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Beyond the Happy Ending

von

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Die Schwere einer Schuld


 

N° 7: Die Schwere einer Schuld

 

Drei Tage vergingen und Inu Yasha heilte.

 

Nun, zumindest tat es sein Körper, denn sein Stolz lag noch immer in Trümmern und jedes Mal, wenn er die Augen aufschlug, wurde er wieder daran erinnert. Natürlich war Sesshoumaru nach seinem erneuten Zusammenbruch einfach verschwunden und an seine Stelle war Rin getreten, die ihn fast schon akribisch versorgte und nicht mehr aus den Augen lassen wollte. Als er aufwachte, war das Mädchen um seinen Hals gefallen, hatte leicht geweint und darüber geschluchzt wie froh sie sei, dass es ihm wieder gut ginge, bevor sie sich vom ihm löste und ihn zu einer strikten Ruhe zwang. Kaede hat eindeutig abgefärbt, knurrte er unterschwellig und verschränkte die Arme vor der Brust, als er missmutig aus der kleinen Höhle starrte. Nicht das er schmollte, denn das tat er mit Sicherheit nicht. Überhaupt nicht. Und dennoch saß er hier und verfluchte den Regen dafür, dass er Sesshoumarus Geruch bereits weggetragen hatte, noch bevor er den Älteren in Stücke reißen konnte.

Inu Yasha war zu dem Entschluss gekommen, dass er überhaupt keine Ahnung hatte, was er von all dem halten sollte, was passiert war. Die trüben Erinnerungen an sein Debakel hinterließen einen sauren Geschmack im Mund und er versuchte sich stattdessen mit allem abzulenken, um nicht mehr daran denken zu müssen. Denn zu viel Nachdenken führte zu Fragen. Fragen auf die er keine Antwort hatte. Selbst Rin konnte ihm keine aufschlussreiche Erklärung liefern und so knurrte und murrte er zum wiederholten Male und ließ den grünen Kappa bei jedem Ton zusammenzucken und ihm einen bösen Blick zuwerfen, ohne das Jaken jedoch etwas sagte – was ihm in Anbetracht der momentanen Stimmung des Halbdämons vermutlich das Leben rettete.

 

Rin dagegen ließ sich von Inu Yashas schlechter Laune nicht beeindrucken und ignorierte die gemurmelten Flüche und das gereizte Zucken der Ohren, als sie etwas Wasser in dem Topf erwärmte, um die Wundränder an seiner Schulter zu reinigen. Trotz seiner Proteste bestand das Mädchen darauf, dass sie seine Verletzungen behandeln sollte und nachdem sie ihn mit großen, braunen Augen und unvergossenen Tränen angeschaut hatte, hatte er missmutig nachgegeben und ihr die Oberhand überlassen. Keh, ich hasse es einfach Mädchen weinen zu sehen...

Sein Blick senkte sich und er starrte auf die rote Narbe, die sich quer über seine Haut zog. Vorsichtig fuhr er mit den Fingern über das vernarbte Fleisch und seine goldenen Pupillen trübten sich vor Erinnerungen, sodass er Rins Gegenwart erst bemerkte, als sie direkt vor ihm stand. Ihre Augen lagen wachsam auf seiner Schulter und glitten dann prüfend zu ihm, ehe sie sich mit einer Schüssel neben ihn kniete und ein Tuch in das aufgeheizte Wasser tauchte.

 

„Es sieht schon viel besser aus, Inu Yasha-Sama.“ Kommentierte sie leise und lächelte leicht, als er nur schnaubend den Kopf abwandte.

„Keh, es würde auch von alleine heilen, ohne dass du daran herumtasten musst“, grummelte er, zog jedoch ein paar Strähnen seiner Haare beiseite, um ihr einen besseren Zugang zu ermöglichen.

„Da bin ich mir sicher.“ Rin kicherte und drückte den feuchten Stoff gegen die Verletzung und strich dann fast sanft über die rote Haut. Sie hatte sich sehr bemüht ihm alle Einzelheiten über die fehlenden Tage seines Lebens mitzuteilen, bis hin zu Sesshoumarus mysteriösen Auftauchen. Danach gab es nur noch sein verwaschenes Gedächtnis und magere Erinnerungsstücke. Das Mädchen hatte keine Ahnung was der Daiyokai getan hatte und Inu Yasha ebenso nicht.

Egal wie er es drehen und wenden würde, es gab für ihn einfach keine vernünftige Erklärung, warum sein Bruder überhaupt gehandelt hatte. Schließlich wäre es für den Älteren ein leichtes gewesen, Rins Bitten einfach zu ignorieren und ihn in diesem Wald sterben zu lassen. Immerhin musste er dann nicht Bakusaigas Klinge mit Hanyoblut beschmutzen - Hölle, Inu Yasha hätte diesen Ausgang sogar erwartet. Aber dann.... hatte Sesshoumaru ihn vom Rande des Todes zurückgebracht.

Und als er das Szenario immer und immer wieder vor seinem geistigen Auge abspielte, wurde ihm plötzlich eines bewusst:

 

Wenn du das überlebst, stehst du in meiner Schuld.“

 

Sein Körper ruckte jäh nach oben und veranlasste Rin dazu auf ihren Hintern zu fallen und ihn ein wenig perplex anzuschauen, doch er bemerkte es nicht wirklich. Ein leises Zischen floh über seine Lippen und er vergrub sein Gesicht in seinen Händen, als er laut stöhnte. Seine Ohren zuckten unruhig, bevor sie sich plätteten und sich in die weiße Masse an Haaren vergruben.

Schuld.

Er hatte in seinem Leben noch nie jemanden irgendetwas geschuldet! Es war ein einfaches, ungeschriebenes Gesetzt, dass er sich niemals etwas zu Schulden kommen lassen würde und bis dahin hatte sich auch niemand darum gekümmert.

Doch jetzt... Jetzt war es Sesshoumaru! Und er hätte wissen müssen, dass der Ältere nie irgendetwas tat, ohne einen bestimmten Grund oder eine Absicht zu verfolgen. Vor allem nicht, wenn es um die Gesundheit seines Hanyo-Bruders ging!

