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Tiefe Wasser sind nicht still

von

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Like Jekyll and Hyde

Die Tage streichen ins Land und der Samstag Abend ist angebrochen. In den paar Tagen haben sich auch Scholle und Kim des Öfteren unterhalten und viel gelacht zusammen. Dennoch versteht sie Fancy immer noch nicht, denn wie ein Banker schaut er immer noch aus. Doch ist er sehr wirklich sehr sympathisch. Abgeschleppt hat er auch noch keine. Bei dem Thema ist er offen und meint zu Kimmy das er da in der Woche keine Lust drauf hat. Viel zu stressig, da er immer recht lange arbeitet.

Auch wenn es schon etwas später ist, ist von Scholle noch nichts zu sehen. Jedenfalls hat ihn die schwarzhaarige noch nicht erspäht und am Tresen sitzt er auch nicht. Lange kann sie darüber auch nicht nachdenken, wo er denn wohl sein mag, denn der Laden ist echt voll, da heute ein Gig einer Rockband ansteht. Der Stil ist etwas härter, nicht so ein Kuschelrock.

Alle laufen gestresst hin und her und versuchen den Andrang zu meistern. Gläser spülen wie am Fließband für die neue, bis Fancy zu ihr kommt und ihr eine andere Aufgabe erteilt.

„Hey Kimmy, kannst du bitte Klopapier auf dem Männerklo auffüllen? Rick ist gerade im Backstagebereich beschäftigt.“, erklärt sie ihr.

Sie nickt es ab, ist aber nicht begeistert davon. Doch sie ist die Neue und muss halt auch die unangenehme Arbeit erledigen.

Sie geht in die kleine Abstellkammer und nimmt reichlich mit. Da sie nicht zweimal gehen möchte, baut sie sich ein Turm auf und balanciert ihn erfolgreich bis zum Männerklo. Innerlich hofft sie gerade, dass keiner drin ist. Nicht das sie prüde ist, nein. Sie ist schon öfters mal auf den Männerklo gewesen, aber meist ist sie da betrunken gewesen. In dem Zustand interessiert sie es nicht wirklich ob da noch jemand anderes ist. Nur jetzt ist sie jetzt nüchtern und auf Arbeit. Was soll’s, die Aufgabe muss erledigt werden und nach einen tiefen Ein- und Ausatmer betritt sie den Raum. Sie geht ein paar Schritte den engen Gang entlang, bis sie in einem größeren Raum kommt, in dem die Waschbecken sich befinden. Sie hält plötzlich inne, als sie jemanden dort stehen sieht. So gerade kann sie an den Klopapierrollen vorbeischauen und es sieht so aus, als würde er sich gerade einen Lidstrich ziehen, was jetzt nicht so unüblich hier ist. Auch nicht bei den Männern.

Der Mann hat eine schwarze Hose an, die einen leichten Schlag hat. Diese hat auf der Höhe der Taille mehrere schmale, schwarz und rote Nietengürtel, die auf verschiedenen Höhen von der Hüfte hängen. An den Füßen trägt er schwarze Boots und oben herum hat er nichts an. Die schwarzen Haare sind zu einer stacheligen Frisur nach oben gestylt und an den Seiten aber nach unten. Um den Hals trägt er ein schwarzes Band.

„Oh, sorry, ich wusste nicht...“, fängt sie den Satz an und kommt ins stocken, als sich der gut gebaute Mann umdreht. Sein Oberkörper ist durchtrainiert, seine Arme sind auch sehr muskulös und seine Fingernägel sind schwarz lackiert.

„Scholle?!“, spricht sie leise mit einem verwundertem Ausdruck in ihrem Gesicht. Schlagartig wird sie so nervös, dass ihr die ganzen Klorollen herunterfallen und durch den sanitären Raum rollen.

„Oh scheiße!“, flucht sie und macht sich sofort daran die Teile einzufangen.

„Es... es tut mir echt leid... ich...“, stammelt sie dabei vor sich ihn, was ihr ja schon wieder peinlich ist. Scholle lacht und hilft ihr beim einsammeln.

„Ist schon gut. Ich hab nichts gesehen.“, beruhigt er sie und als er die letzte Rolle aufgehoben hat, hält er sie ihr entgegen. Sie stehen wortlos voreinander und man kann Kim nur zu gut ansehen, wie sie ihn erneut mustert. Vor ihr steht ein komplett anderer Mann. Als hätte er zwei Gesichter oder ein Doppelleben. Zum ersten Mal fallen ihr seine blauen Augen auf, die wegen des Lidstriches herausstechen. Jetzt kann sie Fancy nun doch verstehen, warum sie so auf ihn abfährt. Er sieht einfach nur verdammt geil aus. Das muss sich Kimmy gerade eingestehen. Auch er hält inne und sein Puls schlägt etwas schneller, was nicht so üblich ist bei ihm. Er kennt viele Frauen und gegen One Night Stands hat er auch nichts einzuwenden, doch das Gefühl was er gerade ihr gegenüber empfindet, hat er bei seinen Liebschaften nicht mal annähernd. Doch er lässt sich nichts anmerken und fängt das Grinsen an, was es für die junge Frau gerade nicht besser macht.

