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Unburden

Temari | Gaara
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Kurze Anmerkung zum Inhalt:
Die zentrierten, in kursiv gesetzten Texte sind Dialoge aus der Vergangenheit. Ich weiß nicht, ob das so gut rauskommt, deshalb merke ich es nur noch mal an. Leider habe ich derzeit keinen Beta, ich hoffe, die Fehlerquote hält sich in Grenzen .__. Komplett anzeigen

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Unburden

„Was hast du dir vorgenommen für dieses Jahr?“

00:46

 

„... Was meinst du?“

00:47

 

„Neujahrsvorsätze. Du weißt schon was ich meine.“

00:49

 

„Ach so, den Schwachsinn! … Ich nehme mir nie was vor, das kannst du dir doch denken, Kankuro!“

00:53

 

„Ist ja nicht so, als würde ich meine große Schwester oft sehen …“

00:55

 

„Ist ja nicht so, als könntest du mich nicht besuchen kommen …“

00:56

 

„Ist ja nicht so, als wäre Gaara weit weg …“

00:58

 

„… Worauf willst du hinaus?“

01:10

 

„Wieso hast du so lange gebraucht, um mir zu antworten?“

01:11

 

„Worauf willst du hinaus?!“

01:12

 

„Das weißt du doch. Er fragt nach dir.“

01:15

 

Temari schmiss ihr Handy in die Schublade ihres Nachtkästchens, dumpf schlug es auf dem dünnen Brett auf, bevor sie die Lade wütend zuschob. Sie setzte, nein, ließ sich frustriert auf ihr Bett fallen. Draußen knallten noch immer Böller, noch immer erblühten bunte, prasselnde Blumen am frostigen nachtschwarzen Himmel. Lautes Gelächter, Betrunkene, die über den Bürgersteig und die Straßen wankten, Kinder und Jugendliche, die die Freiheit genossen, noch zu so später Stunden draußen sein zu dürfen.

Draußen. Unter freiem Himmel.

Er fragt nach dir.

Und wer fragte nach ihr? Wer fragte nach Temari?

Wer fragt nach mir?

Es war noch nie schön gewesen, die Älteste zu sein. Immer klebte diese Verantwortung an ihr wie eine zweite Haut, aus der sie scheinbar niemals konnte. Temari war nicht fortgezogen, um ständig zurückzublicken – wann begriff Kankuro das endlich?

Obwohl draußen das Neujahr noch immer schwer gefeiert wurde, bemühte Temari sich darum zu schlafen. Sie wollte ihre Ruhe haben, es wurde Zeit, das alte Jahr abzusägen und sich auf die Zukunft zu konzentrieren.

 

 
 

Wann kann ich nach Hause?“

Ich weiß nicht … ich weiß es nicht, Gaara.“

Bring mich nach Hause.“

Ja. Schon bald.“

Nach Hause …“

Ja.“

 

 

Der erste Tag im Jahr und schon so viel zu tun, zumindest für Temari. Sie saß an ihrem Laptop und werkelte an einer Arbeit für ihr Studium. Der Himmel draußen war grau, müde schoben sich die regenschweren Wolken über den Himmel, der Wind pfiff um die Bäume, deren Äste hin und her peitschten. Kaum einer war draußen. Kein schöner erster Januar.

Zwischen Schulter und Ohr hatte Temari ihr Handy geklemmt. Nach einer unruhigen Nacht hatte sie es wieder aus dem Nachtkästchens kramen müssen – was blieb ihr schon anderes übrig?

Und wann können wir uns dann treffen?“

„Weiß nicht, Shikamaru. Ich muss noch so viel an meiner Arbeit machen …“, murmelte Temari geistesabwesend ins Telefon und wühlte sich durch ein PDF-Dokument, das sich weigerte, ihr die Infos zu liefern, die sie hier und jetzt brauchte.

Es ist Neujahr! Du kannst doch nicht jetzt schon wieder an Irgendwas dran sein?!“, dröhnte Shikamarus Stimme erstaunt aus dem Lautsprecher.

Temari schloss seufzend die Augen, die Lautstärke pochte in ihrem Schädel, es war zu früh am Morgen für so was. Es war 15 Uhr.

