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Schwarzrot - Dunkelheit kann man nicht färben

von

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Festnahme

Scheinbar ruhigen Schrittes ging Gin im Eingangsbereich des Krankenhauses auf den Empfangstresen zu. Doch so nervös war er schon ewig nicht gewesen. Am Liebsten würde er auf dem Absatz kehrt machen und gehen, so, wie es ihm sein Instinkt riet, doch die Sorge um Shuichi war größer.

Es war bereits ein Monat vergangen, seit er das FBI informiert hatte und er seinen Geliebten für immer verlassen musste. Jetzt musste er sich endlich davon überzeugen, dass Shuichi noch lebte.

Herauszufinden, in welches Krankenhaus Shuichi gebracht worden war, war keine schwere Aufgabe gewesen. Er hatte sich das Kennzeichen des Krankenwagens gemerkt, der an jenem Tag gekommen war. Dadurch konnte er nachvollziehen, wo sie ihn hingebracht hatten. Es war ein recht großes Krankenhaus. Perfekt geeignet, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Die Agenten des FBI konnten sich einfach unter die anwesenden Personen mischen und würden nicht auffallen, während sie ihren Kollegen beschützten.

Aber genau aus dem Grund hatte sich Gin auch so lange von diesem Krankenhaus ferngehalten. Die Verletzungen seines Geliebten waren nicht ohne gewesen. Er musste mindestens zwei Wochen hier gewesen sein. Wäre er in der Zeit hier aufgetaucht, hätte er riskiert, erkannt zu werden.

Endlich war die ältere Frau vor ihm fertig mit ihrem Erkundigen und Gin konnte sich an die Schwester wenden. Ihr angestrengt freundliches: "Wie kann ich Ihnen helfen?" riss ihn aus seinen Gedanken.

"Ich möchte einen Freund besuchen, bin mir aber nicht sicher, ob er sich noch hier befindet.", begann Gin mit seiner erfundenen Erklärung. Dabei war er sich sicher, dass Shuichi längst nicht mehr hier war. Seine Verletzungen sollten soweit geheilt sein, dass das FBI ihn nicht länger in einem öffentlichen Krankenhaus behandeln lassen würde. Während die Frau ihn weiter anlächelte und offensichtlich nur mit einem halben Ohr zuhörte, fuhr Gin fort: "Ich habe die Information, dass er hierhergekommen ist, erst jetzt erhalten. Könnten Sie also bitte nachsehen, ob er noch hier ist?"

"Wen suchen Sie denn?", erkundigte sich die Schwester desinteressiert.

"…"

Abwartend sah sie von ihrem Computerbildschirm auf, als nicht sofort eine Antwort kam.

"Verdammte Scheiße! Warum hab ich nicht gleich daran gedacht, dass er hier unter einem anderen Namen liegen könnte! Und nach der Art der Verletzung kann ich auch schlecht fragen!", fluchte Gin gedanklich. "Jetzt heißt es alles oder nichts." "Er heißt Shuichi Akai.", sagte er schnell, bevor er es sich anders überlegen konnte oder die genervte Frau vor ihm anfing, ungehalten zu werden.

Seufzend wandte diese sich wieder ihrem Computer zu und tippte etwas ein. Dann runzelte sie die Stirn.

"Entschuldigen Sie bitte, aber der Computer scheint gerade ein kleines Problem zu haben. Das ist in letzter Zeit leider häufiger der Fall.", erklärte sie und tippte weiter mit Maus und Tastatur.

"Gibt es ein Problem?", erkundigte sich eine weitere Schwester, die wohl bemerkte, dass die Schlange hinter Gin immer länger wurde. Und dessen Geduldsfaden immer dünner. Er war kurz davor abzuwinken und zu gehen. Er wollte keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Und je mehr Leute sich hier versammelten, um so unwohler fühlte er sich.

"Der Computer ist schon wieder abgestürzt!", beschwerte sich die Schwester des Empfangs.

"Soll ich mal einen Blick drauf werfen? Vielleicht reicht ein kleiner Klaps.", meinte die andere gut gelaunt.

"Vielleicht, du scheinst ja ein Händchen dafür zu haben. Bei mir funktioniert das nie."

