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Wisteriabloosoms above golden scars

von

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Lan WangJi begab sich mit raschen, aber nicht weniger grazilen Schritten zum Gästequartier.
 

Es war spät geworden, bevor es ihm überhaupt bewusst geworden war.
 

Sein Bruder war wohl auf und es beruhigte ihn, dass dieser seinen aufrechten Willen, während seiner Isolation, wieder hatte stärken können.
 

Er hatte ihn über die Geschehnisse der letzten Monate in Kenntnis gesetzt und zusammen mit ihrem Onkel weitere Angelegenheiten besprochen.
 

Doch auch wenn seine Zeit und Aufmerksamkeit anderweitig eingenommen wurde, konnte es den Wunsch so schnell wie möglich zurück zu Wei Ying zu kommen, nicht überlagern.
 

Er hoffte nur, dass man ihm nichts anmerkte.
 

Sein Onkel war nicht unbedingt darauf geschult ihn lesen zu können.
 

Sein Bruder allerdings, war in dieser Hinsicht recht aufmerksam.
 

Dies bestätigte sich, als Lan QiRen seinen Verdruss über Wei Yings kleine Albernheit mitteilte und nicht versteckte, dass er immer noch eine recht verhaltene Meinung zu diesem hatte.
 

Sein Bruder hatte darüber seicht geschmunzelt, etwas wonach auch ihm der Sinn stand, doch hielt er diesen Impuls zurück, um ihren Onkel nicht noch weiter aufzuregen.
 

XiChen schaute ihn über ihre Besprechung öfter mit einem wissenden Blick an, unter dem er sich nahezu bloßgelegt fühlte.
 

Sein Bruder hatte ihn auf seine Beziehung mit Wei Ying nur einmal angesprochen. Kurz bevor er in die Isolation gegangen war.
 

Er hatte nicht viel dazu gesagt, aber schien dieser weitsichtig genug, um ihn auch so zu verstehen.
 

Sein Herz machte einen hektischen Sprint, als er das Gästequartier erreichte, doch es aussah, als wäre niemand da und man auch auf sein leichtes Klopfen an der Tür nicht reagierte.
 

Er glaubte nicht wirklich, dass Wei Ying schon zu Bett gegangen war, aber womöglich war er von der Reise und dem Tag doch zu erschöpft? Wenn dem so wäre, wollte er ihn nicht stören.
 

Der Gedanke, dass dieser womöglich doch wieder gegangen war, ließ die kräftigen Ranken, die sich um sein Herz gelegt hatten, unruhig zittern in der Angst, das ersehnte Licht wieder gegen trostlose Dunkelheit tauschen zu müssen.
 

Er würde nicht einfach so gehen.
 

Wei Ying hatte versprochen auf ihn zu warten.
 

WangJi atmete tief durch, um sich und seine aufgeregten Emotionen zu beruhigen.
 

Er vertraute Wei Ying.
 

Somit warf er einen letzten Blick auf das Quartier und begab sich schließlich zurück zu seinem eigenen.
 

Die Nacht war klar und kalt.
 

Nebelschwaden suchten sich, wie ein behäbiges, mystisches Tier ihren Weg über die verwaisten weißen Kiespfade der Residenz. Ein seichter Wind ließ das sanfte Erklingen der filigranen Glöckchen, wie einen Schutzzauber durch die Luft schwingen.
 

Es hatte etwas Beruhigendes, wie es auch die Einsamkeit in ihm aufzuwecken wusste.
 

Seine Schritte führten ihn zu dem Mauerabschnitt, mit dem er Erinnerungen an eine Zeit verband, zu der er nie gedacht hätte, dass ihn dieser rebellische, aufgeweckte und endlos quasselnde Teenager einmal derart in seinen Bann ziehen würde.
 

Er hatte zu jener Zeit schon den Entschluss gefasst gehabt, dass er sein Leben ohne einen Partner bestreiten würde. Die Erinnerung an seine Eltern und ihre quälende Liebe zueinander, hatte ihn abgeschreckt je derart starke Emotionen zulassen zu wollen, die für ihn keine Wärme und Freude beinhalteten.
 

