteschön im Winter tun würde. Letzteres wusste Yuriy zugegebenermaßen auch noch nicht, aber es würde schon irgendwie funktionieren. Immerhin hatte der Sommer gerade erst angefangen. Mit ein bisschen Glück lagen noch drei bis vier Monate mit viel Sonne vor ihnen.

In diesem Moment klingelte es hinter ihm. Schulschluss. Schnell schob er sich seine Kopfhörer in die Ohren und machte, dass er davonkam. Es gab immer ein paar Kinder, die noch irgendetwas von ihm wollten, und heute konnte er es sich nicht leisten, lange aufgehalten zu werden. Er schlängelte sich zwischen ein paar ausparkenden Autos hindurch und reihte sich in den Verkehr ein, der ihn Richtung Norden trug. Die Abgase konnte er nicht ausblenden, doch die Geräusche wurden von der Musik überdeckt.

„In the nighttime

When the world is at it's rest

You will find me

In the place I know the best

Dancin', shoutin'

Flyin' to the moon

Don't have to worry

'Cause I'll be come back soon”
 


 

„Um die Ecke hat ein neues Restaurant eröffnet, lasst uns da hingehen!”

Kai brummte nichtssagend und Ralf verdrehte die Augen. Er war ein Gewohnheitsmensch, ganz anders als Giancarlo, der sich auf alles stürzte, was shiny and new war. Aber im Gegensatz zu Giancarlo konnte Kai es sich nicht erlauben, Ralfs Vorlieben zu ignorieren. Die beiden waren nicht nur so was wie beste Freunde, nein, der Italiener war sein Chef und der Deutsche ihr Geldgeber. In seiner jetzigen Situation hatte Kai am wenigsten von ihnen allen zu melden, aber er fühlte sich eigentlich ganz wohl damit. In diesem Augenblick jedenfalls würde er nicht Ralfs Zorn abbekommen, sollte ihm das von Giancarlo vorgeschlagene Restaurant nicht zusagen.

Der Weg dorthin dauerte etwa fünf Minuten zu Fuß. Während die Hauptstraße voller Touristen war, verirrten sich nur wenige Menschen in die umliegenden Ecken. Es war vergleichsweise ruhig und kühl, da die meisten Wege den ganzen Tag im Schatten lagen. Kai atmete auf. Wenn er seine Pause schon nicht im Grünen verbringen konnte (hier war alles asphaltiert), dann wurde er doch zumindest die Menschenmassen los.

Das Restaurant hob sich durch dunkelrote Reklame vom Asphaltgrau ab. Ein paar winzige Tische standen vor der Tür, doch Ralf gab ziemlich brüsk zu verstehen, dass er lieber drinnen sitzen wollte. Als sie eintraten, erblicke Kai als erstes ein bekanntes Gesicht. „Rei, was machst du denn hier?” Normalerweise trafen sie sich in einem anderen Restaurant in unmittelbarer Nachbarschaft zu Kais Wohnung, das Reis Familie gehörte.

„Hallo Kai, das ist ja eine Überraschung!” Rei nahm einen Stapel Speisekarten in die Hand und winkte sie mit sich. „Willkommen in unserem neuen Haus! Wir haben Tische zum Innenhof, kommt mit.” Er führte sie in den hinteren Bereich und wies ihnen einen Tisch in einer ruhigen Nische zu. Während er den Raum durchschritt, musterte Kai die Einrichtung. Die Wände waren betont unbehandelt, wie es jetzt modern war, und von einem verwaschenen Grau. Von der Decke hingen Lampen mit breiten Papierschirmen. Die Tische und Stühle waren aus glattem, dunklem Holz, und natürlich gab es keine Tischdecken. „Bist du jetzt immer hier?”, fragte er, als sie sich gesetzt hatten und Rei die Speisekarten austeilte.

„Nein, keine Sorge, nur mittwochs und donnerstags. Ansonsten bin ich in Friedrichshain. Also dann”, fügte Rei hinzu, „Ich bin gleich wieder da und nehme eure Bestellungen auf.”

