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Der grimme Kreuzzug

Dunkle Heimkehr
von

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Ein Hauch von Schicksal

Die Soldaten des Adlers waren nicht so dumm, sich mit ihm messen zu wollen. Warum auch? Er hatte sie schließlich gerettet. Connor konnte aber die Furcht in ihren Herzen spüren. Was war aus ihrem einstigen Helden geworden? Eines der Monster, das sie am Dach der Welt, in Nordend, bekämpft hatten. Warum?
 

Ohne Notiz von den anderen zu nehmen, schritt Connor über das verbogene Metallgitter hinweg. Seine Stiefel hinterließen Brandspuren, dort wo sie auf den gepflasterten Weg trafen. Er würde sich nun seinem Schicksal stellen, und herausfinden, ob sein Opfer einen Sinn gehabt hatte. „Nein“, korrigierte er sich innerlich: Ob Aidan es verstehen würde.
 

Es war still geworden. Seine eigenen Soldaten machten keinen Mucks, und die anderen trauten sich nicht wirklich, mehr zu tun, als zu atmen. Seine bloße Anwesenheit genügte, um sie alle schaudern zu lassen. An den Steinstufen zum Thronsaal hinauf hielt er inne. Was war wirklich aus ihm geworden? Freunde von einst, sie bedeuteten ihm nichts mehr. Er hatte, ohne mit der Wimper zu zucken, Elliot getötet. Bedauern, oder gar Gewissensbisse? Es war nichts zu finden. Er fühlte sich leer. Die Dunkelheit hatte Connor verschlungen, und er konnte den Nebelschleier alleine nicht durchbrechen.
 

Mit einem kräftigen Ruck stieß er die große Flügeltür auf und betrat den einst so vertrauten Ort. Er hatte sich nicht wirklich verändert. Alles stand noch an seinem Platz, Kerzenständer, roter Teppich, die Holzbalken, sogar der Thron war unbeschädigt. Nur die Person, die darinsaß, sie wirkte anders. Aidan war abgekämpft und müde. Das einst glänzende, pechschwarze Haar war ermattet, und tiefe Augenringe zierten sein Gesicht.
 

„Connor“, sagte der Prinz. Bei seinem Namen musste der junge Ritter wieder unweigerlich an das Medaillon denken, welches an seiner Brust schlummerte. Die eiskalten Finger griffen danach und ließen es aufschnappen. Aidans Bildnis kam zum Vorschein, ein wenig jünger, und weniger ernst, aber er war es, eindeutig. Das war sein Aidan, seine große Liebe. Die verbotene Frucht, die er einst kosten wollte. Sie waren Freunde geworden, dann Brüder, und am Ende Liebende.
 

„Aidan“, formten die aufgesprungenen, blutleeren Lippen den Namen des Anderen. Dessen Blick sprach Bände. Dass er ihm dennoch vertrauen musste, konnte Connor der Tatsache entnehmen, dass keine Wachen sie belästigten. Beide waren alleine. Sollte er die herrschende Stille durchbrechen? Nein, das war dieses Mal nicht seine Aufgabe. Er hatte keine Fehler gemacht, im Gegenteil; er war es gewesen, der Aidans fehlenden Mut kompensiert hatte.
 

„Was ist nur aus dir geworden?“, hauchte der Schwarzhaarige traurig. Da war er wieder, dieser eine Blick, der Connor früher immer in den Wahnsinn getrieben hatte. Schuldgefühle zerfraßen ihn einst, wenn Aidan so dreinschaute – heute, da fühlte er etwas Anderes. „Bist du es überhaupt noch?“, flüsterte der Prinz, ohne sich von seinem Thron zu erheben. Connors Blick fiel auf das Diadem, das Aidan trug. Es war neu, und stand ihm außerordentlich gut, besser als jede Krone.
 

Warum zögerte er? Warum musste Connor jetzt, hier, in diesem Moment vor seiner Liebe stehen, und mit sich selbst ringen. Worte finden, wo er keine finden konnte. Er hatte sich entschieden, und dennoch, jetzt, wo es so weit war, da wollte er nicht mehr. Er wollte umdrehen, einfach wieder gehen. Konnte er das? Würden ihn die Wachen passieren lassen? Was würde aus Sir Connor werden? Ein Held, der die Adlerwacht beschützt hatte, oder ein Monster, das Angst und Schrecken verbreitete?
 

