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Umwege einer Liebe

von

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Café Besuch

Freitag, 01.06.
 

Im Gegensatz zu Iwa, der freitags immer bis 16 Uhr Uni hatte und danach direkt zum Volleyballtraining gehen musste, war seine letzte Vorlesung um 13 Uhr zu Ende und meistens arbeitete er zu Hause die Uniwoche noch einmal grob nach, bevor er zum Training marschierte, doch dieses Mal schmiss er nur kurz seine Sachen in die Wohnung und schlenderte dann zu einem Cafe in der Nähe, wo Mai auf ihn warten wollte.

Es war ihr absolutes Lieblingscafe in Tokyo und wenn sie zu Besuch waren, waren sie fast immer dort.

Toru mochte es auch, denn im hinteren Sitzbereich gab es einen Brunnen, um den man sich herumsetzen konnte. Das leichte Plätschern des Wassers war sehr angenehm und beruhigend. Auch sonst war es in seinen hellen Tönen, der klassischen Einrichtung und der angenehmen Beleuchtung ein toller Ort zum Verweilen.

Am Eingang bestellte er sich Essen und Trinken und schritt danach zielsicher in den hinteren Bereich, wo Mai am Brunnen saß und ihm zuwinkte.

Mit einem Lächeln auf den Lippen näherte er sich ihr und sie stand auf, damit sie sich umarmen konnten.

„Hallo Großer, schön dich zu sehen! Setz dich doch. Hast du dir schon etwas bestellt?“

„Ich freu mich auch und ja, bestellt habe ich auch schon“, erwiderte er lächelnd und setzte sich neben sie. Um die Uhrzeit war es ziemlich voll hier, weil viele Angestellte ihre Mittagspause hier verbrachten. Dementsprechend waren überall Stimmen und Gemurmel zu hören, aber es war nicht allzu laut, sodass er das gut ausblenden konnte.

„Wie war dein Tag bisher?“, wollte sie gleich wissen und musterte ihn so fürsorglich, als ob sie prüfen wollte, ob er Anzeichen von Erschöpfung oder etwas anderem zeigte.

„Recht ereignislos. Freitags habe ich nur bis 13 Uhr Uni und normalerweise würde ich jetzt die Vorlesungen der Woche noch etwas durchgehen, bevor es zum Training geht, aber heute fällt es aus und ich bin ja auch mit dir verabredet.“

„Huch? Seit wann fällt denn bei euch Training aus? Die Male, die das in eurer Schulzeit passiert ist, kann ich glaub ich an einer Hand abzählen.“

Er grinste, da sie damit definitiv recht hatte. Selbst wenn der Trainer aus irgendwelchen Gründen das Training nicht hatte leiten können, hatte das der Lehrer übernommen, damit sie zumindest fit blieben und wenn auch das nicht geklappt hatte, dann hatten Iwa und er allein trainiert oder mit ein paar anderen, die auch Bock drauf hatten. Aber richtig ausgefallen war es nur ein paar wenige Male.

„Kaori wird morgen 20 Jahre alt und das gesamte Volleyballteam wird sie heute Abend mit einer Party überraschen. Ihre beste Freundin ist unsere Managerin und sie hat den Trainer belagert, damit wir uns heute in Ruhe in Schale schmeißen können und ausgeruht auf der Party erscheinen können.“

„Und das lässt der Trainer durchgehen?“

„Da wir bisher alle Spiele gewonnen haben, hat er wohl mal ein Auge zugedrückt.“

„Verstehe. Und du bist auch bei der Party dabei?“, hakte sie nach und er wartete mit seiner Antwort, da er seinen Kaffe und sein Sandwich serviert bekam.

Freundlich lächelnd bedankte er sich bei der Bedienung und wandte sich dann wieder Mai zu.

„Ja, bin ich. Erstens kann ich mich schlecht als einziger drücken und zweitens feiern wir in einem Club und ich kann schauen, ob es da nicht auch jemand anderen für mich gibt.“

Sie nickte langsam, schien aber nicht sonderlich überzeugt von der Antwort zu sein, weshalb er noch weiter sprach, um sich zu erklären.

