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Ein Herz aus Glas

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallihallo,

ja, es ist wieder Samstag und nicht Sonntag, aber wisst ihr was, ich denke mir mittlerweile 'ach, scheiß drauf'. Als würdet ihr euch beschweren, weil das Kapitel einen Tag früher kommt ;-P (Also wehe ^^') Ich bin halt morgen wieder den ganzen Tag weg und daher hab ich keine andere Wahl als es heute hochzuladen.

Ich hoffe, dass ich auch nächste Woche die Zeit haben werde, aber ich hab derzeit Klausurenphase und leider Gottes geht das nun mal vor, wenn ich diese Studium irgendwann mal abschließen möchte... also seid bitte geduldig mit mir :-)

In diesem Sinne, viel Spaß mit dem neuen Kapitel, genießt die Sonne und die unter euch, die auch am lernen sind: viel Erfolg!

LG
Sharry

P.S.: Vielen lieben Dank für die tollen Kommentare, die versüßen mir echt den Tag^^ Komplett anzeigen

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Kapitel 4

 

Gähnend rieb sich Sugawara durchs Gesicht. Er mochte das Training am Samstag, es war nicht so früh wie sonst und dadurch, dass Trainer Ukai erst später hinzukam, war der Morgen meist nicht so ernst und etwas lebhafter – was vor allem an den Spaßvögeln in ihrem Team lag – aber da sich sein Lernpensum und die Treffen seiner Lerngruppen extrem gesteigert hatten, kam er nun kaum noch mit allem hinterher.

Er wusste nicht ob er sich darauf freuen sollte, dass diese Belastung irgendwann wieder weniger wurde, schließlich wäre dann… Nein! Darüber würde er jetzt nicht nachdenken.

Kopfschüttelnd kam er um die Ecke zur Sporthalle. Es überraschte ihn wenig der Erste zu sein, schließlich war er ganze zehn Minuten zu früh.

Noch während er aufschloss hörte er die vertrauten Schritte seines Kapitäns, der ebenfalls lautstark gähnte.

„Hast du‘s mitbekommen?“, fragte ebenjener nach einer kurzen Begrüßung. „Shimizu hat wohl gestern noch Hinata und Kageyama bei Asahi vorbeigeschickt.“

Mit hochgezogener Augenbraue wandte er sich Daichi zu, bevor er jedoch etwas fragen konnte hörten sie schon das vertraute Brüllen Hinatas und Kageyamas, die wie fast jeden Morgen ein Wettrennen zur Sporthalle machten.

Im nächsten Moment erklärte ein lautes „Brüllt doch nicht so laut rum am frühen Morgen, da bekommt man ja Kopfschmerzen!“, dass auch Tanaka nicht mehr fern war.

Schulterzuckend begaben sich die beiden Drittklässler nach drinnen; es war immer gut etwas Sicherheitsabstand zur Eingangstür zu haben, wenn die beiden Erstklässler versuchten sie vor dem jeweils anderen zu erreichen.

„Armer Asahi, er hätte sich mit Sicherheit mehr über Shimizu gefreut als über unsere schrägen Vögel“, lachte Sugawara, obwohl ihm wirklich nicht nach Scherzen zu Mute war.

„Ja, genau das habe ich auch gesagt“, ertönte es von der Tür. Hinata und Kageyama kamen hinter ihnen herein; wer von beiden gewonnen hatte konnten die Drittklässler nicht sagen, nicht dass es sie wirklich interessieren würde.

Von draußen konnten sie hören wie Tanaka Nishinoya und Narita begrüßte.

„Wie war‘s denn?“, fragte Daichi ernst nach. „Geht es Asahi bald wieder besser? Kommt er heute wieder, oder Montag?“

Zu aller Überraschung schien der sonst so vorlaute Hinata Schwierigkeiten zu haben die richtigen Worte zu finden.

„Also“, murmelte er und knetete seine Hände während er immer wieder unsichere Seitenblicke sowohl Daichi als auch Kageyama zuwarf, „was das angeht...“

„Ich hatte Recht. Asahi ist nicht krank.“

Ganz offensichtlich lag Kageyamas Hauptaugenmerk an dieser Aussage darauf, dass er Recht behalten hatte.

„Was?“, fragte Hinata entsetzt. „Hast du gestern einen anderen Asahi gesehen als ich? So schrecklich wie der aussah war ich schon kurz davor einen Krankenwagen zu rufen und du sa...“

„Ich sage nicht, dass es ihm nicht dreckig geht, nur dass er nicht krank ist. Er hat sich keinen Virus, keine Infektion, keine Grippe, noch nicht mal einen Schnupfen eingefangen. Was auch immer mit ihm los ist, es ist nichts körperliches.“

Immer noch klang der junge Zuspieler so sachlich, dass er die Geduld seiner Mitspieler herausforderte.