„Connor“, fing Aidan erneut an, wurde jedoch mit einem Fingerzeig zum Schweigen gebracht. „Nein, Aidan, ich bin nicht mehr ich selbst. Ich bin zu dem geworden, was du dir einst gewünscht hast.“ Nun war es der Blick des jungen Prinzen, der von Schuldgefühlen gezeichnet wurde. Es bedurfte eigentlich keiner weiteren Worte. „Das habe ich nicht gewollt“, sagte Aidan leise, und man konnte ihm ansehen, wie sehr er mit sich selbst rang.
 

„Ich auch nicht“, stellte Connor monoton fest. „Ich habe mir gewünscht, du würdest zu mir stehen, mich behüten und beschützen, wie ich es einst für dich getan habe.“ Langsam machte Connor ein paar Schritte vorwärts. Es wirkte fast schon zögerlich. „Ich habe gewartet.“ Die Stimme des jungen Ritters erfuhr einen anklagenden Unterton. „Darauf, dass du dich zu mir bekennst. Wir hätten glücklich sein können, das weißt du.“
 

Aidan windete sich unter dem kalten, leeren Blick seines Liebsten. Obwohl er nur mehr eine Hülle war, seelenlos, grausam, kalt, so konnte er noch immer den Mann erkennen, den er einst geliebt hatte. „Es war dir wichtiger, den Thron zu besteigen, oder? Deinem Vater nachzufolgen?“ Wieder setzte der Ritter einen Fuß vor den Anderen. Mit jedem Schritt wuchs sein Bedauern mehr, genauso wie die Dunkelheit, die in ihm aufkeimte.
 

„Ich…hättest du doch nur gewartet, dann wäre mir schon eine Lösung eingefallen“, stieß der Prinz verzweifelt hervor. Leere Worte, wie die Hülle, die Connor geworden war. „Welche denn, Aidan? Dass wir unser Versteckspiel weiter fortsetzen? Dass ich dir zusehe, wie du heiratest, Kinder bekommst, und nach außen hin den glücklichen, liebenden Ehemann spielst?“ Die Stimme des Ritters wurde schneidender, kälter als ohnehin schon. „Unsere Liebe…“, begann er, hielt dann aber inne.
 

Aidans hoffnungsvoller Blick, der nach Vergebung bettelte, ließ ihn seine nächsten Worte noch einmal überdenken. „Am Anfang dachte ich, ich würde irgendwie über dich hinwegkommen, es verstehen, doch ich konnte nicht. Stattdessen bin ich gegangen.“ Die nächsten Schritte erfolgten nun energischer, fester. Das blaue Leuchten in Connors Pupillen, es wirkte wie ein loderndes Feuer, welches über die Augenränder hinaus zu brennen schien.
 

„Der Schmerz, dich nicht mehr lieben zu dürfen, er war unerträglich, aber doch zu süß, um mein Leben zu beenden.“ Endlich stand Aidan auf, schritt das Podest herab, auf Connor zu und verharrte vor diesem. Ihm wurde in diesem Moment wirklich bewusst, was er angerichtet hatte. Vorsichtig nahm er die kalten, knochigen Wangen zwischen seine Hände und streichelte mit den Daumen darüber. Seine Stirn legte er an die seines Liebsten und konnte bereits spüren, wie die ersten Tränen in seinen Augen brannten.
 

Connor spürte nichts, gar nichts. Die warme, zärtliche Berührung, nach der er sich so sehr gesehnt hatte, sie konnte die Dunkelheit nicht vertreiben. Nichts konnte das mehr. Er war dazu verdammt, ein Dasein zwischen Leben und Tod zu fristen. Es war unmöglich zu sterben, und sich töten zu lassen, dafür war Sir Connor zu stolz.
 

Aidan sah zu Connor hinauf und lächelte traurig. „Fühlst du denn gar nichts mehr?“ Seine Hand wanderte am Brustpanzer entlang, zum Medaillon. Er verbrannte sich seltsamerweise nicht an dem fremdartigen Metall. Tatsächlich – der Ritter trug es immer noch. Liebte er ihn also doch noch?
 

