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Unverhofft unerwartet

Das Beste zum Schluss
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo =)
Pünktlich zur Weihnachtszeit starte ich mit einer neuen FF. Ich hoffe das euch die 10 Kapitel, die sie hat, gefallen werden.
Vielen Dank an Raven-L-Alissa fürs Beta lesen.
LG SakuraSasuke92 Komplett anzeigen

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Teil 1 – Suche

Eigentlich sollte ich zuhause sitzen, einen Film schauen und mich auf die anstehenden Feiertage vorbereiten und was mache ich stattdessen? – Ich fahre auf schneebedeckten, vereisten Straßen in eine Gegend die ich kaum kenne. Und weshalb das Ganze? – Weil mein Bauchgefühl mir sagt, dass es das Richtige ist und Nichts und Niemand mich aufhält. Klar Weihnachten steht vor der Tür, aber die Vorbereitungen habe ich schon alle erledigt und auch sonst alles was ich zu erledigen hatte. Ich hatte langweile gehabt, da kam das wie gerufen. Sollte es doch nicht den gewünschten Ausgang bringen, fahr ich einfach wieder heim, kein Risiko, abgesehen von den Wetterverhältnissen, daran mag ich aber nicht denken. Positiv denken.

Aber langsam beginne ich daran zu zweifeln, ob es die richtige Entscheidung war, meine Suche doch noch vor dem Jahresbeginn fortzusetzen. Ich kann kaum sehen wo die Straße ist und zudem hat es auch wieder begonnen zu schneien, also wird die Sicht immer schlechter. Nachher fahre ich noch in einen Graben und kann Glück haben, wenn mich einer findet. Kurz kommt mir der Gedanke doch lieber umzudrehen. Ich ermahne mich selbst, wo meine positiven Gedanken hin sind.

Doch wenn ich nicht gefahren wäre, was würde ich dann machen? Vielleicht noch immer im Warmen sitzen, eventuell Freunde treffen, aber im Kopf hätte ich immer noch das Telefongespräch. Endlich nach Wochen, nein Monaten der erfolglosen Suche, habe ich den Hinweis bekommen, den ich die ganze Zeit benötigte. Nein, ich tue definitiv das Richtige. Ich bin ein guter Fahrer, das bisschen Schnee wird mich nicht in die Knie zwingen. Meine Entschlossenheit ist zurück.

Wenn mein Vater wüsste, dass ich gerade jetzt unterwegs bin, fast zwei Stunden von Zuhause entfernt bei dieser Wetterlage, er würde ausflippen, habe ich ihm doch versprochen nicht mehr loszuziehen, jetzt wo das Wetter so unberechenbar ist. Er denkt ich sitze zuhause und schaue einen Film oder ähnliches. Wieso muss ich jetzt an ihn denken? Der Gedanke umzukehren schwirrt mir wieder durch den Kopf. Nein nicht jetzt kurz vor meinem Ziel, sage ich zu mir selbst.
 

Wie lange ich wirklich unterwegs bin als ich das ersehnte Hinweisschild sehe, dass mir sagt das ich nur noch fünf Kilometer bis zu meinem Ziel habe, weiß ich nicht, anfühlen tut es sich wie ein ganzer Tag. Erleichterung überkommt mich, als ich auf die Straße abbiege, nicht mehr lange und ich habe es geschafft. Die Fahrspur ist nun deutlich sichtbar, die Straße wurde vor kurzem erst geräumt und der Schneefall hat wieder nachgelassen, endlich scheint das Wetter auf meiner Seite zu sein.

Ich fahre schon eine Weile auf der Straße, als mir ein Auto entgegenkommt, in einem Tempo welches nicht für diese Wetterverhältnisse geeignet ist und das auf meiner Fahrspur. Adrenalin schießt mir in die Adern, aus Reflex reiße ich das Lenkrad um und fahr somit direkt in den Graben. Das entgegenkommende Fahrzeug rammt den hinteren Teil meines Wagens, als ich schon im Graben liege. Zum Glück hat sich mein Auto nicht überschlagen, aber der Schnee hat nachgegeben und mein Auto hängt mindestens im 30 Grad Winkel im Seitengraben. Vielleicht habe ich dem Schnee zu verdanken das nicht mehr passiert ist.

