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Falling From Grace

von

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Blood Rain (hide - Teil 1)

Ein ganz normaler Tag. Langweilig wie sonst auch. Seufzend schloss Hideto die Haustür auf und schleppte seinen müden Körper in den Flur. „Mama? Ich bin wieder da.“ Stille antwortete ihm und erst als er sich seine Schuhe ausgezogen und sicher gestellt gehabt hatte, dass die Haustür wieder verschlossen war, wurde ihm bewusst, dass er allein war. Natürlich. Wie immer. Seine Mutter schob ja tagtäglich Überstunden seit sein Vater verschwunden war. Zum kotzen. Aber er wollte nicht schon wieder darüber nachdenken und schlurfte murrend ins Wohnzimmer um sich dort aufs Sofa fallen zu lassen und den Fernseher anzuschalten. Diese Welt war einfach wahnsinnig ungerecht und er würde sich wohl nie damit abfinden können, geschweige denn sich daran gewöhnen. Sein großer Bruder war vor zwei Jahren bei Nacht und Nebel einfach verschwunden und trotz allem beharrte seine Mutter darauf, dass er jeden Tag wieder zurück kommen würde. Wenn es nach ihm ging, so war sich Hideto mehr als sicher, dass Hiroshi irgendwo in der Gosse gelandet war und dort sein Leben fristete, sofern er überhaupt noch am Leben war. Es war hart, aber was sollte er tun mit seinen dreizehn Jahren? Sicher hatte er ab und an die Gedanken gehabt, nach seinem Bruder zu suchen. Nach Tokyo zu fahren und dort die Punkszene abzuklappern und seinen Bruder am Ohr zurück nachhause zu bringen. Aber realistisch gesehen war Hiroshi selbst Schuld an seiner Situation, welche auch immer das sein mochte. Seufzend fuhr sich Hideto durch die Haare, während er mit halbem Ohr einem Zahnpastawerbespot zuhörte. Absolut unnötig. Die Menschen, welche Zahnpasta wirklich brauchten konnten sie sich meist nicht mal leisten und der Rest war ja beinahe schon gezwungen sich mit dem Zeug auseinander zu setzen.
 

Murrend angelte er sich die Fernbedienung vom Wohnzimmertisch um umzuschalten und verdrehte die Augen als er bei einer Soap landete. Auch nicht viel besser. Natürlich hätte er sich mit seinen Hausaufgaben befassen können, aber das würde seine Langeweile auch nur für eine halbe Stunde im Zaum halten, nicht mindern. Es war grauenvoll. Kopfschüttelnd hatte er sich schließlich erhoben und war in die Küche gegangen um sich eine Flasche Cola zu holen und mit dieser wieder auf dem Sofa Platz zu nehmen. Keine fünf Minuten später hatte er erneut umgeschalten, dieses Mal auf einen Nachrichtensender. Das klang doch schon besser. Auch wenn es ein internationaler Sender war, fiel es ihm nicht schwer das Thema zu verfolgen und ein Grinsen huschte über seine Lippen. Wenn seine Mutter nur hier wäre, hätte er ihr problemlos alles übersetzen können. Fremdsprachen waren noch nie ein Problem für ihn gewesen, aber was nützte es ihm, hier, wo das einzige Fremdsprachenbuch in ihrer Bibliothek ein Übersetzungsbuch war? Nachdem sich die Nachrichten drei Mal wiederholt hatten, schaltete er den Fernseher aus und begab sich seufzend auf sein Zimmer. Es wurde ja doch nicht besser wenn er nur hier herum saß. Also widmete er sich dem Einzigen, dass es momentan schaffte seine Aufmerksamkeit bei sich zu behalten - seinem Skizzenblock. Lange dauerte es nicht und er war vollkommen darin vertieft, die Nachbarskatze zu zeichnen. Er liebte Katzen, aber seine Mutter hatte gesagt, dass sie keine halten konnten. Vielleicht auch einer der Gründe, wieso er gern allein durch die Gegend streifte und versuchte Streuner anzulocken. Bis jetzt jedoch ohne großen Erfolg, die Straßenkatzen waren viel zu misstrauisch um sich allein durch etwas Futter um die Pfote wickeln zu lassen. Leider.
 