Sobald er weg war, ließ Ralf seine Karte sinken und sah Kai an. „Dein Deutsch ist ziemlich gut geworden”, sagte er mit seinem sehr akzentlastigen Englisch. Es tat in Kais Ohren weh, doch er konnte nicht einfach wieder die Sprache wechseln, also nickte er nur. Ralfs Blick wanderte weiter zu Giancarlo. „Im Gegensatz zu deinem.”

Giancarlo hob die Hände. „Hey, ich kann Bier bestellen, mehr brauche ich nicht. Alle sprechen Englisch!” Da hatte er allerdings Recht. Auch Kai bekam kaum einmal Gelegenheit, an seiner Aussprache zu feilen. Ihr Start-up war so international besetzt, dass alle auf Englisch miteinander kommunizieren, und selbst in seinem Kiez konnte er sich damit durchfuchsen. Einzig im Club geriet er manchmal an Menschen, mit denen er sich nicht sofort verständigen konnte; aber dafür gab es auch nonverbale Signale.

Rei kam zurück und ging, nachdem sie ihre Wahl getroffen hatten. Ralf faltete die Hände auf der Tischplatte und lehnte sich zurück. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass er zum Geschäftlichen kommen wollte. „Ich habe die letzten Quartalszahlen gesehen, Giancarlo”, sagte er, „Ist gut gelaufen, oder?”

„Ja, unser Start in DACH war wirklich gut!”, bestätigte dieser eifrig, „Und mit dem nächsten Update kommen die ersten Bezahlservices, dann machen wir auch endlich mehr Gewinn. Ich bin zuversichtlich.”

Ralf nickte. „Gut. Dann können wir demnächst über die neue Finanzierungsrunde sprechen…”

Kai konnte förmlich beobachten, wie Giancarlo erleichtert zusammensank. Verständlich; der Italiener war jetzt seit drei Jahren CEO ihres Unternehmens und musste endlich schwarze Zahlen schreiben, sonst würde Ralf - und wenn nicht er, dann Johnny - ihn absägen. Die beiden machten da gerne mal kurzen Prozess.

„Kai, ich habe deinen Großvater neulich getroffen.” Nun wanderten Ralfs stechende Augen zu ihm. „Und habe ihm gesagt, dass du dich gut hältst. Du bist ja prinzipiell gerade schon im mittleren Management, wenn man das so sagen kann.” Natürlich konnte man das nicht, dafür war das Unternehmen zu klein. Flache Hierarchien, dachte Kai, auch so ein Euphemismus. „Giancarlo und ich können uns vorstellen, Ende des Jahres eine Stelle im höheren Management für dich zu schaffen.”

„Gut”, sagte Kai nur. Das würde seinen Großvater vielleicht davon abhalten, ständig zu fragen, was er denn bitteschön die ganze Zeit machte und warum er nicht endlich aufstieg. Nur um seine Freizeit tat es ihm leid. Giancarlo war nicht der beste CEO, und das strahlte natürlich auf alle anderen ab. Kai gab dem Unternehmen noch zwei Jahre, bevor es an die Wand gefahren wurde - und er war sich sicher, Ralf und Johnny dachten da ähnlich.

So ging es weiter; wenn Ralf in der Stadt war und sie gemeinsam Essen gingen, unterzog er sie jedes Mal einer intensiven Befragung zum Zustand ihres „Babys”. Dabei schwitzte Giancarlo sehr viel und Kai langweilte sich. Wenn alle Fragen zu Ralfs Zufriedenheit beantwortet waren, begann der entspannte Teil. Heute hatte Kai seinen Teller beinahe zur Hälfte geleert, bevor es soweit war.

„Nun gut”, sagte Ralf, und das war das Zeichen. „Ich sehe, es läuft. Was ist sonst so los in der Stadt?”

Giancarlo war sofort zur Stelle. „Ich wollte dich fragen!”, sagte er laut, „Bist du übers Wochenende hier? Sollen wir weggehen? Ich habe jemanden kennengelernt.” Die Informationen kamen so schnell aus seinem Mund, dass sowohl Kai als auch Ralf eine Weile brauchten, um sie zu verarbeiten. Kai war etwas schneller. „Du hast jemanden kennengelernt?”, fragte er höflich, und wie zu erwarten riss Giancarlo das Gespräch sofort an sich. So konnte er in Ruhe aufessen.