„Und du bist jetzt plötzlich Arzt, oder was?“, murrte Hinata leise, schrumpfte aber augenblicklich unter den harten Augen seines Mitschülers zusammen.

„Ihr wart bei Asahi?“ Die Zweitklässler waren mittlerweile auch hereingekommen und Ennoshita hatte direkt erfasst worüber sie sich unterhielten.

„Wie meinst du das, Kageyama?“, fragte nun Sugawara deutlich besorgter nach, während Hinata dem Ersatzspieler zunickte. „Wenn er nicht krank ist, warum geht es ihm dann nicht gut? Hat er etwas gesagt? Hat er gesagt wann er wieder kommt?“

Kageyama schüttelte den Kopf.

„Nein, hat er nicht, aber so wie er gestern auf mich gewirkt hat glaube ich nicht, dass er überhaupt zum Club zurückkommen wird.“

Es war wie ein Schlag ins Gesicht.

Sugawara und Nishinoya keuchten leise auf, als hätte jemand ihnen tatsächlich in die Magengrube geschlagen. Tanaka wollte bereits auf Kageyama losgehen und konnte nur mühsam von Kinoshita und Narita zurückgehalten werden.

Hinata hatte kraftlos den Kopf gesenkt und biss sich auf die Unterlippe; bereits am Vortag hatte er diese Diskussion mit Kageyama geführt und auch wenn er nicht wirklich verstand warum der andere zu diesem Ergebnis kam, so konnte er nicht abstreiten, dass die Worte von Asahis kleiner Schwester ihn ziemlich verunsichert hatten.

Er wäre besser nie zurückgekehrt.

Aber mehr noch verfolgte ihn dieser leblose Blick des Mannes den er so bewunderte.

Die Anwesenden bemerkten kaum, dass nach und nach noch die letzten Mitspieler zum Training kamen und das Gespräch verfolgten.

„Kageyama.“ Daichi klang ebenfalls so als würde er nach Luft ringen, oder nach Geduld. „Wie kommst du zu dieser Behauptung? Wieso sollte Asahi nicht zurückkommen?“

Der Angesprochene zuckte mit den Schultern.

„Ich weiß nicht wirklich was der Grund dafür ist, aber er war anders drauf als beim Schuljahresbeginn. Es geht jetzt wohl nicht mehr darum einfach vor den eigenen Ängsten wegzulaufen oder um schlicht fehlendes Selbstvertrauen.“

„Sag das nicht so herablassend“, murrte Sugawara, der mit zitterten Fäusten ganz offensichtlich den Tränen nahe stand.

„Ich meine es nicht herablassend, sondern versuche nur die richtigen Worte zu finden“, erklärte Kageyama entschuldigend. „Damals waren es Probleme, die jedem hier bewusst waren, an denen man arbeiten konnte, die wir als Team bewältigen konnten.“

„Und du glaubst, dass es dieses Mal nicht der Fall ist?“, fragte Daichi, der fast schon sachlich über das Thema sprach, wenn da nicht sein kurzer Atem wäre.

Erneut schüttelte Kageyama den Kopf.

„Was auch immer der Auslöser war, Asahi ist zerbrochen und ich hab keine Ahnung ob oder wie man einen gebrochenen Geist wieder kitten kann.“

Niemand sagte ein Wort als die Bedeutung hinter Kageyamas Aussage sie alle erreichte, manche schüttelten den Kopf in Verleumdung, andere sahen dem Schauspiel eher als Außenstehende zu und wieder andere flüsterten tonlos Dinge vor sich hin.

„Aber wartet mal“, versuchte Tanaka mit einem schwächlichen Versuch die Stimmung aufzubauen, „wir wissen doch gar nicht ob das stimmt, oder? Asahi hat dazu doch noch gar nichts gesagt, alles was wir haben sind Kageyamas Vermu...“

„Daichi!!!“

Wie ein Donnergrollen unterbrach Nishinoyas Zwischenruf den anderen Zweitklässler. Mit wutverzerrtem Gesicht stapfte er nach vorne und drängte mühelos Hinata und Kageyama zur Seite.

„Wenn dieser Feigling nicht zurückkommt, dann werde ich das Team verlassen, ist das klar?!“

„Noya...“, flüsterte Tanaka kleinlaut.