Inu Yasha holte scharf Luft und versuchte diese neue Offenbarung in den entferntesten Teil seines Geistes zu drücken, nur um dabei kläglich zu scheitern. Er war ihm verpflichtet. Diesem dämlichen, reinrassigen Idioten verpflichtet?! Zur Hölle damit! Eine wütende Entschlossenheit erfüllte seinen Körper und er wäre aufgesprungen, um diesen Bastard seine Meinung zu sagen, als sich Rin erneut in sein Blickfeld schlich und ihn somit effektiv von jeglicher Aktion abhielt.

 

„Inu Yasha-Sama?“ , fragte sie leise nach und legte eine Hand auf seinen Arm, der vor neuem Adrenalin leicht zitterte. „Geht es Euch gut?“

„Keh, als ob ich mich einfach geschlagen geben würde! Was glaubt er, wer er ist? Dieser... dieser Bastard!“ Im Zorn fiel dem Halbdämon keine passende Beleidigung ein, er hielt seinen Körper in einer wackeligen Hocke, zu verwirrt und aufgebracht über die gesamte Situation. Er fluchte und brodelte innerlich, ballte die Hände zu Fäusten, nicht genau wissend, wohin er mit den abrupten Emotionen hinsollte.

Seine Augen zuckte zu Tessaiga, der Drang einfach etwas kaputt zu schlagen war groß, aber dann.... atmete er stattdessen Rins blumigen Duft ein, der sich fast schon beruhigend über seine Nerven schlich. Seinen Geist erfüllte. Ruhe brachte. Sie riecht wie Kagome...

Die Anspannung in seinen Schultern ließ so schnell nach, wie sie gekommen war, verschwand aber noch nicht vollständig und er zwinkerte mehrere Male, als er sich seiner Umgebung wieder bewusst wurde.

 

„I-ich... nein, vergiss es einfach. Alles gut.“ Er senkte den Kopf leicht und starrte mit halb verstecktem Zweifel zu dem Menschenmädchen, nicht sicher, was er sagen sollte. Langsam zwang er seine Finger sich zu entspannen, löste seine Krallen aus der Haut und zeitgleich erfüllte ein neuer Geruch die Luft - Blut. Er hatte sich tatsächlich selbst verletzt.

„Was ist passiert?“ Sie legte sofort das Tuch beiseite und kniete sich neben ihn, ein Stirnrunzeln zierte ihr junges Gesicht. Obgleich sie nicht wusste, was den plötzlichen Ausbruch des Halbdämons ausgelöst hatte, konnte sie die deutliche Zerrissenheit in den goldenen Augen erkennen und in Anbetracht des noch immer angeschlagenen Zustandes des Hanyo, ließ dies ihre Sorge erneut ansteigen. Was wäre, wenn die Infektion zurück war? Oder etwas noch Schlimmeres? Ihr Blick fiel auf die kleinen, verblassenden Einstiche in seiner Handfläche, sie waren nicht tief und heilten bereits, aber sie waren da und ließen den sorgenvollen Ausdruck nur noch tiefer werden.

 

„Nichts ist passiert.“ Jedenfalls noch nicht. Inu Yasha seufzte geschlagen und fuhr mit der geheilten Hand versuchsmäßig beruhigend durch Rins Haare, ehe er sich an die Wand zurücklehnte und die Augen schloss. Verdammte Scheiße. Warum eigentlich immer ich?

„Aber...“ , das Mädchen stockte bei seiner Berührung und verlor für einen Augenblick die ernste Miene, die nicht in ihr Gesicht gehörte, bevor sie sich wieder an das erinnerte, was sie sagen wollte. „Aber warum seid Ihr dann so nervös geworden?“ Sie schenkte ihn einen fragenden Blick, schob die Schüssel mit dem restlichen Wasser zur Seite und setzte sich einfach neben den Halbdämon an den Felsen. Für ein paar Minuten war es still, dann öffnete sich ein einzelnes, goldenes Auge und starrte auf das Kind hinab, dessen braune Pupillen wartend zu ihm aufblickten.

„Du wirst nicht lockerlassen, oder?“

„Nicht wirklich.“

„Hartnäckige Göre...“, murrte Inu Yasha nur und entlockte Rin ein kleines, schiefes Grinsen, als er die Arme verschränkte und demonstrativ von ihr wegblickte. Wie sollte er dem Mädchen auch klar machen, in welcher Zwangslage er gerade steckte? Welch grauenvolle und schreckliche Dinge Sesshoumaru nun von ihm verlangen könnte? Immerhin ging es um eine Lebensschuld – seine Lebensschuld – und diese zu begleichen würde ihn sicher eine Menge kosten.

Und nun, da der Daiyokai kein Interesse mehr an Tessaiga hatte, konnte dies alles bedeuten. Was ist, wenn er sich wegen den sadistischen Ansichten seines Bruders den Arm abschneiden musste oder noch schlimmer....seine Ohren? Sesshoumaru hat sie doch schon immer gehasst! Er muss es getan haben! Bei diesem Gedanken pressten sich die flauschigen Anhängsel noch weiter in seine Haare und ein Beben durchfuhr seinen Körper, als er an die Misshandlung seiner Gliedmaßen dachte.

 
 

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„Ihr macht Euch Sorgen wegen Sesshoumaru-Sama, habe ich Recht?“ Die sanfte Stimme schnitt durch seinen Kopf und er neigte sein Gesicht zu Rin zurück, deren Miene eine Mischung aus Ernsthaftigkeit und Nachdenklichkeit trug. Sie hatte es nicht gleich verstanden, aber mittlerweile kannte sie beide Hundebrüder gut genug um zu wissen, dass ihre Beziehung zueinander alles andere als herzlich war. Daher konnte sie sich nun denken, dass der Hanyo eine gewisse Abneigung gegenüber den neusten Erkenntnissen hegte und nun mit dem Wissen um seine Rettung schwer zu kämpfen hatte. Und doch erklärte sich für sie noch nicht, warum Inu Yasha darüber so plötzlich dramatisch reagieren würde.