„Ja, im Moment kann ich einfach nicht …“

Hm, na wenn du meinst Hältst du dich wenigstens an deinen Vorsatz für dieses Jahr?“

Es knallte sehr unangenehm, als das Handy aus der Schulter flutschte, an der Tischkante abprallte und dann zu Boden segelte, wo es sich anschließend übermütig auf den Fliesen drehte wie ein Kreisel. Fluchend hob Temari ihre Nabelschnur zur Außenwelt auf. Es schien nicht beschädigt, Hülle und Panzerglas leisteten ganze Arbeit.

Was zum Henker war denn das?!“

„Hab versehentlich mein Handy fallen lassen.“

War wohl keine gute Idee, deinen Jahresvorsatz anzusprechen, was?“

Temari lehnte sich zurück. War die Info, die sie suchte vielleicht gar nicht in diesem PDF? Aber sie konnte ja nicht einfach jeden Mist googeln und dann irgendwelche schwachsinnigen Quellen angeben! Zumindest nicht, wenn sie nicht wie ihr Freund Shikamaru arbeiten wollte.

„Ich kümmer mich bald darum. Wahrscheinlich kann ich Gaara im Moment sowieso nicht besuchen …“

Shikamaru schwieg. Er schwieg so lange, dass Temari zu tippen aufhörte, ihr Handy in die Hand nahm und sich fragte, ob es nicht vielleicht doch einen Treffer abbekommen hatte.

Wenn es darum geht, sich vor etwas zu drücken, dann bin ich darin ein wahrer Meister, das weißt du ja

Temari grunzte wütend, jetzt war ihr danach, das Handy auf den Boden zu zerschmeißen, aber das gute Stück konnte ja wenig für Shikamarus unbedachte Worte. „Ich drücke mich nicht davor, meinen Bruder zu besuchen!“, fauchte sie zornig.

Es rauschte leise am anderen Ende, es klang so, als würde Shikamaru kichern. „Dann kenne ich jemanden, der heute herausfindet, ob Besuchstag ist. Im Recherchieren bist du doch der wahre Meister, ich meine, die Meisterin, oder nicht?“

Temari legte auf. Sie hatte zu tun, zu viel zu tun, um sich von ihrem Freund ein Ohr über ihre Pflichten absabbeln zu lassen. Er könnte sich ja mal an seinen Vorsatz halten und sich draußen mehr bewegen anstatt nur im Park unter dem nächstgelegenen Baum herumzupflätzen – auch wenn er das bei -12 Grad Celsius im Moment wohl ohnehin nicht tun würde.

Er fragt nach dir.

Temari rieb sich ihre Schläfen. Sie dachte nach … Da kam ihr eine Idee. Eine gute Idee.

Temari? Hast du vorhin einfach aufgelegt?!“

Sie musste sich ein süffisantes Grinsen verkneifen, obwohl … Shikamaru konnte es ja ohnehin nicht sehen. Diebisch kicherte sie im Geiste in sich hinein, während sie ihm antwortete: „Nein, nein. Du weißt doch, das Handy ist mir runtergefallen, es hat wohl was abbekommen … Ich wollte fragen, ob du nicht mitkommen möchtest.“

Das Schweigen am anderen Ende, während Temari sich zurücklehnte und der Stuhl müde in ihrem Rücken knarzte, gefiel ihr.

Meinst du, das ist eine gute Sache?“

„Du bist mein Freund, Gaara ist Familie … Wieso sollte es keine gute Sache sein?“

Geraschel am anderen Ende der Leitung. „Na ja Er ist doch instabil, denke ich

„Ich weiß nicht. Wir werden es sehen.“

Shikamaru seufzte tief. „Ich bin dein Freund, Gaara ist Familie. Okay, okay Ich komme mit.“

„Schön, schön, du enttäuschst mich nicht, mein Lieber. Wir treffen uns in zwei Stunden“, meinte Temari amüsiert und hielt das Handy etwas weiter weg, weil sie wusste, welche Art von Protest ihr gleich entgegen schwallen würde.

Was?! Das soll wohl ein schlechter Scherz sein! In zwei Stunden bin ich vielleicht aufgestanden, wenn ich einen guten Tag habe!“

„Danke, Shikamaru.“

Verdammt noch mal!“

 

Es war bitterkalt, Temari vergrub ihr Hände, die in warmen Fäustlingen steckten, zusätzlich in ihre Jackentaschen und trat von einem Bein aufs andere. Auf dem Rasen hinter ihr saß der Frost, auch auf der Rinde der Bäume, die ihre nackten Äste in den Himmel reckten. Betonbauten ragten in den Himmel, der eine oder andere Balkon war noch weihnachtlich geschmückt und einige LEDs blinkten munter. Die Straße, an der sie stand war wie ausgestorben. Die Läden waren zu, die meisten Leute gerädert vom Feiern, das Wetter unangenehm. Es gab keinen guten Grund nach draußen zu gehen. Temari sah das auch so.