„Weißt du, ich hadere schon so lange mit dieser Situation und ich weiß, dass das wahrscheinlich auch noch etwas anhalten wird, aber ich muss etwas tun. Ich werde mich nicht Hals über Kopf an jemand anderen heran schmeißen, du kennst mich. Ich will was Festes mit Zukunft, auch wenn ich bei Yukie für die eine Nacht schwach geworden bin. Aber das lag an Iwa, der so verdammt heiß tanzen kann!“

„Ach, kann er das? Dann hat er das von Shinichi. Der kann auch tanzen und alle werden schwach.“

Sie kicherte hinter vorgehaltener Hand und schien ziemlich amüsiert zu sein. Er erinnerte sich, dass auch Shinichi meinte, dass Hajime das von ihm haben musste und dass er so Mai herumbekommen hätte.

„Wie sind eigentlich Shinichi und du damals zusammen gekommen?“

„Kennengelernt haben wir uns in der Oberschule, da wir in der gleichen Klasse waren. Allerdings hatten wir damals nicht viel miteinander zu tun. Ab und zu haben wir zusammen mit ein paar anderen gelernt, aber sonst war da nichts. Nach dem Abschluss haben wir uns drei Jahre gar nicht gesehen und dann wieder bei einem Klassentreffen, dass eine Freundin organisiert hatte. Wir kamen ins Gespräch und haben den Kontakt von da an immer weiter intensiviert, bis er mich an meinem Geburtstag mit zwei Gutscheinen für einen Tanzkurs überrasch hat. Ich hatte ihm erzählt, dass ich es gern lernen wollen würde und dann hat er mir einfach den Kurs bezahlt. Von da an waren wir für ein halbes Jahr einmal die Woche tanzen und er war ein absolutes Naturtalent. Ich habe mich an diesen Abenden in ihn verliebt, als er mich so gekonnt über das Parkett führte und mir das Gefühl gab, die einzige für ihn zu sein. Ich habe immer alles um mich herum vergessen, wenn wir getanzt haben“, erzählte sie und bemerkte anscheinend, wie sie zum Ende hin immer mehr schwärmte und leicht errötet schaute sie ihre halbleere Tasse an.

„Eine schöne Geschichte. Sich nach so langer Zeit wiederzusehen und den Kontakt dann zu halten, finde ich toll. Und ihr passt wirklich so toll zusammen!“

„Es war nicht immer einfach, aber wir haben uns da zusammen durchgekämpft. Weißt du, so perfekt der andere am Anfang wirkt, er ist es nicht. Und wenn man an diesen Punkt kommt, wo man die Marotten kennenlernt, muss man sich entscheiden, ob man diese akzeptieren kann oder nicht. Wir haben für uns entschieden, dass die Macken des anderen unsere Beziehung nicht ruinieren, also passt das. Aber das schaffen nicht alle Paare. Es ist ein Prozess, den man da durchmacht …“

Er hörte ihr aufmerksam zu und nickte zustimmend. Jeder hatte so seine Eigenarten, auch er, und sie machten einen ja auch irgendwie aus. Aber er konnte sich auch vorstellen, dass es vielen schwer fiel, die Macken des anderen zu akzeptieren und nicht jedes Mal zu nörgeln.

Er aß etwas von dem Sandwich, während er das sanfte Plätschern des Brunnens auf sich wirken ließ. Auch Iwa hatte Macken, die das Zusammenleben am Anfang schwierig gemacht hatten. Sein Hang, ihre DVDs und Bücher nach Alphabet zu sortieren, hatte sie mehr als einmal rumzicken lassen und dass er seine Socken wirklich überall liegen lassen konnte, nervte ihn noch heute! Aber ihm war auch bewusst, dass er ihn mit seinem Tick, beim Wäscheaufhängen nur gleichfarbige Wäscheklammern pro Kleidungsstück zu benutzen, zur Weißglut treiben konnte. Irgendwer hatte mal welche in fünf verschiedenen Farben gekauft und wenn jemand anders die Wäsche machte und er den Wäscheständer auf dem Balkon stehen sah, überkam es ihn manchmal, dass er die Klammern änderte. Er wusste selbst nicht, woher das kam, aber es war ein innerer Drang, gegen den er nicht ankam. Das hatte für viel Kopfschütteln gesorgt, doch mittlerweile ließen sie ihn einfach machen, so wie er Iwas Socken wortlos wegräumte.