Gin unterdrückte das Bedürfnis von einem Fuß auf den anderen zu treten. Gedanklich rollte er mit den Augen. "Macht einfach hin! Ich will nur wissen, ob es ihm gut geht und dann bin ich weg!"

Die neue Schwester ging um den Tresen und fing an, selbst ein wenig herum zu probieren, bevor sie den Kopf schüttelte und meinte: "Nein, da ist wirklich nichts zu machen. Da muss ein Techniker ran. Um wen ging es denn?"

Gin verengte die Augen. "Warum fragt sie direkt, um wen es geht? Ich könnte doch auch gefragt haben, wohin ich zu einem ambulanten Termin muss..." Doch seine Überlegungen wurden von dem Ausruf der Schwester unterbrochen, deren Frage beantwortet worden war.

"Ach! Der junge attraktive Herr! Wirklich! Das war ja... Oh! Entschuldigung, davon sollte ich hier besser nicht reden. Sie sind also ein Freund von ihm?"

"Ja.", beantwortete Gin misstrauisch die Frage.

"Kommen Sie bitte ein Stück zur Seite, damit meine Kollegin sich den anderen widmen kann. Dem ein oder anderen kann sie ja vielleicht noch ohne Computer helfen."

Misstrauisch folgte Gin ihr neben den Tresen und machte den hinter ihm stehenden Personen Platz. Zwar fühlte er sich nach wie vor nicht wohl, doch er fühlte sich nicht mehr so umzingelt und atmete unbewusst etwas auf.

"Wissen Sie... was ihm zugestoßen ist?", fragte die Schwester ihn jetzt leise.

Gin betrachtete sie, bevor er vorsichtig nickte. "Ja... das ist der Grund, warum ich hergekommen bin, obwohl ich es erst jetzt erfahren habe."

"Wirklich schrecklich! Und die Operation war auch..." Ein Piepen unterbrach die Schwester genau an der Stelle, wo sie Gins volle Aufmerksamkeit gewonnen hatte. Seine Hand zuckte Richtung Waffe. Er konnte sich gerade noch davon abhalten sie sofort zu ziehen.

Die Schwester sah auf ein kleines Gerät, von dem das Piepen kam.

"Entschuldigen Sie, ich muss nachsehen, was da los ist. Aber wenn Sie wollen, können Sie ja mitkommen und wir unterhalten uns unterwegs etwas.", meinte sie und war losgelaufen, bevor Gin ihr antworten konnte.

Ihm blieb keine andere Wahl, als ihr zu folgen.

"Wie geht es ihm denn?", erkundigte sich Gin, sobald er sie eingeholt hatte. Die Frau lief erstaunlich schnell, obwohl sie nicht rannte.

"Die Operation hat er gut überstanden. Aber der Arzt macht sich mehr Sorgen um seinen psychischen Zustand. Selbst wenn der Körper heilt, heißt das leider nicht, dass die Seele ebenso genesen kann."

Gins Herz krampfte sich zusammen. "Heißt das...?!" "Er ist…"

Bevor Gin seine spontan gestellte Frage beenden konnte, öffnete die Schwester eine Tür und verschwand in dem Raum dahinter, wobei sie die Tür offenließ. Eine Einladung ihr zu folgen. Getrieben von Sorge und Befürchtungen trat Gin nach ihr ein, während sie mit einem Patienten zu reden schien. Im nächsten Moment fiel die Tür hinter ihm zu und er erstarrte.

"Scheiße! Ich war zu leichtsinnig! Nie! Nie hätte ich in so eine einfache Falle tappen dürfen!"

Kurz darauf musste er feststellen, dass das Zimmer bereits von FBI-Agenten überfüllt war, darunter war die Krankenschwester selbst auch eine davon, da sie ihre Waffe nun auf ihn gerichtet hielt. Die vermeintlichen Patienten, die bis eben noch still im Bett gelegen hatten, waren in Sekundenschnelle aufgestanden und hatten dabei ebenso ihre Dienstwaffen gezückt. Gin unterdrückte ein lautes Fluchen, während er seine Hand zu seiner eigenen Waffe wandern ließ. Vielleicht würde er es noch schaffen, die Agenten unschädlich zu machen. Doch da hörte er schon eine weibliche Stimme hinter seinem Rücken, die ihm dieses Vorhaben verwehrte: „Denk nicht mal dran.“, stieß sie in einem drohenden Tonfall hervor, begleitet von einem Klicken ihrer Pistole.

