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Umwege einer Liebe

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Achtung! Achtung!
Wichtige Durchsage!

Ich empfehle Beruhigungstee, Nervenschokolade und Taschentücher!

Ende der Durchsage!

Und jetzt trotzdem viel Spaß beim Lesen ;D

Liebe Grüße <3
Cathy Komplett anzeigen

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Die GANZE Wahrheit

Montag, 25.06.
 

„Na? Habt ihr Zwei das noch krachen lassen?“, wollte eine vergnügte Stimme hinter ihnen wissen und Oikawa seufzte schwer, als Bokuto einen Arm um seine Schulter legte. Bei Iwa, mit dem er schweigend nebeneinander gegangen war, tat er dasselbe und grinste sie abwechselnd breit an. Mussten sie auf dem Weg zum Training ausgerechnet ihm in die Arme laufen? Hatte er etwa gehört, wie er Iwa … ? Bitte, bitte nicht! Vielleicht sollte er die Stadt verlassen und irgendwo anders noch einmal neu anfangen. Das war alles so peinlich …

„Die Frage ist jawohl eher, ob du deinen Mut endlich mal zusammengenommen hast, um es Akaashi zu besorgen anstatt ihn nur zu küssen“, konterte das Ass sichtlich genervt und schaute den Eulenkopf herausfordernd an.

Einen Augenblick schauten sie ihn beide perplex an, dann fing Oikawa herzlich an zu lachen. Mit dieser Retourkutsche hatte er offenbar gar nicht gerechnet und so vor den Kopf gestoßen, sah man den Eulenkopf nur sehr selten.

„Hey! Hey! Hey!“, kam es überrascht zurück und Bokuto sah mit großen Augen zwischen ihnen hin und her.

„Woher –?“

„Schuss ins Blaue, aber so schwer, wie du dich bisher mit ihm getan hast, wundert mich das jetzt nicht“, entgegnete Iwaizumi trocken und der Setter konnte sich nur schwer wieder einkriegen. Absolut cool, wie souverän Iwa vom eigentlichen Thema abgelenkt und Bokuto gleichzeitig in Verlegenheit gebracht hatte.

„Kotarou, da bist du ja endlich! Wir wollten uns doch schon vor einer Stunde getroffen haben, um noch zu trainieren!“

Akaashi erschien, mit Händen in die Hüften gestemmt und vorwurfsvollem Blick, in der Tür der Halle und fixierte ihn genervt. Wie es aussah, hatte Bokuto heute auch einen schlechten Tag erwischt. Dann war er wenigstens nicht der einzige, stellte er noch immer mit einem Schmunzeln fest. Immerhin war ihm klar geworden, dass er Iwaizumi so schnell wie möglich die Wahrheit beichten musste. Da war es dahin, das Lächeln auf seinen Lippen … Aber er hatte keine Wahl. Jetzt oder nie. Und nie konnte er seinem besten Freund nicht antun. Und sich selbst irgendwie auch nicht …

Sie hatten seit Iwas Flucht aus seinem Zimmer kein Wort mehr gewechselt und trotzdem war das Ass zu ihm geschlendert, als er auf dem Weg zur Halle gewesen war und sie hatten ihren Weg nebeneinander schweigend fortgesetzt.

Jetzt stammelte Bokuto etwas von einer Entschuldigung, während er zwischen ihnen hindurch auf den anderen Setter zuging und Oikawa schaute kurz zu Iwaizumi rüber, der kurz den Kopf schüttelte und dann reinmarschierte, um sich umzuziehen.
 

Während er sich umzog und dabei sämtliche andere Blicke mied – zu seinem Leidwesen waren die meisten des Teams noch in der Umkleide und lachten und quatschten über die Party – wanderten seine Gedanken kurz zu gestern Abend, als er sich noch mit Kana getroffen hatte. Es war wie erwartet ausgegangen. Er hatte sich zwar dankbar für seine Ehrlichkeit gezeigt – im Inneren schien er vor Wut brodeln, was er absolut hatte nachvollziehen können –, wollte aber Abstand und war mit enttäuschtem Gesichtsausdruck abgerauscht. Allein sein Gesicht sehen zu müssen, hatte ihm das Herz ein zweites Mal gebrochen. Da war jemand in sein Leben getreten, der ihn begehrte, der ihn vielleicht sogar liebte und er trat das mit Füßen. Anstatt die Chance zu nutzen, sich endlich von Iwa zu lösen und etwas Eigenes aufzubauen, hatte er alles kaputt gemacht, was ihm wichtig war. Hätte er sich nicht zu diesem Unsinn hinreißen lassen, hätte er heute vielleicht einen Partner und garantiert immer noch einen besten Freund.