Ich bin noch ganz benommen, als ich den kalten Lufthauch wahrnehme. „Hallo, sind sie in Ordnung?“, fragt mich eine Stimme. Ich will antworten, aber es gelingt mir aus irgendwelchen Gründen nicht. Eine Hand legt sich auf meine Schulter, sie ist schwer. „Hey, wachbleiben!“, vernehme ich wieder diese Stimme, männlich stelle ich fest. Obwohl mein Kopf schmerzt drehe ich mich zu meinem vermeintlichen Retter, wie ich hoffe.
 

„Schieße“, fluche ich, als der verletzte Fahrer sich zu mir dreht und dann wegsackt. Er blutet an der Stirn, wahrscheinlich eine Gehirnerschütterung. Umgehend rufe ich den Notruf, dieser Mann braucht sofort Hilfe. „Gefunden“, höre ich den Verletzten plötzlich murmeln. Seine Augen sind noch geschlossen, aber er ist wieder zu sich gekommen, stelle ich erfreut fest. Aber was meint er mit ‚Gefunden‘? Erneut probiere ich ihn durch Ansprechen dazu zu bringen mich anzusehen aber ohne Erfolg bisher, keine weitere Reaktion seinerseits. Als ich jedoch nach seinem Puls taste, ergreift er meine Hand. Irgendwie hat mich seine Handlung erschreckt aber ich ziehe meine Hand nicht weg. „Geh nicht weg“, bittet er flüsternd. „Werde ich nicht, aber bitte bleib wach. Der Krankenwagen ist schon unterwegs“, verspreche ich dem jungen Mann, der mir auf eine Weise sehr bekannt vorkommt. Woher weiß ich nicht und dies ist auch nicht der Zeitpunkt das ich darüber nachdenken sollte. „Okay“, antwortet er mir. Endlich, eine richtige Reaktion, Erleichterung macht sich in mir breit.

Er hustet und tastet auf dem Beifahrersitz herum. „Wasserflasche“, wendet er sich an mich und zeigt auf den Sitz. Ich erblicke gesuchtes im Fußraum, da kommt keiner von uns Beiden gerade ran stelle ich fest. „Ich kann die Flasche nicht erreichen, aber ich habe eine in meinem Auto, ich hole sie dir“, erkläre ich und hole die Flasche schnell, auch wenn ich das Gefühl habe das er mich nur ungern losgelassen hat. Nach ein paar Schlucken von dem Wasser habe ich das Gefühl, dass er wieder munterer wird. Meine Hand hat er auch wiederergriffen, wenn’s ihm hilft wach zu bleiben, wieso nicht?

„Hast du gesehen was passiert ist?“, fragt er mich, als er seine Wunde betastet. „Lass das, du machst es nur schlimmer. Ist nur eine Platzwunde, sieht schlimmer aus als es ist. Und ja habe ich, kannst du dich dran erinnern?“, will ich von ihm wissen. Mal sehen ob er ein Blackout hatte und es hält ihn wach, etwas das ich auf jeden Fall erreichen will. Der junge Mann nickt und bereut es sogleich, er zischt vor Schmerz.
 

Von weitem kann ich schon das Blaulicht erkennen und bin froh als die Rettungsassistenten übernehmen. „Geh nicht“, wendet sich der Verletze sich nochmal an mich, als ich seine Hand loslasse. „Ich bleibe hier, ich mache nur Platz damit du versorgt werden kannst“, verspreche ich und halte mich auch daran. Die ganze Zeit schaue ich zu ihm, während eine Polizistin mich zu dem Unfall befragt, den ich genauestens schildere. Für mich war klar das der andere Fahrer die Schuld trägt, das sieht die Polizistin nach erster Einschätzung auch so. Als die Rettungssanitäter ihn auf die Trage heben, streckt er flehend eine Hand nach mir aus. Wieso ich auf ihn zugehe und seine Hand ergreife weiß ich nicht genau, mein Gefühl sagt mir es ist das Richtige. Und zum ersten Mal seit Jahren traue ich diesem Gefühl was in mir hochkommt. Irgendetwas zieht mich zu ihm, nichts was ich erklären kann, es ist einfach da. Warum fühlt es sich so verdammt gut an, dass ich seine Hand halte?

