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Umwege einer Liebe

von

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Telefonat mit Mum

Mittwoch, 30.05
 

Nachdem Iwa ins Bett gegangen war, hatte sich Toru noch ein bisschen mit den Frischverlobten unterhalten, ehe auch sie ins Bett gegangen waren. Also saß er gerade allein auf dem Sofa und ließ sich leise von YouTube berieseln. Es lief ein Musikmix, den sie vorhin angemacht hatten, damit es nicht so still in der Wohnung war.

In Gedanken schaute er seine Handinnenflächen an und ließ das Spiel noch einmal vor seinem inneren Auge Revue passieren.

Iwa und er hatten wie immer perfekt harmoniert und viele Punkte erzielt, doch dann gab es da diesen einen Moment im zweiten Satz. Es war in der Pause eine verrückte Idee gewesen, diesen Angriff mit Iwa zu probieren, aber als er seinen Blick gesehen hatte, wusste er, dass ihm der gleiche Gedanken gekommen war.

Hinata hatte ihm einmal davon erzählt, wenn er gemeinsam mit Tobio diesen verrückten Angriff machte, es diesen einen Punkt gab, wo sich alles stimmig anfühlte. Auch als er ihn mit dem Knirps trainiert hatte, hatte er so etwas Ähnliches gefühlt, aber vorhin, als er es mit Iwa durchgezogen hatte …

Seine Hände begannen zu zittern und er legte sie auf seine angezogenen Knie ab. Das Gefühl der Verbundenheit war so intensiv gewesen. Obwohl er dem Ass den Rücken gekehrt hatte, um zum Ball zu rennen, wusste er ganz genau, wohin er rannte und wie er diesen Ball spielen musste, damit er perfekt für sein Ass war. Obwohl alles unglaublich schnell gegangen war, hatte er es wie in Zeitlupe erlebt. Er hatte den von Hayato zu kurz gespielten Ball kaum in den Händen gehabt, als er ihn auch schon mit voller Kraft zu Iwa gepasst hatte, damit er möglichst schnell flog. Noch während er in der Luft war, hatte er den Kopf soweit in den Nacken gelegt, dass er sehen konnte, wie Iwa wie im Lehrbuch in der Luft zu schweben schien und den Ball mit voller Wucht ins gegnerische Feld schmetterte. Es war perfekt gewesen.

In der Stille, die von der Halle Besitz ergriffen hatte, landete er auf dem Boden und wandte sich seinem besten Freund zu, der seine Hand anstarrte und sie zu einer Faust ballte. Die Smaragde suchten nach ihm und in dem Augenblick, in dem sie sich in die Augen sahen, war etwas passiert. War es die Erkenntnis, wie tief sie wirklich miteinander verbunden waren? Das Gefühl, gemeinsam alles schaffen zu können?

Toru war sich nicht sicher, was es war, aber es hatte sich unglaublich angefühlt. Den Rest des Spiels hatte er gar nicht richtig wahrgenommen, obwohl er weiterhin hochkonzentriert gewesen war, doch der Sieg war am Ende dann doch ungefährdet gewesen.

Natürlich war ihm klar, dass das ein Glückstreffer gewesen war. Ein perfekter Moment, wo alles zusammengepasst hatte und wenn sie diesen Angriff wirklich beherrschen wollten, mussten sie ihn noch viele Stunden trainieren, aber es war ein großartiger Augenblick gewesen. Selbst Hodaka hatte das von den Rängen aus bemerkt, denn nach dem Spiel hatten sie noch miteinander geschrieben und er hatte ihn zu diesem tollen Angriff gratuliert und hoffte für ihn, dass es der nächste Schritt war, um Iwa von sich zu überzeugen. Es war ein schöner Gedanke, dass dieser Angriff sie noch enger zusammenschweißte. Ein Lächeln formte sich auf seinen Lippen und er schloss genießend die Augen, erinnerte sich an das Spiel eben zurück und fühlte sofort, wie sich eine Gänsehaut auf seiner Haut bildete. Er verweilte in der Situation, kostete sie aus, bis er allmählich doch die Müdigkeit spürte, die durch seinen Körper kroch und sich immer weiter ausbreitete.
 

Leise seufzend stand er auf, um sich auch in sein Zimmer zu begeben, als ihn ein plötzlicher Gedanke nicht mehr losließ. Kaori mochte vielleicht Iwas Freundin bleiben, aber sie würde nie so eine Verbundenheit zu ihm aufbauen, wie er sie mit dem Ass schon seit so langer Zeit hatte.

Auf eine seltsame Art und Weise beruhigte ihn dieser Gedanke und mit einem Lächeln auf den Lippen schaltete er den Fernseher aus und schlenderte in sein Zimmer. Er zog sich seine Alien Boxer an, weil es für seinen Schlafanzug mittlerweile zu warm war und legte sich in sein Bett.

So schön der Gedanke war, dass Kaori nie diese enge Verbindung mit Iwa haben würde, wünschte er sich trotzdem, dass das Ass sich von ihr trennte und feststellte, dass er mehr in ihm sah als den besten Freund.