„Ja! Einen ganz tollen Menschen, Olivier. Wir sind uns vor ein paar Wochen in der Markthalle Neun begegnet. Tja, und inzwischen treffen wir uns regelmäßig. Er ist Franzose, kocht Gerichte wie aus einem Fünf-Sterne-Restaurant und hat Modedesign studiert.”

„Was macht er?”, fragte Ralf und klang dabei, als würde es ihn nicht viel mehr interessieren als die Morcheln auf seinem Teller.

„Ah, nun ja.” Jetzt wurde Giancarlo wieder leiser. „Es ist ein ungewöhnlicher Job, weißt du. Er ist eine Dragqueen.”

Ralf verschluckte sich und Kai hob den Kopf. Es gab in dieser Stadt eigentlich nur eine französische Dragqueen, die berühmt genug war, um von diesem Job leben zu können. „Datest du etwa Olivia Emerald?”, fragte er über Ralfs Husten hinweg. Giancarlos Gesicht hellte sich auf. „Du kennst sie?!”

„Natürlich. Sie legt jeden Samstag auf dem 90s-Floor im Zentrum auf.”

„Ha! Und genau dorthin hat er mich dieses Wochenende eingeladen! Ich wollte euch fragen, ob ihr mitkommt! Na?”

Ralf hatte sich inzwischen beruhigt und wischte sich mit der Serviette über den Mund. „Das Zentrum?”, hakte er nach, „Das ist doch dieser Schwulenclub.”

„Erfasst”, murmelte Kai und sagte dann etwas lauter: „Ich war schon lange nicht mehr dort. Also warum nicht? Keine Sorge”, fügte er hinzu, als er Ralfs Blick bemerkte, und musste sich sehr anstrengen, damit seine Stimme nicht vor Sarkasmus triefte, „Da kommen alle rein, und es ist auch fast niemand nackt. Und es gibt einen Electro-Floor, wenn dir eher danach ist.” Das letzte Mal, als er mit Ralf ausgegangen war, waren sie in irgendeinem Edelclub gelandet, sein Begleiter hatte sich zugekokst und war mit irgendwelchen anderen Anzugträgern zu wummernden Bässen verendet. Da hatte er allerdings auch gerade drei neue Firmen akquiriert.

„Na ich weiß nicht…”, murmelte Ralf, doch Giancarlo würde ihn nicht davonkommen lassen. „Willst du nicht meinen Angebeteten kennenlernen?”, fragte er theatralisch, „Wir würden sogar auf die Gästeliste kommen! Kai, guck doch mal nach, wer auf dem Electro-Floor auflegt.” Er deutete auf ihre Handys, die in der Mitte des Tisches lagen. Kai seufzte und tat, wie ihm geheißen. Alles, um nicht am Gespräch teilnehmen zu müssen.

„Was zieht man überhaupt zu so etwas an?”, fragte Ralf.

„Du kannst einfach in Jeans und Hemd gehen, wenn dir danach ist. Du musst nicht glitzern!”, wiegelte Giancarlo ab.

„Hm”, machte Kai, der inzwischen die Webseite des Clubs geöffnet hatte. „Ostblocc.”

„Kenn ich nicht.”

„Ein DJ-Kollektiv”, las er vor, „Auch mal was neues. Mehr steht hier aber nicht.”
 


 

„Okay, wir sollen um Mitternacht anfangen und haben dann wie immer drei Stunden”, sagte Ivan, „Freiwillige vor.”

„Ich bin raus, ich bin im Morgen”, warf Salima ein, die das Fenster geöffnet und sich auf das Fensterbrett gesetzt hatte. Die Brise von draußen erreichte auch die anderen drei, die in einem Halbkreis auf dem Dielenboden saßen. Das Geräusch einer vorbeifahrenden S-Bahn mischte sich in den Bass der Musik, die aus Ivans Anlage drang und die Kaffeekanne in der Mitte verströmte ihren Duft.

„Naja, eigentlich kommen eh nur Mattie und Yuriy in Frage”, meinte Ivan und sah die Angesprochenen an. Yuriy hob die Schultern. „Ich hab‘s schon fest eingeplant. Was ist mit dir?”, fragte er an Mathilda gewandt, die sich nickend einverstanden erklärte. „Das ist ja schon die letzten Male gut gelaufen. Da haben wir uns abgewechselt. Dieses Mal könnten wir doch mal zusammen auflegen.”