Es war ein Akzeptieren auf beiden Seiten, dass der andere nun mal so war. Also hatten sie diesen Punkt in ihrer Freundschaft schon hinter sich? Würde Kaori seine Macken auch akzeptieren können? Sie waren noch ganz am Anfang ihrer Beziehung und das Wochenende hatte garantiert einen tiefen Einschnitt für sie bedeutet, auch wenn sie ihm verziehen hatte.

„Woran denkst du gerade?“, fragte Mai leise und er zuckte leicht zusammen. Er war verdammt schreckhaft, wenn er in Gedanken war und er legte sein halb gegessenes Sandwich wieder auf den Teller, um ihr zu antworten.

„Ich dachte gerade über Hajimes Macken nach und ob Kaori sich mit ihnen abfinden könnte. Dass er sich nach dem Unfall nicht bei ihr gemeldet hatte, hat ihr ziemlich zugesetzt und auch wenn sie ihm verziehen hat, bin ich nicht sicher, ob sie sich mit alldem arrangieren könnte.“

„Das wird die Zeit zeigen. Vielleicht hat sie ja auch Eigenarten, mit denen Hajime nicht klarkommt. Das können wir jetzt alles noch nicht sagen. Die Frage ist doch vielmehr, wie du jetzt weitermachen willst.“

Das war in der Tat eine ausgezeichnete Frage und die Antwort war vage vor ihm, aber er war sich noch immer nicht ganz sicher, ob er es so tun sollte.

„Ich denke, ich werde die nächste Zeit mehr allein ausgehen. Schauen, ob es nicht doch noch andere Männer gibt, die mich ähnlich umhauen können wie er. Außerdem … Das klingt jetzt vielleicht etwas komisch, aber ich hatte vor unserem Telefonat am Mittwoch einen beruhigenden Gedanken. Auch wenn Iwa mit Kaori zusammen ist, werden die Zwei glaube ich nie so eng verbunden sein, wie er und ich es sind. Wir kennen uns schon so lang und haben so viel erlebt. Beim Spiel, das wir am Mittwoch hatten, hat sich das wieder gezeigt. Hajime und ich haben doch in der Oberschule von Tobio und diesem orangehaarigen Knirps erzählt, die diesen verrückten Schnellangriff drauf hatten, weißt du noch?“

„Ja, ich erinnere mich. Ihr wart ganz außer euch damals, als ihr den erlebt habt und das Spiel trotzdem gewinnen konntet, ihr aber beim zweiten Mal den Kürzeren ziehen musstet. Ich habe damals extra gelernt, die Milchbrötchen zu backen, um dich aufzumuntern, weil dich das so runtergezogen hat und Shinichi hat mit Hajime einen Godzilla Filmmarathon gemacht.“

Ein sanftes Lächeln legte sich auf ihr Gesicht und er nickte. Ja, das hatten sie beide für sie getan, um sie wieder aufzubauen, nachdem sie vollkommen fertig vom Spiel zurückgekehrt waren.

Es war der entscheidende Moment, der ihm endgültig gezeigt hatte, wie lieb die Beiden auch zu ihm waren und wie sehr sie sich auch um ihn sorgten und kümmerten. Das hatte ihn sehr glücklich gemacht. Sofort spürte er wieder die Gänsehaut auf seinen Unterarmen, als die Erinnerungen durch seine Gedanken schwebten.

„Naja, ich habe diesen Angriff mit dem Knirps geübt und wir beherrschen ihn mittlerweile ebenfalls. Für unsere Gegner sind wir daher unberechenbarer, da sowohl Tobio als auch ich nun dem Zwerg den Ball so zuspielen können. Jedenfalls hatten Hajime und ich am Mittwoch unser erstes gemeinsames Spiel seit Monaten und wir hatten unglaublich viel Spaß dabei. Auf dem Feld sind alle Gedanken und Gefühle bedeutungslos. Es gibt nur den Ball, das Team und den Gegner. Wir harmonieren da so perfekt und am Anfang des zweiten Satzes hatten wir beide diesen gleichen Gedanken. Wir kennen uns schon so lange, also warum sollten wir diesen Angriff nicht auch beherrschen? Natürlich musste der Augenblick passen, von daher haben wir erst einmal normal gespielt, aber dann war der eine Ball zu kurz und in diesem Augenblick spürte ich es. Er wollte es und er fühlte, dass ich es wollte und obwohl alles so schnell ging, habe ich das wie in Zeitlupe erlebt. Ich wusste, wo der Ball war, wohin Iwa rennen wollte, um die Abwehr auszutricksen und wie ich den Ball zu passen hatte, damit er ihn perfekt schlagen konnte. Es war einfach … perfekt.“