Der Bus hielt an der Haltestelle an der sie stand, Shikamaru stieg aus und kam müde auf sie zu. Murrend umarmte er sie.

„Ich hätte dich nicht darauf ansprechen sollen …“, murmelte er und sah wehmütig dem Bus hinterher, der brummend davon fuhr.

Temari knuffte ihn. „Meine Pflichten sind auch deine Pflichten.“

Er pustete sich in die Hände, er hatte seine Handschuhe vergessen, ebenso wie Schal und Mütze. Temari seufzte, zog sich den Schal vom Hals und wickelte ihn um Shikamarus Hals.

„Danke“, murmelte er grummelig. „Verdammt kalt geworden …“

„Es ist Winter.“

Er grinste schief. „Dein Studium ist der Wahnsinn, endlich hast du die Jahreszeiten drauf …“

Sie knuffte ihn noch einmal, etwas härter dieses Mal, dann wandte sie sich der Straße wieder zu. „Wollen wir?“

Unwillige Laute. „Nein.“

„Gut.“

 

Krankenhaus nennen Temari und Kankuro den Ort, an dem ihr kleiner Bruder Gaara sich schon seit Jahren befand. Auch wenn es keines war. Vor diesem Krankenhaus stand Temari nun mit Shikamaru, der hier zum ersten Mal war. Ein großes, weißes Gebäude mit großen Fensterfronten und einem großen Eingang mit Schiebetüren aus Glas. Na ja, wie solche Gebäude nunmal aussehen.

Temari spürte bereits dieses unangenehme Gefühl in ihrer Brust, während sie sich dem Eingang näherten. Shikamaru griff nach ihrer Hand und drückte sie sanft. Die Türen schoben sich lautlos auf, sie traten ein. Der Boden war grau gefliest und glänzte hell im Licht der weißen Deckenlampen. Ein vertrauter Geruch schlug Temari entgegen. Sie war schon so oft hier gewesen und doch zu wenig. Das beklemmende Gefühl wuchs in Temaris Brust, langsam verwandelte es sich in Panik, welche in ihre Glieder kroch und dafür sorgte, dass sie zitterte und zitterte und zitterte. Shikamaru spürte es, seine Hand fest um ihre geschlossen. Temari fand, dass er der einzige war, der das an ihr wahrnehmen konnte, denn sie zeigte dieses Zittern nie. Die Panik in ihr wollte, dass sie ihre Beine in die Hand nahm und wieder hinaus rannte. Ging es Kankuro auch so, wenn er hierher kam?

Schweigend näherten sie sich der Rezeption, die sich nicht weit vom Eingang befand. Sie war breit und flach, in klinischem Weiß gehalten. Dahinter saß ein junger Mann an einem PC. Hier und dort standen Pflanzen, die das Bild etwas auflockern sollten. Es gab sogar einen kleinen Brunnen in der Mitte des Raumes, gefertigt aus grauem Granit, der beruhigend vor sich hinplätscherte und Sitzgelegenheiten standen auch herum. Temari fand immer, dass sie willkürlich gesetzt wirkten.

„Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte der junge Bursche mit den weizenblonden Haaren und meerblauen Augen. Auf dem Schild an seinem Hemd stand Naruto Namikaze.

„Ich möchte meinen Bruder besuchen“, sagte Temari leiste. So sagte sie es immer. Gleich würde sie mehr sagen müssen, denn dieser junger Kerl kannte sie nicht und wusste nicht, wen sie meinte.

 

„Er ist in der Bibliothek. In letzter Zeit ist er dort oft. Ich denke, er hat das Lesen für sich entdeckt. Es ist ein Fortschritt, würde ich sagen.“

Naruto Namikaze hatte seinen Platz verlassen, er war abgelöst worden. Nun hatte er Zeit, Temari und Shikamaru zu Gaara zu führen. Durch Gänge, die alle gleich aussahen und durch Aufenthaltsträume, die auch alle gleich aussahen, obwohl sie sich darum bemühten, anders zu sein. Für Temari waren sie alle gleich.