Er hatte wirklich gedacht, dass ein starker Wille ausreichen würde, sich gegen dieses eine intensive Gefühl zu wappnen, nur um dann Hals über Kopf in einen Sturm gezogen zu werden, dessen helles Lachen, dessen unverfälschter, aufopferungsvoller Charakter und selbstloser Stolz ihn, wie die Naturgewalt die Wei Ying war, mitriss und bis heute nicht wieder freigegeben hatte.
 

All die Liebe, die er für ihn empfand, schien in seinen Augen dennoch nicht würdig genug.
 

Dessen goldener Kern mochte nicht mehr der seine sein, doch strahlte Wei Ying für ihn heller als es alles Gold der Welt tun würde.
 

Dieser war stark und entschlossen genug gewesen sich eben dieser Welt zu stellen, mit nichts weiter als der Hoffnung, dass er es irgendwie schon meistern könne. Egal wie sehr man ihn für seinen selbstgewählten Weg beschimpfte, fürchtete oder anzweifelte.
 

Er hatte einst ebenso an ihm gezweifelt. Als er keine Ahnung hatte, welche Opfer dieser bereits gebracht hatte, um die zu beschützen die ihm wichtig waren.
 

Die Konsequenzen für Wei Yings waghalsigen Heroismus waren Neid und Verachtung von denen, die ihn nicht kannten. Jene die selbst nur nach seiner Macht gierten, um sich damit über alle anderen erheben zu können.
 

Etwas das Wei Ying nie versucht oder gewollt hatte, obwohl er es hätte tun können.
 

Nach allem was man ihm angetan hatte, wäre das ein Verlauf gewesen, der nicht verwundert hätte.
 

Stattdessen hatte er die Risse in seiner Seele akzeptiert und war weiter vorangegangen, einzig mit dem Bestreben, denen zu helfen die es brauchten.
 

Doch war alles, was man in ihm sehen wollte eine unkontrollierbare Gefahr, die nur für seine eigene Arroganz lebte.
 

Man hatte ihm so viel abverlangt, bis er sich selbst einfach nur in Stücke hatte brechen lassen und Reue und Trauer ihn sein eigenes Ende wählen ließen.
 

Der Ausdruck, den er Jiang Cheng gezeigt hatte, als dieser ihm den letzten Schwertstoß zu geben gedachte, hatte sich in WangJis Gedächtnis gebrannt und ließ ihn auch jetzt noch mit einem Schmerz zurück, den er ebenso als eine Strafe für sein Versagen ansah.
 

Wei Ying war an diesem Tag bereit gewesen zu sterben.
 

Sein Bitten und verzweifeltes Festhalten an ihm, hatte diesen nicht überzeugen können.
 

Hatten ihn nicht sehen lassen, dass sein Ende auch ein Ende für ihn wäre.
 

Für Jiang Cheng allerdings hatte er ein dankbares Lächeln übrig, als wüsste er genau, dass dieser zu Ende bringen würde, was WangJi nicht akzeptieren wollte.
 

Manchmal hatte er sich gefragt, ob es besser gewesen wäre, Wei Ying in den Abgrund zu folgen. Wenn seine Trauer und die endlos erscheinende Einsamkeit, die auf ihn warteten, nicht weniger bodenlos erschienen.
 

Doch dann dachte er an A-Yuan.
 

Der letzte Strahl warmen Lichts und es reichte, um die feuergeschunden Triebe seiner Liebe zu Wei Ying nicht gänzlich unter Hoffnungslosigkeit verdorren zu lassen. Sondern es in Zuwendung und väterliche Zuneigung für A-Yuan zu wandeln.
 

Diesem all das zu ermöglichen, was Wei Ying ihm hätte geben wollen.
 

Es war ein winziger, aber tiefreichender Halt, für den er unendlich dankbar war.
 

Denn auch jetzt konnte er die überwältigende Gewissheit, dass Wei Ying nach all den Jahren in Feuer und Asche wieder zurückgekommen war, manchmal erneut nicht gänzlich greifen.
 