„Wie zur Hölle kommst du denn darauf? Als würde ich mich um diese Prinzessin sorgen...“ Würde Rin den Hanyo nicht schon so lange kennen, hätte sie seine bissige Aussage sicher als beleidigend angesehen, so jedoch rollte sie nur mit den Augen und schlug den Halbdämon auf den Oberarm.

„Hallo?“ Inu Yasha lehnte sich protestierend weg und warf ihr einen gespielt beleidigenden Blick zu. „Ich bin immer noch verletzt! Du bist eine traurige Entschuldigung für eine Krankenpflegerin.“ Er streichelte sein misshandeltes Fleisch, ohne das Glitzern in seinen Pupillen zu verlieren.

„Ihr seid wirklich unhöflich, Inu Yasha-Sama“ tadelte Rin leise, konnte aber das Zucken ihrer Mundwinkel nicht unterdrücken.

„Keh, als ob es dich stören würde, Göre. Schließlich bin ich der Einzige, der dich nicht mit diesem ganzen Anstands-Mist überschüttet.“ Dabei warf der Hanyo einen Blick in Richtung Jaken, der seinen Schnabel bereits aus Protest geöffnet hatte, aber bei dem scharfen Ausdruck des Halbdämons wohlweislich wieder schloss und leise grummelnd den Kopf abwandte.

„Mhm, vielleicht? Und doch habt Ihr meine Frage noch nicht beantwortet.“
 

Und damit verschwand jegliche Verspieltheit und machte der kalten Wahrheit Platz, Inu Yasha kaute unbewusst auf seiner Unterlippe, bevor er wieder ernst wurde.

„Ich habe dir gesagt, dass ich mich nicht um ihn kümmere. Er kann tun und lassen was er will.“

„Und warum stört es Euch dann, dass er Euch geholfen hat?“ Für einen Moment verschwamm Rins Abbild und an ihre Stelle trat Kagomes fordernder Blick, die ihn mit der gleichen Intensität in ihren blauen Augen angestarrt hatte. Inu Yasha blinzelte und die braunen Pupillen und kindlicheren Züge waren wieder da.

„Es-es ist kompliziert. Du würdest es nicht verstehen.“

„Ihr habt es doch noch gar nicht versucht zu erklären. Ihr vergesst, dass ich mit Sesshoumaru-Sama gereist bin und ich kann mit Sicherheit sagen, dass er auch zu guten Taten fähig ist, auch wenn er nicht immer den Anschein macht.“

„Keh, das ist nicht das Gleiche, Rin. Du...du warst ein Kind, naja bist es immer noch, irgendwie. Du hast nie etwas von Sesshoumarus hässlichen Seite gesehen.“ Die Seite die Schmerzen, Qualen und den Tod bedeutete.

„Aber er ist Euer Bruder!“

„Das spielt keine Rolle“, biss der Halbdämon scharf heraus. „Als würde das Ihm irgendetwas bedeuten!“ Es war kein Geheimnis, dass die beiden Inuyokai im Kampf gegen So´unga das erste Mal eine wirkliche Einheit gebildet hatte, etwas, was wage an eine Familie erinnern würde. Inu Yasha würde es niemals zugeben, aber er hatte sich nach diesem Kampf eine Menge Gedanken gemacht. Sehr viele. Aber am Ende hatte sich nichts wirklich verändert; ihre Feindschaft blieb gleich, sie kümmerten sich nicht umeinander. Und vielleicht war das auch in Ordnung, denn er hatte Sesshoumarus Hass auf sich längst akzeptiert. Den Ekel, die Abscheu und Verachtung. Schließlich war er sich immer sicher gewesen, dass der Ältere alle Menschen hasste.

 

Aber dann kam Rin. Das kleine Mädchen, welches vollkommen ungezwungen und furchtlos seinem Bruder gefolgt war. Und Sesshoumaru hatte es nie gestört. Selbst bis zu diesem Zeitpunkt konnte Inu Yasha einfach nicht herausfinden, was er getan hatte, um diese Behandlung von dem Daiyokai zu erhalten. Alles was er je wollte, war von seinem älteren Bruder akzeptiert zu werden, irgendeine Art von Anerkennung zu erhalten. Doch jetzt war er in den Augen des Hundedämons nur noch weiter gesunken. Er hatte seinen eigenen, persönlichen Tiefpunkt erreicht und obwohl es ihm doch eigentlich egal sein sollte, wurde er das stechende Gefühl einfach nicht los.

Unbewusst ballte er die Fäuste wieder zusammen, um das Zittern seiner Glieder zu unterdrücken und seine Augen loderten für einen Moment wütend rot auf, als sich das Tier in seinem Inneren wieder zu bewegen begann und sich seine neu entwickelte Wut auf das Kind zu verlagern schien. Der Halbdämon biss die Zähne aufeinander, schluckte das aggressive Knurren und kämpfte um die Gelassenheit, die er noch vor ein paar Minuten besessen hatte. Rin würde nicht seinen Zorn ertragen müssen. Sie nicht.

Ohne ein weiteres Wort zu sagen erhob er sich, den Kopf nach vorn gebeugt und seine Augen und Gesichtszüge von dem Vorhang aus Haaren verdeckt. Rin wollte nach ihm greifen, hielt dann aber inne und zog ihre Hand langsam zurück. Ihr Ausdruck sprach von Verwirrung und auch ein wenig Bedauern, doch sie schien zu begreifen, dass er im Moment nicht in der Lage war etwas zu sagen oder mit ihr umzugehen.

Und darüber war Inu Yasha mehr als nur froh. Er erreichte den Ausgang der kleinen Höhle und fast zeitgleich erreichte der Geruch seines Bruders auch ihn.

 

Sesshoumaru war zurück.

