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Weiße Nächte

von

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„Teenie, komm endlich!“, rief Queenie aufgeregt.

Das Mädchen lief den verschneiten Weg im Central Park entlang, immer einige Meter vor ihrer Schwester und ihren Eltern. Porpentina seufzte. Was musste ihre kleine Schwester auch immer so aufgedreht sein?

Es war Dezember 1907. Die Eltern Goldstein hatten beschlossen, dass Porpentina und Queenie nun alt genug waren, um unter Anleitung Schlittschuhlaufen zu lernen. Es war früher Nachmittag. Agatha Goldstein hatte ihre Töchter fest in Wintermantel, Schal und Mütze eingepackt. Winterstiefel und Handschuhe komplettierten das Äußere der Mädchen. Trotzdem hatten beide rosige Wangen.

„Queenie, Schatz, lauf nicht zu weit weg!“, rief Vater Benjamin.

Das Mädchen versuchte, stehen zu bleiben, schlitterte aber auf dem vereisten Weg und fiel hin. Mr. Goldstein unterdrückte einen Fluch und lief zu seinem blondgelockten Mädchen, das herzerweichend zu Weinen begonnen hatte. Er hob Queenie hoch und stellte sie auf ihre Füße.

„Sieh doch mal, es ist gar nichts passiert“, versuchte er, seine Tochter zu beschwichtigen.

„Buuuääääähhhh!“

„Queenie, Liebes“, meinte nun Mrs. Goldstein, die mit ihrer Ältesten aufgeschlossen hatte. „Beim Schlittschuhlaufen wirst du auch hinfallen. Möchtest du dann jedes Mal weinen?“

„Aber ...“

„Liebes, du musst es wie die anderen Kinder machen und wieder aufstehen, wenn du hinfällst.“

Agatha Goldstein klopfte Queenie den Schnee vom Mantel. Danach legte sie Queenies Hand in die von Porpentina. Porpentina hielt ihre kleinere Schwester zögerlich fest.

„Na kommt, ihr beiden. Sonst ist es Nacht, ehe wir am See ankommen.“

Familie Goldstein ging den Weg durch den verschneiten Park weiter. An diesem Samstagnachmittag war er sehr belebt und nicht nur einmal mussten sie anderen Passanten ausweichen. Queenie wollte schon wieder vorauslaufen, wurde aber von ihrer Schwester zurückgehalten.

„Warum passt du nicht besser auf?“, fragte Porpentina leise.

Queenie ignorierte den Tadel ihrer Schwester und hüpfte neben ihr auf dem Weg herum, gerade so, als hätte sie ihren kleinen Unfall von vor einigen Augenblicken schon wieder vergessen.

„Ich freu mich sooo~, du auch, Teenie?“

„Ja.“

Tatsächlich freute sich Porpentina sehr, dass ihre Eltern mal wieder einen Ausflug mit ihnen machten. Sie war erst von einigen Monaten in die erste Klasse einer NoMaj-Schule gekommen. Seitdem lernte sie Lesen, Schreiben und Rechnen, wobei ihr Lesen am meisten Spaß machten. Endlich konnte Porpentina etwas mit den Büchern anfangen, die ihre Eltern besaßen. Mr. und Mrs. Goldstein hatten alle Hände voll damit zu tun, die Literatur, die mit Magie zu tun hatte, vor ihrer neugierigen Tochter zu verstecken.

„Das ist noch nichts für dich!“, hatte ihr Vater sie ermahnt und ihr das Buch über Zaubertränke aus der Hand gezogen.

Nicht, dass Porpentina die Rezepte verstanden hätte, die das Buch enthielt. Woher sollte sie schließlich wissen, was ein Blutegel oder ein Knöterich waren? Die Worte hatte sie gerade so vor sich hin plappern können, als ihr Vater in den Salon kam und sie mit dem Buch auf dem Sofa sitzen gesehen hatte. Danach hatte er ihr eine Zeitung gebracht. Viel zu groß und unhandlich, die Schrift viel zu klein gedruckt.

„Das ist eine NoMaj-Zeitung“, hatte Porpentina mit ihrer piepsigen Stimme angemerkt.

„Und?“, hatte ihr Vater gefragt.

„Arbeitest du nicht für die Mi... Mi...“

„Miracle Times? Ja, Liebes, aber das ist noch keine Lektüre für dich.“

Frustriert hatte Porpentina ihre Nase in die NoMaj-Zeitung gesteckt und versucht, etwas aus den Wörtern zu machen, die dort standen. Sonderlich interessant fand sie die Geschichten in der Zeitung nicht, weshalb sie sie irgendwann wieder weggelegt hatte.