Als er nach mehreren Stunden hören konnte wie die Haustür aufgeschlossen wurde, entkam ihm ein leises Seufzen, welches tiefer wurde, als hide merkte dass seine Mutter offenbar nicht allein war. Sie führte sonst keine Selbstgespräche und er verdrehte leicht die Augen und starrte wieder auf das beinahe fertig gestellte Bild vor sich. Es zeigte die Katze ausgestreckt, auf dem Rücken liegen, alle Pfoten in der Luft im Versuch einen Schmetterling zu ergreifen und er musste lächeln. Ja, das war wahnsinnig gut geworden. Er hatte gerade ansetzen wollen die Schattierungen zu vertiefen, als er seinen Namen hörte und ein Murren von sich gab. Er wollte nicht nach unten gehen, seine Mutter hatte doch sicherlich wieder nur eine der Nachbarinnen getroffen und er wollte mit niemandem reden der ihn niedlich fand. Er war nicht niedlich. Was jedoch seine Aufmerksamkeit auf sich zog war ein „Hideto komm endlich runter, dein Bruder ist zurück!“ Und er runzelte irritiert die Stirn. Wieso sollte Hiroshi zurück gekommen sein? Und dann auch noch zu ihnen? Das ergab keinen Sinn, aber er stand auf - und stolperte erstmal einige Schritte, fluchend, weil seine Beine eingeschlafen waren. Offenbar war es keine intelligente Idee gewesen, sich im Schneidersitz aufs Bett zu setzen auch wenn er sich so gut an die Wand dahinter hatte anlehnen können. „Ich komm ja schon!“ Bedeutete das etwa dass sie heute Abend etwas richtiges essen würden? Fleisch oder ähnliches? Wenigstens seine Beine zeigten ein Erbarmen und lange dauerte es nicht, bis Hideto die Treppe erreicht hatte und auf dem ersten Absatz stoppte. Irgendetwas schien ihm plötzlich unstimmig, es war als läge ein unbestimmbarer Geruch von Gefahr über allem und er war versucht zurück in sein Zimmer zu rennen und die Tür zuzuschlagen.
 

Jedoch folgte er schließlich den Stimmen in die Küche - seine Mutter bereitete gerade Tee zu und hatte ihm den Rücken zugedreht, aber der junge Mann der auf einem ihrer Küchenstühle saß fiel ihm sofort ins Auge und er erstarrte. Das war nicht Hiroshi. Das war nicht sein Bruder den er trotz allem geliebt hatte, alles schien verzerrt zu sein und die Haarfarbe war komplett falsch. Hiroshi hatte schwarze Haare gehabt, so wie er selbst, keine braunen. Wie seine Mutter darauf gekommen war, dass das sein Bruder war, würde ihm ein Rätsel bleiben. „Mama…Das ist nicht…“ Weiter kam Hideto jedoch nicht, er hatte gerade einen Schritt auf seine Mutter zugemacht, als der Unbekannte sich bewegt hatte. Seine Mutter hatte sich zu ihm umdrehen wollen, sicher um ihm zu sagen, dass er sich Dinge einbildete, aber dazu kam sie nie. Der Schnitt der ihre Kehle durchtrennte hinderte sie effektiv daran und Hideto schnappte erschrocken nach Luft als ihm ihr Blut ins Gesicht spritzte. Die ganze Welt schien mit einem Schlag still zu stehen, der Körper seiner Mutter sank Stück für Stück zusammen und die Schale mit Grüntee welche sie gerade zubereitet hatte, wurde durch eine letzte Armbewegung von der Küchenzeile geschubst. Tee und Scherben verbreiteten sich auf dem Küchenboden und der logische Teil von Hidetos Gehirn schrie ihm zu, dass er rennen sollte, aber er schaffte es nicht, auch nur einen Schritt zu machen. Es wollte alles keinen Sinn ergeben und erst als der Unbekannte sich ihm zuwandte, schaffte er es sich umzudrehen und zu rennen. Er kam bis ins Wohnzimmer bevor ein heftiger Schlag auf den Hinterkopf ihn traf und er das Bewusstsein verlor.
 

Als er wieder zu sich kam, dauerte es bis Hideto die Augen öffnen konnte. Sein Kopf dröhnte, ihm war schlecht und er wünschte sich, er hätte die Augen geschlossen behalten, da ihn eine Welle der Übelkeit traf, die es beinahe unmöglich machte, irgendetwas von seiner näheren Umgebung wahrnehmen zu können. Mit einem leisen Wimmern rollte er sich zusammen, wurde jedoch im nächsten Moment auch schon am Kragen nach oben gezogen und keuchte erschrocken auf. Der Kerl der seine Mutter umgebracht hatte, schenkte ihm ein kühles Lächeln und er erschauderte. „Schön dass du wach bist. Hätte ungern erklärt wieso du drauf gegangen bist, aber na ja.“ Ein Schulterzucken und Hideto drehte sich erneut der Magen um. Es ergab nach wie vor absolut keinen Sinn für ihn und er war momentan sowieso mehr damit beschäftigt, sich nicht an Ort und Stelle zu übergeben. Nicht dass der Kerl es nicht verdient hätte, wenn er ihn ankotzen würde, aber er hatte das dumpfe Gefühl, dass er es wäre, der dafür dann bestraft werden würde. „Dann wollen wir dich mal abliefern, huh?“ Damit wurde er auch schon über die Schulter des Anderen geworfen und schloss müde die Augen. Vielleicht würde er endlich eine Erklärung für alles bekommen. Ein Teil von ihm hoffte zwar immer noch auf einen Alptraum oder einen makaberen Scherz, aber der rationale Teil in Hideto war sich wohl bewusst, dass es besser war sich zu benehmen. Davon ab fühlte er sich wirklich nicht in der Lage um wegzurennen. So ließ er sich stumm tragen, immer darum bemüht den Wellen der Übelkeit nicht nachzugeben, welche immer noch an ihm zerrten. Lange liefen sie nicht, bevor er auf die Füße gestellt wurde und einen Schubs erhielt, der ihn nach vorne stolpern und zusammen sacken ließ, nachdem seine Beine entschieden hatten, dass sie nicht mehr wollten. Er sah nicht mal auf, auch wenn alles was er von seiner Position aus sehen konnte ein paar Treppenstufen waren und das untere Ende eines Thrones. Hatte der Kaiser ihn etwa entführt? Nein, unmöglich.
 

Hätte er gekonnt, hätte er über diese unsinnigen Gedanken gelacht, so aber blieb er liegen und versuchte so flach zu atmen wie möglich. „Das ist er? Wirklich? Ich dachte, er wäre älter. Aber du hast alle Zeugen beseitigt?“ Die Antwort musste nonverbal gewesen sein, da der Mann der ihn hier her gebracht hatte, keinen Laut von sich gab und dann bohrte sich die Spitze eines Schuhes hart in seine Wange und er verzog das Gesicht. „Nun gut. Hiroshi wird wissen, was er tut. Du kannst dich bei ihm bedanken. Vielleicht mit einer schönen Kugel in den Kopf.“ Hideto erschauderte, aber noch bevor er ansetzen konnte, zu widersprechen, wurde er an den Haaren nach oben gezogen, dass er in einer sitzenden Position verharrte und alle Worte erstarben auf seiner Zunge als er sein Gegenüber sah. Es war, als hätte er dem Tod persönlich ins Gesicht gesehen. Schwarze, ausdruckslose Augen musterten ihn kühl und er fühlte sich automatisch an einen Bauern erinnert, der sich neues Vieh besah, welches er kaufen wollte. Nur dass er das Vieh war. Das Alter des Mannes war schwer zu schätzen, einerseits ließen dessen braunen Haare ihn jung wirken, andererseits wies sein Gesicht die Falten eines alten Mannes auf. Die unzähligen Narben machten es nicht besser und spätestens jetzt war sich Hideto mehr als sicher dass Flucht keine Option war. Und falls er das doch in Angriff nehmen würde, würden ihm die Konsequenzen sicherlich nicht gefallen.
 