„Hey“, versuchte sich Sugawara dazwischen zu stellen nachdem für einen Atemzug niemand etwas sagte, „jetzt ist nicht der Zeitpunkt für so etwas, Nishinoya. Warten wir doch erst einmal ab, ehe wir voreilige Entscheidungen treffen. Wenn du jetzt auch noch...“

„Nein Suga! Dieser Arsch hat nicht das Recht nachdem was am Mittwoch passiert ist wieder einen auf halbes Hemd zu machen!“

Ihr Libero zitterte vor purem Zorn am ganzen Körper.

„Damals gegen Datekou konnte ich es ja noch irgendwie verstehen, aber warum zur Hölle jetzt? Asahi hat keinen Grund zu – wie sagtest du Kageyama? - zu zerbrechen! Er hatte ein scheiß großartiges Spiel am Mittwoch, war in Topform und hat es sogar geschafft mich aufzubauen nachdem ich einen Scheißtag hatte und am liebsten alles hingeschmissen hätte. Ich war es, der überlegt hatte aufzuhören!“

Über Nishinoyas Wut und seine zu ehrlichen Worte wurden alle anderen noch betretener.

„Und jetzt ist er es, der nicht weiterspielen will?! Der sich gebrochen in seinem Zimmer versteckt und vor sich hinleidet?! Entweder er will Volleyball spielen oder aber nicht, aber wenn er das macht, dann kann ich nicht… dann will ich nicht… Ich will nicht, dass...“

„Aber jetzt warte doch mal!“ Sugawara war es erneut der Nishinoya unterbrach, obwohl dieser schon längst nicht mehr in Worte fassen konnte, was in ihm vorging.

Dann wandte sich der Drittklässler dem anderen Zuspieler zu.

„Kageyama, du sagtest, dass du keine Ahnung hast warum es Asahi so schlecht geht, woher willst du wissen, dass es überhaupt irgendetwas mit Volleyball zu tun hat? Vielleicht hat er ja noch andere Probleme im Leben. Die Welt dreht sich ja nicht nur um unser Team, es gibt mit Sicherheit noch andere Dinge, die ihn beschäftigen. Außerdem warum sollte er nach einem so guten Spiel nicht mehr Volleyball spielen wollen?“

Wenn es Asahi schlecht geht, dann hat es immer etwas mit diesem verdammten Volleyballclub zu tun.“

Alle Anwesenden starrten Hinata an, der diese Worte dem Boden zugemurmelt hatte.

„Das hat seine kleine Schwester gestern gemeint. Sie hat gesagt, sie würde sich wünschen, dass Asahi nie wieder zum Club zurückkehren würde.“

„Das soll Akemi gesagt haben?“ Fassungslos drehte sich Nishinoya zu dem Angreifer um. „Warum sollte sie so etwas sagen? Sie weiß doch wie sehr Asahi es liebt Volleyball zu spielen.“

Hinata zuckte kraftlos mit den Schultern, er wollte das hier alles nicht. Er wollte nicht, dass ihr tolles Team zerbrach; er wollte nicht, dass es Asahi schlecht ging, dass Nishinoya damit drohte den Club zu verlassen, dass Sugawara mit den Tränen kämpfte und dass Daichi so zermürbt dreinschaute. Er wollte nicht, dass sie sich stritten, anstatt gemeinsam stärker zu werden.

„Ich hab keine Ahnung“, murmelte er und rieb sich die Augen, „aber sie war der festen Überzeugung, dass es Asahi nur wegen uns so bescheiden geht.“

Er schluckte schwer.

„Ich will auch nicht daran glauben, dass Asahi nicht mehr zurückkommen will, aber als ich ihn gestern so gesehen habe... egal was wir gesagt haben, er hat nicht einmal gelächelt oder auch nur hochgeguckt. Wenn Kageyama mir sagen würde, dass er mir in der Nationalmannschaft den Ball zuspielen will, ich würde bis zur Hallendecke springen, aber noch nicht mal da hat er...“

„Was hast du ihm gesagt?!“

Daichi unterbrach Hinata und machte einen Schritt auf Kageyama zu. Es war wahrlich beeindruckend wie unschuldig der Jüngste im Team zum Kapitän aufschauen konnte, denn gerade bekamen sogar die Mutigsten der Anwesenden Angst vor Daichis Blick.

„Ich habe nur wiederholt was der Trainer uns gesagt hat. Ich wollte, dass er weiß was er für ein Potential aufs Spiel setzt.“

„Warum zur Hölle hast du das getan?!“

Daichi packte Kageyama am Kragen.

Sugawara schlug sich fassungslos eine Hand auf den Mund.

Die restlichen Mitspieler zuckten zurück als der Kapitän des Teams Kageyama mit voller Wucht gegen die nächstbeste Wand stieß.