„Teenie? ...“

Porpentina stolperte gedankenverloren weiter.

„Teenie!“

Perplex sah sie Queenie an, die ihr ernst entgegenstarrte.

„Was ist?“, fragte ihre kleine Schwester.

„Was soll sein?“

„Du redest gar nicht mit mir.“

„Entschuldige ...“

Queenie hüpfte begeistert weiter.

„Liest du mir die Geschichte von der hüpfenden Hexe auf dem Kirchendach vor, wenn wir wieder zu Hause sind?“

„Schon wieder?“, fragte Porpentina. „Willst du nicht lieber mal eine der anderen Geschichten hören?“

Porpentina kannte die Geschichte von der hüpfenden Hexe mittlerweile auswendig. Von Vorlesen konnte keine Rede mehr sein. Lieber würde sie ihrer Schwester eine der anderen Geschichten aus dem Buch für magische Kleinkinder vorlesen, zum Beispiel die vom singenden Honigtopf. Aber dann würde Queenie sich wieder beschweren, weil sie zu lange brauchte. Oder sie bekam Angst vor dem singenden Honigtopf. Und das mit ihren vier Jahren.

„Na gut.“

Die Familie ging weiter. Der See lag nun direkt vor ihnen, aber wegen der vielen Menschen, die sich dort aufhielten, konnte Porpentina nichts erkennen.

„Na dann wollen wir uns mal die Kufen ausleihen“, meinte Vater Goldstein begeistert und führte Gattin und Töchter zu der Hütte.

Sie mussten einige Minuten warten, in denen Queenie aufgeregt quengelte und Porpentina neugierig umher schaute. Andere Kinder gingen mit Papiertüten vorbei, aus denen sie etwas naschten. Sie konnte nicht erkennen, was.

„Kommt.“

Agatha Goldstein schob ihre Töchter weiter. Endlich kamen sie dran, ein bärtiger älterer Herr sah auf die Mädchen herab und drehte sich wieder um.

„Die müssten eigentlich passen“, raunte er und reichte zwei paar Kinderschlittschuhe mit Doppelkufen über einen Holztisch.

Mrs. Goldstein nahm sie entgegen und ging mit ihren Töchtern zu den Sitzbänken, die direkt am See aufgestellt waren. Die Eisfläche war voll mit Schlittschuhläufern jedweden Alters. Vater Goldstein folgte ihnen einige Minuten später mit zwei Paar Erwachsenenschlittschuhe.

„Na los, Schuhe runter“, meinte er gut gelaunt.

Porpentina öffnete ihre Schnürsenkel und trat sich die Schuhe von den Füßen. Vater kniete sich vor sie hin und half ihr, die Schlittschuhe anzuziehen. Queenie schaute fasziniert den Leuten auf der Eisfläche zu.

„So, jetzt noch den Zweiten anziehen.“

In den linken Schuh kam Porpentina leichter. Wieso kam sie in jeden linken Schuh leichter mit dem Fuß als in den rechten?

„Vater?“

„Ja?“

Mr. Goldstein hatte ihr nun auch den linken Schuh angezogen und begann, seine eigenen Schuhe gegen die Schlittschuhe zu tauschen.

„Sind linke Schuhe größer als rechte?“

Mr. Goldstein prustete.

„Teenie, Liebes, wie kommst du denn darauf?“, fragte er amüsiert und band die Schnürsenkel der Schlittschuhe zu.

„Weil ich in den linken Schuh immer leichter rein komme als in den rechten.“

„Nein, Liebes, das liegt einfach daran, dass dein linker Fuß etwas kleiner ist als dein rechter.“

Porpentina sah ihren Vater erschrocken an.

„Keine Angst. Das haben die meisten Menschen.“

„Wollen wir?“, fragte Mutter Goldstein.

Sie hatte Queenie auf die Kufen gestellt und hielt das Mädchen an beiden Händen fest. Unbeholfen versuchte Queenie, auf den Schlittschuhen zu gehen, rutschte immer wieder weg und wurde von ihrer Mutter auf den Beinen gehalten. Porpentina sah ihr unsicher hinterher. 

