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All I want 4 Xmas...

... is U
von

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Der Morgen danach

Mein Kopf dröhnte. Sehnsüchtig wartete ich darauf, dass die eben eingeworfene Kopfschmerztablette endlich Wirkung zeigte. Doch Fehlanzeige. Noch fühlte ich mich genauso beschissen, wie vor einer halben Stunde, als ich aufgewacht war. Brummend strich ich mir über die kurzen, schwarzen Haarstoppeln.

„Machs gut. War schön gestern...“

Ein wenig missmutig sah ich vom Herd aus über den schmalen Tresen, der als Raumtrenner zum Wohnzimmer, als auch als Küchentisch fungierte, zur Haustür hinüber, wo Casey gerade seinen One-Night-Stand von letzter Nacht raus warf verabschiedete. An dieser Stelle war ich auch ein klein wenig Dankbar für meinen Alkoholpegel von gestern Nacht und dem damit einhergehenden komatösen Schlaf.

„Fand ich auch... meld dich mal.“

„Klar...“

Die Tür fiel ins Schloss und er drehte sich zu mir um.

„Hättest sie ruhig fragen können, ob sie zum Frühstück bleiben will. Wir haben mehr als genug.“

„Nah...“ Casey winkte ab und trottete in T-Shirt und Shorts durch unser WG-Wohnzimmer auf mich zu. Die blonden Haare standen ihm noch ganz zerzaust vom Kopf und seine babyblauen Augen waren von dunklen Augenringen unterzogen. Als er näher kam rümpfte ich die Nase. Er stank nach Rauch, Alkohol, Sex... kurzum nach der Party von gestern Abend, auf der wir gewesen waren. Nur das ich den Weg unter die Dusche heute schon gefunden hatte. Das war auch bitter nötig gewesen. Es war ewig her, dass ich es so übertrieben hatte und mit so einem dicken Kopf aufgewacht war.

Ich beschloss das Thema fallen zu lassen und kippte stattdessen die verquirlten Eier in die heiße Pfanne. In einer zweiten landete der Frühstücksspeck. Katerfrühstück alá Mike.

Die Kaffeemaschine piepte und mein Mitbewohner, der gerade dabei war den Tisch zu decken, zog drei Tassen aus dem spärlich bestückten Schrank und drängte sich in der engen Küchenzeile an mir vorbei, um uns beiden ein zu schenken.

„Wann bist du eigentlich los? Hab dich nachher gar nicht mehr gesehen“, fragte Cas beiläufig und ich fühlte mich augenblicklich ertappt. Mein Körper spannte sich an und mir wurde ganz heiß. Dank meiner dunklen Haut konnte man mir immerhin nicht sofort die Röte im Gesicht ansehen. Auch Casey schien nichts zu merken und ich ermahnte mich einmal tief durch zu atmen und ruhig zu bleiben. Es war immerhin nichts passiert.

Ach wirklich?

Dankend nahm ich die dampfende Kaffeetasse entgegen und beobachtete meinen Freund, wie er sich auf einen der Barhocker an den schmalen Küchentresen setzte.

„Ich... keine Ahnung. Ich hab euch irgendwann nicht mehr gesehen, aber das wundert mich auch nicht.“ Grinsend lenkte ich das Thema von mir zurück auf die hübsche Brünette, die Cas vor wenigen Minuten zur Tür geleitet hatte.

Casey lachte kurz auf und sah sich prüfend um.

„Apropos... wo ist eigentlich...“

Noch bevor er den Satz zu ende sprechen konnte, vernahm ich das Schloss der Haustür, welche keine Minute später schwungvoll aufgerissen wurde.

„Boah, was für ein Mistwetter! Scheiß Schnee!“, fluchte Bob lauthals los, als er in die Wohnung stolperte. Schmunzelnd drehte ich mich zu meinem zweiten Mitbewohner und bestem Freund um. Bob fegte sich gerade den bereits angetauten Schnee aus der braunen, unordentlichen Haarpracht. Er entledigte sich seiner dicken Jacke und streifte die nassen Winterboots von den Füßen. Unachtsam ließ er sie an Ort und Stelle liegen, ehe er zu uns in den Küchenbereich hinüber ging. Er trug noch immer den hässlichen Weihnachtspullover mit blinkenden Rentieren darauf. Natürlich trug er ihn noch, war er seit der Ugly Christmas Sweater Party gestern ja auch noch nicht wieder zu hause gewesen. Immerhin blinkten die kleinen Viecher nicht mehr abwechselnd in bunten Farben, so wie gestern Nacht.

„Pünktlich wie immer“, begrüßte Casey ihn grinsend.

„Ihr habt beide keine Manieren“, warf ich gespielt mahnend ein. Einer schmiss seinen One-Night-Stand vor dem Frühstück raus und der andere flüchtete für gewöhnlich, bevor sein Opfer aufwachte.

Bob winkte ab.

„Komm schon Mikey – ich verpass doch nicht dein legendäres Katerfrühstück. Auf gar keinen Fall!“ Freundschaftlich klopfte er mir auf die Schultern und seine braunen Augen blitzten amüsiert auf, ehe er sich an mir vorbei zur Kaffeemaschine durch schob.

„Wem hat denn die heiße Brünette da eben gehört?“ Als Casey die Hand hob, klatschten die beiden ab und lachten.