„Nervös?“, fragt er sie und spielt dabei etwas mit seinem Charme.

„Ich? Nein! Ich meine... ich...“, stottert sie wieder vor sich hin und der Mann vor ihr fängt an zu lachen. Nicht um sie auszulachen, sondern weil er ihre Verlegenheit gerade echt süß findet.

„Schon gut, das war nur ein Witz.“, klärt er sie auf.

Sie reagiert mit einem verschmitzten lachen darauf.

„Sorry, es ist nur, ich hab dich so vorher noch nicht erleben dürfen.“, gibt sie ihm gegenüber zu.

„Überrascht, wa?!“, „Ja mehr als das.“, lacht sie und geht dann zu den Toiletten.

„Was machst du hier eigentlich?“, fragt sie ihm während sie alles verteilen geht.

„Der Gitarrist der Band hat sich vorhin den Arm gebrochen und ist nun im Krankenhaus. Sie fragten mich, ob ich einspringen kann.“, antwortet er in den Raum hinein währenddessen er sich weiter anzieht. Gitarrist ist er also auch noch. Eigentlich ein Traummann für Kim, doch ist sie ja fest vergeben. Als sie fertig ist, geht sie wieder zu ihm. Oben herum trägt er ein schwarzes, ärmelloses Shirt in Lederoptik. Teilweise ist der Stoff eingerissen und rotes Material blitzt hervor. Mit einer Zigarette im Mund, zieht er sich gerade eine der zwei Armstulpen hoch, die bis zur Mitte seiner Oberarme gehen. Der rechte ist schwarz und endet oben mit roten Stoff und der andere rot und endet mit schwarzen Stoff. Wieder steht sie vor ihm und er zieht an seiner Kippe.

„Und? Geht das so?“, will er von ihr wissen. Kim versucht weiter cool zu bleiben, doch merkt sie die ansteigende Hitze, die sich in ihrem Gesicht breit macht. Ist sie Scholle nun auch verfallen, wie Fancy es ist? Was hat sie gerade nur für Gedanken, während ihr Freund zu Hause sitzt? Gut es läuft momentan mehr schlecht als recht zwischen den beiden, doch ist es für sie kein Grund so zu denken. Wenn sie etwas ist, dann treu und ein schlechtes Gewissen macht sich gerade breit. Eine Antwort muss sie ihm aber schon geben, sonst wird die Situation komisch.

„Unwiderstehlich.“, witzelt sie, gibt ihm einen kleinen Klaps auf seine Brust und geht dann an ihm vorbei. Was zur Hölle hat sie da gerade getan? Sie kennt ihn doch kaum, nur gibt er ihr dieses gewisse Vertrauen um solche Aktionen zu fahren.

„Dann hab ich ja alles richtig gemacht.“, grinst er und folgt ihr. „Kannst du mir ein Bier an meinen Platz stellen? Ich komme gleich dahin.“, bittet er sie und will vorher nochmal kurz zu Rick in den Backstagebereich.

Kimmy lacht und winkt ab. „Oh nein, bestell das mal brav bei Fancy. Nicht das sie noch eifersüchtig wird. Will mich hier nicht schon unbeliebt machen.“.

Scholle‘s Mundwinkel sind immer noch zu einem Grinsen gehoben, kann er sich vorstellen, dass ihre Kollegin kratzbürstig sein kann.
 

Eine weitere Stunde vergeht, als langsam der geplante Gig zum Auftritt bereit ist. Scholle, der immer noch an der Bar sitzt, wird höflich von der Technik zur Bühne gebeten. Er nimmt daraufhin seine Bierflasche in die rechte Hand, spreizt davon seinen Zeigefinger ab in Richtung Kim und zwinkert ihr zu, bevor er geht. Fancy bekommt das natürlich mit und faucht sie sofort an.

„Was sollte das denn?!“.

Die neue, die wieder an ihrem Spülbecken steht, guckt sie fragend an.

„Was fragst du mich?“.

Fassungslos guckte sie zur Tresenmutti Martha, die daraufhin nur mit den Schultern zuckt.
 