„Komm.“

Mr. Goldstein nahm Porpentina an der Hand und gemeinsam näherten sie sich vorsichtig der Eisfläche. Auch sie rutschte immer wieder weg und fast einmal mit dem Hintern auf dem Boden gelandet, hätte ihr Vater sie nicht festgehalten. Mit ihrem freien Arm ruderte sie Mutter und Schwester hinterher, die inzwischen vorsichtig auf der Eisfläche herum rutschten. 

„Also hör zu, Porpentina“, fing ihr Vater an. „Du musst immer abwechselnd die Füße von innen nach außen ziehen.“ 

Porpentina schaute unsicher auf ihre Füße und versuchte, den Rat ihres Vaters umzusetzen. Ihr linkes Bein schlingerte unkontrolliert gegen die Füße ihres Vaters. 

„Schau, so macht man das.“ 

Er ließ sie los und fuhr vorsichtig auf der Eisfläche herum, drehte eine Kurve und blieb etwa zwei Meter von ihr entfernt stehen. Einige andere Eisläufer drängten zwischen ihnen hindurch. 

„Jetzt du!“

Porpentina sah nach links und nach rechts, und schlitterte ihrem Vater mit rudernden Armen hinterher. Fast währe sie in jemanden hinein gelaufen, aber derjenige bremste stark ab und umrundete sie. Ihr Vater streckte ihr seine Arme entgegen. Kurz, bevor sie ihn erreicht hatte, blieb sie mit ihrem rechten Fuß an etwas hängen und fiel auf die Knie. Tränen traten ihr in die Augen, als ihr Vater angeschlittert kam. 

„Liebes, hast du dir weh getan?“, fragte er besorgt und kniete sich zu ihr hin. 

Sie sog den Rotz in der Nase hoch, weigerte sich aber, ein Wehklagen von sich zu geben. Dafür war Porpentina schon zu alt. 

„Na komm, ist doch alles halb so schlimm“, meinte ihr Vater und stellte sie wieder auf ihre Füße. 

Ihre Knie taten ihr weh. Sie sah auf den Boden hinter sich, konnte aber nicht ausmachen, woran sie hängen geblieben war. 

„Wollen wir es noch mal versuchen?“ 

Porpentina nickte, griff aber sicherheitshalber nach der Hand ihres Vaters. Mr. Goldstein lächelte seiner Tochter aufmunternd zu und vorsichtig legten sie einige Meter zurück. Porpentina hatte ihren Blick immer auf dem Boden gerichtet und ruderte wieder mit ihrer freien Hand, um das Gleichgewicht halten zu können. Sie fuhren auf die Mitte des zugefrorenen Sees im Central Park zu. Dort war bei weitem weniger los als am Rand. Porpentina sah sich um, als sie wieder standen. 

„Vater, wo sind Mutter und Queenie?“, fragte sie. 

„Ich weiß nicht, mein Liebes, vielleicht irgendwo im Getümmel?“

Porpentina entging nicht, dass ihr Vater sich besorgt umsah. Sie ließ seine Hand los und er schaute überrascht zu ihr runter. 

„Darf ich es noch mal alleine versuchen?“ 

„Natürlich, aber fahr nicht zu weit weg. Immer schön, wo ich dich im Auge behalten kann.“

Porpentina nickte. Vorsichtig kurvte sie hierhin und dorthin. Langsam, die Hände ausgesteckt, um das Gleichgewicht zu halten. Wackelig drehte sie eine Kurve, wie sie es vorhin bei einem anderen Schlittschuhläufer gesehen hatte, wäre aber beinahe wieder hingefallen. Sie wurde mutiger, als sie wieder auf ihren Vater zu schlitterte, aber er war immer noch damit beschäftigt, sich auf der Eisfläche umzusehen. 

„Vater, schau mal!“, rief sie. 

„Ja, Liebes“, meinte er, ohne hinzuschauen. 

Sie fuhr in ihn rein. 

„Huch?“ 

„Du hast gar nicht geschaut“, meinte Porpentina leise. 

„Entschuldige. Ich versuche nur, deine Mutter und Queenie ausfindig zu machen. Hast du sie gesehen?“ 

„Nein.“ 

Vater Goldstein grummelte. 

„Komm, lass sie uns lieber mal suchen.“

Porpentina reichte ihm wieder die Hand und sie schlitterten wieder auf die Menschenmasse am Rand des Sees zu.

„Du schaust, ob du Queenie entdeckst. Mit ihrer rosafarbenen Jacke sollte sie ja schnell erkennbar sein. Ich schau nach Mutter.“

Porpentina hatte das Gefühl, hauptsächlich Beine von Erwachsenen zu sehen. 