„Fahren sie mit ihm, ich sorge dafür das ihr Auto zum Krankenhaus gebracht wird“, richtet sich die Polizistin an mich. Solch ein Angebot lehne ich nicht ab. Somit steige ich mit in den Krankenwagen und halte die Fahrt über seine Hand. Der Sanitäter lächelt als er bemerkt wie froh ich darüber bin mitfahren zu dürfen. Ich ignoriere es, meine Welt dreht sich gerade nur um den Mann dessen Hand ich halte.

Im Krankenhaus jedoch lassen mich die Ärzte nicht mehr weiter bleiben, sondern verbannen mich ins Wartezimmer. Wieso mache ich mir Sorgen um diesen Mann? Kenne ich ihn irgendwo her? Und wieso bin ich jetzt verärgert das ich hier unruhig auf und abgehe? Was an diesem Mann zieht mich an, dass ich so untypisch reagiere? Ich kann keine Antwort finden, nur das Gefühl, welches mir sagt das ich ihn irgendwoher kenne und dass es richtig ist zu bleiben. Normalerweise habe ich meine Aufgabe erfüllt, mehr als das sogar, aber ich bleibe, weil ich nochmal mit ihm sprechen will. Wieso macht mich das jetzt Nervös?
 

Ich muss ein paar Mal weg gewesen sein, denn ich weiß nicht wann ich im Krankenhaus angekommen bin und die Gespräche der Ärzte sind ebenfalls zusammenhangslos in meiner Erinnerung. Und wo ist mein Retter hin?

„Sagen sie mir was los ist!“, verlange ich, als ich mich etwas gesammelt habe. Meine Stimme klingt viel härter als ich erwartet habe, doch das scheint den Arzt in keiner Weise zu stören. „Ah sie sind wach“, bemerkt er und stellt sich so, dass ich ihm ins Gesicht schauen kann. „Sie haben eine leichte Gehirnerschütterung, eine Platzwunde an der Stirn, die wurde versorgt und eine geprellte Hand“, zählt er auf und deutet zum Schluss auf meine verbundene Hand. Wahrscheinlich ein Stützverband damit ich das Handgelenk ein wenig schone. „Sie hatten riesen Glück bei dem Unfall“, urteilt der Arzt. „Ansonsten bin ich in Ordnung?“, hake ich nach. Ich bin nicht ganz überzeugt das er schon fertig war. „Ja, absolut in Ordnung. Eine Schwester bringt sie gleich auf ihr Zimmer. Sie müssen die Nacht zur Beobachtung bleiben, nur aufgrund der Gehirnerschütterung. Wir haben keine Angehörigen ermitteln können, der Mann der sie begleitet hat wusste ihren Namen nicht. Wenn sie jemand hier haben, können wir ihn gerne benachrichtigen, dann dürfen sie heimgehen“, erklärt er mir. „Ich kann sie nicht ohne Aufsicht gehen lassen, das ist auch in ihrem Sinne“, fügt er der ältere Mann hinzu. „Ich verstehe, Nebenwirkungen von dem Unfall so zusagen, die sie ausschließen wollen“, gebe ich zurück. Ist nicht meine erste Gehirnerschütterung, also verstehe ich gut was der Arzt mir damit sagen wollte. „Ich komme nicht von hier, es würde nichts bringen jemanden anzurufen, ich bleibe die Nacht“, antworte ich auf seine Frage. Er gibt mir ein verständnisvolles Lächeln und wendet sich dann wieder seinem Schreibkram zu.

„Wo ist…?“, setze ich an, als ich mich in dem Behandlungszimmer umschaue. „Ihr Begleiter? Den habe ich ins Wartezimmer geschickt. Die Schwester kann ihm Bescheid geben, wenn sie ihn sehen wollen“, unterbricht mich der Arzt. Anscheinend ist er fertig mit seinem Schreibkram. „Da kommt sie schon. Sie wird die Nacht für sie da sein, wenn nichts mehr sein sollte, sehe ich sie morgen früh bei der Visite“, verabschiedet sich der Arzt und überlässt mich einem weiteren unbekannten Gesicht. Besonders sympathisch ist mir der Mann nicht, aber zum Glück ist es ja nur eine einmalige Sache.