„Ist das der Grund warum du glaubst, dass er nicht zurückkommen wird?! Warum hast du es ihm dann überhaupt gesagt?! Wir alle wissen, dass Asahi unter Druck schnell zusammenbricht und wenn du ihm so etwas ins Gesicht wirfst, wenn es ihm bereits eh beschissen...“

„Es hat keinen Unterschied mehr gemacht.“

Daichi blieben seine Worte regelrecht im Hals stecken, als der andere ihn so naiv abwürgte und noch nicht mal versuchte sich zu wehren.

„Was meinst du damit?“, fragte er atemlos.

„Trainer Ukai wollte nicht, dass wir Azumane unnötig unter Druck setzen, damit er seine Freude am Spiel behält und nicht noch ängstlicher wird als sonst schon. Aber von dem was ich gestern gesehen habe, war da eh nichts mehr an Spiel- oder an genereller Lebensfreude, was man hätte beschützen müssen. Was auch immer passiert ist, es hat ihn zerbrochen und daher war es irrelevant ob ich ihm die Wahrheit vorenthalten würde oder nicht.“

Tief durchatmend machte Daichi einen Schritt zurück, während Kageyama mit den Achseln zuckte.

„Da so oder so nichts mehr da ist, was von der Wahrheit gefährdet werden könnte bin ich das Risiko eingegangen in der Hoffnung, dass es ihn vielleicht doch etwas Mut zusprechen würde. Aber ich habe mich geirrt. Wenn ein Herz aus Glas zerbricht, bleibt wohl einfach nichts mehr übrig außer Scherben.“

Eine betretene Leere blieb zurück als sämtliche Clubmitglieder zu Boden starrten.

Nichts konnte den Teamgeist mehr zerstören als wenn das Ass des Teams zerbrach und sie alle konnten es fühlen, ihr Team stand auf Messerschneide. Nishinoya hatte bereits angekündigt den Club zu verlassen sollte Asahi nicht zurückkehren und daran glaubte nach Kageyamas Ausführungen keiner von ihnen mehr so richtig.

Auch auf den anderen lastete die Schwere dieses Verlustes, insbesondere Daichi und Sugawara wussten nicht mehr weiter während Hinata einzelne Tränen nicht aufhalten konnte.

Selbst diejenigen von ihnen, die Asahi nicht so nah gestanden hatten, konnten den Schmerz fühlen als ihr Kampfeswille brach.

Wenn ihr Ass nicht mehr da war wie sollten sie es dann je die Nationalmeisterschaften bestehen? Wie sollten sie diese klaffende Lücke je schließen?

Waren all die Mühen, all die Anstrengungen, die schönen und die harten Stunden der letzten Monate plötzlich unwichtig geworden?

Konnte es sein, dass der Verlust eines einzelnen Teammitgliedes alles zerstören konnte?

„Nur wegen einem Herz aus Glas“, flüsterte Daichi und spürte wie ihm die Augen brannten.

In diesem Moment öffnete sich die Türe der Sporthalle.

„Hallo alle miteinander. Schön, dass ihr schon da seid. Ich habe mir heute mal früher freigenommen um mit euch… Was ist denn los?“

Coach Ukai stand im Türrahmen und konnte regelrecht riechen wie der Luft der Sporthalle durch Schwermut und Hoffnungslosigkeit der Sauerstoff entzogen wurde.

Kaum einer reagierte als er die Tür hinter sich zuschlug, der ein oder andere zuckte nur leicht zusammen.

„Sawamura, was ist…?“

Er konnte nicht weitersprechen als der Kapitän des Teams sich ihm zuwandte und er die glasigen Augen sah, die bebenden Lippen.

Ukai ließ den Blick durch den Raum gleiten, bemerkte dass nicht nur der Drittklässler den Tränen nahe stand. Der Kapitän befand sich mehrere Schritte entfernt von den anderen, direkt an der Wand zur Rechten der Türe, bei ihm nur Kageyama, der ebenfalls niedergeschlagen aussah.

„Natürlich!“

Plötzlich teilte ein Lichtstrahl das Meer aus Elend als Sugawara sich aufrichtete und fahrig umsah. Auch er hatte ganz offensichtlich geweint.

„Ein Herz aus Glas!“, rief er seinen Mitspielern zu als wäre es die ganz offensichtliche Lösung, doch niemand reagierte und Ukai verstand immer weniger was hier vor sich ging. Manchmal hatte er wirklich keine Ahnung in was für ein Drama Herr Takeda ihn da mit reingezogen hatte.