„Ich unterhalte mich viel mit ihm, müsst ihr wissen. Er hat mir einiges erzählt und ich …“ Naruto blieb stehen und drehte sich zu dem Pärchen hinter ihm um. „Und ich habe von mir erzählt, aber … Das dürft ihr keinen sagen!“, flüsterte er ihnen energisch zu. „Patienten sollen nichts über ihr Pflegepersonal wissen, aber … Ich hatte dein Eindruck, das bricht das Eis.“

Temaris Augenbraue zuckte vor unterdrücktem Zorn, Shikamaru musterte sie stumm von der Seite. Dieser Junge … Er war so einfältig! „Wenn Sie nicht aufpassen, bricht Gaara Ihnen vielleicht ein paar Knochen!“

Naruto lief wieder voraus, der nächste Gang. Ein Licht flackerte an der Decke. Immerhin, etwas Abwechslung in der Eintönigkeit.

„Ja, ja, ich weiß doch. Aber bis jetzt hat er mir nichts getan. Wir haben immer noch das Wachpersonal. Nicht um meinetwillen, sondern –“

„Er ist mein Bruder“, unterbrach Temari Naruto brüsk. „Das weiß ich selbst!“

Naruto kratzte sich beim Gehen verlegen am Hinterkopf. „Ja, ja … natürlich …“ Er blieb stehen, vor einem hölzernen Torflügel, der sogar mit schönen, schnörkeligen Schnitzereien versehen war und mit altmodischen Griffen aus Metall.

„Wir sind da.“

 

Shikmaru schien nicht zu wissen wohin mit sich, Temari saß ihrem Bruder Gaara gegenüber, der es sich auf einem Sessel bequem gemacht hatte. Sie waren umgeben von schweren Büchrregalen aus dunklem Holz. Diese Bibliothek war so klassisch gehalten, dass man meinen könnte, der Innenausstatter war schon lange nicht mehr in neueren Bibliotheken gewesen.

Gaaras grüne Augen wirkten wie bodenlose Seen, die in Temaris starrten. Shikamaru hatte Temaris Augen immer wie unendliche, tiefe Wälder beschrieben und Temari gefielen seine Worte, obwohl sie es nie zugab. Gaaras Augen waren auch grün, aber sie wirkten ganz anders.

„Wer ist das?“, fragte Gaara, seine Stimme nicht neugierig, nicht auffordernd, sondern bar jeder Emotion. Er nickte zu Shikamaru hinüber, der ein Buch zur Hand genommen hatte. Shikamaru vermied es, Gaara anzusehen, seine Fesseln zu beachten, die aus Eisen bestanden.

„Das ist Shikamaru. Er ist mein Freund“, erklärte Temari und kämpfte mit einem Schatten in ihrem Inneren, den sie sonst gut unter Kontrolle hatte. Gaara erinnerte sie an eine Vergangenheit, die sie hinter sich lassen wollte. Sie wollte so gerne los lassen – das musste sie.

Shikamaru legte das Buch wieder weg und setzte sich neben Temari, legte eine Hand auf ihre und streichelte sie.

„Shikamaru Nara“, stellte er sich vor und sah Gaara offen ins Gesicht.

Gaara schwieg eine Weile, wiegte den Kopf. Temaris Augen überflogen seine nackten Arme, die von Narben gezeichnet waren.

 
 

Ich denke, ich spüre keinen Schmerz.

Ich dachte anfangs, das ist eine gute Sache,

aber jetzt denke ich, dass ich etwas fühlen sollte.“

Gaara! Was hast du gemacht?!“

Was fühlst du, Temari?“

Was hast du gemacht!“

 
 

Temari blinzelte. Sie hasste einige Erinnerungen, deshalb schloss sie sie weg. In einen Keller, verborgen hinter einer Tür mit vielen Schlössern, aber an solchen Tagen schafften sie es dennoch heraus und kamen auf sie zu gekrochen und flüsterten in hässlichen Stimmen auf sie ein. Temari hasste sie.

„Wie geht es dir?“, fragte sie mechanisch.

Gaara nahm ein Buch zur Hand. „Die Dunkelkammer des Bösen“ lautete der Titel. „Ganz okay. Ich verbringe viel Zeit mit diesem Naruto. Es ist … unterhaltsam.“ Seine grünen Augen wanderten zu Naruto hinüber, der sich an ein Bücherregal gelehnt hatte. Der Blondschopf grinste aufmunternd.