 
 

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Nasenflügel bebten aufgeregt und sofort schoss der Hanyo in den Wald hinein, als er auf die Suche nach seinem Bruder ging. Er achtete nicht wirklich darauf, dass er noch immer halb nackt war oder das der kalte Herbstwind an seiner Haut riss, stattdessen war er vollkommen auf den Duft konzentriert, den er so gut kannte. Selbstgefälliger Hurensohn! Wenn du denkst, ich würde einfach still deine Entscheidungen akzeptieren, dann hast du dich aber getäuscht! Du hast dich nie für mich interessiert, also scheiß drauf, dass du jetzt mein erbärmliches Leben gerettet hast!

Oh er wusste nur zu gut das er wütend war, aber das war etwas anderes als das üblich böse Blut zwischen ihnen. Wenn er selbst etwas getan hätte, um die Verachtung des Älteren zu verdienen, dann könnte er es vielleicht akzeptieren. Wenn es die allgemeine Verachtung für die Menschheit wäre, dann wäre das auch in Ordnung. Aber dies... dies war auf einer viel persönlicheren Ebene, als er in den letzten Jahren wirklich glauben wollte. Sesshoumaru wäre nie so weit gegangen, wenn er Inu Yasha nicht für irgendetwas brauchen würde.... hätte ihn einfach sterben lassen, wenn er nicht einen ganz bestimmten Plan verfolgen würde, in dem sein kleiner, abstoßender Hanyo-Halbbruder noch irgendeine Rolle spielen würde. Denn das war das Einzige wofür er noch gut war.

 

Du bist wertlos. So wertlos, dass es sogar sinnlos wäre dich zu töten, Mischling.“

Du bist nichts für mich und ich empfinde nichts für dich.“

Ich habe deinen Tod für mich beansprucht und ich bin der Einzige, der dich töten kann.“

 

Etwas Bitteres sprudelte in ihm auf und ungläubig realisierte er, dass seine dämonische Seite weiterhin gefährlich nahe unter seiner Haut brodelte. So deutlich und klar, wie er es noch nie zuvor gefühlt hatte und diese Erkenntnis ließ ihn beinahe in seinem hastigen Lauf stolpern. Doch stattdessen stieß er nur ein hohles Lachen aus und schmeckte den kupferartigen Geschmack von Übelkeit und Säure, die in seinem Hals aufzusteigen drohten.

Zeitgleich schlug ihm der Duft des Älteren mit einer solchen Intensität entgegen, dass er für einen Moment tatsächlich glaubte zu ersticken, als er sein eigenes Yoki gegen die Aura seines Bruders drückte, um die überwältigende Macht dahinter von sich wegzuschieben. Er schaffte es gerade noch anzuhalten, bevor er geradewegs in den Daiyokai krachen konnte und sprang sofort einen guten Meter zurück, ein leises Knurren auf seinen Lippen. Der Hundeyokai stand vollkommen regungslos zwischen den Bäumen, den Kopf zum Himmel hin geneigt und die Augen geschlossen. Der Wind kräuselte sich in seinen Haaren und streifte das Fell auf seiner Schulter, welches träge hin und her schwankte.

„Du stinkst.“ Die Worte waren leer und der tiefe Bariton klingelte in den Hündchenohren, die unsicher hin und her schwankten. „Nach kläglicher Bitterkeit und verdorbenen Hass.“

Langsam drehte der Ältere sich um, die scharfen, goldenen Pupillen ausdruckslos und flach, als er die zerzauste Gestalt des Jüngeren in sich aufnahm. Seine Lippen zuckten für einen Augenblick, aber dies war auch die einzige Regung, die er von sich gab. „Du bist vollständig erholte, wie ich sehe.“

 

Inu Yasha presste den Kiefer so fest zusammen, dass dieser tatsächlich zu schmerzen begann und nur mit Mühe konnte er sich soweit entspannen, um sprechen zu können.

„Als würde dich das interessieren! Genug mit der Scheiße, Sesshoumaru, wir wissen beide genau warum ich hier bin!“, er atmete zischend aus und knirschte mit den Zähnen, als er seine Muskeln anspannte und sich aufrichtete. „Sag mir, was zum Teufel du spielst! Noch vor einem guten Monat war ich nicht mal den Staub unter deinen Füßen wert und jetzt kommst du auf die dumme Idee, mir mein ach so erbärmliches Leben zu retten?“ Ein hässliches Lächeln verzog sein Gesicht.

„Und damit dein dämlicher Stolz nicht darunter leiden muss und du dir die Mühe ersparen kannst, auch nur irgendetwas unter deiner Würde zu tun, drehst du mich einfach genau in die Position, in der du mich gebrauchen könntest. Habe ich nicht Recht? Es kümmert dich einen Scheiß ob ich gestorben wäre, aber weil dir mein Hanyo-Arsch plötzlich als nützlich erscheinen könnte, nutzt du einfach die bestmögliche Chance, um das zu bekommen, was zu willst. Fick dich einfach, Sesshoumaru!“

Die sauren und giftigen Worte flogen schneller über seinen Mund, als er es jemals für möglich gehalten hätte und wurden direkt auf den Daiyokai gespuckt. In diesem Augenblick war es Inu Yasha vollkommen egal, ob er dafür in den Boden geschlagen oder erneut eine Faust durch den Bauch bekommen würde. Er würde alles dafür tun, um den Hundeyokai bekämpfen zu können.

Wut flackerte in den goldenen Zwillingspupillen auf und Sesshoumarus Yoki erhob sich knistern um sie herum, als sein eigenes Biest an die Oberfläche kroch. Doch anstatt anzugreifen, beugte er nur betont langsam die Hand und seine Knöchel knackten laut in dem Schweigen, welches den Worten folgte.