„Du!“ Der Zuspieler packte den ebenfalls niedergeschmetterten Libero am Arm. „Du kommst jetzt mal mit mir!“

Nun sah der ein oder andere verwirrt auf, Sugawaras plötzliche Energie schien sie zutiefst zu verstören.

Sugawara zog Nishinoya mit sich zu den Umkleiden.

„Daichi!“, brüllte er seinem Kapitän im Laufen noch zu. „Er hat ein Herz aus Glas, verstehst du?!“

Dann knallte er die Türe hinter sich und Nishinoya zu.

Mit großen Augen sah der verbliebene Drittklässler zur Umkleide, doch langsam lichtete sich seine Mutlosigkeit und ein leiser Hoffnungsschimmer glitt über sein Gesicht.

„Dann ist noch nicht alles verloren?“, flüsterte er.

„Okay!“ Ukai klatschte einmal hart in die Hände. „Ich habe keine Ahnung was hier vor sich geht, aber ich habe mir nicht extra frei genommen damit ihr alle dreinschaut als wäre jemand gestorben. Es ist doch niemand gestorben, oder?“, murmelte er dann Sawamura entgegen, der kurz den Kopf schüttelte.

„Gut, also was auch immer los ist, wir kriegen das schon hin. Ihr habt ja gesehen, dass Sugawara noch nicht den Mut verloren hat, also lasst ihr euch auch nicht hängen.“

Seine Worte erzielten noch nicht die gewünschte Wirkung.

„In Ordnung. Ich will, dass ihr jetzt alle Laufen geht, um den Kopf frei zu kriegen. Die übliche Strecke, den Berg hoch. Diejenigen von euch, die es unter einer halben Stunde schaffen, dürfen sich heute nach dem Training bei mir im Laden eine beliebig gefüllte Teigtasche aussuchen.“

Zumindest Tanaka erwachte unter der Möglichkeit auf kostenlose Nahrung wieder zum Leben.

„Unter einer halben Stunde?“, brüllte er entgeistert. „Das hab ich erst zwei Mal geschafft und ich renne die Strecke fast täglich!“

„Ja dann ist doch heute der perfekte Tag, um es ein drittes Mal zu schaffen. Kommt, geht euch den Kopf freilaufen und wenn ihr zurückkommt werde ich mich um euer Problem gekümmert haben.“

Noch immer sahen die meisten nicht wirklich überzeugt aus, aber zumindest war die Stimmung nicht mehr so gedrückt wie vorher als die Oberschüler zum Ausgang trotteten.

„Sawamura“, rief er den Drittklässler zu sich, „und du wirst mir jetzt mal erklären was hier vor sich geht.

*****
 

„Setzen“, orderte Sugawara an, nachdem er die Tür zugeknallt hatte.

„Aber Suga, was soll...“

„Ich habe gesagt du sollst dich setzten.“

Der Libero gehorchte und ließ sich auf einen der Klappstühle nieder.

Es war nicht so, als ob Nishinoya Bock hatte sich hinzusetzen, aber gerade in diesem Moment machte Sugawara ihm beinahe Angst. Der Drittklässler hatte nicht Asahi’s taffes Auftreten oder Daichis einschüchternde Präsenz, aber Nishinoya konnte nicht anders als beeindruckt zu sein.

Trotzdem, Sugawara konnte so furchteinflößend gucken wie er lustig war, Nishinoya hatte überhaupt kein Interesse daran ihm auch nur eine Sekunde zuzuhören. Er wollte irgendwas schlagen, irgendwen anschreien, er war wütend. Doch der Zuspieler schwieg und verschränkte seine Arme als hätte er gerade eine überaus gefährliche Taktik zusammengestellt, um seinen Gegner zu zerstören.

„Suga, was wird das hier?“, murmelte Nishinoya. Er hatte keinen Bock hier drauf, er war wütend. Asahi war das Ass dieser Mannschaft - sein Ass – und Nishinoya würde es ihm nicht verzeihen, wenn er diesen Titel einfach aufgab, wenn er das was er liebte einfach aufgab, wenn er noch nicht einmal dafür kämpfte.

Er wusste, dass er selbstsüchtig war, aber ohne Asahi aufs Spielfeld zu gehen… ohne Asahi diese Nationalmeisterschaft zu gewinnen, das kam für ihn nicht in Frage. Das wollte er einfach nicht, das konnte er nicht, nicht mehr.

Das tiefe Seufzen des Drittklässlers ließ ihn aufhorchen als Sugawara sich ebenfalls auf einen Stuhl fallen ließ.

