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Nimm mein Herz und führe mich

von

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In der Sommerhitze: knien und hüpfen

Es gab überhaupt keinen Grund, durchzudrehen. Marti tat es trotzdem.

Sie hatten in der letzten Woche alle zusammen die WG noch mal in Schuss gebracht, obwohl diese meist erstaunlich aufgeräumt war. Jedenfalls die gemeinschaftlich genutzten Räume. In den Zimmern der einzelnen Bewohner herrschte manchmal dagegen kreatives Chaos ... egal. Insgesamt war jetzt alles besuchstauglich.

Es waren noch ein paar Stunden Zeit, bis Marti und Jako zum Bahnhof aufbrechen wollten. Felix stand in der Küche, um seinen beliebten Apfelstreuselkuchen zu backen. Jako war Grillkram einkaufen, sie wollten abends grillen.

Alles war vorbereitet, alles lief gut.

Kein Grund zum durchdrehen.

Marti machte trotzdem alle verrückt.
 

Er textete Felix zu, so daß der durcheinander kam und fast Salz statt Zucker in den Teig geschüttet hätte. Er schnauzte Frodo an, er solle sich aus dem Bad scheren, da er jetzt da rein wolle. Als Frodo genervt aus dem Bad kam, er hatte sich extra beeilt, war Marti schon wieder in der Küche und hatte Milch umgestoßen, und motzte lauthals vor sich hin. Felix schmiss ihn raus und erteilte ihm Küchenverbot.

Daraufhin rannte er wieder Richtung Bad, wo er gegen Frodo prallte und ihn beschimpfte.

In dem Augenblick kam Jako vollbepackt vom Einkauf zurück.
 

„Jako, tu irgendwas, Marti ist unerträglich!“, sagte Frodo und verdrehte genervt die Augen.

Marti war am rumhibbeln und brachte es fertig, das Schuhregal umzureißen.

Jako drückte Frodo die Einkauftüten in die Hand und ging zu Marti, der gerade laut schimpfend gegen einen seiner Sneaker getreten hatte.

Er fasste ihn am Handgelenk und zog ihn hinter sich her in sein Zimmer.

Dort packte er ihn an den Schultern und schüttelte ihn.

„Marti, zum Geier, was ist los?!“

„Ich bin so nervös, ich habe echt Bammel vor dem Gespräch.“
 

Jako sah, dass er so nicht weiter kam.

Er zog Marti mit sich. Setzte sich aufs Bett.

„Marti, komm. Knie dich hin. Hierher zu mir. Knie dich auf den Boden.“

Marti, der nicht verstand, was das sollte, der aber so sehr neben sich stand, dass das jetzt auch egal war, tat zögernd, was Jako von ihm verlangte.

„Gut. Und jetzt leg deinen Kopf auf meinen Schoß.“

Als Marti gehorchte, strich Jako ihm sanft übers Haar.

„So, und nun schlingst du deine Arme um meine Beine und hältst dich an mir fest. Gut. Und jetzt atmest du ganz tief durch. Ganz langsam und tief. Ja, gut so.“

Er streichelte ihn weiter, ganz liebevoll und beruhigend.
 

Es dauerte ein paar Minuten, aber es wirkte.

Martis klopfendes Herz beruhigte sich, seine Nerven flatterten nicht mehr so sehr.

„Besser?“, fragte Jako. Marti nickte.

„Gut, dann komm hoch zu mir aufs Bett ...“

Marti schüttelte den Kopf.

„Ich möchte lieber noch eine Weile so bleiben.“

„Okay.“
 

Diese merkwürdige Haltung, hier zu Jakos Füßen, so intim und, na ja, fast schon demütig, rückte seine Welt für ihn wieder ins richtige Verhältnis. Was sollte schon geschehen? Er hatte seinen Platz im Leben gefunden. Und er würde an Jakos Seite alles schaffen, das wusste er. Selbst wenn seine Eltern ihn nicht verstehen würden. Das wäre traurig, aber er würde das durchstehen. An Jakos Seite.

Als beide ca. eine halbe Stunde später wieder aus Jakos Zimmer auftauchten, waren Felix und Frodo echt erstaunt, einen vergleichsweise ruhigen Marti anzutreffen.

„Wie hast du das gemacht, Jako?“

„Ich kann eben zaubern.“ Jako grinste.

„Ja, zumindest kann er mich bezaubern“, sagte Marti und lächelte.
 

Am Ende wurde alles halb so schlimm.

Seine Eltern mochten seine Mitbewohner und fühlten sich in der neuen WG von Anfang an wohl.

Nachdem sein Vater ein drittes Stück Kuchen dankend, wenn auch bedauernd abgelehnt hatte (Felix hatte sich wirklich selbst übertroffen), räumten Felix und Frodo das Geschirr in die Küche.

Plötzlich fragte seine Mutter:

„Marti, warum bist du nun eigentlich umgezogen? Ich meine, die Leute in deiner letzten WG hast du doch auch gemocht, oder?

„Ja“, sagte Marti.

„Wir sind auch nach wie vor die besten Freunde. Aber umgezogen bin ich wegen Jako.“

Er nahm Jakos Hand. Ihre Finger verschränkten sich.

Marti schluckte.

„Ich wollte mit ihm zusammenwohnen. Er ist mein Freund ... also mein fester Freund. Wir haben uns verlobt und werden nächstes Jahr heiraten.“
 

Er schloss die Augen, und erwartete … ja was? Keine Ahnung, auf jeden Fall war ihm ausgesprochen unwohl, bis er spürte, dass Jakos Hand die seine fest drückte. Da wurde es besser.