In einem Krankenbett werde ich die Flure entlang geschoben, bis ich in ein Zimmer komme, das ich glücklicherweise für mich alleine habe, wie ich sofort feststelle. „Wenn sie etwas brauchen, zögern sie nicht zu klingeln. Bitte klingeln sie auch, wenn sie das Bad benutzen müssen. Durch die Gehirnerschütterung könnte ihnen schwindlig werden und wir brauchen keine weiteren Verletzungen“, erklärt sie mir. Ebenfalls nicht besonders freundlich, halt eine Standard Krankenschwester, was soll ich schon erwarten. Sie sagt jetzt auch nichts, was ich nicht schon vorher wusste. „Werde ich. Können sie den Mann holen, der den Krankenwagen gerufen hat?“, bitte ich sie, woraufhin ich ein Nicken als Antwort bekomme. Wenigstens etwas, ich würde meinen Retter sehen und vielleicht sogar noch mehr. Ich bin nicht sicher, ob ich es mir vorhin nur eingebildet habe oder ob es Realität war.
 

Es dauert eine ganze Weile bis sich die Tür zu meinem Zimmer öffnet und genau der Mann eintritt den ich sehen wollte und es war Realität. Er lächelt als auf mich zugeht. „Vielen Dank“, sage ich ohne nachzudenken. „Wofür?“, fragt er nur, als er sich den Stuhl ans Bett zieht. „Die Hilfe bei dem Unfall“, erkläre ich verlegen. Was ist plötzlich mit mir los? Ich bin doch sonst besser in solchen Situationen. „Dafür ist kein Dank nötig“, erwidert er. Irgendwie wirkt mein Retter kurz angebunden und ich fühle mich schuldig, dass ich ihn weiter aufhalte. Aber er hätte auch einfach gehen können, hat aber die ganze Zeit gewartet, also kann das ja nicht sein.

„Außer der offensichtlichen Kopfverletzung irgendwas passiert?“, fragt er mich plötzlich. „Eine geprellte Hand und Gehirnerschütterung, der Arzt meinte ich hätte Glück gehabt“, erzähle ich ihm und halte meine verbundene Hand hoch. Dieses angenehme Gefühl von vorhin kehrt zurück. „Da bin ich erleichtert“, gibt er zurück. Es ist sein voller Ernst, nicht einfach nur so dahingesagt.

Auf einmal ist es still zwischen uns und ich überlege ob ich ihm den Grund erzählen soll wieso ich überhaupt bei den Witterungsverhältnissen in ein so unbekanntes Dorf wollte. Wieso zweifele ich jetzt an mir, schließlich bin ich extra losgefahren.

Mein Retter mustert mich, es ist mir unangenehm. Schließlich sitze ich in einem Krankhauskittel in einem Bett. „Entschuldige, Sie kommen mir einfach sehr bekannt vor, aber ich komme nicht drauf“, entschuldigt er sich, als er mein Unwohlsein unter seinem Blick bemerkt. Jetzt ist die Chance, er nimmt es mir praktisch ab. „Ja tatsächlich kennen wir uns, wenn man das so nennen kann“, gestehe ich ihm, wofür ich all meinen Mut zusammennehmen musste. Der Anfang ist gemacht, der Rest sollte sich von alleine ergeben. „Dann hilf mir auf die Sprünge, ich überlege seit ich dich im Auto gesehen hab“, bittet er. „Es ist schon einige Wochen her, in einem Nachtclub“, beginne ich.
 

Jetzt wo er es sagt erinnere ich mich. Wir trafen uns ziemlich spät an der Bar in der Nachbarstadt und kamen direkt gut miteinander aus. Es war einer der Nächte wo ich ziemlich fertig war und als ich ihn traf ging es mir schlagartig besser. Wir haben sehr lange geredet und dabei das ein oder andere Glas geleert. Er war wegen einem Seminar in der Stadt, was war es noch gleich – ach ja er ist Koch - ein Seminar über irgendwelche Nahrungszusätze. Ich fand es irgendwie lustig, aber er nicht. Dabei ist es irgendwie zu einem Kuss gekommen. Es fühlte sich erstaunlich an, etwas nachdem ich mich lange gesehnt habe.