„Klar, gerne. Ich wollte auch ein paar von meinen eigenen Tracks spielen”, sagte Yuriy und griff wieder nach seinem Laptop. Während sie das kommende Wochenende planten, setzte er Cue Points in Songs, um dann besser mit ihnen arbeiten zu können. Er winkte Mathilda zu sich, um sie einen Blick auf seine Liste werfen zu lassen. „Nice”, kommentierte sie. „Damit kann ich was anfangen. Schickst du mir die Liste rüber? Dann stimme ich meine darauf ab.”

„Schon passiert.”

Salima kam wieder zu ihnen herunter, aber nur, um ihren Kaffeebecher zu füllen. „Das heißt, drei von uns sind am Samstag gebucht”, stellte sie fest, „Das entwickelt sich langsam ziemlich gut, finde ich.” Sie blickte den letzten in der Runde an. „Was ist mit dir, Vanja?”

„Ich bin im Bunker.”

Yuriy runzelte die Stirn. „Ja, aber als Gast, oder?”

„Autsch”, kommentierte Salima und Ivan seufzte schwer. „Ja, natürlich. Aber ich werde jetzt so lange dort auf der Matte stehen, bis wir irgendwann angeheuert werden. Wisst ihr, wer da dieses Wochenende auflegt?”

„Na wer?”

„Kane! Der Arsch.”

Mathilda, die bis dahin über Yuriys Schulter hinweg beobachtet hatte, was auf dessen Bildschirm vor sich ging, hob den Kopf. „Dieser Kanadier?”

„Der ist doch grottig”, meinte Yuriy nun, ohne den Blick von seinen Tracks abzuwenden. „Wie hat er das geschafft?”

„Der muss gekauft sein oder so”, murrte Ivan und Yuriy prustete. „Jürgens-McGregor oder was?”

„Diese Stadt geht vor die Hunde…”, sagte Salima und verdrehte theatralisch die Augen.

Yuriy grinste, dann setzte er seine Kopfhörer auf, um die anderen auszublenden. Sofort wummerte der Bass in sein Gehör und er versank für eine Weile in Frequenzen und BPM. Er hoffte inständig, dass ihre Auftritte bald mehr Geld abwarfen. Die ersten Einkommen hatten sie in besseres Equipment und neue Programme gesteckt. Deswegen war Yuriys wertvollster Besitz gerade sein neuer Laptop. Der alte war ihm auf einem Gig vor zwei Monaten beinahe verreckt; er hatte es als Zeichen genommen. Nicht zu vergessen den Rest seiner Ausstattung, obwohl die Clubs ja wirklich viel stellten. Doch für seine eigenen Tracks brauchte er eben auch zu Hause ein Mischpult. All das hatte die Gagen, von denen sie immer einen Teil für sich behielten und einen in einen gemeinsamen Sparstrumpf steckten, zusammenschmelzen lassen. Von der ganzen Bürokratie, die ein Unternehmen wie ihres nach sich zog, war da noch gar nicht die Rede. Er schätzte sich glücklich, dass er einen so guten Kontakt zur Kon-Familie hatte, denn jetzt konnte er bei ihnen im Restaurant aushelfen, wenn es eng wurde (was gerade der Fall war). Es wäre einfach alles viel leichter, wenn er auf Nebenjobs dieser Art verzichten könnte.

„Hey.” Plötzlich war Salima neben ihm und zog ihm die Kopfhörer weg. „Abflug. Wir müssen noch was anderes machen.”

„Ist ja gut, Habibi.” Er machte sich daran, sein Zeug zusammenzupacken.

„Nenn mich nicht so!”

„Jaja.”

Mathilda stand schon an der Tür und auch Ivan stand auf, um sie zu verabschieden. Dann folgte Yuriy Mathilda die Treppe hinunter. Vor dem Haus trennten sich ihre Wege. „Bis Samstag!”, rief Yuriy, als er sich aufs Rad geschwungen hatte.

„Ja!” Sie winkte ihm hinterher. „Bis dann im Zentrum!”