„Vater, schau mal da drüben.“ 

Mr. Goldstein blickte in die Richtung, in die Porpentina deutete. 

„Ah!“ 

Die beiden schlitterten in die Ecke des Sees, der als Wagner Cove bekannt war und wo scheinbar ein separater Bereich für Kinder auf der Eisfläche eingerichtet worden war. Porpentina entdeckte ihre Mutter sofort. Sie versuchte, ihren Vater mitzuziehen, was jedoch misslang. Gemeinsam kurvten sie zu Mrs. Goldstein und Queenie hinüber. Mutter Goldstein saß auf dem Boden und hustete stark, Queenie hatte sich ängstlich an sie gedrückt.

„Schatz, was ist los?“, fragte Vater Goldstein besorgt.

Porpentinas Mutter hörte nicht auf zu husten. Erst jetzt sah sie, dass sie in ein Stofftaschentuch hustete. Das Stofftaschentuch war verfärbt.

„Mama?“, fragte Porpentina verängstigt.

„Agatha, was ...?“

Sie hustete noch einmal.

„Es geht schon wieder ...“

Mr. Goldstein sah wenig überzeugt aus bei dieser Aussage, aber er schwieg. Seine Frau ließ sich von ihm aufhelfen und wischte sich mit dem Taschentuch noch einmal über die Lippen. Schwach lächelte sie dann ihre Töchter an. Die Mädchen sahen nur ihr blasses Gesicht, der Schweißfilm auf ihrer Haut war nur für ihren Gatten erkennbar.

„Dreht lieber noch ein paar Runden, sonst lohnt sich die Leihgebühr nicht“, meinte Mrs. Goldstein.

„Wollen wir noch ein paar Runden drehen?“, fragte Mr. Goldstein.

„Ja.“

Ihr Gatte klang wenig überzeugt. Trotzdem nahm er Queenie bei der Hand.

„Mama, was ist los mit dir?“, fragte Porpentina besorgt, als ihr Vater und ihre Schwester außer Hörweite waren.

„Es geht schon, Liebes. Nur eine starke Erkältung.“

„Aber du hast Blut gehustet ...“

„Ach, das. Das waren nur ein paar Tropfen. Willst du auch noch ein bisschen über das Eis laufen?“

Zögerlich nickte Porpentina. Sie schlitterte einige kleinere Runden, um ihrer Mutter ihre passablen Fahrkünste zu zeigen. Mrs. Goldstein sah ihrer älteren Tochter stolz entgegen.

„Teenie, du scheinst ein Naturtalent zu sein.“

Porpentinas Mine hellte sich etwas auf.

„Wirklich?!“

Sie fuhr mehrmals um ihre Mutter herum, die selbst einige Meter zurücklegte, in sehr gemäßigtem Tempo, und sich dabei stets nach ihrem Gatten und Queenie umblickend.

„Bekomm‘ ich heiße Maroni?“, fragte Porpentina, als sie wieder zu ihrer Mutter aufgeschlossen hatte.

„Aber natürlich, Liebes! Wenn wir Vater und Queenie gefunden haben, dann könnt ihr euch eine Tüte teilen.“

Porpentina nickte motiviert und hielt nach den anderen Familienmitgliedern Ausschau. Vater war mit Queenie am anderen Ufer des Kinderbereichs angekommen und machte gerade wieder mit ihr kehrt. Neben ihr erklang ein Husten.

„Mutter, gehst du zu einem Arzt, sobald wir zu Hause sind?“

„Ach was“, räusperte sich Mrs. Goldstein. „Porpentina, mir geht es wirklich schon wieder besser. Ich werde mich zu Hause ins Bett legen und Tee trinken, bis mir schwarz davon wird.“

Porpentina war nicht überzeugt.

„Aber wenn es nicht besser wird?“

„Ja, Liebes, dann werde ich einen Arzt konsultieren.“

Mr. Goldstein hatte Queenie hockgehoben und kam in einem scharfen Tempo auf sie zu geschlittert. Queenie quiekte vor Freude und verlange nach noch einer Runde. Doch Vater schüttelte lachend den Kopf. Queenie sah ihn enttäuscht an und bekam feuchte Augen.

„Queenie, Liebes, möchtest du auch heiße Maroni?“, fragte Agatha, um sie von einem Heulkrampf abzuhalten.

„Ja!“, rief sie begeistert.

„Aber erst müssen wir die Schlittschuhe zurückgeben!“, mahnte Vater.