Selbst danach haben wir es für diese eine Nacht langsam angehen lassen. Wir haben geredet bis uns die Bedienung rausgeschmissen hat, erst da hat er mich eingeladen mit ins Hotel zu kommen. Wir haben uns bis morgens eher zögerlich verhalten, nur einige schüchterne Küsse und Berührungen. Doch als die Sonne sich langsam am Horizont bemerkbar machte, war es um uns geschehen. Nicht gerade ein klassische One-Night-Stand, es hat mir was bedeutet und genau deshalb habe ich es aus meiner Erinnerung verbannt, nachdem es mich noch ein paar Wochen auf Trab gehalten hat. Noch jemand zu verlieren der mir was bedeutet verkrafte ich nicht, deshalb lasse ich sie von vornhinein nicht mehr rein. Vielleicht ein Fehler, aber damit geht es mir besser.
 

„Hallo“, reißt er mich aus der Erinnerung. Es sieht so aus, als hätte er mich mehrmals angesprochen. „Entschuldige, ich habe gerade an die Nacht denken müssen“, erkläre ich verlegen. Anscheinend habe ich ihn damit ebenfalls in Verlegenheit gebracht, denn seine Wangen röten sich. „Hast du mich vorhin schon erkannt?“, frage ich ihn. „Ja, deine Haare sind unverkennbar“, erklärt er mir. Ich muss lächeln, damit hat er voll ins Schwarze getroffen. „Das ist eine ungewöhnliche Farbe und du sagtest das ist deine natürliche Haarfarbe“, setzt er fort. „Du erinnerst dich daran“, stelle ich überrascht fest, die wenigsten glauben mir das. Grün ist nicht gerade eine Standard Haarfarbe in der Regel gibt es die nur gefärbt. „Ich erinnere mich an alles was in dieser Nacht geschehen ist“, gesteht er mir.

Ich kann mich ebenfalls an alles erinnern, jetzt wo ich es wieder zulasse. Unsere Gespräche waren so ungezwungen, es hat Spaß gemacht, ein so seltenes Gefühl. Und doch bin ich überrascht das es ihm genauso geht wie mir. Ich war trainiert auf Details und Gespräche zu achten, es ist mir in Fleisch und Blut übergangen. Aber es ist selten das ein anderer ebenfalls so ein detailreiches Gedächtnis besitzt.

„Bist du damals eigentlich noch pünktlich zu deinem Seminar gekommen?“, frage ich. „Ohja, aber ich war hundemüde. Ich habe beinahe meinen Kaffee verschüttet, als ich in einem Vortrag kurz eingenickt bin“, erzählt er lachend. „Eigentlich wollte ich an dem Abend heimfahren, bin aber dann noch die Nacht im Hotel geblieben“, setzt er fort.

Ich bewundere wie er lächelt, obwohl er doch wegen einem blöden Autofahrer im Krankenhaus liegt.

Seine blonden Haare sind länger geworden seit unserem letzten Treffen, aber seine Lippen und diese Augen sie ziehen mich magisch an, genau wie an dem Abend in der Bar. Wieder mustere ich ihn, irgendwie hat er ein Strahlen an sich, mehr noch als damals, aber woher kommt das?

Ich muss mich selbst ermahnen, die Erinnerung wieder blockieren, darf das nicht zulassen. Ich ertappe mich wie ich mich selbst in etwas verliere das ich nicht ertragen kann. Er würde wieder gehen und dann? Dann würde meine Qual beginnen.
 