Das Schicksal schien ein wirklich kompliziertes Spiel mit ihnen zu spielen.
 

Schon von Weitem erkannte er die Silhouette einer Person, die auf dem Dach der Jingshi lag und er ließ das Lächeln zu, das nur Wei Ying in ihm auszulösen vermochte, während er die restliche Distanz wie von selbst überwand.
 

Wei Ying hatte ihn nicht bemerkt, als er neben ihm auf dem Dach aufsetzte. Rührte sich zuerst auch nicht, als er dessen Namen sagte und sich zu ihm hinunter beugte.
 

Zwei Flaschen mit Emperor Smile hingen, mit einer Kordel verbunden, über den Dachfirst drapiert, damit sie nicht herunterrollten.
 

Wei Yings Robe war mit Erdnussschalen übersäht, die sich auch auf dem Dach verstreut befanden.
 

Es war eine Unordnung, die er sonst nicht gutgeheißen hätte, doch bei Wei Ying war es mehr eine Bestätigung, dass sich manche Dinge nie zu ändern schienen.
 

Etwas von dem er in diesem Moment spürte, dass er es brauchte.
 

Diese kleinen Vergewisserungen.
 

Diesen Faden gebunden an vergangene, unbeschwertere Tage.
 

Zu sehen, dass der Mann, in den er sich damals verliebt hatte, tatsächlich immer noch existierte.
 

Er kein Geist war, oder eine Illusion, hervorgebracht von verzweifelter Sehnsucht.
 

Selbst im Mondlicht ließ dieser in ihm Knospen treiben.
 

Wei Ying raunte schlaftrunken und war dabei sich in eine andere Position bringen zu wollen, welche, hätte WangJi ihn nicht rasch an sich gezogen, darin geendet hätte, dass er ebenso haltlos vom Dach gerollt wäre.
 

„Lan Zhan…“, murmelte dieser, ohne den Eindruck zu machen, als wäre er sich der momentanen Situation tatsächlich bewusst, hatte er seine Augen noch immer geschlossen und wehrte sich auch nicht gegen den Halt, in dem er sich befand.
 

Es wäre ein leichtes gewesen, diesen noch näher an sich zu ziehen. Ihn endlich einmal so in den Armen halten zu können, wie er es schon lange tun wollte.
 

Er war sich der Gerüchte durchaus bewusst, die um sie kreisten.
 

Es gab die interessantesten Auslegungen zu ihrer Beziehung.
 

Sein Onkel hatte ihm nahegelegt diese Gerüchte aufzulösen, indem er nur eine kurze Stellungnahme dazu abgeben sollte, um zu verdeutlichen, dass dieses Gerede nichts weiter als Nonsens wäre.
 

Dass ihre Exzellenz kein Interesse daran hegte, weiterhin mit solch einer zwielichtigen Person in Verbindung gebracht zu werden.
 

Dieser hatte ihm außerdem gesagt, dass sein Ruf nur darunter leiden würde, würde er die Dinge nicht richten.
 

Er allerdings hatte ihm nur mitgeteilt, dass er diese Rederei nicht ernst nahm und es wichtigere Aufgaben gäbe, um die sie sich zu kümmern hätten.
 

WangJi war sich bewusst, dass sein Onkel auf seine Art besorgt war. Jedoch hatte er nicht vor etwas kundzugeben, nur um irgendeine steife Etikette aufrecht zu halten.
 

Ihn störten die meisten Gerüchte nicht.
 

Jeder glaubte eh was er wollte, egal was jemand versuchte zu berichtigen.
 

Außerdem hatte er nicht vor Chef Kultivierer zu bleiben, sollte sich die Mehrheit darüber erbosen, dass er womöglich eine romantische Beziehung zu Wei Ying hegte.
 

Dieser hatte sich genug behauptet, um ebenso mit Respekt angesehen zu werden.
 

Es sei denn, Wei Ying bekäme Wind von diesen Gerüchten und fühlte sich dadurch unwohl. Dann würde er nicht zögern und der Welt mitteilen, dass sie nichts weiter als Brüder im Geiste wären.
 