 

„Deine...Wutanfälle sind ermüdend und unangenehm, kleiner Bruder“, erwiderte er schließlich nach einer endlosen Stille mit sanfter und gleichmäßiger Stimme. „Selbst nachdem ich dein Leben gerettet habe, bist du mir immer noch undankbar.“

„Fahr zur Hölle!“, bellte der Halbdämon, ehe er einen tiefen Atemzug nehmen konnte, um die brodelnde Empörung zu beruhigen. „Glaubst du ernsthaft, ich würde irgendeinem verdrehten Plan von dir zustimmen? Alles tun was du willst, wie diese grüne Kröte, die dir ohne Meinung blind folgt?“

Sesshoumarus Gesicht verzog sich für Sekunden zu einem kalten Lächeln, ehe er antwortet. „Und glaubst du wirklich, ich würde dir eine Wahl in der Sache geben, kleiner Bruder?“

Daraufhin explodierte der Hanyo.

 

„Du verdammtes Arschloch! Ich werde nie in meinem Leben irgendetwas für dich tun oder mich deiner dämlichen Gestalt unterordnen. Du denkst, du bist so stark und unantastbar, aber am Ende bist du nichts weiter als ein Feigling, der sich hinter einer kalten Maske und seinem Stolz versteckt! Aber nicht mit mir. Ich kenne die Risse in deiner Rüstung, Sesshoumaru, ich weiß was dich verzehrt, dich verwundbar macht.

Du magst vielleicht mächtiger geworden sein, aber niemals wirst du so ehrenvoll und geschätzt sein, wie es unser Vater war und selbst mit Bakusaiga bist du immer noch ein Nichts! Egal was du auch tust, egal wie viele Yokai du noch tötest, du wirst nie an ihn herankommen. Und das wird am Ende dein Untergang sein - denn du bist einfach schwach!“

Tödliches Yoki rollte wie eine Lawine über den Wald hinweg, Bäume bogen sich unter der schieren Last der Kraft bis zum Zerbersten und die Luft selbst schien zu gefrieren. Die kalte Gelassenheit des Hundeyokai knackte bei den Worten auf und etwas Blutrünstiges und Wildes erfüllte seine Züge, seine Zähne verlängerten sich und die Streifen auf seiner Haut leuchteten viel intensiver. Scharfe Klauen begannen in einem bedrohlich grünen Ton zu glühen, ein Zischen erfüllte die Luft, als der erste Tropfen Gift auf den Boden fiel und die Erde auflöste.

„Pass auf deinen Mund auf, Hanyo“, sagte Sesshoumaru gefährlichund wandte sich vollkommen dem Jüngeren zu, seine Stimme so dunkle und schneidend, wie noch nie zuvor. Vollkommen Fremd.

„Ich habe deine erbärmliche Gestalt aus einem bestimmten Grund vom Rande des Todes zurückgeholt. Aber wenn du dich weigerst die Schuld zurückzuzahlen, kann ich ganz schnell dazu überredet werden, hier und jetzt deinem elenden Leben ein Ende zu setzten. Und ich versichere dir, Mischling, niemand auf dieser Welt würde über deinen Tod trauern!“

 
 

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Als wäre die Welt plötzlich zu einem Stillstand gekommen, wagte es keiner der beiden Brüder auch nur zu atmen. Die unheilvolle Energie knisterte weiter um sie herum, leckte begierig über ihre Haut und hinterließ ein brennende Spur des Hass. Ein Versprechen für den Tod.

 

Und dann, entgegen jeder Erwartung, begann Inu Yasha zu lachen. Ein stumpfes, humorloses und unausgeglichenes Lachen.

„Weißt du was, großer Bruder? Ich tue es. Ich lehne es vollkommen ab. Also los, dann töte mich doch, Sesshoumaru. Tu es endlich. Ich bin nur ein schwaches Hanyo. Naraku ist tot und es gibt nichts mehr zu kämpfen, nichts mehr zu tun und ich würde lieber sterben, bevor ich dir jemals helfen würde, deinen verdammten Yokai-Stolz aufzugeben.“ Er schüttelte den Kopf und ein verzehrtes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Zu diesem Zeitpunkt war ihm einfach alles egal. „Worauf wartest du? Tessaiga ist noch immer in der Höhle, ich bin also unbewaffnet. Warum tötest du mich nicht einfach so, wie den Mischlingshund der ich bin? Dann kannst du einfach gehen und glücklich bis ans Ende deiner Tage leben.“

Der Halbdämon trat nach vorn, bis ihn nur noch wenige Zentimeter von dem Daiyokai trennten und er ihm direkt in sein Gesicht blicken konnte. Das einstmals lebhafte Gold seiner Augen brannte jetzt in einem matten Bernstein, durchzogen von dem Schmerz, der sich tief in seine Seele gefressen hatte und forderten den Älteren dazu auf, den letzten Schlag auszuführen.

 

„Wenn du mich nur aus einer Laune heraus gerettet hast, dann kannst du mich doch mit genauso wenig Anstrengung töten. Also mach weiter, Sesshoumaru. Ich bin hier. Ich warte.“

Sesshoumaru blickte zurück und bewegte sich zunächst nicht. Die kalten Goldpupillen streiften über seinen Bruder hinweg, über die zerzausten weißen Haare, den zuckenden Muskel in seinem Kiefer, bis hin zu dem freigelegten Halsbogen, wo der Puls in einem unsteten Rhythmus raste. Dann kehrten sie langsam über die straffe Linie der Lippen zu den Augen zurück, die irgendwie düsterer und leerer wirkten, als der Daiyokai sie je in seinen Erinnerungen gesehen hatte. Sein Zorn flachte ab, sein Yoki zog sich langsam zurück und seine Gesichtszüge glätteten sich. Schließlich beugte er sich vor, der Abstand zwischen ihnen kaum mehr vorhanden und atmete den Geruch ein, der seine Lunge, seinen Hals und seine Zunge erfüllte.

Er suchte. Suchte nach dem kleinsten Anzeichen einer Lüge.

Aber den einzige Geschmack den er fand, war nichts weiter als die Aggression, Wut und das Salz auf seiner Haut, das Blut in seinen Adern. Und die ganze Zeit hielt Inu Yasha seine Position aufrecht, wich kein einziges Mal vor ihm zurück.

 

Er meint es ernst, erkannte Sesshoumaru schließlich und sein fester Ausdruck bröckelte für einen Moment fast unmerklich, als er sich schließlich leicht zurücklehnte. Inu Yasha meint es vollkommen ernst.