„Bist du in Ordnung?“, frage ich meinen Retter, er ist plötzlich blass geworden. Keine Reaktion von ihm, ich verstehe nicht was los ist. „Zorro?“, spreche ich ihn nochmals an. „Entschuldige“, erwidert er, seine Blässe verschwindet wieder, aber er wirkt wieder distanziert. „Ich denke ich sollte gehen“, sagt er plötzlich, es klingt so, als würde er das mehr zu sich sagen als zu mir. „Warte! Bitte“, halte ich ihn auf, als er sich vom Stuhl erhebt. Er dreht sich wieder zu mir, aber setzt sich nicht wieder. Ich habe instinktiv wieder meine Hand nach ihm ausgestreckt und seinen Arm ergriffen, als mir das bewusst wird nehme ich sie zurück. Sein Blick wirkt kalt, als würde er bewusst wieder eine Mauer zwischen uns aufbauen. Habe ich mich so in ihm getäuscht? Plötzlich ist mein Mut wieder verschwunden, ich schlucke, mein Mund fühlt sich trocken an.

„Ich bin wegen dir hier“, gestehe ich ihm, es kommt viel leiser aus meinem Mund als ich es beabsichtigt hatte. „Wegen mir?“, hakt er nach, anscheinend versteht er nicht was ich damit sagen will, aber er wendet sich nicht wieder ab, das sehe ich als gutes Zeichen. Jetzt ist die Stunde der Wahrheit gekommen, der Grund wieso ich überhaupt auf dieser Straße unterwegs war. Ich muss nochmal all meinen Mut zusammennehmen um ihm das zu erzählen. „Ich war auf der Straße unterwegs, weil ich auf dem Weg zu dir war“, erzähle ich ihm die Wahrheit. „Aber ich habe dir meine Adresse nie verraten, noch meinen Nachnamen. Wie konntest du mich da finden?“, will er wissen. Ich bin erleichtert das er nicht sauer ist oder mich für einen Stalker hält, sondern eher überrascht wie ich ihn gefunden habe, vielleicht auch etwas verwundert wieso ich mir diese Arbeit gemacht habe. „Der Nachtclub, eine der Bedienungen hat letzte Woche angerufen und mir erzählt das du hier in der Umgebung wohnst. Ich dachte, wenn ich hier nach dir Frage finde ich deine Adresse schon raus“, erkläre ich mich. Sein Blick zeigt Skepsis. „Okay, also du hast mich gefunden, aber weshalb? Es ist Monate her…“, fragt er nach. „Ich suche dich auch schon Monate, es hat lange gedauert bis ich einen richtigen Hinweis auf deinen Aufenthaltsort bekommen habe. Ich bin mehrmals in der Stadt und auch in der Bar gewesen in der Hoffnung ich treffe dich wieder oder jemand weiß wer du bist und kann mir weiterhelfen“, erzähle ich und jetzt wo ich es gesagt habe scheint er neugierig geworden zu sein. Er lässt sich wieder auf dem Stuhl nieder, wendet seinen Blick nicht von mir ab.

„Monate? Weshalb? Hat dir die Nacht so viel bedeutet? Oder wolltest du mehr?“, erkundigt er sich. „Ich würde sagen beides trifft zu“, gestehe ich. Mein Kopf pocht, aber jetzt bin ich dran und werde dieses Gespräch nicht unterbrechen. „Beides, interessant. Erzähl weiter“, fordert er mich auf. „Abgesehen davon das ich mich nach dieser Nacht gerne weiter mit dir getroffen hätte, hatte ich das allerdings als klassische One-Night-Stand abgehakt. Das hat sich jedoch geändert, als ich erfahren habe das ich schwanger bin. Von dem Moment an habe ich nach dir gesucht, ich wollte das du weißt, dass du Vater wirst“, erkläre ich ihm und bin froh das es raus ist. Es ist als wäre mir eine schwere Last abgenommen worden.
 

Jetzt warte ich auf die Reaktion, vor der ich Angst habe sie zu erfahren. Meine Nerven halten die Anspannung kaum aus. „Du bist schwanger?“, hakt er nach, sichtlich überrascht. Jetzt bin ich es der verdutzt reinschaut, schließlich hat er mich mehrmals gemustert. Meine Schwangerschaft ist nun wirklich nicht mehr zu übersehen, auch wenn ich unter einer Decke liege, aber die bedeckt meinen Bauch kaum, schließlich habe ich mich aufgesetzt. „Meinst du das ernst? Das dir das hier nicht aufgefallen ist?“, frage ich und deute dabei auf meinen runden Bauch. Sein Blick zeigt mir, dass er es wirklich nicht bemerkt hat.