So oft Kim kann, schaut sie dem Auftritt zu und ist mehr als begeistert. Begeistert von Scholle. Wie er auf der Bühne steht und ein Lied nach dem anderen spielt und dabei abgeht. Nach fünf Liedern kommt Sally auf sie zu und redet ihr ins Ohr. Bei der Lautstärke geht es auch nicht anders. Als die Blondine fertig ist, zeigt die neue mit ihren eigenen Finger auf sich und Sally nickt nur. Mit fragenden Blick geht sie zu dem Kühlschrank welcher sich hinter der Bar befindet, nimmt eine Flasche raus und öffnet diese. Dann verlässt sie damit die Bar. Sofort wird Sally von Fancy abgefangen.

„Was macht sie da?“, will sie wissen und bekommt prompt eine Antwort.

„Scholle bat mich darum, das sie ihm was bringt.“, „Aber Anweisung von Rick ist doch, dass sie hinter‘m Tresen bleibt.“, erinnert sie daran.

„Ich weiß, aber er sprach mit ihm und Rick meinte das es ok sei und das es auch langsam Zeit wäre, das sie hier mal wegkommt und zu den Gästen geht.“, erklärt die Blondine. Fancy ist sichtlich sauer und verliert die neue aber nicht aus den Augen.

Kim drängelt sich derweil mit dem einem Getränk durch die Menge und wird von der Security zum Bühnenbereich gelassen. Sie geht die drei Treppen hoch und wartet darauf, dass das Lied vorbei ist. Wieder beobachtet sie ihn und ihr Puls steigt plötzlich wieder. Die hintere Ansicht ist mindestens genau so ansehnlich, wie auch die vordere. Auch singt er im Background mit und sie findet es wirklich gut. Gerade zu genießt sie ihren Standpunkt. Gefangen in seiner Aura die er ungewollt ausströmt. Gefangen in seiner Stimme und dem ganzen Auftritt von ihm.

Als das Lied zu Ende ist, geht er zu ihr hin und nimmt das Getränk entgegen, was sie ihm bereits reicht.

„Du solltest Fancy das nächste mal schicken lassen. Die ist schon sehr kratzbürstig!“, sagt sie ihm laut ins Ohr und bekommt dafür ein nicken und ein Daumen hoch. Er versteht sofort und nimmt es sich zu Herzen. Den restlichen Gig darf ihn weiterhin Fancy bedienen, was Kimmy sehr recht ist. Sie hat schon genug private Probleme und will auf Arbeit keine haben.
 

1 1/2 Stunden später ist alles gelaufen und die kleine Halle leert sich langsam. Die Band hat sich bereits wieder in den Backstagebereich versammelt und Rick’s Mitarbeiter und auch die Techniker machen sauber und räumen auf bzw. ab.

Kurze Zeit später kommt der Chef zu den Mädels und verkündet eine kleine After Show Party, wo auch sie mittrinken können, allerdings sich weiterhin um die Band kümmern sollen. Alle sind hellauf begeistert, außer Kim. Sie ahnt jetzt schon eine endlose Diskussion mit ihrem Freund, der jeden Abend auf sie wartet und jetzt würde sie auch noch später kommen. Eine Sache die bei ihm gar nicht geht. Hier in der Bar ist sowas wohl so üblich, doch hat ihr das bis jetzt noch keiner gesagt. Naja, was soll sie machen außer mitziehen und es dauert auch nicht lange und die Stimmung steigt wieder bei ihr. Die Band ist super drauf und es gibt viel zu lachen. Scholle ist natürlich auch mittendrin und Kimmy kann auch nicht anders, als öfters zu ihm zu gucken. Wie nicht anders zu erwarten sitzt Fancy neben ihm am Tresen und die Neue steht etwas weiter weg, bei Sally.

„Sag mal, läuft eigentlich was zwischen Scholle und Fancy?“, möchte sie wissen und nimmt dabei ein Schluck Bier.

„Nein. Sie würde es sehr gerne, dass weiß jeder, auch Scholle.“, verrät die Blondine ihr, während sie sich ein Wodka Energy mischt.

„Aber?“, hakt Kim nach.

„Er sagte mal, dass er nichts mit dem Personal seiner Lieblingskneipe anfängt und das zieht er wirklich durch.“, erklärt sie ihr weiter, blickt dann zu ihr und nimmt ein Schluck aus ihrem Glas. Sie nimmt die Mimik von der schwarzhaarigen wahr und weitet ihre Augen.

„Oh mein Gott, du bist Scholle auch verfallen?“, „Was?! Nein! Ich meine Psst! Er sieht schon gut aus, ja, aber ich hab einen Freund zu Hause sitzen.“, klärt sie Sally auf und diese grinst nur.

„Seit wann?“, will sie wissen, aber Kim versteht nicht ganz und guckt fragend. „Seit wann was?“, „Seit wann stehst du auf ihn? Ich meine so wie oft du da rüber schaust, ist das schon auffällig.“.