„Lan…Zhan…“, hörte er es erneut murmeln und es war Wei Ying, der sich nun an ihn schmiegte und eine Hand in seiner weißen Robe vergrub.
 

Es ließ sein Herz höherschlagen, das er fürchtete, dass Wei Ying durch das aufgeregte Pulsieren aufgeweckt würde, war sein Kopf genau darüber gebettet.
 

Vorsichtig nahm er diesen auf seine Arme, um ihn nach unten und in die Jingshi zu bringen.
 

Er entdeckte den Korb gefüllt mit Pipas und schaute mit einem warmen Lächeln auf den Mann in seinem Halt.
 

„Danke, Wei Ying.“, flüsterte er diesem zu, was ihm ein schläfriges „…hm…“ einbrachte und er den Impuls nicht zügeln konnte, seine Lippen sanft auf dessen dunklen Haarschopf zu legen.
 

Er brachte Wei Ying zu seinem Bett und legte diesen behutsam darauf ab. Als er sich zurückziehen wollte merkte er, dass dieser ihn noch immer an seiner Robe festhielt und es auch nicht so erschien, als wolle er wieder loslassen.
 

„Wei Ying.“ Er strich liebevoll über dessen festhaltende Hand und verlor sich einem Moment in dem Augenblick ihn berühren zu können, ohne sich erklären zu müssen. Selbst wenn Wei Ying nun aufwachen würde, konnte er ihm einfach sagen, dass er versucht habe ihn dazu zu bringen seine Hand zu lösen.
 

Allerdings reagierte dieser nicht. Weder auf das erneute Vorbringen seines Namens, noch auf das Streichen über seinen Handrücken.
 

Und weil niemand hier war der ihn verurteilen oder zurechtweisen konnte, führte er seine Finger zu dessen Gesicht.
 

Er zögerte einen unsicheren Moment, bevor er diese über dessen Wangen streicheln ließ und ihm eine seiner Haarsträhnen zurückstrich.
 

Dann schaute er ihn so offen an, wie er es sich nie erlaubt hatte und nutzte die Gelegenheit all die kleinen, attraktiven Details abzugehen, die er über die Jahre an ihm bemerkt hatte.
 

Auch wenn dessen Augen geschlossen waren, hatte er das weiche, warme Braun, dem Fell eines edlen Pferdes gleich, genau vor sich.
 

Wei Yings Haut war blass, mit einem leichten Rotschimmer, der dessen Gesicht zierte, welcher höchstwahrscheinlich dem Alkohol zu zuschreiben war.
 

Dessen Züge hatten schon immer eine ganz eigene Eleganz wiedergegeben, mit den hohen Wangenknochen und der schlanken Kinnpartie.
 

Er schaute auf den Leberfleck, der sich an dessen Unterlippe befand.
 

Es war kein Makel.
 

Eher etwas das noch etwas mehr zu dessen Attraktivität beitrug.
 

Wie ein letzter, subtiler, aber notwendiger Pinselstrich bei einer Zeichnung, um diese zu vervollkommnen.
 

Dann mahnte er sich selbst über seinen Unwillen wegsehen zu wollen, war das letzte und mehr als verführerische Detail etwas, das ihn dazu bringen konnte unvorsichtig zu werden.
 

Wei Yings Lippen, mit ihrem einladenden Pflaumenblütenpink, waren leicht geöffnet und wirkten weich wie frischer Tau.
 

Mit einem leisen Raunen wendete er seinen Blick zur Seite und löste nun mit Bedacht Wei Yings Finger aus dem Stoff seiner Robe. Dann zog er diesem die Stiefel aus und legte eine Decke über ihn.
 

Erlaubte sich jedoch noch einmal über dessen Wange zu streicheln.
 

Schließlich begab er sich zu seinem Schreibpult, um noch ein paar Dokumente zu vervollständigen.
 

Mit Wei Ying in seiner Nähe, würde er eh nicht so einfach einschlafen können, egal wie penibel seine innere Uhr sonst auch arbeitete.
 