„Und ich dachte schon Mikey wäre endlich zurück im Sattel. Oh hey, ich hab uns Bagel mit gebracht.“ Er pfefferte die Tüte mit dem frischen Gebäck auf den Tresen. Immerhin darauf war verlass. Wir hatten gestern vergessen neues Toast zu kaufen, doch hatten Cas und ich einstimmig entschieden, dass keiner mehr los müsste, da Bob morgens auf dem Heimweg eh immer beim besten Bagelladen der Stadt halt machte.

„Ich muss nicht zurück in den Sattel...“, brummte ich ein wenig genervt. Wann würde er endlich aufhören mich ständig verkuppeln zu wollen? Oder schlimmer: mich dazu zu überreden mich auf One-Night-Stands ein zu lassen? Das war echt nicht mein Ding.

Und seitdem ich meine Ex-Freundin vor 6 Wochen mit dem Quarterback der Portland Pilots, unserem Universitätsteam, erwischt hatte, war mir gerade ohnehin nicht nach irgendwelchen Frauengeschichten. Vielleicht war es besser so. So langsam kam ich über sie hin weg und konnte mich endlich wieder voll aufs Studium konzentrieren. Jura war immerhin ein alles andere als leichter Studiengang. Ein bisschen weniger Ablenkung würde mir also ganz gut tun.

Nur das ich das Gefühl hatte, dass das nach dem letzten Abend nicht so einfach aufgehen würde. Gedankenverloren umfasste ich das Steinzeittelefon in der Tasche meiner Jogginghose.

Ich schaffte es erst mich aus meiner Starre zu reißen, als sich eine Hand in meine Pfanne verirrte, um ein Stück Speck zu stibitzen.

„Finger weg!“, ermahnte ich Bob streng und haute mit dem Pfannenwender nach ihm. Doch er war wie so oft schneller. Grinsend verzog er sich mit seiner Beute und der dritten Tasse Kaffee zu Casey an den Tresen.

Die beiden begannen sich über ihre Liebschaften von vergangener Nacht aus zu tauschen und ich machte mich daran das Rührei und den Speck auf zwei Teller zu füllen, die ich in der Mitte des Küchentisches platziere.

Wie ein Rudel ausgehungerter Wölfe stürzten wir uns auf das dampfende Frühstück. Auch die Bagel waren noch etwas warm und dufteten köstlich. Zu den detailreichen Erzählungen der beiden sagte ich die meiste Zeit über nichts. Es war jedes mal das selbe. Doch um so mehr ich mich aus dem Gespräch raus hielt, desto mehr drifteten auch meine Gedanken zurück zur vergangenen Nacht.

Ich fühlte wie die Hitze in mir aufstieg und mein, ohnehin nicht all zu großer, Appetit endgültig verflog. Vorsichtig linste ich zu Bob und Casey, die mich aber nicht weiter beachten. Es war mir ganz lieb, wenn sie nichts mit bekamen.

Denn dieser eine Gedanke wollte einfach nicht aufhören durch meinen Kopf zu spuken.

Ich habe auf der Party einen Typen geküsst. Ich habe auf der Party einen Typen geküsst. Ich habe auf der Party einen Typen geküsst.

„Ich hab' auf der Party einen Typen geküsst.“

Augenblicklich verstummten meine Freunde. Scheiße – hatte ich das gerade laut gesagt? Erneut schoss mir die die Hitze in den Kopf und meine Hände wurden ganz schwitzig, so dass mir beinahe die Gabel aus den Händen rutschte.

Bob fand nach kurzem Schweigen als erstes seine Sprache wieder: „Du hast WAS?!“

Noch immer starrten sie mich ungläubig an und schienen nicht minder überfordert, wie ich. Schnell lenkte ich den Blick wieder auf meinen Teller.

„Mike?“

„Ernsthaft?“ Caseys Mundwinkel zucken amüsiert nach oben, doch eigentlich sah er genau so überfordert aus, wie ich mich gerade fühlte.

„Ich ähm... ich weiß auch nicht so recht wie das passiert ist“, stammelte ich verlegen herum. Es kostete mich einiges an Überwindung wieder in ihre Gesichter zu blicken. Ich kam mir vor, als würde ich mich gerade vor meinen besten Freunden outen vielleicht tat ich das auch gerade... unwissend, dabei... war ich doch gar nicht Schwul. Oder Bi? Bisher hatte ich immer Freundinnen gehabt und auch nie an Jungs gedacht. Wie viele Stunden hatten wir damals in Kalifornien am Strand beim Surfen verbracht? Nie wäre mir eingefallen irgendwelchen Typen nach zu blicken. Zumindest nicht wissentlich.

Und doch... konnte ich die Ereignisse von gestern Nacht einfach nicht vergessen. Irgendwas in mir war regelrecht aufgewühlt. Ich redete nicht gerne über Gefühle und über solch verwirrenden schon mal gar nicht. Doch ich hatte es ausgesprochen und ich kannte meine Freunde gut genug, um zu wissen, dass sie jetzt nicht mehr locker lassen würden.

„Erzähl uns alles. Und zwar ganz genau“, forderte Bob mich auf, während er sich das letzte Stück Speck vom Teller klaute und gedankenverloren quer zwischen die Zähne schob. Wenn ich mich gerade nicht so furchtbar unwohl fühlen würde, dann hätte ich jetzt gelacht. Auch Casey starrte mich noch immer auffordernd an und nippte dabei an seinem Kaffee.

Ein bisschen fühlte ich mich wie im Zoo unter ihren drängenden Blicken. Ich atmete noch einmal tief durch. Aus der Nummer kam ich ohnehin nicht mehr raus.

„Also schön...“



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