Gin stoppte daraufhin seine Handbewegung, ließ sich aber dennoch nicht einschüchtern und drehte den Kopf, so dass er die Agentin hinter sich an der Tür ansehen konnte, deren Stimme er bereits erkannt hatte. Aber zu seiner Überraschung standen dort sogar zwei Agenten. Wie erwartet befand sich darunter zwar die blonde Agentin Jodie Starling, doch neben ihr befand sich des Weiteren noch ein älterer Mann mit Bart und Brille. Gins Gefühl verriet ihm, dass es sich dabei wohl um ein höheres Tier der tätigen FBI-Agenten in Japan handeln musste. Der Mann wirkte, als hätte er bereits viel Erfahrung und Führungskompetenz.

„Du hast es uns wirklich leicht gemacht, Gin.“, meinte der Ältere herablassend.

Gins Augen verengten sich. Jedoch schwieg er und ließ sich die Aussage nochmals genauer durch den Kopf gehen.

“Das wirkt alles so, als hätten sie es gewusst...“ Der Silberhaarige ließ seinen Blick unauffällig durch den Raum schweifen und musterte die Agenten. Die Situation sah in der Tat gut vorbereitet aus.

“Aber warum glaubten sie, dass ich hierherkommen würde? Zumal ich doch nicht einmal wissen konnte, ob Shuichi...lebt.“ Er verstand es nicht. Aus Sicht des FBIs hatte er keinen Grund sonst hier aufzutauchen, außer eben um sich nach Shuichis Zustand zu erkundigen, aus Sorge… Da weiteten sich Gins Augen. “Was denken die von mir?“, fragte er sich ungläubig in Gedanken, oder eher: Warum denken die das von mir?“

„Wo ist Shu-...Akai?“, fragte er daraufhin vorsichtig, wobei er sich mitten im Satz verbesserte.

Er konnte dem älteren Agenten trotzdem ansehen, dass dieser es längst aufgenommen hatte, dass er Shuichi gerade bei Vornamen nennen wollte.

Aber auch wenn Gin eine Antwort erwartet hat, er bekam keine. Von niemanden der Anwesenden. Als hätte er seine Frage nie gestellt, befahl die Blonde: „Umdrehen, und Hände so, dass ich sie sehen kann!“

Gin ging, wenn auch widerwillig, dem Befehl nach. Er hatte keine Möglichkeit sich zu weigern, und wenn dann würde die Sache wahrscheinlich nicht enden ohne, dass Blut fließen würde. Die Chancen standen 5 zu 1. Es war seltsam, sich eingestehen zu müssen, verloren zu haben.

„Antwortet mir gefälligst! Geht es ihm gut?“, lenkte er dann wieder auf seine vorherige Frage ein, während man ihm Handschellen anlegte und seine Beretta einkassiert wurde. Da es sich bei der ganzen Sache wohl von Anfang an um eine Falle gehandelt hatte, konnte Gin sich jetzt nicht mehr sicher sein, ob die Aussage der Schwester, nämlich dass Shuichi die Operation gut überstanden hat, nicht auch gelogen war und nur dazu gedient hatte, ihn endgültig anbeißen zu lassen. So musste er sich erneut vergewissern, was ihm offensichtlich nicht gestattet wurde.

„Mitkommen.“, kam es einfach nur streng von dem älteren Agenten, der wieder nicht auf die Frage einging und dem Mörder nicht mal mit Gesichtszügen Hinweise auf Shuichis Zustand gab.

„Und keine Spielchen.“, hörte Gin die weibliche Stimme wieder hinter sich, dessen Besitzerin ihm im selben Moment den Lauf ihrer Pistole gegen den Rücken presste.

