Zum Inhalt der Seite

I Feel You

Genesis' Villain Origin Story
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hintergrundmusik:
https://www.youtube.com/watch?v=YJfyinq35Xk&list=PLNzWgLVJd0JMODW7fwz32LJflFeT37RTc
Too Little Too Late und Leave (Get Out) by Jojo (2018) heute mal in einem Experiment in einer Playlist. Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Get Out

Je länger Genesis mit Prakash zusammen war, desto mehr bekam er das Gefühl, dass sein Freund nicht viel Schlaf brauchte. Es mochte mit seinem Job als Barkeeper zusammenhängen – oder vielleicht hatte er den Job, weil er wenig Schlaf brauchte – jedenfalls saß Genesis mittlerweile vor seiner zweiten Tasse starken schwarzen Tees, während Prakash trotz der kurzen Nacht fröhlich summend ihr Frühstücksgeschirr spülte. Genesis war noch nicht in der Lage, zusammenhängende Gedanken zu entwickeln; so dachte er einerseits daran, dass er sich einen ordentlichen Kaffee wünschte, andererseits daran, dass sie sich durch Prakashs Barkeeperjob überhaupt erst kennengelernt hatten. Das eine hatte mit dem andern aber herzlich wenig zu tun.

Genesis brummte undefinierbar vor Müdigkeit und leerte die Tasse zügig, woraufhin er das Gesicht verzog. „Der war sehr dunkel.“

„Ich dachte, das könntest du gebrauchen.“

Als Genesis sich erhob, um Prakash die Tasse zum Spülen zu reichen, merkte er, dass sein Geist langsam erwachte. Er unterdrückte ein letztes Gähnen und schaute Prakash zufrieden lächelnd beim Arbeiten zu. „Wieso stehst du so früh auf, wenn deine Schicht noch bis vier Uhr morgens geht?“, fragte er Prakash schließlich.

Der antwortete mit einem Schulterzucken. „Ich kann ja zwischendurch ein bisschen schlafen oder in der Pause was Süßes essen oder einen starken Tee trinken, ich halt mich schon irgendwie wach. Ich bin ja auch jung.“ Er lächelte fröhlich, bevor er sich die Hände abtrocknete und Genesis mit einer Hand auf seinem Rücken an sich zog. „Und du bist nun mal tagsüber wach.“

Genesis bekam ein schlechtes Gewissen, als Prakash ihn daraufhin zärtlich küsste. Er erwiderte den Kuss nur halbherzig und zog sich schon nach wenigen Sekunden wieder zurück. Prakash sah ihn fragend an. „Du bist extra meinetwegen so früh wach ...“, begann er.

„Ja, klar“, sagte Prakash unbekümmert, „und?“

„Und ...“

Prakash ließ ihn plötzlich wieder los. „Und du willst immer noch in dieses verdammte Museum gehen!“

„Prakash ...“, sagte Genesis mit einem bittenden Ton, „es ist die Eröffnung.“

„Ja, und?! Du kannst doch auch irgendwann später gehen!“

„Du verstehst nicht – die Eröffnung ist etwas Besonderes.“

„Ach, jetzt bin ich es wieder. Nicht intelligent genug für Mr. Superbrain?“

„Das hab ich doch überhaupt nicht gesagt!“ Genesis seufzte. „Hör mal, du hattest gestern schon ganz recht, warum kommst du nicht einfach mit?“

„Und was soll ich da bitte?“

„Wir machen uns schon irgendwie eine schöne Zeit.“

Prakash wirkte nicht überzeugt. Er wechselte die Spur: „Du kannst nicht oft hier sein.“

„Ich weiß ...“

„Und trotzdem willst du woanders hingehen?“ Genesis seufzte schuldbewusst. „Wo wir uns wieder verstellen müssen, damit niemand was merkt?“

„Es wären vielleicht drei Stunden. Und du kannst jederzeit zu mir kommen, da sind wir geschützt und unter uns.“

„Weißt du, ich will auch mal zu Hause sein!“

Genesis war am Ende seiner Kräfte. „Worüber reden wir hier eigentlich?“ Es war mehr eine rhetorische Frage.

„Darüber, dass du die kurze Zeit, die du alle paar Wochen hier sein kannst, für irgendwelche völlig nutzlosen Dinge verschwenden möchtest.“

„Schön!“ Genesis reichte es. Er hatte nicht vorgehabt, sein Wochenende im Streit zu verbringen. „Ich weiß nicht, was seit gestern mit dir los ist, aber mich brauchst du ja scheinbar nicht.“ Und er verließ die Küche, schnappte seinen Rucksack und stapfte aus der Wohnung, die Treppen vom dem achten Stock aus herunter und zur Haustür heraus in einen stürmischen Herbsttag.