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  WeißeWölfinLarka
2020-04-06T09:48:49+00:00 06.04.2020 11:48
….
Ich hab schon direkt gelacht.
>> „Jo, äh, Dings, Herr - Herr Ivanov!<<
So real. so real… ich weiß nicht, ob ich auch ein bisschen weinen will, aber… Ja, ist mir auch schon so oder ähnlich passiert ( „Jo, Alda, Digga, Frau *Falscher Name auch noch*“)
Ich liebe deinen Yuriy. Ich bewundere seine Geduld… Da hatte ich glatt ein Neidgefühl… und die Situation mit den Kiddies – die war so real… so real… darauf komm ich immer noch nicht klar…. Das Verhalten der Schüler, Yuriys Aufgabe, das alles hast du sehr authentisch beschrieben. Ich hatte (War-)Flashbacks vor meinem inneren Auge…
Monica ist dann sicherlich die Schwester von Moses, ja? … Was frag ich. Natürlich.
Dieser Handschlag. Lehrer-Gang. XD
Strich in der Landschaft, war das etwa eine Anspielung auf Yuriys Lauchtum?

Ich mag das übrigens voll mit den Songtexten drin : )

Ich möchte ja schon gern wissen, was Kai nach Berlin verschlagen hat. Im Prolog war er ja ein Zugezogener, und arrangiert sich mit der Situation. Aber ich merke, dass er die Natur vermisst. Dafür braucht er am Wochenende aber einen Ausgleich. Eigentlich frage ich mich, was sie alle in Berlin tun. Offenbar haben sie ja trotzdem noch ihre eigene Nationalsprache. Und wieso spricht Ralf Englisch, wenn Kai auf Deutsch mit Rei redet? Ich komm da grad nicht mit^^°

Die Unterhaltung über Finanzen ist wirklich echt. Also die Gedanken haben Hand und Fuß. Ich frage mich, warum Ralf investiert, wenn er doch vermutet, dass das Unternehmen an die Wand gefahren wird… Oder er steckt Kai in die CEO-Funktion…. aber dann wird Kai zum Workaholic… oder Burnouter…. D:
(Ja, ich habe viele Fragen XD)

Uff uff, das sind so viele Information auf einmal für mein zuckendes Auge xD
Es ist herrlich, wie Ralf sich verschluckt, weil Giancarlo die berühmteste Dragqueen am Ort datet?! Say whaaaat?! :D und dann diese… abwehrende, konservative Einstellung zum „Schwulenclub“ und Kais unterdrückter Sarkasmus dazu – ja ja, schon irgendwie fast heuchlerisch, sich über einen Schwulenclub zu echauffieren, aber die Nase voll Koks haben…

!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
OSTBLOCC DAS DJ KOLLEKTIV
XDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDD
ich feier das so hart… ich will, dass die auch hart feiern :D

Oh Gott.
Oh Jay…
Es ist so herrlich. Diese Purheit der Unterhaltungen! „Kane! Der Arsch“ – ich hab herzlich gelacht.
Und „Habibi“ … so schön kulturell integriert… Sprache lebt.
Obwohl er das sarkastisch meint?

Oh man, ich verschlinge deine Berlin Au gerade… dabei wollte ich eigentlich mit Perestroika anfangen :D
Ich will jetzt Zentrumsaction :D

Antwort von:  lady_j
06.04.2020 18:14
omg du hast angefangen zu lesen x'D wie immer liebe ich deine kommentare, liest sich wie ein live-ticker

vielleicht eine anmerkung zum letzten kommi: ja, da das hier eine komplette au ist, nehme ich mir auch die freiheit heraus, dass manche figuren nicht miteinander bekannt sind bzw die konstellationen komplett anders sind. ich bemühe mich aber, die rollenverteilung so zu gestalten, dass es zum jeweiligen chara passt...

es gab außerdem die sprachenfrage :D aalso, ralf spricht deshalb englisch, weil giancarlo kein deutsch kann (weil er faul ist xD). kai und ralf können aber deutsch miteinander sprechen. und rei und kai sowieso, weil rei in B aufgewachsen ist. ich hoffe, das erklärt es ein wenig xD

ahaha, gut dass du ostblocc so feierst, ich bin sehr stolz auf mein dj kollektiv. hart feiern tun sie noch, keine sorge ;) bin gespannt, was du noch alles zu sagen hast :D :D
Von:  Phoenix-of-Darkness
2020-03-24T12:57:31+00:00 24.03.2020 13:57
Oh Gott...Fack ju Göthe!!!
Diese Teenis...du hast sie sehr genial und absolut nicht überzogen dargestellt. Ich konnte mir diese Katha echt gut vorstellen und habe schier mit den Augen gerollt....und insgeheim frage ich mich an solchen Stellen....war ich auch so?!
Definitiv - nein!
Yuriy tut mir da echt schon ziemlich leid...aber wie heißt es so schön...Augen auf bei der Berufswahl. 😅