Der Silberhaarige erwiderte nichts, sondern folgte dem älteren Agenten einfach, der bereits voran gegangen war. Wohin es gehen sollte, wusste Gin nicht. Aber er konnte es sich schon denken.

“Wieso können die mir nicht einfach sagen, was mit Shuichi ist, das ist doch eine ganz einfache Frage!“, beschwerte er sich in Gedanken und allmählich kam die Wut in ihm auf. Wenn er jetzt nicht bald eine Antwort bekommen sollte, musste er wohl oder übel alles auf eine Karte setzen und einen Fluchtversuch starten. Auch wenn der nicht gut enden würde und er gewaltig im Nachteil war. Er würde es riskieren, nur um eine klare Antwort zu erhalten. Egal woher er die letztlich bekommen würde.

„Er lebt noch, oder?“ Noch gab Gin nicht auf und startete einen nächsten Versuch, während er dem Mann vor sich durch den Gang folgte. Um ihn herum befand sich die Truppe der FBI-Agenten. Auch die blonde Agentin wich nicht von ihrer Position und hielt die Waffe stets weiter gegen seinen Rücken gepresst.

Nach langem Schweigen folgte endlich doch eine Reaktion des älteren Mannes, welcher sich erkundigte: „Und warum interessiert dich das so?“

Gins Augen weiteten sich, gerade als er über eine passende Antwort nachdachte, fügte der Mann noch etwas hinzu: „Willst du das nur wissen, um herauszufinden, ob du mit deiner Vergewaltigung den gewünschten Effekt erzielt hast?“

Da glaubte Gin sich verhört zu haben. „Was?!“, fuhr er umgehend wütend zurück. Diese trocken ausgesprochenen Worte hatten ihm einen Stich durchs Herz gejagt. So etwas widerliches, geschmackloses hätte er Shuichi, den er über alles liebte, niemals angetan. Er hätte es nicht mal ansatzweise in Betracht gezogen.

Seine entsetzten Gedanken ließen jedoch nur einen tiefen Schock auf seinem Gesicht zurück, welcher dem älteren Agenten nicht entging, da er kurz den Kopf über die Schultern geworfen hatte. Ausdruckslos drehte der Mann sich wieder um. Gerade als Gin noch zu einem bissigen Kommentar ansetzen wollte, blieben plötzlich alle vor einer Tür stehen. Jetzt war der Silberhaarige verwirrt.

Eigentlich hatte er erwartet, die würden ihn jetzt in irgendeinen ihrer Dienstwagen draußen verfrachten und ihn irgendwo mit hinschleppen. Aber sie blieben offenbar einfach vor einem Patientenzimmer stehen.

Als Gin einen Blick auf das Schild neben der Tür werfen wollte, auf welchem sich eigentlich der Name des dort liegenden Patienten befinden müsste, stand gerade einer der Agenten davor und versperrte die Sicht. Er konnte das Schild nicht sehen.

Im nächsten Moment öffnete der ältere Mann vor ihm die Tür des Zimmers und trat ein.

„Hier ist er, wie Sie es wollten.“, sagte dieser dann.

Gin blinzelte zweimal verwirrt. Dieses Vorgehen warf ihn endgültig aus der Bahn. Er fragte sich, von wem er dort drin wohl erwartet wurde, während er vorsichtig in den Raum ging.

“Wer...“ Gin beendete seinen Gedankengang nicht, als plötzlich die Stimmte ertönte, nach welcher er sich so gesehnt hatte.

„Vielen Dank.“, kam es, genau im selben Augenblick trat der ältere Agent beiseite und Gin konnte die Gestalt seines Geliebten erblicken. Shuichi war wirklich hier. Zwar etwas blass, mit geschwächter Haltung und mit seinem alt gewohnten Lächeln – doch er war lebendig. Und das war das Einzige, was zählte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Luzie_
2019-07-07T07:57:01+00:00 07.07.2019 09:57
Hey, tolles Kapitel. Ich mag den Schreibstil und die Geschichte wirklich gerne. Gin hat sich durch seine Sorge ja wirklich stümperhaft angestellt aber ich glaube seine Reaktion hat James auch zu denken gegeben. Bin auf die folgende Reaktion gespannt. Lg Luzie


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