„Weißt du“, murmelte der Zuspieler, ohne ihn anzusehen, „auch wenn ich‘s nicht zugeben wollte, ich habe von Anfang an wie Kageyama nicht daran geglaubt, dass Asahi krank ist. Ich hatte die ganze Zeit dieses ungute Gefühl, dass wieder etwas mit ihm nicht stimmt, aber ich wusste nicht was.“

Erneut seufzte Sugawara und diesmal sah er deutlich älter aus als zuvor.

„Am Anfang dachte ich, dass es wieder etwas mit unserem Volleyballspiel zu tun hat, aber selbst damals als er seinen kompletten Kampfgeist verloren hatte, selbst damals ist Asahi weiterhin zur Schule gekommen und war freundlich und ganz okay gelaunt. Daran konnte es dieses Mal also nicht liegen, also habe ich gedacht, dass ihm was anderes zu schaffen macht, vielleicht ist irgendetwas bei ihm Zuhause los von dem wir noch nichts wissen.“

Nun verschränkte er erneut die Arme und sah Nishinoya ernst an.

„Doch dann habe ich mich daran erinnert was Kageyama gesagt hat und was Hinata über Akemi erzählt hat und mir wurde bewusst, dass es doch irgendetwas mit uns zu tun haben muss. Aber ich wusste die ganze Zeit nicht was für unser Ass noch schlimmer sein könnte als während eines offiziellen Spiels unablässig geblockt zu werden. Was kann so furchtbar sein, dass er es nicht mal mehr zum Unterricht schafft? Dass seine Eltern ihn krankmelden müssen, weil es ihm so dreckig geht, dass er nicht mal mehr das Haus verlassen kann?“

Für eine Sekunde schwieg Sugawara. Nishinoya verstand nicht worauf der andere hinauswollte. Er hatte auch keinen Plan was hier vor sich ging, aber wenn er ganz ehrlich war, war ihm Sugawaras Gedankengang auch ziemlich egal.

„Mir ist zunächst wirklich nichts eingefallen, denn Asahi ist unglaublich pflichtbewusst und würde seine Noten nie nur deshalb gefährden, weil es im Club Probleme gibt und niemand aus seiner Familie würde zulassen, dass er wegen eines Hobbys die Schule vernachlässigt. Aber dann musste ich an Kageyama denken, der König des Spielfelds. Erinnerst du dich? Seine größte Angst war, dass die Mitspieler ihm wieder den Dienst verweigern würden, nicht nach seinem Ball springen würden. Als er zu uns kam hatte Kageyama Angst davor von anderen Mitspielern ausgeschlossen zu werden oder dass sie ihm misstrauen würden. Trotzdem wollte Kageyama weiterspielen, es hat ihm zugesetzt, aber es konnte ihn nicht vom Spielen abhalten.“

Dann sah Sugawara Nishinoya direkt an. Doch dieser konnte ihm immer noch nicht wirklich folgen. Ja er hatte davon gehört, auch wenn er erst später zum Team wieder dazugestoßen war da er suspendiert gewesen war. Aber was hatte der König des Spielfeldes mit ihrem Hasenfuß von einem Ass zu tun?

„Aber dann wurde mir klar, dass Asahi nicht wie Kageyama ist; würde er in einer solchen Situation weiterspielen und sich dem Team sozusagen aufbürden? Ganz ehrlich, nein, ich glaube sogar, dass Assahi anders als Kageyama unter einer solchen Vorstellung komplett zerbrechen würde. Was könnte schlimmer für ein Ass sein als seine Mitspieler zu enttäuschen? Ganz klar, nichts ist schlimmer als von den eigenen Mitspielern zurückgelassen zu werden. Sei es ob ein Zuspieler einem Angreifer nicht zuspielt oder ein Angreifer nicht nach dem Ball des Zuspielers läuft. Nichts ist schlimmer, als dieses furchtbare Gefühl den anderen nicht von Nutzen sein zu können, ihnen nur eine Last zu sein, nicht wahr Nishinoya? Dieses Gefühl, dass die anderen doch sehen müssen, dass man so nicht mehr von Wert für das Team ist.“

Der Libero schluckte schwer, genau das war sein Gefühl am Mittwoch gewesen, dass er für die anderen nur ein Klotz am Bein gewesen war, weil er nicht gut verteidigt hatte.

„Also Nishinoya“, murmelte Sugawara nun und lehnte sich vor, „als ich Asahi das letzte Mal gesehen habe, strotzte er nur so vor Selbstvertrauen und Siegeswille und wir wissen alle wie ungewöhnlich das für ihn ist. Dann hat er mit dir gesprochen und seitdem kommt er noch nicht mal mehr zur Schule. Also, was hast du ihm gesagt?“

Nishinoya stockte der Atem, ablehnend schüttelte er den Kopf und riss beide Hände in die Höhe.