Er musste die Gedanken verdrängen. Das alles würde ihn noch zerstören, wenn er sich weiter so den Kopf darüber zerbrach. Und an Kana wollte er jetzt gar nicht mehr denken. Das tat alles so weh.

Geschlafen hatte er nur kaum – hatte sich nur in seinen Gedanken verheddert und versucht, das alles irgendwie zu entwirren – und wenn er doch eingedöst war, hatte er Alpträume gehabt. Dementsprechend fühlte er sich heute, aber er wollte – nein, er musste – zum Volleyballtraining. Auch wenn Iwaizumi da war, würde es ihn ablenken. Das wusste er. Auf dem Spielfeld konnte er alle Gedanken ausblenden und sich einzig und allein auf den Ball fixieren. Und das brauchte er jetzt dringender denn je.
 

Alle gemeinsam trotteten sie in die Halle, wo vom Trainer noch jede Spur fehlte. Na toll. Dann konnte das Gequatsche ja weitergehen. Da hatte Oikawa überhaupt keine Lust drauf.

„Alter Yamaguchi! War ja der Hammer, wie du Samstagnacht als DJ Stimmung gemacht hast!“

Grinsend kam Makki auf die Krähe zu, der das alles sichtlich peinlich war.

„Fa-fandest du?“, stammelte Tadashi vor sich hin und neben Makki stimmten noch einige andere zu, die das gehört hatten. Auch er selbst musste zugeben, dass er als DJ definitiv seine Berufung gefunden hatte. Es hatte Spaß gemacht, zu seiner Musik zu tanzen, auch wenn er damit für immer diese verhängnisvolle Nacht assoziieren würde.

„Und du, Oikawa? Seid ihr gut nach Hause gekommen?“, hakte Kuro grinsend nach, während er auf ihn zukam und er schaute sich kurz um. Seine Rettung, die bestimmt wieder einen flotten Spruch auf den Lippen gehabt hätte, unterhielt sich ein paar Meter weiter mit Komi und Hayato. Na super, also musste er das allein auf die Reihe bekommen.

Schnell setzte er sein strahlendes Lächeln auf und verbannte jegliche Emotionen aus seinen Augen. Es wurde Zeit, seine schauspielerischen Fähigkeiten wieder einmal unter Beweis zu stellen.

„Wie süß! Hast du dir etwa Sorgen um uns gemacht? Das brauchst du aber nicht, Kitty-chan! Wir sind mit einem Taxi ganz sicher und bequem nach Hause gekommen.“

„Sehr schön! Und? Ging da noch was? Immerhin seid ihr echt abgegangen! Das kann euch doch nicht kalt gelassen haben!“

Das breite Grinsen im Gesicht des Kapitäns und seine Frage forderten sein Schauspieltalent ordentlich heraus, doch er würde sich nicht vor ihm blamieren. Das konnte die Katze noch so sehr drauf warten.

„Hey Kuro! Hast du vorhin die Nachricht von Yumi gelesen?“, meldete sich plötzlich Inouka zu Wort und schritt auf sie zu. Oikawa hätte ihm beinahe ein Küsschen auf die Wange gegeben, weil er Kuro von ihm ablenkte. Hatte er etwa doch mal Glück? Wenigstens ein kleines bisschen?

„Ja, habe ich. Und? Hast du Zeit?“, wandte sich die Katze von ihm ab und Oikawa konnte es kaum fassen. Schnell entfernte er sich von ihm und stellte sich neben Kageyama, der mit verschränkten Armen dastand und kopfschüttelnd seinen Freund beobachtete, der mit Bokuto über irgendetwas schwärmte.