Idiot!, dachte Temari genervt und wandte den Blick von Naruto ab.

„Was machst du so?“

„Ich lese viel. Viele Sachbücher. Ich lerne was dabei.“

Shikamaru räusperte sich leise. „Was liest du so?“

Gaaras Blick löste sich langsam von seiner Schwester und wandte sich Shikamaru zu. Er musterte ihren Freund eingehend, stumm. Gaara antwortete nicht. Die Ketten klirrten leise, als er seine Hände anders legte.

Temaris Hände wollten sich in ihren Schoß krallen. „Möchtest du Shikamaru nicht antworten?“

„Nein.“

Shikamaru zog eine Augenbraue hoch, Temari drückte unbemerkt seine Hand. Gaara neigte dazu, andere zu provozieren. Temari nahm an, dass das seine Art war, um herauszufinden woraus andere Leute gemacht waren und wie schnell sie ihre Geduld verloren. Gaara hatte aufgehört sozial zu sein, schon vor vielen Jahren.

 

 
 

Wie konntest du das nur tun?!“

Er hat angefangen.“

Du hast ihm mehrere Knochen gebrochen, Gaara!“

Er hat angefangen.“

Das wird Folgen haben, was hast du dir nur dabei gedacht?!“

Dass er sterben soll.“

 

 

„Also, wir haben nicht viel Zeit, Shikamaru und ich. Du weißt es ja selbst, die Besuchszeit ist nicht sehr lange …“

Gaara starrte an Temari vorbei zu den Büchern hinüber. „Bei uns zu Hause gab es keine Bücher“, sagte er plötzlich, eine Feststellung, etwas, bei dem er sich absolut sicher war.

Temari runzelte die Stirn. Sie dachte darüber nach, an früher, an ihr altes Zuhause. Sie konnte sie sehen, die alten Räume, voller altmodischer Gegenstände, die schweren Gardinen, sie roch den Staub, die kalte Asche im Kamin, sie schmeckte die feuchte Luft, aber sie roch keine Bücher. Kann sein, dass Gaara recht hatte, Temari hatte damals nicht viel übrig für Bücher und auch nicht viel Zeit. Eigentlich wollte sie das nicht, sich erinnern. Gaara zwang sie in ihre Vergangenheit, zerrte sie jedes Mal in die tiefen Schatten und erinnerte sie gnadenlos an alles, das sie vergessen wollte, weil er nicht vergessen konnte. Einer der Gründe, warum sie nicht gerne hier war. Selbst Shikamaru wusste wenig, zu wenig.

„Ja … Kann sein …“, antwortete sie zögerlich.

„Es gab keine, ich weiß es.“

„Und du magst Bücher“, stellte Shikamaru fest. Er hatte offenbar nicht vor, so leicht aufzugeben.

Gaara ignorierte ihn weiterhin.

„Gaara. Shikamaru möchte sich mit dir anfreunden, das ist doch toll!“, mischte Naruto sich ein und kam langsam auf Gaara zu.

„Er will Temari beeindrucken, das ist alles.“

Shikamaru zog leise die Luft ein.

Temari lächelte kühl. „Shikamaru weiß, dass man mich mit so etwas nicht beeindruckt.“

„Ach so? Na, dann kann ich ja gehen …“, meinte Shikamaru spielerisch und tat so, als würde er aufstehen.

„Aber mal im Ernst.“ Naruto kam auf das kleine Grüppchen zu. „Gaara hat gleich eine Therapiestunde, also … Ihr müsstest langsam … Jaah, war heute nicht sehr lange, aber an anderen Tagen könnt ihr mehr Zeit miteinander verbringen, echt jetzt.“

Temari nickte, sie durfte sich ihre Erleichterung nicht anmerken lassen. „Ja, wir verstehen schon.“

„Kankuro war gestern hier“, sagte Gaara.

Temari summte bejahend, während sie aufstand. „Ich weiß, hat er mir erzählt.“

„Er ist auch nicht gerne hier. Ich bin auch nicht gerne hier …“

„Ich weiß.“

Gaara hatte tiefe Augenringe, immer noch. Das bedeutete, dass er immer noch sehr schlecht schlief. Es gab wahrscheinlich so vieles noch, an dem mit Gaara gearbeitet werden musste. Unendlich viel. Gaara war hier, weil Temari ihm nicht mehr helfen konnte, jedenfalls nicht so wie er es brauchte.