 

Obgleich er im Moment wusste, dass es einen leichteren Weg gäbe den Hanyo weiter zu verärgern, hob der Daiyokai eine blasse Hand und legte seine Klauen gegen die pulsierende Halsvene, die direkt unter der glatten Haut sichtbar war. Bei jedem Atemzug drückten sich seine Krallen ein Stück weit tiefer in das Fleisch und hinterließen schon bald fünf sichtbare Abdrücke, die wütend rot von dem sonst so blassen Untergrund hervorstachen. Er müsste nur seine Muskeln anspannen und zudrücken und doch.... hatte dieser Anblick keine Befriedigung hervorgerufen. Sein Mund verengte sich, aber er schaute nicht weg. Inu Yasha opferte sein Leben; es wäre so einfach.

„Weiter“, flüsterte der Halbdämon schließlich. „Du wolltest es die ganze Zeit, also mach weiter. Ich verstehe das du mich hasst, dass ich in deinen Augen ein Fehler in deinem kostbaren Stammbaum bin. Ich verstehe, dass du denkst, ich bin Schuld am Tod unseres Vaters. Denn ich bin nur ein dummer Hanyo, der bei der Geburt hätte getötet werden sollen, oder?“ Er biss die Zähne zusammen und verfluchte sich selbst, als er das beschämende Gefühl von aufsteigenden Tränen spürte.

„Ich-ich wäre mit allem einverstanden gewesen, aber dann musstest du ja alles durcheinander bringen! Du hast Rin und Kohaku mit dir reisen lassen. Zwei Menschenkinder. Und sie kümmerten dich mehr, als es dein eigener Bruder es je tun würde, deine eigene Familie! Du hättest mich einfach sterben lassen sollen!“

 

„Du erzählst mir zu viel, Inu Yasha. Sag, ist es Eifersucht die ich aus deinen Worten entnehmen kann?“ fragte Sesshoumaru leise, ein seltsames Licht in seinen Augen.

„Und wenn es so wäre, Bastard?“ Inu Yasha schluckte schwer. „Du hast mich verdammt nochmal gedemütigt. Ich habe versucht herauszufinden, was ich die gesamte Zeit über falsch gemacht habe. Was ich dir getan habe. Aber es gibt keinen Grund, oder? Du kannst Menschen tolerieren, weil sie reines Blut haben, aber du verachtest die Art wie und als was ich geboren wurde. Ein Mischling. Weder Yokai noch Mensch, ein Fehler der Natur und ich dachte, ich hoffte....ich-“ Als er realisierte, dass Sesshoumaru Recht hatte, lehnte er sich zurück und blicke beschämt weg. Er hatte tatsächlich zu viel gesagt. „Vergiss es. Vergiss einfach alles. Vergiss das ich existiere!“

 

Es war endlich genug.

 

Inu Yasha trat ein Stück zurück, stolperte fast und schüttelte langsam den Kopf, als er sich abwandte und sich seltsam ausgehöhlt fühlte. Sesshoumarus Hand verweilte für einen Augenblick länger in der Luft, bevor er seinen Arm zur Seite senkte und nur das leise Flüstern des Stoffes seiner Robe die entstandene Stille durchbrach. Ungesehen rieb er fast unmerklich seine Finger aneinander, als würde ein seltsamer Juckreiz auf ihnen liegen und einfach nicht verschwinden wollen. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich nie um einen Millimeter, als er auf die zusammengesunkene Gestalt starrte, die einst Inu Yasha gewesen war – von dem einstigen Krieger fehlte jede Spur.

 

Lange sagte niemand etwas. Der weiße Pony des Halbdämons verdeckte sein Gesicht, verdeckte den verzehrten und erschöpften Ausdruck. Tiefe Müdigkeit setzte sich in Inu Yashas Knochen ab, eine Müdigkeit, die nichts mit seinem körperlichen Zustand zu tun hatte. Selbst das Biest in seinem Blut schwieg, hatte sich in den letzten Winkel seines Käfigs zurückgezogen und alles was er fühlen konnte, war die bittersüße Leere in seinem Geist.

Als Sesshoumaru endlich sprach, war seine Stimme seltsam ruhig, fast sanft und nirgends gab es ein Anzeichen für die übliche Kälte in ihr. „Und wenn ich dir sagen würde, dass es nicht nur für mich wäre?“

Der Jüngere wandte den Kopf leicht in die Richtung des Älteren, doch Sesshoumaru starrte wieder zwischen den Baumkronen in den Himmel hinauf, beobachtete, wie das einstige Blau zu orangenen und roten Farben verschwamm. Inu Yasha stieß ein schwaches Schnauben aus und ließ den Wind über seinen freien Oberkörper streifen.

 

Er hatte fast vergessen wie kalt es war, doch jetzt kehrte das eisige Gefühl mit voller Wucht in seine Knochen zurück und er musste ein Schaudern unterdrücken. Vielleicht hätte er nachdenken sollen, bevor er ohne Tessaiga und halb nackt in den Wald stürmte, in einem sinnlosen Versuch, Sesshoumaru einen ordentlichen Teil seiner Meinung zu geben. Aber dann hätte er vermutlich auch nie all diese Dinge gesagt.... Ein trauriges Lächeln legte sich auf sein Gesicht und er folgte dem Blick seines Bruders, ehe er antwortete.

„Du bist der Meinung, ich würde dir glauben?“

„Tu was du willst, Inu Yasha. Es ändert sich nichts an der Situation.“

„Huh, meine Lebensschuld also...“ , murmelte er leise, ohne eine weitere Antwort von Sesshoumaru zu erhalten. Am Ende war eine Schuld schließlich immer noch eine Schuld, egal was er dagegen tat und auch als Hanyo hatte er immer noch ein gewisses Ehrgefühl. Also zuckte er mit den Achseln und ein besiegtes Seufzen kam über seine Lippen. Scheiße.