„Sicher dass es meins ist?“, will er daraufhin wissen. Das war die Frage auf die ich gewartet hatte. „Ja, außer unserer Nacht gab es dieses Jahr keinen, kann nur deins sein“, versichere ich ihm, nicht sicher ob er mir das glauben würde. Erzählen kann ich schließlich viel. „Darf ich?“, fragt er vorsichtig und deutet auf meinen Bauch. „Sicher“, bestätige ich. Wie vorsichtig er dabei ist. Seine Hand ist warm, ich genieße diese sanfte Berührung. Leider bewegt sich unser Kind gerade nicht, es war ziemlich ruhig seit dem Unfall, wahrscheinlich durch die ganze Aufregung.

„Sag mir in der wievielten Woche bist du, ich bin gerade nicht in der Lage zu rechnen“, bittet Zorro mich. „Meine 38. Woche, mein offizielles Fälligkeitsdatum ist der dritte Januar“, gebe ich ihm gerne die Auskunft, ist schließlich kein Geheimnis. „Und dann fährst du noch durch die Gegend? Du solltest zuhause sein“, macht er mir zum Vorwurf. „Du hörst dich an wie mein Vater. Ja sollte ich, aber wie ich dir gesagt habe, habe ich vor ein paar Tagen den Hinweis bekommen und es hat mich einfach nicht in Ruhe gelassen. Falls es dich beruhigt es ist eigentlich nur eine einstündige Fahrt von hier, wenn es nicht schneit“, sage ich ihm. „Nein ganz und gar nicht, aber ich bin trotzdem froh das du mich gefunden hast. Danke dass du mich gesucht hast.“ Dass er sich bedankt habe ich nicht erwartet, doch plötzlich zieht er seine Hand zurück und schaut mich wieder ernst an. Habe ich etwas Falsches gesagt? Gerade war doch noch alles in Ordnung.

„Was möchtest du jetzt von mir?“, stellt er mich zu rede. „Gar nichts, ich erwarte nichts und werde auch nichts verlangen. Ich wollte nur das du Bescheid weißt, nichts weiter“, antworte ich ihm. Diese angenehme Atmosphäre von vorhin ist irgendwie verschwunden und die Angst weggestoßen zu werden kommt hoch. „Andere Frage, was ist, wenn ich etwas möchte?“, hakt er nach. Richtungswechsel? Hat er doch Interesse? „Dann sag es einfach, sonst kann ich dir keine Antwort geben“, gebe ich zur zurück. Vielleicht war das etwas frech, aber was Besseres fällt mir auf die Schnelle nicht ein. Er verwirrt mich gerade. „Ich möchte am Leben dieses Kindes als Vater teilhaben“, verkündet er. Ein Stein fällt mir vom Herzen, er weiß gar nicht wie glücklich er mich damit macht.
 

Ein Lächeln von Sanji, also ein ‚Ja‘ auf meine Bitte interpretiere ich. „Jetzt habe ich eine Frage an dich“, richtet er sich nun an mich. Ich gebe ihm ein Nicken. „Wenn du am Leben unseres Kindes teilhaben willst, wird das alles sein oder gibst du auch uns eine Chance?“ Eine Frage auf die ich ihm keine Antwort geben kann, nicht bevor er etwas Wichtiges erfährt. Ich atme tief durch und sammle meine Gedanken. Er war mutig, jetzt bin ich an der Reihe.