„Hey Tobio-chan.“

„Was gibt es, Oikawa?“

„Wie kam es, dass du dir den Flummi geangelt hast?“, fragte er mit einer Unschuldsmiene. Eigentlich hatte er das schon viel fragen wollen, denn die Nachricht in der Tiefgarage hatte ihn sehr verwundert. Doch bisher war immer irgendetwas dazwischengekommen. Außerdem konnte er sich so vielleicht vor den anderen retten, weil er in einem Gespräch war. Hoffen durfte man doch, oder nicht?

„Das … hat sich so ergeben. Es war mehr ein Zufall, als von uns beabsichtigt. … Und Iwaizumi und du?“, fragte er und die dunklen Augen schauten ihn jetzt direkt an. Im Gegensatz zu Bokuto oder Kuro hatte er bei ihm das Gefühl, dass es einfach nur eine Nachfrage war, weil er sie im Club gesehen hatte. Außerdem war Kageyama ein sehr intelligenter Mann, der garantiert in der Lage war, eins uns eins zusammenzuzählen.

„Ich weiß es nicht …“, murmelte Toru und schaute zu Iwaizumi, der mit Hayato über irgendetwas lachte und sich abklatschte. Er liebte dieses Lachen von ihm, das ließ seine Schmetterlinge immer Extrarunden drehen, doch jetzt … tat es irgendwie nur weh.

„Gib ihm Zeit“, sagte Tobio schlicht und trabte an ihm vorbei, weil der Trainer hereingekommen war. Was? Was sollte das denn jetzt heißen? Seit wann war hier sein Schüler der große Liebesberater? Hatte er da irgendetwas verpasst?

Egal, jetzt musste er sich auf das Training konzentrieren. Danach konnte er sich noch ausgiebig mit der Aufforderung beschäftigen.

Also wärmte sich das Team auf und sie begannen ihr Training.
 

Es hatte etwas Magisches. Der Setter hatte Angst gehabt, dass das Training in einer halben Katastrophe enden würde, als der Trainer Iwa und ihn für ein Spiel ins gleiche Team eingeteilt hatte. Doch auf dem Spielfeld rief Iwa nach jedem Ball und er hatte sich wie immer bewegt. Als wäre nichts zwischen ihnen passiert. Dabei hatte sich alles geändert. Es fühlte sich so schmerzhaft vertraut an. Also war Hajime in der Lage, auf dem Feld ebenso alles auszublenden, wie er selbst. Vielleicht sollten sie das Feld nie wieder verlassen. Dann hätte er Iwaizumi wenigstens an seiner Seite.
 

Nun war das Training zu Ende und etwas verloren stand der Setter noch auf dem Feld und schaute zu seinem besten Freund rüber.

„Iwa?“

„Was ist?“

Der Braunhaarige stand ein paar Meter von ihm entfernt am Geräteraum, wo er den Ballwagen hingeschoben hatte und blickte zu ihm. Diese Distanz zwischen ihnen. Das brachte ihn um den Verstand! Er wollte, dass es wie vor dem Wochenende war, wo sie miteinander lachen konnten, sich gegenseitig anzickten und sich umeinander kümmerten, wenn es dem anderen schlecht ging.

Aber das hier … Das machte ihn fertig.

„Magst du bitte noch kurz bleiben?“

„Okay …“

Sein Herz hämmerte gegen den Brustkorb und Oikawas Hände wurden schweißnass. Lange hatte er gestern Abend noch nachgedacht, was er tun sollte und es war immer klarer geworden, dass er ihm die Wahrheit so schnell wie möglich offenbaren musste. Die ganze Wahrheit. Damit sie sich nicht noch mehr quälten und anfangen konnten, damit abzuschließen und irgendwie wieder klar zu kommen. Wie auch immer das dann aussehen sollte. Er hatte keine Ahnung. Das einzige, was er wusste, war, dass er Angst hatte. Angst, seinen besten Freund für immer zu verlieren, weil er im Alkohol etwas Dummes getan hatte.
 

Die anderen schlenderten bereits in Richtung der Umkleidekabinen, während Iwaizumi und er noch abwartend auf dem Spielfeld standen, als die Hallentür plötzlich aufgerissen wurde und Mako in der Tür auftauchte.

„Ah, ihr seid noch da! Zum Glück!“

Außer Puste hielt sie sich am Türrahmen fest und die Gruppe blieb stehen. Verdammt, warum musste sie ausgerechnet jetzt auftauchen? Die Lage war doch schon beschissen genug! Er wollte Iwa endlich alles sagen, bevor ihn doch noch der Mut verließ!

„Was ist los, Mako? Hattest du nicht noch einen Termin?“, wollte Akaashi wissen und alle wandten sich ihr zu.

„Ich konnte den zum Glück schnell hinter mich bringen. Aber ich wollte euch noch etwas fragen.“

„Worum geht es?“, wollte Tsukishima wissen und putzte währenddessen halb desinteressiert seine Brille. Es gab halt doch Dinge, die sich nie ändern würden. Von seiner Freundschaft zu Iwa hatte der Setter früher einmal dasselbe gedacht. Wie sehr man sich irren konnte …

„Hat einer von euch vielleicht ein Sofa für ein paar Tage frei?“

„Warum denn das?“, hakte Kuro irritiert nach.

„Ich hatte einen ziemlich fiesen Streit mit Kaori und Yukie und ich will die Zwei gerade nicht sehen …“

Sie hatten Streit gehabt? Ob es dabei um die Trennung von Iwaizumi gegangen war? Irgendwie beschlich Toru das Gefühl und er schaute kurz zu Iwa rüber, der sich aber nichts anmerken ließ und die Szene schweigend mit versschränkten Armen beobachtete.

„Klar, kein Problem. Ich habe ein ganzes Zimmer frei“, bot Hayato an und sie begann zu strahlen.

„Wirklich?“

„Ja, mit Bett, Kleiderschrank und allem drum und dran.“

„Das ist großartig! Könntest du dann noch kurz mitkommen, damit ich eine Tasche packen kann?“

„Klar, ich zieh mich nur eben um, dann können wir mit dem Auto fahren. Dann kannst du so viel mitnehmen, wie du möchtest.“

Sie nickte und versprach, draußen zu warten und schloss die Tür wieder.
 

Die anderen trotteten, in Gespräche vertieft, die Oikawa nicht interessierten, weiter in Richtung der Kabinen. Seine Übernachtungsmöglichkeit war damit weg. Gestern hatte er es verpennt, Hayato danach zu fragen und jetzt war ihm Mako zuvorgekommen.

Iwaizumi setzte sich ebenfalls in Bewegung, da er wohl vergessen hatte, dass er noch mit ihm reden wollte und ohne nachzudenken, hielt er sein Handgelenk fest, nachdem er zu ihm gegangen war, was seinen besten Freund ruckartig stehenbleiben ließ. Was er wohl gerade über die Berührung dachte? Aus seinem Blick konnte er jedenfalls nichts deuten …

„Bitte warte …“

„Was ist denn? Ich brauche Zeit …“

„Ich weiß, aber … Ich muss dir noch etwas sagen, Iwa. Bitte.“

Der Braunhaarige schien kurz abzuwägen, ob er es wagen konnte und schaute den anderen hinterher, die nicht mitbekamen, dass sie ihnen nicht folgten und seufzend drehte er sich zu ihm um.

„Okay … Schieß los.“

Toru hatte diese illusorische Hoffnung gehabt, dass es ihm auf dem Spielfeld leichter fallen würde, Hajime alles zu sagen, aber das war absolut nicht der Fall. Er spürte sein schnell schlagendes Herz, das Gefühl, dass er sich jeden Moment vor Aufregung übergeben musste, doch das war alles unerheblich. Jetzt musste er da durch. Um Iwas Willen und um seinen eigenen.

Die Tür fiel ins Schloss und plötzlich war es unnatürlich still in der Halle. Nur ihrer beider Atmung war zu hören, sonst nichts. Nach dem Trubel bis vor ein paar Sekunden fühlte sich das seltsam an.

Er strich sich durch die Haare, schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Dann begann er zu reden und zwang sich dazu, seinem besten Freund dabei in die Augen zu schauen: „Es ist mir klar geworden, als wir vor zweieinhalb Jahren gegen Karasuno verloren hatten. Als du dagestanden und geweint hattest, weil du den letzten Ball nicht verwandelt hattest. Von dem Moment an wusste ich, dass da mehr war. Mehr als Freundschaft. Ich wollte dich nicht so weinen sehen. Am liebsten hätte ich dich in den Arm genommen und die Tränen weggeküsst.“

Die grünen Augen wurden immer größer, aber er sagte nichts, also fuhr Toru fort: „Ein paar Wochen später war ich mir sicher, dass ich mich in dich verliebt hatte. Dass du mehr warst als mein bester Freund. Ich wollte dich küssen, mit dir kuscheln und zu zweit was unternehmen. Doch ich hatte wahnsinnige Angst, es dir zu sagen. Um nichts auf der Welt wollte ich durch das Geständnis unsere Freundschaft gefährden, also schloss ich meine Gefühle tief in mir ein.“ Der Setter machte eine kurze Pause, verdrängte aufkommende Erinnerungen, dann sprach er weiter: „Schließlich zogen wir gemeinsam in die WG hier. Ich genoss es, wenn du dich um mich gekümmert hast, wenn ich krank war oder mir mein Knie schmerzte, wenn wir uns stundenlang unterhalten haben oder ich uns nach Mitternacht noch was gekocht habe, aber aus Angst habe ich immer weiter geschwiegen. … Und dann kam Kaori …“

„Du warst eifersüchtig. Weil sie an meiner Seite war …“

Die dunkle Stimme klang so ruhig, so analytisch, so … gefühllos. Es war ihm unmöglich, den Blickkontakt weiter aufrechtzuerhalten und er ließ den Kopf sinken, schaute auf den Hallenboden. Mit der rechten Hand krallte er sich in seinen linken Ellbogen und nickte leicht.

„Ja … Ich habe mich dennoch für euch gefreut, weil du in der Zeit so viel entspannter warst. Sie war die Richtige für dich und ich hatte den Entschluss gefasst, dass ich mich auch mit ihr anfreunden würde, damit ihr Zwei glücklich werden könnt. Ich wollte immer – und ich will es auch immer noch –, dass es dir gut geht. Und sie tat dir gut. Das habe ich sofort gesehen. Nichtsdestotrotz tat es unglaublich weh. Euch küssend zu sehen, brach mir gefühlt mehr als einmal das Herz, aber ich versuchte, mich damit zu arrangieren.“

„Und Kana? Ich hatte den Eindruck, dass du dich in ihn verliebt hast … Immerhin habt ihr viel Zeit verbracht und wart auch schon im Bett.“

„Das …“ Oikawa brauchte einen Moment, um sich zu sammeln. Alles hier fühlte sich so komisch an. Doch er war es ihm schuldig, reinen Wein einzuschenken, also fuhr er mit zitternder Stimme fort: „Ja, ich mag ihn unglaublich gern. Und wenn das auf der Party nicht passiert wäre, wäre vielleicht auch mehr daraus geworden, aber … Nachdem du nach der Trennung versucht hattest, mit Kaori zu reden und sie dich abblitzen ließ, kam sie zu mir.“

„Was!?“

Unbeirrt von Iwas fassungslosem Gesichtsausdruck redete er weiter: „Sie hat mir erzählt, dass ihr erster Freund eine Affäre hatte und sie das aufgrund eines Liebesbriefes herausgefunden hatte. Daher ist sie, was das Thema angeht, sehr empfindlich. Aber … Sie hat mir auch noch etwas anderes gesagt.“

„Schön, dass sie dir wenigstens alles erzählt, wenn schon nicht mir“, zickte Hajime mit verschränkten Armen und er konnte ihn gut verstehen. Das hätte sie dem Ass erzählen sollen und nicht ihm. Aber er konnte es nicht ändern und er war noch immer nicht fertig.

„Sie hat außerdem gesagt, dass der eigentliche Grund für die Trennung – neben dem Brief und dem verschwiegenen Unfall – war, dass sie das Gefühl hatte, dass du Gefühle für mich hast …“

„WAS!? Das ist doch nicht ihr Ernst!“

Iwa raufte sich die Haare und marschierte vor ihm auf und ab. Toru war klar, dass Iwa jetzt vieles zu hören bekam, was er verarbeiten musste. Aber wenn das hier in irgendeiner Form noch eine Zukunft haben sollte, musste jetzt alles raus. Sonst würde nur ein Stachel immer weiter bohren und eine mögliche Annäherung irgendwann komplett zerstören. Auch wenn ihm die Reaktion tief in sein eh schon verletztes Herz schnitt.

„Sie sagte, dass du dir dessen wahrscheinlich selbst nicht bewusst bist, aber wie du mich bei der Hausparty beim Tanzen fixiert hast, wie du über mich redest … Das ließ sie zu diesem Schluss kommen. Ich konnte das kaum glauben, aber ich hatte über zwei Jahre meine Gefühle versucht einzusperren und als sie mir das gesagt hat, war plötzlich alles wieder präsent. Alle Hoffnungen, Träume und Wünsche, die ich mit Kanas Hilfe endlich hatte beiseiteschieben können. Eigentlich wollte ich dir nach dem Unfall schon alles gesagt haben, aber mir hatte der Mut und der halbwegs richtige Zeitpunkt dafür gefehlt … Und dann war da plötzlich Kana und ich dachte, ich könnte mich in ihn verlieben und in dir endlich wieder den besten Freund sehen … Die zwei Wochen klappte das auch wirklich gut, doch dann kam die Party … Wir waren beide so betrunken und als ich gesehen habe, dass du Erleichterung brauchst, habe ich nicht mehr nachgedacht. Du warst wieder Single und ich wollte dich schon so lange küssen. Noch dazu die Aussage von Kaori, dass da vielleicht was in dir war, dessen du dir nur nicht bewusst bist. Also habe ich dich aufs Klo gezogen und dich geküsst. Du hast dich sofort darauf eingelassen und ich habe die Hemmungen verloren und weiter gemacht. … Das … ist die ganze Geschichte.“

„Deswegen hattest du seit der Trennung kurz vor dem Karasuno Spiel keine Beziehung mehr. Das erklärt einiges“, murmelte Iwaizumi, der noch immer auf und ab marschierte. Oikawa nickte leicht. Sollte er ihn anschauen? Wäre er darauf gefasst, was er da zu sehen bekam? Sollte er vor Scham einfach wegrennen? Nervös knetete seine Hand seinen Ellbogen, doch es brachte nichts. Die Unruhe blieb und wurde von Sekunde zu Sekunde unerträglicher. Die Stille zwischen ihnen machte ihn wahnsinnig. Was dachte er? Wie stand er dazu?

Als er es nicht mehr aushielt, schaute er auf und sah in diese zwei vertrauten, grünen Augen, die zeitgleich zu ihm sahen und erschrak. Sie gaben ihm nichts mehr preis. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte sich diese Augen vor ihm verschlossen. Es war aus. Er hatte verloren.
 

Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube, raubte ihm den Atem und ehe er selbst wusste, wie er darauf reagieren sollte, rannte er. Aus der Halle raus und immer weiter. Er hörte die Rufe der anderen, die gerade aus den Umkleiden nach draußen kamen, doch er nahm nicht wahr, was sie sagten. Es war egal. Belanglos. Mit seinen Gefühlen hatte er den einen Menschen verschreckt, der ihm wichtiger als alle anderen war. Den einen, der sein Rettungsanker war, als er seine Familie von sich gestoßen hatte. Der dafür gesorgt hatte, dass sie zu ihm zurückkehrte. Der immer auf ihn Acht gegeben hatte, damit er seinen Traum weiterträumen konnte. Der ihn trotz seiner Lüge weiter unterstützt hatte.

Die Tränen rannen über seine Wangen, die kühle Nachtluft begann in seinen Lungen zu brennen, doch er spürte nichts davon richtig. Er war viel zu gefangen in seinen Emotionen, um darauf reagieren zu können. Immer weiter und weiter rannte er, achtete nicht auf Ampeln, Autos oder andere Menschen.

Er wollte – nein, er musste – vor seiner Trauer und Enttäuschung wegrennen, doch das konnte er nicht. Sie waren in ihm. Er konnte davor nicht flüchten.

Die plötzliche Einsicht ließ ihn innehalten und mit Tränen in den Augen schaute er sich schwer atmend um. Wo war er überhaupt hingerannt? Offenbar in eine Wohngegend mit kleinen Häusern und Gärten. In dieser Gegend war er vorher noch nie gewesen und er hatte keine Sachen dabei. Nicht mal sein Handy oder sonst irgendetwas, hatte nur seine Sportklamotten an.

Die Abendluft ließ seinen Körper frösteln und er schlang die Arme um sich selbst. Sein Körper wurde so kalt, wie er sich innerlich gerade fühlte.

Wie sollte er nur weitermachen?



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