„Also, Junge, das überrascht mich jetzt schon ...“ ließ sich sein Vater vernehmen.

Da platzte es aus Marti heraus:

„Ich weiß ja, dass Ihr euch manches für mich anders gewünscht habt, aber das hier ist mein Leben, und ich liebe Jako, und ich werde mein Leben mit ihm teilen, ob euch das passt oder nicht. Er ist das Beste, was mir je passiert ist, und das diskutiere ich auch nicht und ich werde mir auch kein Genörgel anhören!“
 

„Marti, jetzt halt einfach mal die Klappe!“, fuhr sein Vater ihn an. Und als Marti erschrocken nach Luft schnappte, fuhr er ruhiger fort:

„Junge, ich weiß ja, dass wir dir manchmal mit unseren Sorgen um dich auf die Nerven gehen. Aber dass du uns so einschätzt, erschüttert mich jetzt doch. Wenn du in diesem jungen Mann die große Liebe gefunden hast, dann ist das schön! Dann freuen wir uns für dich, du dummer Bengel!“

Seine Mutter nickte.

„Wir wollen, daß du glücklich bist. Nichts weiter.“
 

Felix und Frodo, die hinter der offenen Küchentür quasi auf Abruf gestanden hatten, grinsten sich zufrieden an und widmeten sich dem Abwasch.

Marti jedoch sprang auf, rannte um den Tisch herum und riss seine Mutter in seine Arme und drückte sie fest an sich. Dann drückte er auch seinen Vater.

„Mama, Papa, danke. Es tut mir leid. Ihr seid prima.“

Jako schmunzelte zufrieden.
 

Der Vater seufzte. Dann wandte er sich an Jako.

„Jako, Sie sind dann also unser zukünftiger Schwiegersohn ... ich muss zugeben, dass ich mich an den Gedanken erst gewöhnen muss. Ist halt sehr überraschend gekommen. Ich glaube, ich könnte jetzt einen Schnaps gebrauchen.“

Marti sprang auf.

„Ich frag Felix“, rief er und sauste in Richtung Küche.
 

Sein Vater sprach weiter.

„Ich muss zugeben, dass Sie mir von Anfang an sympathisch waren. Insofern hat es unser Sohn, denke ich, ganz gut getroffen.“

Jako errötete vor Freude.

„Ich finde Sie auch nett, Herr und Frau Fischer.“

Marti kam zurück, Felix hatte tatsächlich einen Weinbrand in der Küche gehabt, den er sonst zum Backen verwendete. Und hatte sogar ein paar Pinnchen aufgetrieben.

So stießen sie alle vier damit an.
 

„Auf unseren zukünftigen Schwiegersohn“, sagte die Mutter. Sie hatte ihn auch von Anfang an gemocht.

Der Vater wandte sich noch mal schmunzelnd an Jako.

„Sie sind sich schon darüber im Klaren, dass Sie es nicht immer leicht mit ihm haben werden? Er kann verdammt anstrengend sein.“

„Und wenn du so weiter redest, Papa“, sagte Marti, „dann weiß er auch gleich, von wem ich das habe!“

Sie lachten.

„Aber mal im Ernst“, sagte Jako.

„Ihr Sohn ist prima. Genau so wie er ist. Und wenn er mal wieder am Rad dreht, dann weiß ich schon, wie ich ihn gebändigt kriege.“

Marti wurde rot und stieß ihn in die Seite.

Felix, der mit Frodo gerade wieder aus der Küche zurückkehrte, sagte breit grinsend:

„Ja, das können wir nur bestätigen.“

Wieder lachten sie, sogar Marti, dem das gerade etwas peinlich war, der aber einfach nur froh war, dass das Ganze so gut verlaufen war.
 

Es wurde noch ein richtig schöner Tag. Sie gingen zusammen im Park spazieren und redeten über alles mögliche. Martis Vater gab ein paar Anekdoten aus Martis Kinderzeit zum besten, was Marti gar nicht recht war, worüber Jako sich aber prächtig amüsierte. Damit würde er Marti prima aufziehen können ...

Abends grillten sie dann im Hinterhof. Ganz spontan erweiterten sie die Runde, indem sie die Spacefrogs mit Dominik anriefen, und außerdem Flo und noch Tommy Blackout. Es blieb nicht aus, dass im weiteren Verlauf ein paar Gitarren dazu geholt wurden, und einige Nachbarn aus dem Haus gesellten sich auch noch dazu. Es wurde ein sehr schöner Abend, den auch die Eltern sehr genossen.
 

Als Marti und Jako sie am nächsten Tag zum Bahnhof brachten, schieden sie mit guten Gefühlen voneinander. Martis Mutter umarmte Jako, und sein Vater gab ihm die Hand, und sagte zum Abschied:

„Willkommen in der Familie, Schwiegersohn.“

Arm in Arm winkten Marti und Jako ihnen hinterher, als der Zug den Bahnhof verließ.
 

Plötzlich riss Marti Jako an sich, knutschte ihn heftig ab und begann, wie ein Kind fröhlich den Bahnsteig entlang in Richtung Ausgang zu hüpfen.

Er war so endlos froh.

Und Jako war glücklich, als er seinen Schatz so sah.

Glücklich und fröhlich.

So war das gut.

Und er rannte hinterher.



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