Schon an der nächsten Straßenkreuzung tat ihm leid, was er gesagt hatte und dass er gegangen war. Nachdem er die Straße überquert hatte, hielt er kurz inne und überlegte, was er jetzt tun sollte. Sicher, er hatte bis zuletzt ernsthaft vorgehabt, sich diese Eröffnung anzusehen, aber jetzt war er viel zu geladen, um sie noch genießen zu können. Und trotzdem ihn langsam Schuldgefühle beschlichen, war er auch zu geladen, um zu Prakash zurückzukehren und sich zu entschuldigen. Wenn er so sauer war, war es vermutlich eine gute Idee, wenn er sich ins Hauptquartier begäbe, um alles mit Angeal zu besprechen – aber auch der hatte dieses Wochenende Besuch. Damenbesuch.

Mit der Aussicht, später vielleicht noch ein Gespräch mit Angeal zu führen, machte sich Genesis, nun etwas weniger sauer als zuvor, doch auf den Weg zum Museum. Von Prakashs Wohnung aus war es fast ein Weg durch die halbe Stadt. Prakash ... pah ... Genesis grummelte vor sich hin, während er auf einen Zug in Richtung Stadtzentrum wartete. Mit jedem Meter aber, den der Zug zurücklegte, und mit jedem bösen Wort, das Genesis leise vor sich hin brummte, wurde er weniger zornig. Langsam begann er Prakash zu verzeihen.

Sie hatten ja im Grunde nur aneinander vorbei geredet. Alles war ein großes Missverständnis. Sie liebten einander doch. Gut, Prakash war eifersüchtig geworden – auf Genesis‘ Wochenendpläne – war das nicht eigentlich bloß ein besonders niedlicher Ausdruck seiner Liebe?

An der Endstation stieg Genesis aus dem Zug aus. Von hier aus fuhr ein Bus bis in Laufnähe des Museums, in dem die Ausstellung eröffnet wurde, aber Genesis zögerte. Wenn er sich entscheiden musste, ob er allein in die Ausstellung ging oder den Rest des Tages mit Prakash verbrachte – dessen gewürztes Grillfleisch wirklich nicht zu verachten war –, dann zog ihn sein Herz eindeutig wieder zurück zu Prakash. Es stimmte, die Ausstellung konnte er sich auch später noch ansehen, und wen kümmerte es, wenn er die Eröffnung verpasste – irgendwann würde es schon wieder eine Eröffnung geben, zu der er gehen konnte, vielleicht sogar mit Prakash.

Genesis sah auf die Bahnhofsuhr. Seit er wütend, aber etwas unentschlossen Prakashs Wohnung verlassen hatte, war mittlerweile fast eine Stunde vergangen. Sicherlich hatte auch Prakash sich in der Zwischenzeit beruhigt. Genesis nickte, mehr für sich selbst als für irgendwen sonst, wechselte den Bahnsteig und machte sich doch auf den Weg zurück.

Wieder am Ausgangspunkt angelangt, konnte Genesis gerade so die Haustür noch aufhalten, bevor sie ins Schloss fiel, weil scheinbar kurz zuvor jemand hindurchgegangen war. Dafür schlossen sich aber auch die Aufzugtüren exakt in dem Moment, in dem er das Wohnhaus betreten hatte. Genesis seufzte. Zwar war Laufen schon immer seine stärkste Disziplin gewesen, aber die Treppen in den achten Stock hochzugehen ... Er seufzte erneut. Es war schneller zu laufen, als auf die Rückkehr des Aufzugs zu warten und ihn wieder hochzujagen. Etwas lustlos machte sich Genesis an den Aufstieg.

Irgendwo zwischen dem fünften und sechsten Stock meinte er fast, von weiter oben Prakashs Stimme zu hören. Er hielt inne. Doch, keine Frage. Die Person, die vor ihm im Aufzug nach oben gefahren war, schien sich mit Prakash zu unterhalten. Genesis versuchte, sich nichts weiter dabei zu denken. Prakash konnte sich mit andern Leuten unterhalten, kein Problem. Nur dass er nichts von Besuch gesagt hatte ...

Kurz bevor Genesis im achten Stock angekommen war, schlug eine Wohnungstür zu, dann war Stille. Auf dem Treppenflur sah Genesis allerdings niemanden mehr. Er zögerte. Irgendetwas stimmte hier so gar nicht und er war sich nicht sicher, ob er es herausfinden wollte. Wie in Trance ging er langsam Schritt für Schritt auf Prakashs Wohnungstür zu. Er drehte den Knauf. Die Tür öffnete sich wie immer. Genesis tat sachte einen Schritt in die Wohnung. Auf der linken Seite des Flurs stand die Tür zum Schlafzimmer offen. Im Türrahmen sah er Prakash.

Und Genesis blieb das Herz stehen.

Prakash, den Oberkörper schon entblößt, war gerade dabei, einen anderen Mann zu küssen.

Es gab keinen Zweifel.

Dort stand er, die Arme um einen anderen Körper geschlungen.

Lippen hungrig aneinander knabbernd.

Und das Gesicht im Profil vom nach vorne gefallenen Haar verdeckt.

Genesis ließ die Wohnungstür ins Schloss fallen.

Prakash, immer noch beschäftigt, wandte sich halb zur Seite, fuhr dann aber schockiert zurück, als er erkannte, wen er vor sich hatte. Er fluchte, schien aber ansonsten keine Worte zu finden.