„Was soll der Scheiß, Suga?! Du glaubst ich bin der Grund warum sich dieser Feigling nicht mehr aus seinem Zimmer traut? Ich hab es dir doch schon gesagt, es war ein gutes Gespräch, Asahi hat mich richtig beeindruckt und...“

„Stimmt, du hast mir gesagt, dass Asahi gute Worte gefunden hat, dass Asahi dir gut zugeredet hat. Aber ich frage dich gerade was hast du in diesem Gespräch zu Asahi gesagt? Denn du bist der Letzte von uns allen, der ihn am Mittwoch wo er seinen Höhenflug hatte gesehen hat.“

Ja es war berechtigt vor Daichi Angst zu haben, wenn er wütend wurde, aber gegen diesen Sugawara kam selbst er nicht an.

Nishinoya bemerkte erst, dass er sich von dem anderen zurückgelehnt hatte, als sein Rücken gegen die Lehne stieß.

„Was redest du denn da?“, murrte er abwehrend und verschränkte seine Arme. „Als würde ich irgendetwas sagen, weswegen Asahi...“

„Was hast du gesagt, Nishinoya?“

Er konnte diesem direkten Blick nicht mehr standhalten und senkte den Kopf.

„Also ich… ich hab keine Ahnung wovon du redest, Suga. Klar, ich war etwas wütend wegen des Trainingsspiels und war vielleicht etwas grob in meiner Wortwahl, aber ich hätte doch nicht...“

„Nishinoya, sag mir einfach was du Asahi gesagt hast.“

„Keine Ahnung. Es ging alles so schnell und so viel hab ich ja auch gar nicht gesagt, daher...“

Der Libero zuckte mit den Achseln und versuchte Sugawaras Blick zu entgehen. Als dieser nach mehreren Sekunden immer noch schwieg rieb sich Nishinoya den Nacken und sah hin und her.

„Also eigentlich hab ich ihm nur das gesagt was ich auch dir erzählt habe. Ich war unglücklich darüber, dass gerade ich als Libero in der Abwehr so scheiße war und von Angreifern unterstützt werden musste. Ich will nicht, dass ein Angreifer für mich abwehren muss und dann die Möglichkeit verpasst einen Punkt zu machen nur weil ich zu schlecht war, um meine Aufgabe als Libero zu erfüllen.“

Verständnisvoll nickte Sugawara.

„Kann ich nachvollziehen“, murmelte er. Er selbst wollte auch in jedem Fall verhindern, dass ein Angreifer geblockt wurde nur weil er schlechte Vorlagen machte.

Vielleicht hatte er sich geirrt, vielleicht hatte Asahis derzeitiger Zustand nichts mit…

„Aber es kann sein, dass die Art wie ich es ihm gesagt habe ein Problem war.“

Ganz vorsichtig hob Nishinoya den Kopf und sah Sugawara zweifelnd an.

„An die genaue Wortwahl erinnere ich mich beim besten Willen nicht, aber es kann sein, dass ich etwas in die Richtung gesagt habe, dass ich nicht will, dass er für mich abwehrt und dass ich seine Hilfe nicht brauche.“

„Oh.“

„Ich glaube ich hab ihm vielleicht auch gesagt, dass ich ihn nicht brauche.“

Der Libero wirkte über seine Worte fast geschockter als der Zuspieler. Sein rechter Mundwinkel zuckte und er biss sich auf die Unterlippe.

„Glaubst du… glaubst du Sugawara, dass er das ernst genommen hat? Glaubst du, dass Asahi wirklich denkt, dass ich ihn nicht brauche würde? Dass ich ihn nicht bei mir auf dem Spielfeld haben will?“

Er begann zu zittern.

„Glaubst du Asahi denkt jetzt, dass ich ihn hassen würde? Glaubst du, dass er wegen mir zerbrochen ist?“

Für einen Moment betrachtete Sugawara den Jüngeren wortlos. Er war wütend, stocksauer sogar, aber irgendwie tat es ihm auch leid, tat es ihm beinahe weh. Er verstand was Nishinoya getan hatte, vielleicht sogar warum und er konnte sich nur zu gut vorstellen was der Libero gerade fühlen musste.

Seufzend nickte er.

„Also wenn mir ein Mitspieler voller Ernsthaftigkeit sagen würde, dass er mich nicht auf dem Spielfeld gebrauchen kann, puh, das würde mir schon echt zu schaffen machen, gerade wenn es Daichi oder Asahi zu mir sagen würden.“

Der andere biss sich auf die Unterlippe und krallte dann regelrecht die Hand in seinen Kiefer.

„Ich glaube, dass einen jeden von uns solche Worte eines Mitspielers treffen würden und wir alle damit unterschiedlich umgehen würden. Ich denke, wenn du am Mittwoch so etwas Daichi oder mir gesagt hättest wäre uns beiden schnell bewusst gewesen, dass du es bestimmt nicht so gemeint hast und noch angefressen vom Spiel warst.“

Der Zuspieler kratzte sich an der Wange.

„Wenn jemand anderes Asahi so etwas an den Kopf geworfen hätten, hätte es ihn wohl sehr verletzt, aber er wäre vielleicht trotzdem weiter zum Training gekommen. Aber ich glaube...“

Sugawara unterbrach sich und sah den Libero ernst an, der so aussah als würde er jeden Moment in Tränen ausbrechen.

„Asahi hält große Stücke auf dich, du kannst ihn erreichen, wenn all unsere Worte fruchtlos sind. Du bist ihm echt wichtig. Ich glaube, auch wenn du deine Worte mit Sicherheit nur aus Frust und Wut gesagt hast, dass Asahi sie sich sehr zu Herzen genommen hat. Ja, ich glaube Asahi denkt wirklich, dass du jedes Wort genauso gemeint hast wie du es gesagt hast.“

Nishinoya schluckte schwer.

„Wir vergessen alle manchmal, dass unser Ass selbst scherzhafte Neckereien ernst nimmt und davon nach und nach zermürbt wird. Gerade die von uns, die ihm wichtig sind, müssen daher immer äußerst behutsam auf unsere Wortwahl achten, auch wenn uns das manchmal schwerfällt. Es ist nicht immer einfach, wenn ein Freund ein so zerbrechliches Herz hat.“

„Aber was mache ich denn jetzt?!“

Nishinoya war aufgesprungen und sah Sugawara verzweifelt an.

„Ich will nicht, dass Asahi aufhört zu spielen! Ich will nicht, dass er mich hasst oder nur wegen mir nicht mehr zum Training kommt! Ich will, dass er weiterhin mit mir auf dem Spielfeld steht. Ich kann nicht in einem Team spielen, das er aufgegeben hat, ich brauche ihn doch auch. Jedes Mal, wenn Asahi nach dem Ball ruft oder meinen Rücken deckt weiß ich wieder wie stark wir sind. Nur dank euch kann ich Fehler machen und das hat er mir beigebracht! Wie könnte ich ihn da je hassen?! Wie soll ich dann zurück aufs Spielfeld gehen, von dem ich ihn vertrieben habe?“

Die ersten Tränen schwappten über, Nishinoya konnte sie offensichtliche nicht mehr aufhalten.

„Ich will nicht, dass Asahi wegen mir unglücklich ist. Was soll ich denn jetzt tun? Wie soll ich mir je verzeihen, wenn ich ihn zerbrochen habe?“

„Aber Nishinoya.“ Sugawara lächelte sanft obwohl tausend Nadeln seine Augenwinkel stachen. „Ich kenne die Antwort darauf nicht. Dafür musst du zu ihm. Du musst Asahi all diese Dinge sagen, nicht mir.“

Überrascht machte der Libero einen Schritt zurück.

„Weißt du, wir wissen alle, dass Asahi ein Herz aus Glas hat und Kageyama hat eben behauptet, dass es zerbrochen ist und wahrscheinlich hat er sogar Recht; Scherben lassen sich nicht wirklich wieder zusammenfügen. Aber weißt du, ich frage mich was im Inneren dieses Glasherzen gefangen war. Vielleicht musste dieses Glasherz ja brechen, damit er weiterwachsen kann, damit sein wahrer Diamant zum Vorschein kommen kann.“

Mit großen Augen sah Nishinoya den Drittklässler an während seine Tränen versiegten, dann – ganz langsam – nickte er und im nächsten Moment rannte er los, stürmte aus der Umkleide, durch die Sporthalle und zur Türe hinaus.

Breit lächelnd verließ Sugawara ebenfalls den kleinen Raum.

„Was ist denn passiert?“

An der Seitenlinie standen Herr Ukai und Daichi, die bis gerade wohl ernst miteinander gesprochen hatten.

„Wo ist Nishinoya denn so schnell hin?“, fragte der Trainer nach. „Und wieso siehst du so gut gelaunt aus? Ich dachte wir hätten gerade unser Ass verloren.“

„Noch nicht“, sprach Sugawara inbrünstig. „Asahi haben wir noch nicht verloren, nur sein Glasherz ist zerbrochen.“

 



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