„Meine Antwort wäre Ja, aber du solltest erst etwas wissen und dann will ich wissen, ob du mir immer noch dieselbe Frage stellst“, gebe ich ihm zur Antwort und er nickt, er ist bereit sich darauf einzulassen. Eine gute Basis um ihm jetzt mein Geheimnis anzuvertrauen. „Ich bin schon Vater einer Tochter, sie ist fünf Jahre alt und lebt bei ihrem Großvater. Ihre Mutter war meine Kindheitsfreundin, sie ist bei der Geburt gestorben. Das hat mich sehr mitgenommen und daher war ich nicht in der Lage meine Tochter zu versorgen. Der Verlust meiner besten Freundin hat mich aus der Bahn geworfen, plötzlich war die Stabilität weg die sie mir immer gegeben hat. Im Teenageralter Vater zu werden hat die ganze Situation nicht verbessert. Ich wusste nicht das Kuina schwanger war, bis ich von meiner Ausbildung wiederkam, da lag sie schon im Krankenhaus. Ich war sauer das sie es mir verheimlicht hat, obwohl wir telefonierten. Wir stritten uns und in der Nacht hatte sie einen Notkaiserschnitt und starb. Ich bin die Jahre danach viel umgezogen, habe meinen Beruf immer vorgeschoben, sozusagen als Ausrede benutzt und somit habe ich meine Tochter nicht oft gesehen, eigentlich kenne ich sie erst seit einem Jahr wirklich. Sie besucht mich regelmäßig so wie ich sie, aber wohnen wird sie bis auf weiteres nicht bei mir“, ende ich mit meinem ersten Geheimnis. Ich gebe ihm kurz Zeit das Gehörte zu verarbeiten. Für einen Ausstehenden muss es überwältigend sein. Jetzt kommt aber das noch wichtigere.

„Das war das erste was du wissen solltest, jetzt das andere. Seit dem Tot von Kuina habe ich keinerlei Beziehungen zugelassen, ich weiß nicht ob ich überhaupt dazu in der Lage bin. Ich verschließe mich vor Leuten die mir Anfangen etwas zu bedeutet, weil ich keinen weiteren Verlust ertragen kann. Ein Schutzmechanismus den ich mir zugelegt habe. Aber ich gestehe auch das du es mir von Anfang angetan hast. Etwas an dir ist besonders, so besonders das ich dich nach unserer Nacht nicht direkt aus dem Kopf bekommen habe. Also wenn du mir jetzt immer noch die gleiche Frage stellst, will ich es probieren“, erkläre ich nur die wesentlichen Fakten. Wenn er mich jetzt noch will, ist genügend Zeit die lange Version davon zu erzählen.

„Ja ich möchte es noch. Wir lernen uns einfach kennen und schauen dann ob wir mehr als Freunde sein wollen, einverstanden?“, gibt er zurück. „Das klingt gut.“ Ich bin froh das es ihn nicht abgeschreckt hat, denn ihn wieder gehen zu lassen, jetzt nachdem ich weiß das wir ein Kind zusammen bekommen, hätte mich zurück in mein Loch gezogen, aus dem ich es endlich raus geschafft habe.

„Aus Gründen die ich selbst nicht kenne, konnte ich zum ersten Mal über meine Ängste reden. Es fühlt sich wie eine Befreiung an“, gestehe ich ihm. Sein Lächeln auf meine Aussage hin ist bezaubernd, er fängt mich sofort wieder mit dieser besonderen Anziehung ein.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das nächste Kapitel kommt am 06.12.19 zu Nikolaus. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Onlyknow3
2019-12-11T15:34:02+00:00 11.12.2019 16:34
Das war ein langes Gespräch zwischen den beiden, Sanji sollte sich jetzt ausruhen schon wegen der Kopfverletzung.
Weiter so, mir gefällt die Story.

LG
Onlyknow3
Antwort von:  SakuraSasuke92
13.12.2019 14:54
Dankeschön =)
Von:  Raven-L-Alissa
2019-12-02T09:41:59+00:00 02.12.2019 10:41
Dann fang ich mal an mit einem Kommentar.
Die Story kenn ich ja schon ne :D
Aber den Anfang noch mal zu lesen, ist auch schön.
Deine Idee hast du gut umgesetzt, und das der Grund wieso Sanji überhaupt so spät noch unterwegs ist,
erst im Verlauf raus kommt finde ich auch immer wieder toll, weil so bleibt man halt dran, weil man einfach wissen will wies jetzt weiter geht xD
Gutes erstes Kapitel jedenfalls :)
Antwort von:  SakuraSasuke92
02.12.2019 11:01
Vielen lieben Dank 😘


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