„Ja, klingt ganz danach. Und es braucht eine tiefe Verbundenheit, um zu wissen, wie sich der andere verhält.“

„Nicht wahr? Aber er sieht in mir nur den Bruder, den er nie hatte. Und er steht auf Frauen, also muss ich weiterhin versuchen, mich von ihm zu lösen, damit ich ihn eines Tages wieder normal ansehen kann. Seine Freundschaft ist mir so viel mehr wert.“

„Shinichi und ich sind für dich da, wenn du uns brauchst. So eine Situation ist nicht leicht, aber ich bin mir sicher, dass du das schaffen kannst. Du bist so viel stärker, als du dir selbst zugestehst“, erwiderte sie und strich ihm sanft über die Haare.

„Bin ich das?“, hakte er nach und schaute nachdenklich auf das sich leicht bewegende Wasser. Er kam sich ziemlich schwach vor, dass er es nicht hinbekam, sich endlich mal von seinen Gefühlen zu lösen. Andere schafften das doch auch.

„Natürlich. Immerhin lebst du schon so lange mit diesen Gefühlen und sogar in einer WG mit ihm. Andere wären schon lange durchgedreht und hätten ihm die Wahrheit, ohne Rücksicht auf Verluste, an den Kopf geknallt.“

„Ist das nicht eher Feigheit, weil ich ihn auf keinen Fall verlieren will?“

„Nein, so sehe ich das nicht. Du kämpfst an verschiedenen Fronten. Gegen deine Gefühle für Hajime, gegen den inneren Wunsch, es ihm doch zu sagen, gegen die Hoffnungen, dass er vielleicht doch Gefühle für sich entwickeln könnte und das zwei Jahre so ziemlich allein, oder? Das kostet unendlich viel Kraft und es ist ganz natürlich, dass es dir immer schwerer fällt. Zumal er jetzt auch noch in einer Beziehung ist, die ihn für dich vollkommen unerreichbar macht. Das ist niederschmetternd und macht deinen inneren Kampf noch viel schwerer, denn jetzt kämpfst du zusätzlich noch gegen die Hoffnungslosigkeit und dagegen an, die geheime Träume und Wünsche nun endgültig begraben zu müssen. Oder?“

Das traf es ziemlich genau, also nickte er leicht. Und es war ein beschissenes Gefühl, sich von diesen Träumen verabschieden zu müssen, weil es keine Hoffnung mehr gab. Aber heute Nacht würde er sich ablenken, mit anderen tanzen und Kaori und Hajime ignorieren. Er würde sich etwas amüsieren und die Nacht genießen, sich beim Tanzen verausgaben und alles vergessen, was ihm Kummer bereitete.
 

„Na komm, ich bezahle und wir machen uns langsam auf den Weg. Ich möchte Hajime noch kurz Hallo sagen und du willst dich bestimmt noch in Ruhe fertig machen, hm?“

„Ja, gute Idee. Danke, dass du extra den weiten Weg auf dich genommen hast. Das bedeutet mir wirklich viel“, entgegnete er mit einem ehrlichen Lächeln und sie legte ihm eine Hand auf den Rücken, damit er sich in Richtung Ausgang bewegte.

„Natürlich. Wir sind immer für euch da, wenn ihr uns braucht. Auch wenn es Matsukawa oder Hanamaki brauchen, würden wir zu euch fahren. Für Shinichi und mich ist Blutsverwandtschaft nicht so wichtig. Außerdem wissen wir, dass ihr Drei die wichtigsten Menschen für Hajime seid. Und wenn es einem von euch schlecht geht, geht es ihm auch schlecht und das können wir nicht verantworten.“

„Trotzdem ist das nicht selbstverständlich. Sich so um die Freunde des Sohnes zu kümmern, machen bestimmt nicht viele Eltern …“

„Tja, wir waren eben schon immer etwas Besonderes“, flötete sie lächelnd und zwinkerte ihm zu, ehe sie sich dem Kassierer zuwandte und alles bezahlte.

Er wartete lächelnd neben ihr und konnte nur zustimmen. Die Zwei waren wirklich besonders, besonders toll in seinen Augen.



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