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SternenStolz

von

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Unfreiwillig

Dunkle Wolken hingen schwer am Himmel und sie spiegelten so ungefähr die innere Stimmung der immer noch jung aussehenden Frau mit den weißblonden Haaren wider. Lilane zählte 30 Sommer und dennoch wirkte sie wie eine junge Maid Anfang 20. Man hätte sie möglicherweise der Hexerei beschuldigt, über diesen seltsamen Umstand ihrer Jugend, doch es gab da einen ganz bestimmten Grund, der ihr Leben schützte – eine geheimnisvolle Gabe, die in ihrer Familie von der Mutter auf die Tochter weiter vererbt wurde. Schon lange blieb das Inkrafttreten jener Gabe aus, doch es existierte eine Bestimmung aus alten Schriften die besagte, dass einst ein edler König durch die Hand einer Rückführerin gerettet werden würde.
 

Eine Rückführerin – das war das, was sie war. Unter bestimmten Umständen, die Lilane selber nicht genau kannte, sollte sie in der Lage sein einen Verstorben ein neues Leben zu schenken.

Doch eigentlich sah sich Lilane nur als Heilkundige die gerne den Kranken und Verwundeten half. Es bereitete ihr Freude und sie wollte nichts anderes in ihrem Leben machen. Und nun schien es als würde ihre angeborene Gabe, die so sagenumwoben wie mächtig sein konnte, ihr jetzt zum Verhängnis zu werden.

Verstohlen musterte sie mit ihren grünen Augen den angehenden König auf seinem großen Schimmel. Prinz Gogurn stellte sicher keine schlechte Partie dar, seine Figur sah stattlich aus, sein dunkles Haar ging ihm bis zu den Schultern und umrandete sein nicht mehr ganz jugendliches Gesicht.

Lilanes Stute ließ sich etwas zurückfallen, die goldbraune Pferdedame mit der hellen Mähne blieb ihr als engste Vertraute. Seit Generationen lebte ihre Familie fernab der Städten und Festen im tiefen Inneren des weiten Moorsol-Waldes. Bei dem Gedanken daran seufzte die Frau. So wie es jetzt aussah, gehörte dieses Leben, welches sie so sehr geliebt hatte, der Vergangenheit an und sie schien nichts dagegen unternehmen zu können.
 

Es war nicht das Aussehen, was an dem Prinzen abstoßend auf Lilane wirke, sondern sein Charakter. Gogurn von Tivolia zeigte sich gebieterisch, hart und unnachgiebig. Und er bekam immer was er wollte – und er wollte sie als seine Frau. Es gab keinen Antrag, kein Bitten und schon gar kein Verständnis für Lilane, die vor einigen Jahren Mutter, Vater und Großmutter durch einen Unfall verloren hatte. Der Prinz erließ in seiner kühlen Art einfach die Bestimmung, dass sie sich glücklich schätzen könne, als seine künftige Frau auserkoren worden zu sein. Um seine unglaubliche Großzügigkeit zu unterstreichen, kam er persönlich mit einem Trupp schwer bewaffneter Krieger vorbei, um sie abzuholen.

Und jetzt ritt sie ihrer ungewissen Zukunft entgegen.
 

Sie wollte keine Königin werden, wenn Gogurn an die Macht kam. Ein Leben an seiner Seite und noch dazu in der befestigten Stadt, weit weg von ihrem gewohnten Zuhause ... das alles fühlte sich für Lilane an, als falle sie in ein dunkles, alles verschlingendes Loch.

Was sollte sie tun?

Wie sollte sie das überstehen?

Sie sah sich einem Leben voller Unglück entgegen reiten.
 

Dabei wählte der Prinz sie nicht, weil er sie liebte, sondern um ihrer Gabe wegen. Vermutlich konnte er nicht einmal sich selbst lieben. Eine Rückholerin, also eine Heilerin die im Stande ist Toten ihr Leben zurück zu geben, sollte einem edlen zukünftigen König sein Leben zurück schenken. So sagte es eine alte Schrift, dabei legte die Weissagung keiner bestimmten Zeit fest, doch Gogurn war das egal, er wollte kein Risiko eingehen, wenn sie seine Frau war, konnte sie ihm schnell helfen, wenn es nötig werden würde.
 

Lilane hörte die Krieger leise miteinander murmeln, doch sie verstand sie nicht. Die Bürger von Tivolia lebten unter dem jetzigen König gut und in Wohlstand. Die junge Frau kannte die Stadt nur von einigen wenigen Ausflügen, wenn sie um Hilfe gebeten wurde oder wenn sie etwas aus der Menschenstadt besorgen musste. Und auch dann hörte sie die Leute immer hinter sich tuscheln. Viele hielten sie für eine Hexe, eine böse Frau. Und dennoch achteten sie ihre Heilkunst. Was für eine verrückte Sichtweise ihres Volkes.

Gedankenverloren griff Lilane nach ihrem Holzanhänger, der mit einem Lederband um ihren Hals hing. Nervös betastete sie das glatte Holz, das wie ein Zentaur geschnitzt war.