Der junge Ritter sah auf seine einstige Liebe hinab, ausdruckslos, leer. Das Feuer in seinen Augen nahm zu. Aidans Blick gefror in dem Moment, als ihn die Runenklinge durchbohrte. Gierig fraß sich das verfluchte Metall durch Fleisch und Knochen, direkt in sein Herz. Ungläubig starrte der Prinz in das Gesicht seines Liebsten. Dieser fing ihn behutsam auf, und stützte ihn. Mit einem schmatzenden Laut zog Connor die Runenklinge aus Aidans Körper und schob sie wieder in die Scheide am Rücken. Der Lebenssaft des jungen Prinzen benetzte seine Finger.
 

„Mein Herz, und meine Liebe, sie sind nun auf ewig dein“, hauchte er und legte seine kalten Lippen auf die von Aidan. Dieser zuckte, röchelte, und erschlaffte dann in Connors Armen. Die Dunkelheit blieb. Sie umfing ihn wie ein Schleier, den niemand zu durchdringen vermochte. „Nun gehörst du zu mir“, flüsterte er und ging, mit Aidan auf den Armen, nach oben, zur Kanzel, von wo der amtierende Herrscher normalerweise seine Ansprache hielt. Seltsamerweise regte sich etwas in ihm, als er die Stufen erklomm.
 

Freiheit. Er war nun endlich frei. Connors Blick fiel auf das Diadem des toten Prinzen. Mit einem Ruck zog er es ihm vom Haupt. Aidans Genick brach dabei, und der Schädel hing schlaff nach hinten. Mit einem Tritt hob er die Türen zum Balkon aus den Angeln und trat ins Freie. Alle Augen, sowohl tot, als auch untot, richteten sich schlagartig auf ihn.
 

Entsetzte Schreie durchbrachen die drückende Stille, die ihn heraufbegleitet hatte. Die verbliebenen Soldaten betrachteten voller Angst und Panik, wie ihr geliebter Prinz in den Armen dieses Monsters ruhte, tot, die Augen verdreht.
 

Connor warf den Leichnam achtlos über die Brüstung. Mit einem dumpfen Laut prallte der leblose Körper im Innenhof der Festung auf. „Ihr alle“, begann er und hielt das Diadem in die Höhe, „ihr alle seid schuldig. Ihr wusstet von Aidan und mir. Wie oft habe ich für euch geblutet, mein Leben riskiert? Schlachten habe ich für euch geschlagen, und sogar jetzt, in der dunkelsten Stunde, verdankt ihr euer Leben mir.“
 

Langsam schlurften die Untoten zu den Lebenden, schlossen sie ein. „Keiner von euch hat für mich so gekämpft, wie ich für euch. Nun wird es Zeit, dass ihr euch entscheidet.“ Mit diesen Worten setzte er sich das Diadem auf die Stirn. Augenblicklich verformte sich das goldene Metall und wurde von einer unnatürlichen Schwärze durchzogen. „Kniet, oder sterbt.“
 

Ängstlich fielen die Überlebenden nach und nach auf die Knie. „Heil Sir Connor, unserem neuen Herrscher!“ Niemand war so dumm, Wiederstand zu leisten. „Kehrt heim und berichtet euren Familien vom Thronwechsel. Sagt ihnen, dass ich ein harter, aber gerechter Herrscher sein werde.“ Damit drehte sich Connor um und streckte die Hand nach der wehenden Fahne auf der Turmspitze aus. Aus dem Adler wurde ein Dachs, dessen Augen blau leuchteten. Sein Fell war dort grün, wo es eigentlich weiß sein sollte. Damit ging der Ritter zurück in den Thronsaal, und ließ seine Untertanen hinter sich.
 

Langsam ließ er sich auf dem Thron nieder, und rammte beide Runenklingen, links und rechts von sich, in den Boden. Eine purpurne Kuppel, durchzogen von unheiligen Runen, umgab ihn, während er die Finger ineinanderschob und auf die geschlossenen Flügel der Tür starrte. Er hatte genaue Pläne, was er machen würde. Gedanklich befahl er seinen Lakaien mit dem Wiederaufbau zu beginnen, und der Dunklen Fürstin eine Nachricht zu schicken. Der Norden würde fallen, genauso wie der Süden. Sie würde herrschen, und er ihr Champion sein.



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