Sally hat recht damit, beobachtet die schwarzhaarige Scholle heute öfters als die ganze restliche Woche.

„Sally, ich hab ein Freund zu Hause...“, fängt sie ihre Erklärung an, merkt dabei doch wie unnötig das doch gerade ist. Sie wird eh nicht locker lassen und der Alkohol lockert ihre Zunge noch zusätzlich. Sie seufzt. „Seit ich das Klopapier ins Männerklo bringen sollte. Er stand dort nur mit seiner Hose bekleidet. Und dann drehte er sich auch noch um und... hach ey, der ganze Stil von ihm hat mich einfach nur so umgehauen. Ich meine die ganze Woche sitzt der hier im Anzug rum und dann steht da so ne Rocksau vor mir. Sorry, aber er hat mich wirklich beeindruckt.“.

Die Blondine grinst immer mehr. „Oh ja, Scholle ist verdammt gut durchtrainiert und ne geile Sau, wenn er in seinem Element ist.“, stimmt sie zu.

„Also ist das keine Ausnahme, dass er hier Gitarre spielt?“, wird sie neugierig, denn muss er wohl öfters hier mal in seinem Element sein.

„Absolut nicht. Scholle hat ne eigene Band. Momentan basteln sie wohl an neuen Songs. Allerdings muss er erstmal auf seinen Kumpel warten, der die Drums einspielen soll. Er wohnt in den USA und kommt bald hier hin.“, verrät die Blondine ihr und die Begeisterung zu diesem Mann will einfach nicht mehr abflachen, so sehr sie sich auch bemüht.

„Wow, was ein interessanter Mann.“, sagt Kim ruhig und leise.

„Ja, er ist schon faszinierend.“, kichert Sally und trinkt weiter.
 

Einige Bier und Drinks später, klingelt Kim‘s Handy und als sie sieht wer es ist, verlässt sie die kleine Halle und geht in den Hinterhof. Am Telefon bricht ein Riesen Streit aus zwischen ihr und ihrem Freund. In der Zwischenzeit betritt auch Scholle den Hinterhof um zwei leere Kisten wegzubringen. Das ist bei ihm so üblich das er auch ab und an mal mithilft. Dabei bekommt er den letzten Rest des Streits mit und wie Kim aufgelöst und wütend auflegt. Sie sitzt gerade auf einem Stapel Paletten, als er auf sie zu kommt. Sie schluchzt etwas und versucht sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen als sie ihn bemerkt.

„Stress?“, fragt er vorsichtig. Sie nickt nur als Antwort. Sein Gesichtsausdruck ist nicht gerade erfreut, als er sie so aufgelöst sieht. Aus seiner rechten Gesäßtasche holt er seine Zigarettenschachtel, öffnet sie und hält sie hier entgegen.

„Hier. Komm erstmal runter.“ bietet er ihr eine an, welche sie auch dankend annimmt. Auch ein Feuerzeug, was er bereits anmacht, hält er zu ihr. Als der Glühstängel an ist, packt er beides wieder weg. Auch er steckt sich noch eine an und beschließt sie nicht alleine zu lassen. Während sie ihre Tränen trocknet, setzt er sich rechts von ihr, auf die Paletten.

„So schlimm gewesen?“, fragt er vorsichtig und aus Kimmy bricht es irgendwie einfach nur so raus.

„Ach, das war mein Freund, der rumstresste. Er meinte ich sollte bereits zu Hause sein und wo ich denn sein würde. Ich erklärte ihm alles, aber er glaubt mir nicht. Dann ist Fancy auch noch so kacke drauf. Das fucked mich gerade echt ab!“. Scholle guckt zu ihr und ihm beschleicht ein schlechtes Gewissen.

„Das mit der Party war meine Idee und das mit Fancy... ja, da bin ich ja auch irgendwie dran schuld. Sorry, ich wollte dir den Abend nicht vermiesen.“, entschuldigt er sich bei ihr, während sie wieder ihre Tränen wegwischt.

„Der stellt sich einfach nur an. Ich finds echt lustig mit euch. Alles gut, Scholle.“, guckt sie ihn dabei an und lächelt leicht.

Ohne weitere Worte legt er seinen linken Arm um sie und rückt sie an sich.

„Das wird schon wieder. Wenn was ist, weißt du wo du mich findest.“, bietet er ihr ein offenes Ohr an. Ihr Kopf liegt leicht auf seiner Brust und hört sein Herz schlagen. Sein Puls ist erhöht, was sie irgendwie zum grinsen bringt.

„Danke Scholle.“.

Sie verharrten so noch eine kurze Weile und gehen dann wieder zu den anderen.



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