 
 

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„Inu Yasha-Sama?“

 

Der Körper des Hanyo erstarrte und mit großen, ungläubigen Augen drehte er sich zu Rin um, die mit seinem Haori in der Hand zwischen den Bäumen stand. Selbst von dem roten Stoff verdeckt, konnte er das Zittern ihres Körpers erkennen und die Tränen in ihren braunen Pupillen glitzern sehen, als sie nach Fassung rang.

„Rin? Was zum Teufel machst du hier draußen?“ Zu Hölle, wann war das Kind hier her gekommen? Er hatte sie zwischen den Büschen nicht einmal bemerkt. Der Halbdämon warf einen schnellen Blick auf den Daiyokai, doch nichts in dessen Haltung verriet etwas darüber, ob er sich der Annäherung des Mädchens bewusst gewesen war.

„Ist es wahr, Inu Yasha-Sama?“, fragte sie leise, ihre Finger krampften sich fester um seinen Haori und sie biss sich auf die Unterlippe, als sie direkt in seine goldenen Augen starrten.

„Wie viel hast du gehört, Rin?“ Hündchenohren sanken zur Seite ab, Inu Yasha schluckte schwer und er ging langsam auf sie zu, um sich vor sie hinzuhocken. Doch anstatt gleich zu antworten, warf sich das Kind an seinen Hals und schlang ihre Arme um seinen Nacken. Wäre er ein Mensch, wäre er bei der plötzlichen Wucht ihres Aufpralls sicher nach hinten umgefallen, so wackelte er nur gefährlich, konnte aber sein Gleichgewicht halten.

„Bitte Inu Yasha, sagt nicht solche schlimmen Sachen über Euch! Niemand möchte das Ihr tot seid!“ Ihre Hände verfingen sich in seinen Haaren, zogen unbewusst an seinen Strähnen, aber er ignorierte den leichten Schmerz und versuchte sie mit sanfter Gewalt wieder von sich zu lösen. Er war es einfach nicht mehr gewohnt so belagert und berührt zu werden und musste das abrupt aufkommende Knurren seines Biestes unterdrücken – dass das Kind ihn bereits während seiner Bewusstlosigkeit so umarmt hatte, war ihm unbekannt.

 

„Rin.“ Sesshoumarus feste Stimme zog über sie beide hinweg und sofort entspannte sich ihr Griff, sodass Inu Yasha endlich ihre Finger entwirren und sie zurück auf den Boden stellen konnte. Der Daiyokai hatte seinen Kopf minimal in ihre Richtung geneigt, die goldenen Augen beobachteten sie ausdruckslos und doch reichte es aus, damit das Mädchen einen Schritt zurücktrat und dem Halbdämon etwas Freiheit schenkte.

„Es tut mir leid.“ Sagte sie schnell und neigte entschuldigend den Kopf, ehe sie wieder zu Inu Yasha blickte, der etwas verlegen und ratlos dastand. „Ich wollte nicht lauschen, aber Ihr habt in der Eile Euren Haori vergessen und weil Ihr immer noch nicht ganz geheilt seid... Es tut mir wirklich leid, Inu Yasha-Sama.“

Der Hanyo unterdrückte einen tiefen Seufzer und fuhr sich mit den Krallen durch die Haare, bevor er seine angebotene Feuerrattenrobe aus ihren Händen nahm und sich um die Schultern warf.

„Keh, mach dir keinen Kopf darüber...“, murmelte er leise und fixierte das Oberteil mit seinem Obi, um dem stechenden Blick ihrer Augen auszuweichen.

„Inu Yasha-Sama, ist-“,

„Vergiss es, Rin. Es ist nichts, worüber du dir Sorgen machen solltest.“ Unterbrach der Halbdämon das Mädchen und starrte seinen Bruder mit gerunzelter Stirn an, der weiterhin nur unbeeindruckt wirkte.

„Aber, Ihr habt gesagt das-“

„Genug.“ Dieses Mal war es Sesshoumaru, der sie erneut zum Schweigen brachte. „Inu Yasha hat seine Entscheidung getroffen.“ Die Worte waren so endgültig, dass sie gleichsam einen Schauer über die Wirbelsäule des Menschen und Hanyos schickten. Und während Rin die Lippen aufeinander presste, entkam dem Halbdämon ein kurzes Knurren, als er die Arme vor der Brust verschränkte.

 

„Ich weiß nicht wovon du redest!“ Bellte er genervt und wandte sich an den Daiyokai, der ihn aus kalten Augen scharf anblickte.

„Deine Worte waren deutlich genug. Sie zu leugnen hat keinen Zweck, Hanyo.“

„Seit wann hörst du auf irgendetwas, was ich sage?“ Inu Yasha warf frustriert die Hände in die Luft und bedauerte ein weiteres Mal, dass er Tessaiga nicht bei sich trug. Es wäre so vieles einfacher, wenn er nur die Klinge ziehen könnte. Dann musste er sich wenigstens nicht mit dem irritierenden Hundedämon auseinandersetzten.

„Sei nicht lächerlich, es könnte mich nicht weniger interessieren. Tatsache ist jedoch, kleiner Bruder, dass du wutentbrannt und ohne jeglichen Grund die Fassung verloren hast. Wie so oft.“ Sesshoumaru beobachtete fast amüsiert, wie die beiden flauschigen Ohren auf dem Kopf des Jüngeren wild hin und her zuckten und der Halbdämon gereizt den Kiefer aufeinander schlug.

„Was zum Teufel soll das heißen ´ohne Grund´? Du warst doch derjenige, der unbedingt darauf bestehen musste-“

„Inu Yasha.“ Der Daiyokai trat vor, bis er direkt vor seinem Bruder stand und war schon beinahe fasziniert davon, wie leicht sich der Junge doch dazu bringen ließ den Mund zu halten, wenn er seinen Namen ohne jeglichen Hass über seine Lippen brachte. Zwei große Goldaugen starrte ihn etwas perplex an und der Halbdämon öffnete und schloss den Mund, ohne etwas zu sagen. Wie amüsant.

