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Totale Finsternis

von

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Bitte, mein[e] Herr[en]

Gabriel wusste nicht, was er erwartet hatte. - Die Einheimischen hatten schließlich eine gänzlich andere Vorstellung von Behaglichkeit, Stil und nicht zu vergessen Hygiene. - Aber allein der Anblick des verstaubten Flures, der mit alten dunklen Holz ausgekleidet und mit Spinnweben dekoriert war, genügte, um ihn einen leichten Anflug von Klaustrophobie zu bescheren. Dabei litt er noch nicht einmal unter dieser Krankheit.

Das Zimmer, was gegen der Aussage der Alten ganz am Ende des Ganges lag, kam diesem in puncto Charme sehr nah.

„Unsere Luxussuite, Jungchen. Etwas besseres findest du nirgendwo!“

Er setzte an ihr zu widersprechen, besann sich aber. Zwar war die 'Luxussuite' kaum größer als seine Kutsche und das Mobiliar war vermutlich zusammengenommen so viel Wert, wie sein linker Schuh, aber er konnte sich schlecht zu dieser Uhrzeit eine neue Bleibe suchen.

Die Krähe stellte ihn die Weinflaschen auf den Tisch und entfernte sich, was von einem unheimlichen Knarzen der Dielen begleitet wurde.

Auch der Kutscher ließ ihn allein, kaum hatte er seine wertvolle Fracht auf der gelblichen Matratze gebettet.
 

Emilie schlief. Sie wusste nichts von den Strapazen der letzten Monate. Nur die Schmerzen drangen durch ihren ohnmächtigen Geist und ließen ihre Glieder zucken. Auch Tränen rannen über ihr verzerrtes Gesicht, wenn die Pein sie zu übermannen drohte. Ein Anblick, der Gabriels Herz jedes mal aufs neue zerbrach. Vorsichtig wischte er die Tränen beiseite, strich ihr über die fiebrig heiße Stirn und deckte sie zu. Er ließ sich in einen Stuhl fallen, unweit seiner todkranken Frau. Kurz schwankte er zwischen der Knoblauchsuppe, die ungerührt in seiner Hand verweilte und dem Wein. Da er allerdings kaum Appetit verspürte, schob er die Schüssel beiseite und öffnete die erste Flasche.

„Ich habe er bald geschafft, Liebste“, raunte er kaum hörbar, „Es ist nur noch eine Frage der Zeit bis-“ Er schluckte schwer und kämpfte gegen die Bitterkeit an, die sich wie ein schwerer Mantel über seine Seele gelegt hatte. „Du musst nur noch ein wenig durchhalten.“

Mit zittriger Hand befüllte er zwei matte Tonkelche mit dem Wein.

Er hauchte „auf deine Gesundheit, meine Liebste.“, erhob den Kelch und spülte seine Sorgen hinfort.

Keuchend stützte sich Gabriel auf dem Tisch ab, als der Alkohol brennend seinen Weg bahnte und eine erleichternde Taubheit hinterließ. Zwar hatte diese Flüssigkeit nichts mit Wein gemein, doch trank er ihn auch nicht seiner kulinarischen Qualität wegen.
 

Dieser Moment in der Wirtsstube kam ihn wieder in den Sinn. Entsprang dieses Wesen nur seinem erschöpften Geist? War es wirklich nur eine Ausgeburt seiner Fantasie, ausgelöst durch die Anwesenheit von Professor Abronsius? Oder hatte er wirklich, kaum dass sie einen Fuß in dieses verfluchte Dorf gesetzt hatten, einen Vampir gesehen?
 

Aber wenn ja, warum nur hatte er dann so ein seltsames Gefühl? - Als würde ihn etwas warnen wollen, den letzten Schritt zu gehen? Ging es hier nicht um seine Frau? Die Liebe seines Lebens? Hatte er ihr nicht schwören müssen, alles zu tun, was möglich ist, um sie vor dem Tode zu bewahren? Warum hatte er dann dennoch mit dieser Angst zu kämpfen? Diese tiefe Furcht vor dem Wesen, was das Ziel seiner Suche darstellte. Er sollte sich nicht scheuen, dieser Kreatur entgegen zu treten. Diesem Engel der Dunkelheit, der die Ewigkeit verspricht.

Und trotz allem hatte er sich noch nie so gefürchtet, als er den Blick dieser eisig blauen Augen spürte, der ihn zu durchdringen vermochte. Er kam sich vor, wie ein gehetzter Fuchs bei der Treibjagd.
 

Er nahm einen weiteren großen Schluck. Dieses mal schien das Brennen schneller zu verebben.
 

Nein. So kurz vor dem Ziel würde er nicht aufgeben. Er leerte den Kelch in einem Zug und schenkte sich neu ein. Das war die letzte Chance, die Emilie geblieben war. Ihr geschundener Körper drohte gegen die Krankheit zu verlieren. Wer wusste schon, wie viel Zeit ihr überhaupt noch geblieben war?

Seine restlichen Zweifel verschwammen allmählich. Komme was wolle, er würde diesen Vampir finden und dann würde er dafür sorgen, dass der Emilie den Kuss der Unsterblichkeit verleiht.



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