Wenigstens wurde er schlussendlich losgelassen und sank erneut zusammen. Er war wahnsinnig müde, sein Kopf dröhnte nach wie vor und die Übelkeit hatte nur ein kleines bisschen nachgelassen. Was wollte diese Person nur von ihm? „Weißt du, eigentlich kannst du einem Leid tun. Dein eigener Vater war so schwach…Er hat mir seine Söhne verkauft, für das Versprechen, ein ruhiges Leben führen zu dürfen. Es hätte alles so schön sein können, hätte er nicht versucht seine Frau zu kontaktieren.“ Ein Schulterzucken und Hideto erschauderte als ihm langsam bewusst wurde, was er da zu hören bekam. Er war an die Yakuza verkauft worden? Zusammen mit Hiroshi? Dann war sein Bruder nicht freiwillig gegangen und auch sein Vater war nicht von heute auf morgen verschwunden, weil er sie nicht mehr ertragen konnte? „Jetzt wird er mit den Konsequenzen leben müssen. Was denkst du, wie wird er das aufnehmen, dass seine Frau und sein erstgeborener Sohn tot sind, nur wegen ihm?“ Hätte er sich aufrichten können, er hätte es in dem Moment getan, so aber blieb Hideto nur auf einen unbestimmten Punkt auf dem Boden zu starren, während er deutlich spürte, wie die Tränen hinter seinen Augen zu brennen begannen. Das durfte alles nicht wahr sein. „Keine Sorge, wir kümmern uns gut um dich.“ Ihm wurde der Kopf getätschelt und dann wurde er auch schon wieder auf die Beine gezogen. Es wunderte ihn nicht mal, dass das nicht der gleiche Kerl von vorhin war und er stolperte mehr oder weniger mit, seine Beine zitterten zu stark um ihn wirklich tragen zu können. Wider Erwarten wurde er in ein Zimmer mit einem Futon geführt, auf dem er zusammenbrach, kaum dass er allein gelassen worden war. Es dauerte nicht lange, bis die Tränen kamen und es dauerte, bis er sich ausgeweint gehabt hatte und im Kopf nochmal alle Fakten durchging, die er bisher gehört hatte. Sein Vater war bei den Yakuza gewesen, aber hatte ein normales Leben haben wollen.
 

Dafür hatte er Hiroshi und ihn verkauft und…Seine Mutter…war tot. Wegen einem Mann der sich mehr um sich selbst kümmerte, als um seine Kinder. Irgendwie hatte er es geschafft, sich gerade noch rechtzeitig zur Seite zu drehen, bevor er sich übergeben musste und danach fühlte er sich zumindest irgendwie besser. Nur wie sollte er sich an so ein Leben gewöhnen? Dass er nicht hier war um gefoltert zu werden, war überdeutlich. Die Yakuza schienen Erwartungen an ihn zu haben die sein Bruder nicht hatte erfüllen können und Hideto erschauderte allein bei dem Gedanken daran was sie von ihm verlangen könnten. Er war doch noch ein Kind verdammt! Andererseits wurden Kinder bei den Yakuza von Geburt an darauf trainiert, nützlich für den Clan zu sein. Würde er also so lange am Leben bleiben, bis er ihnen zeigte, dass er nicht für so ein Leben geeignet war? Oder war das alles nur eine Falle gewesen, der Versuch ihn irre zu machen und ab morgen wäre er wieder zuhause? Mit einem leisen Wimmern hatte er sich schlussendlich auf dem Futon eingerollt, während ihm erneut die Tränen kamen. „Mama….“ Warum tat es nur so schrecklich weh zu wissen, dass er sie nie wieder sehen würde? Hätte er geschwiegen in der Küche, wäre sie immer noch am Leben? Wie sollte das alles nur weiter gehen? Sollte er wirklich kooperieren? Immerhin an sich hatte er keine Wahl. Er war nur ein Kind, ohne Kontakte, ohne eine Ahnung wie die Welt funktionierte in der er sich jetzt befand. Yakuza waren von der Gesellschaft verstoßen, verachtet und er hatte Angst vor dem Tod. Aber die Erschöpfung nahm ihm die Entscheidung fürs Erste ab, indem sie ihn in einen barmherzigen Tiefschlaf fallen ließ. Morgen würde er sich immer noch entscheiden können sofern er die Nacht überlebte.



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