Ihm fiel einfach nichts ein, wie er herausfinden konnte, ob Iwa nicht doch tief in seinem Inneren Interesse an einer Beziehung zu einem Mann haben könnte. Es schien ihm ein Ding der Unmöglichkeit zu sein und frustriert seufzte er in sein Kissen. Jetzt machte er sich schon wieder Gedanken darüber!

Ein genervter Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es kurz nach 22 Uhr war, also hatte er noch etwas Zeit, ehe er die Augen schließen sollte, um morgen nicht hundemüde in der Uni zu sitzen. Zeit, die er noch mit Grübeln über Iwa verbringen würde. Das war doch Mist!

Gerade wollte er sein Handy weglegen, als es anfing zu klingeln und Mais Name auf dem Display blinkte. Irritiert nahm er sofort ab.

„Hallo Mai, was gibt es?“

„Hallo Toru. Ich hoffe, es ist noch nicht zu spät!“

„Ach Quatsch. Du weißt doch, wie das mit dem Studentenleben ist. Das hat sich in all den Jahren nicht geändert.“

Ihr Kichern am anderen Ende ließ ihn lächeln und er drehte sich zur Seite, um bequemer zu liegen.

„Ist irgendetwas passiert?“, fragte er neugierig, aber auch leicht besorgt nach, denn es war ungewöhnlich, dass sie so spät noch anrief. Normalerweise meldete sie sich ab und zu am Wochenende, aber nie so spät wie jetzt.

„Nein, alles in Ordnung. Shinichi und ich waren nur heute bei meinen Eltern und wir sind jetzt erst zurück. Der Stau auf der Autobahn war die Hölle, sag ich dir.“

„Bei euch habt ihr das wenigstens hauptsächlich auf der Autobahn. Hier hast du das überall“, erwiderte er grinsend.

„Ja, das ist wahr. Aber sag mir doch bitte … Hajime geht es nach seinem Unfall auch wieder richtig gut, ja?“

„Ja, bei ihm ist alles im grünen Bereich, sonst hätten wir euch sofort Bescheid gesagt, keine Sorge. Aber trotzdem war das ein ganz schöner Schock …“

„Auf jeden Fall! Wir können von Glück sagen, dass er nur mit etwas Kopf- und Nackenschmerzen davon gekommen ist … Ich habe mich ganz schön erschreckt, als Hajime uns am Montag angerufen hat. Aber ich bin froh, dass das gut gegangen ist. Und danke, dass du für ihn da bist, wo wir so weit weg sind … Es beruhigt mich, dass er so einen umsichtigen besten Freund hat.“

Überrascht hob Oikawa automatisch eine Augenbraue. Hatte Shinichi ihr gar nichts von ihrem Gespräch erzählt?

„Natürlich passe ich auf ihn auf. Das tut er ja schließlich auch bei mir. Aber hat Shinichi dir gar nichts von unserem Gespräch berichtet?“

„Gespräch?“, hakte sie nach und überlegte einen Moment, als sie hinzufügte: „Nein, ich hab keine Ahnung, worauf du hinaus möchtest, Toru. Nur weil wir verheiratet sind, heißt das nicht, dass wir alles miteinander teilen. Wenn ihr ein vertrauliches Gespräch hattet, dann bleibt es das auch, außer du sagst ihm explizit, dass er mir das erzählen darf oder soll.“

Es war ein schönes Gefühl, dass sich in seinem Körper mit seinen Glückshormonen über den Sieg mischte. Die Gewissheit, dass er beiden vertrauen konnte. Dass sie Sachen selbst vor ihren Partnern geheim hielten, wenn er das wollte. Dabei hatte er gar kein Problem damit, wenn er mit ihr darüber sprach. Dennoch war das ein toller Vertrauensbeweis, den er sehr zu schätzen wusste.

„Verstehe. Aber da ich da kein Problem mit habe, erzähle ich es dir auch oder möchtest du lieber ins Bett? War ja dann ein langer Tag für euch …“

„Nein nein, ich habe morgen und übermorgen frei und außerdem höre ich dir zu, wenn du mir etwas erzählen möchtest. Gegen die Müdigkeit gibt es im Notfall Kaffee.“

Da war was Wahres dran. Kaffee hatte ihm auch schon den ein oder anderen müden Tag gerettet.

Er überlegte einen Moment, wie er am besten anfangen sollte, aber dann entschied er sich, einfach anzufangen. Also erzählte er: „Als ihr bei uns zu Besuch wart, hatte ich mit Shinichi gesprochen, weil ich ein ziemlich großes Problem habe. Wobei ich daran arbeite, dass irgendwie in den Griff zu kriegen, aber es ist so verdammt schwer …“

„Das klingt aber gar nicht gut, Schatz! Was ist denn los? Zusammen kriegen wir das bestimmt geregelt.“

Wieder formte sich ein leichtes Lächeln auf seinem Gesicht, dann redete er weiter: „Also ich habe Shinichi erzählt, dass ich … Naja also, ich bin …“, stammelte er und seufzte frustriert. Warum fiel ihm das denn jetzt so schwer? War es, weil sie telefonierten und nicht nebeneinander saßen und er ihre Reaktion sehen konnte?