Ohhh...also Yuriy kennt Rei....Rei kennt Kai....aber Kai Yuriy (noch) nicht?! Bin gespannt.

Ich muss gestehen der Trupp um Kai ist erfrischend. Nie wäre ich auf den Gedanken gekommen Ralf und Giancarlo an seine Seite zustellen, aber es ist definitiv etwas. Sie sind eine interessante Mischung und dennoch irgendwie IC.
Ich habe auch gelacht, als der Italiener gesteht was seine "Bekanntschaft" nich macht. Die Reaktion seitens Ralf war köstlich zu lesen. Auch das Gespräch über den Club... "Du musst nicht glitzern" - genial!!! Und auch etwas schade...Ralf in Glitzerfummel... *lach*
Von:  LittleLionHead
2020-03-24T06:08:35+00:00 24.03.2020 07:08
Hupsi, ein Kapitel übersprungen.
Na guck, da steigt Yuriy auch aufs Rad um. Und OMG Olivia Emerald. Wie geil ist das denn? :D Mega Idee. Und auch das DJ-Setting gefällt mir echt gut. Vor allem dass du aufzeigst dass da eben doch eine Menge Arbeit hintersteckt, was Menschen wie ich oft nicht erkennen (wollen). Sehr cool!
Von:  Mitternachtsblick
2020-03-23T11:13:06+00:00 23.03.2020 12:13
Jesus, allein der Einstiegsdialog zwischen diesen beiden Kindern *chefs kiss* - Teenies sind doch das allerbeste, wenn man sie passiv beobachten und nicht unter ihnen leiden muss, wie es etwa Yuriy tut. XD Wobei man sagen muss, dass der alles soweit im Griff zu haben scheint und das mag ich. Diese ganzen Lehrer-Yuriy-Headcanons hier neuerdings sind sehr inspirierend. Ich bin ein großer Fan davon, dass er gezielt Kinder zu fördern versucht, wo er Potential sieht, das seh ich nämlich durchaus sehr stark bei ihm.
Ich find Moses und seine Schwester auch sehr süß. Hab ja grundsätzlich eine Schwäche für Geschwister, die zusammenhalten und sich umeinander kümmern und das ist right into the kokoro. Von Moses weiß ich eigentlich relativ wenig als Charakter bzw. hab mich nie so sehr mit ihm beschäftigt bisher, aber sanfte Riesen gehen immer. Mehr Liebe für sanfte Riesen!
Lieb auch für Strich-in-der-Landschaft-Yuriy, der jetzt wirklich stur 30 KM radelt, nur um nicht in Boris' Karre steigen zu müssen. Ich find das wundervoll unterhaltsam. XD
Auch sehr erfreulich, mehr von der Partie Kai-Ralf-Giancarlo zu lesen, auf die war ich schon gespannt und ich muss sagen, es funktioniert sehr gut. Die Pizzeria hat mir übrigens sofort Berlin-Vibes gegeben, frag mich nicht warum, es sind wahrscheinlich die unbehandelten Wände. Liebe auch für Ausführungen zur sprachlichen Situation und ihren Kommunikationswegen/möglichkeiten, ich mag's, dass Kai gutes Deutsch spricht, aber eben noch nicht perfekt. Nice. Mehrsprachigkeit FTW!
Und omfg. Es ist irgendwie sehr befriedigend zu lesen, wie alle zusammenkommen, der Clubname wird immer passender - und ich LIEBE das DJ-Kollektiv Ostblocc jetzt schon. *chef's kiss* Liebe auch für Drag Queen Olivier bc yes. YES. Yuriy und Mathilda sind auch so eine Kombination, die ich sehr gern hab, ich bin mir sicher, dass das cool wird.



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