 

 
 

Temari, ich kann nicht schlafen.“

Kankuro und ich helfen dir.“

Ich hab mir schon geholfen, gleich schlafe ich.“

Gaara, was ist denn los?“

Ich schlafe jetzt gleich.“

Kankuro, hol Hilfe!“

 

 

„Ich komme bald wieder“, versprach Temari leise und kam einen Schritt auf Gaara zu.

Er rührte sich nicht von der Stelle. Shikamarus Hand lag auf Temaris Schulter.

Gaara sah ihn ausdruckslos an. „Vor mir musst du sie nicht beschützen.“

Shikamaru runzelte die Stirn, schwieg jedoch.

Naruto begleitete die beiden aus dem Raum heraus. „Er hat sich bestimmt gefreut, Sie wiederzusehen“, sagte er leise zu Temari.

„Kann sein …“, antwortete sie kaum hörbar. Die Panik in ihrer Brust rumorte, ihre Knie fühlten sich ganz weich an. Sie fühlte sich als müsste sie sich übergeben, so wie immer.

Shikamaru hielt ihre Hand fest umschlossen, während Naruto ihnen auf dem Rückweg erklärte, wann die Besuchszeiten waren und dass man das aber auch im Internet nachschlagen könne. Temari hörte nicht richtig zu, sie steuerte stumm auf den Ausgang zu, sie wollte raus, nur noch raus.

 

„Warum fällt es dir so schwer, Gaara zu besuchen?“, fragte Shikamaru offen, als sie in Temaris kleiner Wohnung angekommen waren und er auf der Couch saß.

Temari ließ sich neben ihn fallen. „Vergangenheit, schwierige Zeiten, so was eben.“

Shikamaru seufzte überdeutlich. „Das ist mir schon klar.“

„Was fragst du dann so blöd?!“, zischte Temari gereizt. Eigentlich war das unfair von ihr ihn anzufahren, immerhin war er mitgekommen. Gaara war nicht sein Problem. Es war nett von Shikamaru, Gaara sein Problem werden zu lassen. Das hatte vorher noch keiner getan, jedenfalls nicht freiwillig.

„Was ist los mit ihm? Ich meine, was fehlt ihm? Warum ist er dort?“

Temari lehnte ihren Kopf gegen die Lehne und sah Shikamaru eine Weile schweigend an. „Er hat unsere Vergangenheit am schlechtesten von uns dreien vertragen. Irgendwann erzähl ich dir davon. Gaara erinnert mich an früher, weil er früher nicht gehen lassen kann. Er steckt irgendwie fest … Schon von klein auf war er schwierig. Es gab eigentlich immer Probleme … Vor ein paar Jahren ging es einfach nicht mehr. Gaara ist nicht nur eine Gefahr für andere, er ist vor allem eine Gefahr für sich selbst. Ich habe versucht, ihm beizubringen, was das Leben lebenswert machen kann, aber er tut sich schwer damit. Im Moment glaubt er, dass er nur sich selbst braucht und nur um sich selbst kümmern muss. Kankuro besucht ihn öfter als ich, ich sollte ihn am meisten besuchen. Es ist komisch … Ich hab mich damals so viel um Gaara gekümmert, jetzt drücke ich mich vor jedem Besuch … Ich bin wohl keine gute Schwester … Trotzdem will Gaara uns sehen. Ich verstehe es selbst nicht so ganz.“

Shikamaru zog Temari in eine feste Umarmung. „Die Vergangenheit wirft lange Schatten, nicht wahr?“

Sie rollte murmelnd mit den Augen. „Aus welchem Film hast du denn den Spruch?“

„Weiß nicht mehr, war wohl kein guter. Bleibst du dabei? Besuchen wir Gaara öfter?“

Temari seufzte schwer. „Wir? Na ja, es ist mein Jahresvorsatz, irgendwie …“

„Dann legen wir gleich mal fest, wann wir das nächste Mal Zeit haben.“

„Uff, jetzt sofort?!“

„Jetzt sofort.“

 

 
 

Wie lange muss ich hier bleiben, Temari?“

Bis du gesund bist.“

Wer sagt, dass ich krank bin?“

Es wird nicht lange dauern.“

Bring mich nach Hause, Temari.“

Ja, bald.“

Nach Hause …“

Ja.“
 



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Cuddlytoy
2020-01-02T19:37:48+00:00 02.01.2020 20:37
Sehr sehr interessante geschichte. Ist ansich auch gut abgeschlossen. Trotzdem macht es lust auf mehr. Besser zu verstehen, besser zu verfolgen... ja da würde ich wirklich gerne eine vortsetzung lesen!
Antwort von:  Sas-_-
02.01.2020 20:56
Hi :3