Sie sah ihn nicht kommen, doch plötzlich griff eine große Hand nach ihrer und dem Anhänger. Mit einem kräftigen Ruck entriss ihr der Prinz das Schmuckstück, sodass das Band riss und er den Anhänger abschätzend angaffte.

Mit finsterer Miene fasste sich Lilane an ihren Nacken, wo das Band zuvor gehangen und nun ein leichter Schmerz brannte.

„Das brauchst du nicht mehr! Du wirst nichts tragen was an diese Missgeburten erinnert!“, fauchte er angewidert und warf das Holzabbild des Zentauren einfach ins Dickicht des Waldes. Sie konnte nichts weiter tun, als ihre Empörung und ihre Wut herunter zu schlucken.
 

Zentauren – mystische wie stolze Wesen, Pferdemenschen voller Kraft und Energie. Viele Menschen hassten sie und umgekehrt schien es nicht anders zu sein. Menschen und Zentauren standen sich oft feindlich, gar kriegerisch gegenüber, das wusste Lilane. Aber ihr Leben spielte sich bisher eher im dichten und geschützten Wald ab. Ihre Familie lebten friedlich mit allen Bewohnern des Waldes in Koexistenz, kein Bär, Wolf oder Zentaur hatte jemals einen von ihnen angegriffen. Die junge Frau erinnerte sich sogar an ein paar Situationen in ihrer Kindheit, in der sie Zentauren nur wenige Meter von sich entfernt beobachten konnte. Auch sie hatten sie gesehen und keineswegs bösartig auf sie gewirkt.

Seit ihrer Kindheit mochte Lilane die Pferdemenschen, sie zeichnete oft welche im Sand oder versuchte zentaurische Figuren aus Stroh zu basteln. Und wie groß war die Freude, als ihre Mutter ihr einmal das kleine Holzfigürchen in Zentaurenform schenkte.

Tivolia stand den Pferdemenschen verhasst gegenüber, allen voran der Prinz und offenbar auch der König. Nur die Frau aus dem Wald schien sich die Zentauren als Freunde zu wünschen.
 

Es wurde kein weiteres Wort gesprochen und die Gruppe ritt mit den melodischen Hufgeklapper ihrem Ziel entgehen. Als sich die Sonne langsam dem Horizont näherte, erreichten sie die Stadt Tivolia mit ihrer mächtigen Burg, die auf einer Anhöhe in ungefährer Mitte der Stadt thronte. Nachdem Lilane mit ihrem Pferd, Seite an Seite mit Prinz Gogurn die Tore der Stadtmauern passierte, fiel der Frau sofort die seltsam bedrückende Aura dieses Ortes auf. Oder besser, die Stimmung wirkte auf sie seltsam finster und beängstigend, doch alle anderen Bürger oder Krieger, die sie sah, schienen glücklich, fröhlich und die meisten trugen ein Lächeln auf den Lippen das an tiefe Genugtuung erinnerte.

Aber wieso?

Oder bildete sich das Lilane nur ein?

Verhöhnten sie die Heilerin aus dem Walde?

Oder galt das alles nicht ihr?

Sah sie Gespenster?
 

Die Gruppe folgte der Hauptstraße in Richtung Festung und erreichten bald den großen Vorplatz, wo sich eine Menschentraube befand und aufgeregte Stimmen etwas durch einander riefen. Lilane beachtete sie nicht, etwas in ihr mahnte sie, den Blick abgewandt zu lassen.
 

. . .
 

Am Abend, als die Dienerin sie endlich alleine gelassen und sie das Essen mit der Königsfamilie überstanden hatte, überrollen sie wieder die Bilder vom Vorplatz. Obwohl ihr Blick abgewandt geblieben war, wusste sie dennoch, dass dort etwas Schreckliches gesehen sein musste. Und plötzlich spürte die Frau wie ein paar heiße Tränen über ihre Wangen liefen.

Warum nur?

Sie wollte sich ablenken und musterte ihre Umgebung. Ein Bett, gegenüber ein kleines Regal mit wenigen Büchern darin, ein dunkelroter Wandteppich sowie ein kleiner Kamin als wärmespendende Feuerstelle. Das alles rief nur noch mehr Sehnsucht nach ihrem gemütlichen Zuhause in ihr wach. Das Zimmer wirkte lieblos und kalt, wie der Prinz.

Ihr war aufgefallen, dass der König alt und müde wirkte und er sich offenbar völlig auf die Einschätzungen und Entscheidungen seines Sohnes verließ. Fast so als wäre Gogurn schon längst König.
 

Das sollte ab jetzt ihr neues Leben sein? An der Seite des Prinzen, der alles verachtete, was sie liebte, verdammt dazu in einer Umgebung zu hausen in der sie sich wie eine Fremde fühlte.

Mit einem Seufzer ließ sie sich auf das Bett fallen und rollte sich in die Decke ein.

Vielleicht konnte sie schlafen ... vielleicht ...

und dann überfiel sie die wohltuende Dunkelheit.



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