 

Es mochten ein, zwei Stunden vergangen sein, als er das matte Stöhnen von Wei Ying vernahm und seine Arbeit unterbrach, um zu ihm hinüber zu gehen.
 

Dieser hatte sich großflächig ausgestreckt, die Decke von sich geschoben und schaute etwas tranig an die Decke.
 

WangJi füllte ihm eine Schale mit Wasser.
 

„Hier.“, gab er diesem an, auf das Wei Ying ihn auch jetzt erst zu bemerken schien.
 

„Lan Zhan?“
 

„Mn.“ Damit hielt er ihm die Schale etwas nachdrücklicher hin, worauf sich Wei Ying aufsetzte und sie entgegennahm.
 

Dass dieser noch immer nicht ganz nüchtern war, zeigte sich in dessen schwerfälligen Bewegungen und dem unbeholfen wirkenden Blick, den WangJi als durchaus liebenswert empfand.
 

„Du solltest weiterschlafen.“, meinte er, als er ihm die leere Schale wieder abnahm, was Wei Ying allerdings mit keiner Reaktion würdigte, schaute er sich nun eingehender im Raum um.
 

Dann weiteten sich dessen Augen.
 

„Jingshi?“ Er schaute folglich auf das Bett, in dem er lag und gab ein unglückliches Jammern von sich, bevor er sich eilig daran machte aufstehen zu wollen und dabei ungeschickt über seine eigenen Füße fiel.
 

WangJi hatte es erahnt und hielt ihn von einem unangenehmen Sturz ab, indem er einen Arm um dessen Oberkörper legte und ihn damit quasi auffing.
 

„Lan Zhan, opfere nicht dein Bett, um meinen betrunkenen Hintern zu beherbergen. Ich kann auch auf dem Boden schlafen. Lass mir nicht immer so viel durchgehen.“, moserte er in einem schwammigen Ton und zappelte unbeholfen in seinem Arm herum.
 

„Es ist kein Umstand.“, vergewisserte er ihm, doch war Wei Ying in seinem jetzigen Zustand recht trotzig, dass er nur ein Schnaufen hören ließ.
 

Dann raffte er sich wieder auf und sein Blick fiel auf den Tisch, auf dem sich einige offene Schriftrollen befanden, und er nun darauf zustrauchelte. WangJi folgte ihm sofort nach, um weiteren Schaden am Inventar und Wei Ying abwenden zu können.
 

„Du bist noch immer am Arbeiten.“, nuschelte dieser anklagend und zog ein Gesicht, als habe er gerade in etwas unsagbar Saures gebissen.
 

Es war abermals ein putziger Anblick, den er am liebsten würde, festhalten wollen.
 

Wei Ying ließ sich nun neben dem Sitzkissen des Schreibtisches sinken und klopfte dann auf besagtes Kissen.
 

„Lass mich dir Gesellschaft leisten.“, erklärte er und gähnte herzhaft.
 

„Das ist nicht notwendig. Schlaf wenn du müde bist. Es macht mir nichts aus.“ Wei Ying schüttelte auf seine Worte stur den Kopf.
 

„Wenn du nicht schläfst, tu ich es auch nicht.“ WangJi kannte dessen Starrsinn zur Genüge und mit einem ergebenen „Mn.“ setzte er sich schließlich wieder an seine Arbeit.
 

Es dauerte keine fünf Minuten, als er Wei Yings Gewicht an seine Seite gelehnt spürte.
 

Er war wieder eingeschlafen.
 

So nahe aneinander war es schwer weiterzuschreiben, auf das er den Pinsel ablegte und Wei Yings schlafende Person erneut anschaute.
 

Dessen Gesicht war in dieser Position allerdings so viel näher an dem seinen, dass es ihn etwas trocken schlucken ließ.
 

Wei Ying roch nach einem sommerlichen Regenschauer und Wein aus Gusu.
 

Eine Geborgenheit die er nur bei ihm empfand, legte sich um diesen Moment.
 

Und bevor er sich versah, hatte er eine Hand unter dessen Kinn geführt und dessen Kopf damit leicht nach oben dirigiert, sich ihm soweit entgegengelehnt, dass er dessen Atem auf seinen Lippen spüren konnte.
 

Es fühlte sich an, als würde sich sein Herz im freien Fall befinden, als dieser kühne Moment zerbrach, schaute ihm Wei Ying plötzlich direkt in die Augen und drückte ihn mit der Hand auf seiner Brust von sich, während er ihm ein bittendes „Nicht…“ entgegenbrachte.
 

Es war wirklich nicht so, als habe er sich Wei Ying aufzwingen, oder den Moment ausnutzen wollen. Er hatte gehandelt ehe er sich dem selbst auch wirklich bewusst geworden war und es erschreckte ihn ebenso, wie leicht er am Ende doch die Selbstbeherrschung verlor, wenn es um den Mann neben ihm ging.
 

Doch war es nicht der Schreck sich gehen gelassen zu haben, der sein Herz hart aufschlagen ließ, sondern die Bestätigung, dass sein Verlangen keinen Platz in ihrer Freundschaft hatte.
 

Dabei war es keine Erkenntnis die ihn überraschend traf.
 

Es war das beständige Ende all seiner versteckten Tagträume und nächtlichen Fantasie.
 

Er war allein in diesem urwüchsigen Wald aus Sehnsucht, Einsamkeit und törichter Hoffnung, aus dem es für ihn einfach kein Entkommen gab. Egal wie viele Pfade er sich auch schon hindurchgeschlagen hatte, so wucherten sie mit jedem Gedanken an Wei Ying wieder zu, dass er sein verloren gehen darin längst akzeptiert hatte.
 

„Entschuldige.“ Und er meinte es ehrlich, auch wenn ihm die Scham über diesen Ausrutscher ein unangenehmes Stechen unter seiner Haut fühlen ließ und er sich noch etwas mehr von ihm zurückzog.
 

Die Hand, die ihn noch immer auf Distanz hielt, festigte sich jedoch in seinem Gewand, bevor er hätte gänzlich aus dessen Reichweite gelangen können, was ihn Wei Ying etwas überfordert ansehen ließ.
 

„Ich hab zu viel getrunken…“ Etwas das WangJi nicht bestreiten konnte und er nach einem tiefen Durchatmen sanft dessen Hand umschloss.
 

„Leg dich wieder hin.“ Damit half er ihm nach oben und brachte ihn zum Bett zurück, wo er ihn absetzte.
 

Erneut griff Wei Ying nach einem Stück seiner Gewandung, als er dabei war dessen Beine hochzulegen, schien dieser nicht dazu bereit sich mehr als nötig bewegen zu wollen.
 

„Dieser Körper verträgt nicht viel. Früher hätte es mich nicht gestört, doch jetzt…“, nuschelte er, während er sich handhaben ließ und weiterhin an ihm festhielt.
 

„Ich will mich daran erinnern…Lan Zhan…“ Er zupfte nachdrücklich an dem Stoff zwischen seinen Fingern.
 

„Küss mich, wenn ich wieder nüchtern bin.“ Wei Ying rollte sich darauf wie eine Katze zusammen und gab ein leises, betrunkenes Schmatzen von sich. „…ich will mich daran erinnern können…“, wiederholte er, dann war er auch schon wieder eingeschlafen.
 

WangJi hatte keine Ahnung, wie lange er neben Wei Ying stand und ihn völlig überrumpelt ansah.
 

Dürfte er wirklich?
 

Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass Wei Ying auch seine Worte vergessen hatte, sobald er wieder zu sich kam?
 

War es nur der Wein, der ihn so etwas hatte sagen lassen, oder steckte doch etwas Ehrliches hinter dieser Aufforderung?
 

Jeder Tropfen Hoffnung brachte eine weitere, fragile Blütenrispe in ihm hervor.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  RamDamm
2019-10-21T08:31:32+00:00 21.10.2019 10:31
Hi, was für ein schönes Kapitel. Mir gefällt es das WeiYing ihn mit seiner Bitte vollkommen aus dem Konzept bringt. Mal sehen ob Lan Zahn es dann doch umsetzt, wenn er wach ist.



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