Erstmal vielen lieben Dank für deinen Kommentar und den Support!
Mein persönliches Problem: Ich hab derzeit nicht mehr Plot was diesen OS betrifft. Ich hatte diese eine Idee (als Wichtelgeschenk) und nicht wirklich mehr. Ideen hätte ich zu der Vergangenheit der Geschwister an sich schon, das alleine ist aber für mich zu wenig Plot, das gibt mir nicht genug her. Ich behalte ihn im Hinterkopf, sollte sich etwas ergeben, werde ich das wohl als Fortsetzung rausbringen, da ich diesen OS gerne so abgeschlossen lassen möchte, er ist ja ein Gechenk :3

LG
Sas-_-
Von:  L-San
2020-01-02T12:50:47+00:00 02.01.2020 13:50
Hmm, das ist eine sehr interessante Geschichte. Mir gefällt es sehr, wie du Temaris Innenwelt beschrieben hast, wie sehr ihr das Treffen zumutet, usw. Ebenso finde ich es interessant zu sehen, wie unterschiedlich Gaara und ich Shikamarus Aktionen deuten. Zumindest glaube ich, dass ich sein Verhalten anders interpretiere, als es Gaara tut.
Die Charaktere an sich hast du gut getroffen, und mir gefällt es sehr, wie sehr Shikamaru seine Freundin unterstützt und sie mit seinen Worten beeindruckt. 8D

ÖG
L
Antwort von:  Sas-_-
02.01.2020 15:01
Moin Meister! :3
Vielen Dank, dass du's gelesen hast! Ich weiß, das ist im Moment zeitlich nicht so einfach, darum schätze ich es sehr, dass du dir die Zeit genommen hast!
Ich war eigentlich doch recht unsicher mit diesem Oneshot. Ich mochte meine Grundidee, war aber von meiner Umsetzung nicht zu 100% überzeugt. Es beruhigt mich, dass dir die Inhalte gefallen haben, die mir die größten Kopfzerbrechen bereitet haben. Besonders Gaara im AU. Die Vergangenheit der drei Geschwiser wird nicht wirklich erklärt und ich wusste nicht, ob das ein Kritikpunkt sein könnte ... Das wäre dann aber für eine längere FF und für einen OS empfand ich das dann als zu viel.
Gerade Temaris Gefühlswelt war mir wichtig, wenn sie auch für dich ausreichend beschrieben wurde, dann bin ich vorerst zufrieden^^
Du weißt ja, Meister. Danke für deine Mühe!

LG
Sas-_-
Von:  Onlyknow3
2019-12-31T14:50:51+00:00 31.12.2019 15:50
Auch wenn du es nicht glaubst hat mir deine Art der Umsetzung gefallen.
Und ich habe mich gefreut, mal wieder von dir zu hören.
Wünsche dir lieber Sas einen guten Rutsch ins Neue Jahr.
Deine Neko-baa

LG
Onlyknow3
Antwort von:  Sas-_-
31.12.2019 15:58
Hi :3
Ich hab es tatsächlich nur hoffen können, dass dir meine Idee gefällt, da sie doch recht düster geworden ist ^^" Umso mehr freue ich mich, dass du mit meinem OS für dich etwas anfangen konntest! :D
Ich wünsche dir natürlich ebenso einen guten Rutsch ins neue Jahr und ganz viel Gesundheit! ^-^

LG
Sas-_-
Von:  Scorbion1984
2019-12-31T13:07:45+00:00 31.12.2019 14:07
Traurige Geschichte ,Naruto als sein Pfleger ,naja er hat ihn ja schon immer verstanden !
Antwort von:  Sas-_-
31.12.2019 14:09
Heey, jaah sie ist traurig geworden >.< Weiß auch nicht warum das so gekommen ist, da war diese idee un der Rest hat sich drum herum entwickelt ^^"
Vielen Dank, dass du es gelesen und kommentiert hast! :3 Ich freue mich über jede Rückmeldung und jede Art von Support! Naruto erscheie mir als Pfleger auch sinnvoll, weshalb ich ihn eingebaut habe.


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