Familie Goldstein machte sich auf den Rückweg. Die Schlittschuhe waren sie schnell losgeworden und hatten dann bei einem einsamen Betreiber einer Maroni-Hütte die winterliche Leckerei erworben.

Sie verließen den Trubel um den See und wandten sich einem ruhigeren Bereich des Central Park zu. Inzwischen war es fast Nacht, die Wege spärlich durch Gaslampen beleuchtet. Queenie hüpfte neben Porpentina auf und ab, während sie sich die Maroni teilten. Ihre Eltern waren einige Schritt hinter ihnen.

„Schau mal, Teenie, wie schön der Schneeberg ist!“

Queenie deutete ganz aufgeregt in eine Richtung und Porpentina folgte ihrem ausgestreckten Zeigefinger. Was ihre Schwester so enthusiastisch als Berg bezeichnete, ging nicht einmal als Hügel durch. Trotzdem war das Bild irgendwie magisch. Die Schneefläche war noch nicht von Fußspuren unterbrochen, die Bäume im Hintergrund zart eingezuckert und nur spärlich durch Laternen erleuchtet. Porpentina fiel etwas ein. Sie drehte sich zu ihren Eltern um.

„Mama, können wir noch zur Gapstow Bridge?“, fragte sie.

„Liebes, das ist fast am anderen Ende des Parks, was willst du denn da?“, fragte Vater Goldstein.

Porpentina sah ihn pingelig an.

„Agatha, was meinst du?“

Mutter Goldstein hustete einmal zur Antwort.

„Oh je. Porpentina, Liebes, ich glaube, wir sollten uns doch lieber auf den Weg nach Hause machen.“

Porpentina sah einmal von ihrem Vater zu ihrer Mutter und wieder zurück.

„Ist gut.“

Sie ließ sich nicht anmerken, wie enttäuscht sie war.

„Was ist denn bei der Gapstow Bridge?“, fragte Queenie, als sie umgekehrt waren.

„Ach nichts. Ich wollte die Brücke nur einmal im Winter sehen.“

„Oh. Vielleicht können wir in ein paar Tagen hin, wenn es Mama wieder besser geht.“

Porpentina lächelte ihr kurz zu. Queenie versuchte immer, sie aufzuheitern, wenn es ihr schlecht ging. Die Möglichkeit, dass in ein paar Tagen der Schnee schon wieder geschmolzen sein könnte, ignorierte sie einfach. So nervig Queenie manchmal auch war, um nichts in der Welt würde Porpentina ihre kleine Schwester missen wollen.
 

~
 

20 Jahre später stand Porpentina an den Ufern eines zugefrorenen Sees in den Schottischen Highlands und blickte auf die Eisfläche hinaus, die vom Vollmond erleuchtet bläulich schimmerte. Sie erinnerte sich noch gut an den Nachmittag in New York zurück, an die Parkanlage, die nachts durch den weißen Schnee geradezu magisch geglüht hatte.

Natürlich waren sie zwei Tage später nicht zur Gapstow Bridge gegangen. Zwei Tage später hatte ein Arzt der Wilma Bonerattle Academy für Magisch Erkrankte und Verunglückte eine gefährliche Infektionskrankheit bei ihrer Mutter festgestellt. Drachenpocken.

Innerhalb eines Monats hatten Porpentina und Queenie ihre Eltern an die noch unerforschte Krankheit verloren. Plötzlich auf sich allein gestellt, hatte Porpentina Verantwortung für sich und ihre Schwester übernehmen müssen und war ihrer Tante Elizabeth, bei der sie untergekommen waren, im Haushalt und im Garten zur Hand gegangen. Queenie ihrerseits war nach dem Tod der Eltern in ein tiefes Loch gefallen, hatte monatelang nicht gelacht, sich täglich in den Schlaf geweint. Porpentina hatte versucht, ihr die Mutter so gut es ging zu ersetzen. 

Sie verzog den Mund zu einem Lächeln, als sie an ihre Naivität von damals dachte. Vermutlich hatten sie sich gerade deshalb sehr nahe gestanden. Umso schmerzlicher war für Porpentina nun der Verlust der geliebten Schwester. Was hatte Queenie nur dazu bewogen, sich Grindelwald anzuschließen? Porpentina war es ein Rätsel. Doch kampflos wollte sie sie nicht aufgeben.

„Der kann was erleben ...“, flüsterte sie in die weiße Nacht hinaus.
 

~ FIN ~



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