„Wiedereinmal waren deine Taten den Worten voraus, kleiner Bruder. Hättest du mich erklären lassen, hättest du gewusst, dass es hierbei um Rin gegangen wäre. Doch stattdessen hast du einfach alles strikt abgelehnt.“

Für ein paar Augenblick war es still, dann rutschte ein „Eh...Was?“ aus Inu Yashas Mund und er blickte zu dem Mädchen, welches ebenfalls einen überraschten Ausdruck auf ihrem Gesicht trug.

 

„Rin braucht jemanden, der ihr das Kämpfen lehrt.“ Meinte Sesshoumaru schlicht, schenkte dem Kind einen kurzen Blick und drehte sich dann um, ehe er einfach wieder zu gehen begann. Kurz bevor er zwischen den Bäumen aus dem Blickfeld verschwinden konnte, erreichten seine letzten Worten die beiden Hündchenohren. „Aber offenbar liegt dir nicht viel daran, wenn sie stirbt.“ Und damit war der Daiyokai weg und alles was von ihm übrig blieb, war seine anhaltende Aura in der Luft.

Inu Yasha starrte noch lange auf dem Punkt im Wald, an dem der Ältere sich förmlich in Luft aufgelöst hatte, nicht wirklich sicher, was er von all dem halten sollte. Er stieß einen tiefen Atemzug aus und seine Schultern sanken ein Stück nach unten, als ihn die Ereignisse des Tages langsam einzuholen schienen. Sein Geist schwamm ein wenig und sein Körper fühlte sich ausgelaugt und schwer an, Schlaf klang plötzlich nach einer guten Entscheidung.

„Scheiße...“ , fluchte er leise und rieb sich mit dem Handballen über die Augen, ehe er zu Rin blickte, deren Gesicht ein Stirnrunzeln trug. Er war sich ziemlich sicher, dass sie Sesshoumarus zweite Aussage nicht gehört hatte und doch schien sie über diese neue Entwicklung ebenso verwirrt zu sein. Wusste sie vielleicht nichts von den Plänen des Daiyokai?

„Lass uns einfach zurückgehen, Rin.“ Seufzte der Halbdämon, setzte sich ebenfalls in Bewegen und veranlasste sie dazu, ihre Augen auf ihn zu richten, ohne ihm jedoch zu folgen.

„Ich-ich bin mir nicht sicher, ob ich alles verstanden habe... Aber Ihr werdet bleiben, oder Inu Yasha-Sama?“ Der Hanyo hielt in seinem Schritt inne und drehte den Kopf zu dem Mädchen, welches ihn mit ernstem Gesicht anblickte. „Ihr werdet bleiben, richtig? Ihr werdet nicht... Euch nicht...“

Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, als sie versuchte die Worte auszusprechen, die einfach nicht über ihre Lippen kommen wollten. Stattdessen senkte sie den Kopf zu Boden und starrte angestrengt auf ihre eigenen Füße, während sie ein wenig nervös auf ihrer Unterlippe kaute.

 

Inu Yasha beobachtete sie einige Momente lang schweigend, dann verdrehte er die Augen und stapfte zu ihr zurück. Er hatte keine Lust mehr auf Auseinandersetzungen oder auf Diskussionen. Oder auf Reden. Wie gern würde er sich jetzt einfach in Goshinboku zurückziehen und sich vor alle den Dingen auf der Welt verstecken. Aber er konnte es nicht. Zumindest nicht jetzt.

„Oi! Hör auf hier herumzustehen wie ein Trauerkloß. So schnell wirst du mich schon nicht los.“

„Ihr versprecht es?“ Da war er wieder. Dieser hoffnungsvolle Ausdruck in ihren Augen. Was war nur mit all den Mädchen, dass sie diesen Blick so unfassbar gut beherrschten?

„Jaja. Und jetzt komm schon.“ Und dieses Mal folgte ihm Rin, ein kleines, erleichtertes Lächeln auf den Lippen, als sie gemeinsam zu der Höhle zurückkehrten, in der sie die letzten Tagen verbracht hatten.

 

Zurück zu ihrem momentanen Unterschlupft, aber immer voran in eine unbekannte Zukunft.

 

 
 

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wichtige japanische Wörter:

 

Ningen: abfällige Bezeichnung für Menschen

 

Kami: Gott

 

Reiryoku: spirituelle oder göttliche Kraft

 

Yoki (oder auch Yoryoku): dämonische Energie und die Lebenskraft eines Yokai. Kann sowohl die körperlichen Fähigkeiten verbessern (Inu Yashas Sankon Tesso, um die Stärke und Angriffsreichweite seiner Klauen zu erhöhen), als auch Konstrukte bilden (Sesshoumarus Lichtpeitsche) oder in Form von Elementen kanalisiert werden

 

Kenatsu: eine Fähigkeit die hauptsächlich von Yokai-Schwertern besessen wird. Wenn Yoki in das Schwert geschleudert wird, kann der Benutzer seine Feine schlagen, ohne dass die Klinge physischen Kontakt hat. (Unter solch einen Angriff fällt zum Beispiel Inu Yashas Kaze no Kizu)

 

Yoketsu: visuelle Manifestation der dämonischen Energie in Form eines Strudels hinter einem Yokai. Wird dieser Wirbel und das damit verbundene Yoketsu durchtrennt, wird der Dämon sofort getötet.

 

Jaki: bösartige Energie, die ähnlich der dämonischen Aura ausgestrahlt wird. Entsteht aus der dunklen Natur

oder dem Willen (Yin) eines Individuums

 

dämonisches Jaki: jeder Dämon und Mensch besitzt das Potenzial Jaki auszustrahlen. Je böser der Yokai ist, desto größer sind die Fähigkeiten in der Kontrolle, Verwendung und Stärkung des Jaki, um Objekte und Menschen zu kontrollieren

 

Höllenjaki: entstand durch die vielen bösartigen Kreaturen in der Hölle und ist auch im Meido vorhanden

 

Shoki: alternative Bezeichnung von Miasma oder auch Sumpfgas genannt

 

 
 

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