Auch Genesis wusste eigentlich nichts zu sagen. Er begann am ganzen Körper zu zittern. „Du solltest dir angewöhnen, die Tür abzuschließen“, hörte er sich selbst wie aus weiter Entfernung mit schwacher Stimme sagen, „wenn du ... so was machst ...“

„Genesis.“ Prakash hatte seine Stimme wiedergefunden. Hinter ihm erschien ein hübscher junger Mann im Flur, blond und groß. „Ich kann dir das alles erklären.“

„Ok“, erwiderte Genesis mit nachwievor matter Stimme, „schieß los.“

Diese Antwort hatte Prakash offenbar nicht erwartet. Sprachlos starrte er Genesis nur an, unfähig etwas zu sagen oder zu tun. Der andere schaute zwischen ihnen hin und her und schien sich selbst auf die Situation den richtigen Reim zu machen.

Als das Gefühl wieder in seine Beine zurückkehrte, wandte Genesis sich zum Gehen. „Ich bin durch mit dir.“ Und er öffnete die Tür, um hindurchzutreten, doch noch bevor er sie wieder schließen konnte, folgte ihm jemand. Schon drauf und dran, Prakash, der ihn vielleicht überzeugen wollte, doch zu bleiben, anzuherrschen, wirbelte Genesis herum, doch es war nicht Prakash, sondern dieser verdammte andere Kerl.

„Hör mal“, begann dieser, als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, „ich wusste hiervon nichts.“

„Ist ok“, erwiderte Genesis steif. „Ist ja nicht deine Schuld, dass ich ...“ Aber er konnte den Satz nicht vervollständigen.

„Ihr wart also richtig zusammen?“, erkundigte sich der andere.

„Zumindest dachte ich das ...“

Der andere zögerte kurz, bevor er weiterbohrte. „Und wie lange lief das mit euch?“

„Seit April.“ Genesis‘ Augen füllten sich mit Tränen.

„Oh, wow.“ Er fuhr sich ungläubig durchs Haar. „Ich war heute auch nicht zum ersten Mal da, weißt du.“

„Klar, erzähl’s mir auch noch.“

„Nein, ich meine nur – sorry.“ Genesis sah ihn an. „Es tut mir wirklich leid. Wenn ich das gewusst hätte ... Er hat mich vorhin angerufen, ob ich spontan vorbeikommen kann.“

„Ist ok.“ Genesis glaubte nicht mehr ertragen zu können. Die Teile würden sich schon früh genug zusammensetzen. Im Moment wollte er sich nur darum kümmern, den großen Eisklotz zum Schmelzen zu bringen, der sich in seinem Innern gebildet hatte. Ohne ein weiteres Wort ließ er seinen blonden Nebenbuhler stehen und machte sich auf den Weg, die Treppen wieder nach unten zu laufen. Er wollte nichts als raus, raus aus diesem Treppenhaus, raus aus dieser Situation, raus aus diesem Albtraum.

Raus aus diesem Schmerz.

Raus aus der Erinnerung.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hier ganz gemütlich über nur einen Link direkt zur Fortsetzung: https://www.animexx.de/fanfiction/389950/

Ich möchte hierzu kurz sagen, dass es wirklich wehtat. Ab "Und Genesis blieb das Herz stehen" war es so schwer, weiterzuschreiben. Es tut mir leid, Cheru. </3

Nachdem ich das gesagt habe, möchte ich von oben nach unten ein paar Dinge erklären.
Der Tee ist "dunkel" -- mit Samowaren ist das so, dass in einem Teil der sehr starke, folglich also sehr dunkle Tee drin ist und im andern Teil nur Wasser, und wenn einem jemand Tee eingießt, fragt die Person, ob man ihn eher dunkel (also wenig verdünnt) oder heller (also mehr verdünnt) möchte. Vermutlich ergibt sich das auch aus dem Zusammenhang, aber ich wollte es noch mal gesagt haben.

Genesis kann "nicht so oft" bei Prakash sein -- wer dachte, dass das an den Arbeitszeiten der beiden liegt, hat sicherlich irgendwo auch ein Stück weit recht, aber was ich meine, ist, dass diese Geschichte in den 90ern spielt und man in Sachen Akzeptanz noch nicht so weit war, weswegen Prakash aufpassen muss, dass seine Nachbarn nicht misstrauisch werden, was er da ständig für Männerbesuch hat.

Angeals "Damenbesuch"? -- Hey, lasst ihm auch ein bisschen Freude im Leben. :'D

Der hübsche Blonde? -- Hm, niemand Besonderes. Ich dachte nur, es würde ein gewisses Beuteschema suggerieren.

Bis zum nächsten Mal jedenfalls! Alles Liebe, lasst euch nicht unterkriegen.
Eure Tobie. <3

PS: Wer mehr über Genesis in einer harmonischen Beziehung lesen möchte, dem sei Bigger Wow empfohlen: https://www.animexx.de/fanfiction/389468/
Spielt sogar im sonnigen, wenn auch windigen Portugal.

* Und dann kam "You Come When I Call You" dazu ... https://www.animexx.de/fanfiction/389349/
(18+, Darkfic, Vorsicht Gewalt) Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück