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Im Wechsel der Jahreszeiten

von

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Frühlingsblüten, Sommerastern, Herbstzeitlosen, Winterschnee Teil 14 - Schneeregenzyklus Teil 3 - Mut und Haftaufschub

Sie liefen Hand in Hand in Richtung U-Bahn.

In Martis Kopf purzelten die Gedanken wild durcheinander. Er war nicht in der Lage, irgendetwas vernünftiges oder logisches zu denken, also versuchte er es auch gar nicht erst. Er ließ den Gedankensalat einfach treiben und sich selber von Jako mitziehen. Er hatte keine Ahnung, wohin sie unterwegs waren, aber er würde es schon sehen.
 

Sie fuhren einige Stationen. Liefen dann noch ein Stück und standen schließlich vor dem Liebfrauen- Krankenhaus.

Eine Klinik? Was zur Hölle wollte Jako hier mit ihm?

Marti war verwirrt.

Jako jedoch zog ihn unbeirrt hinter sich her, und so trottete Marti an seiner Seite weiter, zum Fahrstuhl, der sie in den dritten Stock brachte, und dann auf die Station 3 a.

Vor Zimmer 305 kamen sie zu stehen.
 

„So mein Schatz“, sagte Jako.

„Das hier wird der zweite Teil deiner Strafe.“

Er holte tief Luft, als müsste er sich sammeln.

„Hier in diesem Zimmer liegt die kleine Schwester meines Kommilitonen Gerald. Sie heißt Alex und ist elf. Gerald wird dir erzählen, was passiert ist, und dann gehst du da rein, besuchst sie und machst ihr ne richtig schöne Stunde. Klar?“

Marti nickte, obwohl ihm gar nichts klar war. Er hatte ja nichts dagegen, aber so ganz verstand er den Sinn hinter der Sache nicht.

Dann fiel sein Blick auf eine Tafel an der Wand, die einen Lageplan der Station aufzeigte.

Sie waren auf Station 3 a der Unfallchirurgie.

So langsam begann ihm ein Licht aufzugehen.

„Marti, ich möchte dir eine Lektion erteilen, aber ich möchte dich nicht bloßstellen. Deswegen habe ich Gerald nicht erzählt, dass ich dich hierher geschleppt habe, und schon gar nicht warum. Okay?“

Marti nickte.
 

Jako klopfte an die Tür des Krankenzimmers.

Die Tür wurde geöffnet, und ein junger Mann trat heraus.

„Hallo“, sagte Jako.

„Marti, das ist Gerald; Gerald, das ist mein Mann Marti.“

Der junge Mann gab Marti die Hand und sagte höflich:

„Schön, dich kennenzulernen.“

Dann grinste er und fuhr fort:

„Jetzt weiß ich endlich mal, wer das ist, von dem Jako immer so schwärmt.“

Marti wurde rot, vor Verlegenheit und Freude gleichzeitig.
 

„Wie geht es ihr?“, fragte Jako und nickte in Richtung Zimmertür.

„Na ja,“ sagte Gerald, „sie verblüfft mich immer wieder damit, wie gut gelaunt sie trotz allem ist.“

Er wandte sich an Marti.

„Du willst sie also besuchen, hat Jako gesagt? Du weißt, was passiert ist?“

„Ja und nein. Also ja, ich will sie besuchen, und nein, was passiert ist, hat Jako mir noch nicht genau erzählt.“

Gerald seufzte.

„Sie war auf dem Weg zur Schule. Da hat sie ein Auto angefahren. Dreißiger Zone, der war mit mindestens 80 km/h unterwegs. Sie hat noch Glück gehabt, dass er sie nicht voll erwischt hat. Sonst wäre sie jetzt tot. Und das Schwein ist auch noch abgehauen...“

Er presste seine Hände zu Fäusten, so dass seine Fingerknöchel weiß wurden.

„Sie hat diverse Knochenbrüche, manches muss genagelt werden, es stehen noch etliche Operationen aus und eine lange, lange Reha-Phase... sie wird wieder ohne Krücken laufen können, irgendwann. Aber sie tanzt so gerne... das wird wohl nie wieder gehen...“

Geralds Augen füllten sich mit Tränen.

Martis auch.

„Aber sie ist so stark und lässt sich nicht unterkriegen. Und... danke, dass du sie aufmuntern willst. “

Marti nickte.

„Soll ich jetzt...?“

„Ja,“ sagte Gerald. „Gerne. Wenn du möchtest.“

„Und wir beide gehen in der Zeit nen Kaffee trinken“, sagte Jako. „Du kannst ein bisschen Aufmunterung nämlich auch mal gebrauchen.“

Marti hatte schon die Klinke in der Hand, da drehte er sich noch mal um.

„Jako?“

„Ja?“

„Also, nun, ich will nicht bestreiten, dass ich durchaus mal Scheiße baue. Aber du weißt, dass ich für meine Fehler einstehe.“

Jako nickte. Ja, das war richtig, Marti war alles andere als ein Feigling.

„Nun, du kannst … ruhig erzählen, warum ich hier bin“, sagte Marti und öffnete die Tür zu Zimmer 305, um darin zu verschwinden.

Jako lächelte und war in diesem Augenblick unglaublich stolz auf seinen Mann.
 

Ca. zwei Stunden später verließen sie das Krankenhaus.

Sie schwiegen. Jako wollte Marti nicht zum reden drängen, das würde schon von alleine kommen.

Und richtig, kaum saßen sie in der Bahn, da begann Marti leise:

„Jako, mir … ist durchaus klar, warum du mich dahin gebracht hast..."

Er lächelte seinen Mann an.

„Ich bin immer wieder erstaunt, wie kreativ mein Gatte ist, wenn es darum geht, eine Bestrafung für mich zu finden, die etwas in mir bewirkt und mir hilft, meine Fehler zu überwinden...“

Jako legte seinen Arm um Marti und drückte ihn an sich.

„Ich mag Alex“, sagte Marti. „Sie ist ein tolles Mädchen. So voller Optimismus, das hat mich echt beeindruckt. Sie kennt meinen Kanal, und war völlig aus dem Häuschen, TheClavinover persönlich kennen zu lernen, noch dazu an ihrem Krankenbett... zuerst war sie daher ein bisschen schüchtern, aber dann haben wir uns prächtig verstanden. Hatten richtig Spaß miteinander und haben viel gelacht.“

Jako grinste. Ja, das konnte er sich lebhaft vorstellen. Wer sich in Martis Gegenwart nicht früher oder später die Seele aus dem Leibe lachte, bei dem war irgendwas falsch.
 

„Wenn ich mir vorstelle, dass ich das hätte sein können, der sie verletzt hat... mal abgesehen davon, dass ich sie niemals einfach hätte liegen lassen und abgehauen wäre, so bin ich nicht; aber... wenn mir das passiert wäre... oh Gott...“

Marti schloss einen Augenblick die Augen.

„Jako, ich hab dich lieb und … Danke.“

Er drückte sich an seinen Mann. Das ganze ging ihm nahe.

Jako wusste, er hatte Marti erreicht. Er kannte ihn ja, kannte sein warmes, gutes Herz. Unfallstatistiken sind das eine. Aber jemanden wie Alex persönlich zu kennen – und zu mögen, das war eine ganz andere Sache... Das hatte mehr in Marti bewegt, als zornige Worte oder Hausarrest oder was auch immer.
 

„Jako?“

„Ja?“

„Ich, also, ich weiß, ich habe den Hausarrest verdient, und das will ich auch gar nicht mit dir diskutieren. Aber, sag mal, können wir den nicht bitte verschieben?“

Marti grinste.

„Sozusagen eine Art Haftaufschub?“

Jako sah ihn fragend an.

„Aber, Marti, warum?“

„Na ja,“ sagte Marti, „ich glaube, Alex würde es echt freuen, wenn ich sie noch ein paar mal besuchen würde. Sie hat ne hübschen Stimme, ich würde gerne mal meine Gitarre mitnehmen... wie auch immer, ich würde gerne öfter bei ihr vorbeischauen, solange sie in der Klinik ist. Aber das kann ich ja nicht, wenn ich Hausarrest habe...“

Er sah Jako bitten an.

Jakos Augen ruhten voller Zuneigung auf Marti. Wieder war er unglaublich stolz auf ihn.
 

„Nein Marti, das geht nicht, wir können den Hausarrest nicht verschieben.“

Marti senkte den Kopf. Schade. Er hätte Alex gerne die Freude gemacht... Na ja, dann eben, wenn seine Strafe vorbei wäre.

„Aber wir können die Bedingungen ändern“, sagte Jako und schmunzelte.

„Was hältst du davon, wenn wir sagen, du verlässt das Haus nur zum Arbeiten – und um ins Krankenhaus zu fahren?“

Marti stieß einen kleinen Freudenschrei aus, dann fiel er seinem Mann um den Hals und küsste ihn dankbar und innig.

Und er störte sich nicht daran, dass die Bahn rappelvoll war. Und es auch ein paar wenige Blicke gab, die eher unschön waren...

Scheiß drauf, die können mich, dachte er und küsste Jako erneut.

Jako fühlte Martis stürmische Zärtlichkeit, und jeglicher Zorn war aus seinem Herzen gewichen.
 

Sie waren beide einfach nur glücklich.



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