Sie ließ ihn zur Ruhe kommen und er hörte Shinichi kurz im Hintergrund, verstand aber nicht, was er sagte und sie erwiderte nichts. Wahrscheinlich kommunizierten sie ohne Worte, damit er in Ruhe weiter sprechen konnte.

Einmal atmete er noch tief durch, dann setzte er noch einmal an: „Ich habe Shinichi erzählt, dass ich … Ich bin in Hajime verliebt.“

So. Jetzt war es raus. Somit wussten beide Elternteile von ihm Bescheid, nur er selbst noch nicht. Und vielleicht würde er das auch nie erfahren. Das würde die Zukunft zeigen.

Gespannt lauschte er in das Smartphone, um zu hören, wie sie darauf reagierte, aber einen Moment lang war es still. War es doch falsch, ihr das anzuvertrauen? Hatte sich Dad geirrt und sie hatte doch ein Problem damit? Der Kloß in seinem Hals wurde immer größer, doch noch bevor er sich weiter Gedanken in diese Richtung machen konnte, ergriff Mai das Wort.

„Das kann ich sehr gut verstehen. Er hat sich zu einem tollen Mann entwickelt. Aber wie hältst du das dann mit ihm in einer Wohnung aus? Und er ist doch auch mit Kaori zusammen. Ach Schatz, wie kann ich dir nur helfen? Das ist doch eine schreckliche Situation für dich!“

„Kannst du meine Gefühle für ihn ausknipsen, damit ich ihm sein Glück gönnen kann?“, fragte er mit kratzender Stimme, weil ihm auf einmal die Tränen kamen. Es war die Freude, dass auch sie kein Problem damit hatte und die andauernde Verzweiflung, was er tun sollte, die ihm die Tränen in die Augen trieb.

„Nein, leider kann ich das nicht … Ich wünschte, ich könnte es, damit du zur Ruhe kommen kannst. Seit wann weißt du denn von deinen Gefühlen?“

„Schon viel zu lange … Seit Mitte der dritten Klasse der Oberschule“, murmelte er und versuchte die Tränen zu bekämpfen, doch sie liefen einfach über seine Wangen, sein Kinn, den Hals hinunter bis zu seiner Bettdecke. Verzweifelt legte er sich einen Arm über die Augen und versuchte sich zu beruhigen.

„Oh je, so lange trägst du das schon mit dir herum? … Weißt du was? Ich komme dich am Freitag besuchen, ja? Dann können wir ganz in Ruhe reden und schauen, welche Möglichkeiten du hast, um mit der Situation besser klarzukommen“, fragte sie nach ein kleiner Pause, in der er sich wieder halbwegs in den Griff bekam.

„Ich muss es ihm sagen. Das weiß ich ja, aber ich könnte eine Abfuhr nicht ertragen. Er steht nicht auf Männer, Mai. Also wäre es absolut vergebens, darauf zu hoffen. Mir bleibt nur, mich von diesen Gefühlen zu lösen und dann nach einem anderen Partner Ausschau zu halten, der auch auf Männer steht. Ich schaffe es nicht, diese enge Freundschaft wegen den Gefühlen auf’s Spiel zu setzen. Iwa ist mir viel zu wichtig, als dass ich das könnte. Er ist mein Fels in der Brandung. Ich brauche ihn als Freund, als Stütze. Es würde mich zerreißen, wenn es deswegen kaputt gehen würde …“

„Ich komme dich Freitag besuchen, okay? Dann kann ich dir auch schon mal die Geburtstagsgeschenke geben, die Shinichi und ich für Hajime geholt haben. Und dann setzen wir uns in Ruhe zusammen und du kannst mir alles in Ruhe erzählen, dich auskotzen und ausweinen und dann schauen wir, wie wir das regeln wollen, in Ordnung?“

„Danke Mum …“

„Na klar, du gehörst doch zur Familie! Schau dir jetzt noch einen Film oder eine Folge deiner Lieblingsserie an, um dich abzulenken und dann versuch zu schlafen, hm? Ich hab dich lieb, Großer! Bis Freitag!“

„Ich hab dich auch lieb, Mum! Bis übermorgen!“

Er legte auf und atmete ein paar Mal tief durch. Wann war aus ihm so ein Nervenbündel geworden? Das ging ihm schon selbst auf die Eier! Aber jedes Mal, wenn er eine Entscheidung traf, kam irgendetwas dazwischen und er änderte seine Meinung wieder. Das war doch zum Haare raufen! Es wurde Zeit, dass er selbstbewusster wurde und seine Meinung nicht jeden Tag änderte.

Freitag würde er sich alles, aber auch wirklich alles von der Seele reden und dann schauen, was am besten wäre.

Wie Mai ihm geraten hatte, schaute er über sein Smartphone noch eine Folge Akte X, die er sich drauf geladen hatte und ihm wurden langsam beim Zuschauen die Augenlider schwer. Die Folge war noch nicht mal bei der Hälfte angekommen, da schlief er schon tief und fest.



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