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Alpha EINS - Game 0n

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Offline

Seufzend setzte Katie die VR-Brille ab und legte die beiden Controller zur Seite. Mit zusammengepressten Lidern streckte sie sich, blickte dann kurz orientierungslos durch die Dunkelheit. Es war spät geworden und dank des eintreffenden Herbstes sank die Sonne immer schneller. Schon wieder hatte sie zu viele Stunden in Alpha EINS verbracht und schon wieder landeten mehrere Gedanken auf der Liste der Punkte, die sie noch einmal würde überarbeiten müssen.

Sie fuhr sich durch die Haare, als sie aufstand. Auf ihrem Schreibtisch stand ein Glas bereits, welches sie füllte und in einem Zug leerte, nachdem sie die danebenstehende Lampe angeknipst hatte. Eine Angewohnheit, die sie unterbinden wollte; sie sollte zumindest zwischendurch an ihre Hydration denken.

Ihr Handy sagte ihr, dass sie noch zwanzig Minuten Zeit hatte, bis Matt sie erwartete, was sie dazu brachte, noch kurzerhand unter die Dusche zu steigen. Katies Kopf beschäftigte sich damit, was in-game passiert war und schmunzelte über die Defensiv-Modifikation ihrer Axt. Matt hatte Recht, wenn er sagte, es war Cheating – allerdings konnte man sich als Erfinder und Programmierer des Spiels so einiges erlauben. Da sie sich in erster Linie mit ihm maß, ging das irgendwie klar.

Heißes Wasser strömte bald schon über ihre Schultern und ergeben legte sie den Kopf in den Nacken, um ihre Haare ebenfalls zu durchnässen. Mittlerweile reichten sie ihr bis auf die Rückenmitte und auch, wenn sie dringend wieder zum Friseur müsste, schaffte sie es zwischen Masterarbeit, Spielinstanthaltung und -weiterentwicklung und restlichem Leben nicht. Es reichte, dass Matt und sie mindestens drei Mal die Woche Essen bestellten.

T-0,05 tapste Kathleen Holt in Jogginghose, einem von Matts Pullis und Handtuchturban in ihr gemeinsames Wohnzimmer und studierte im Laufen bereits die Speisekarte ihrer Lieblingspizzeria. Fast wäre sie über die Füße ihres Bruders gestolpert, der auf dem Sofa so weit nach unten gerutscht war, dass sein Steißbein kaum noch von der Kante des Möbelstücks getragen wurde.

„Die Mobs in der Oase haben irgendeine Art von Fehler im Coding. Bleiben ständig hängen. Wir sollten nochmal drüber gucken, bevor wir den Bereich eröffnen.“

„Hmmmmmm“, kam die unhilfreiche Antwort in Form eines Murmelns. Scheinbar war jemand sehr aufmerksam auf sein Handy fokussiert. Katie zog nur ihre Augenbrauen hoch, stieg über seine Beine und setzte sich in die gegenüberliegende Ecke der Couch. Als noch immer keine weitere Reaktion folgte, warf sie ihm die Speisekarte in den Schoß.

Matthew.“

„Jaaah, Moment.“ Er richtete sich auf und tippte noch schneller. Neugierig geworden krabbelte Katie wieder zu ihm hinüber und sah über seine Schulter.

„Ist das… Wart mal, ist das die Windmagierin aus dem CTF heute?“

„Hhmhmmmmm.“

„Maaaaatt, wir stalken doch keine Player! Du machst dich strafbar, wenn du die IP zurückverfolgst. Das ist Datenmissbrauch~“ Mit gespielt kritischer Intonation maßregelte sie ihn und musste dann darüber lachen, dass ihrem Bruder scheinbar jemand den Kopf verdreht hatte.

„Ich wollte nur wissen, ob sie tatsächlich ein Mädchen ist!“

„Die Statistik hat dich fertig gemacht, hm? Nur, weil siebzig Prozent der Spieler männlich ist und sich Kerle gern mal weibliche Avatare basteln, trifft das noch nicht auf jeden Player zu.“

„Du hast gut reden! Dein Ava ist ein Kerl!“

„How to survive in a realm ruled by guys, a guide by Katie.“

„Jaja, du willst die Jungs nur nicht ablenken. So… wie Allura mich.“

Katie verdrehte die Augen, nahm Matt schließlich das Handy aus der Hand und ersetzte es einmal mehr dringlich durch die Speisekarte. „Ich kann nicht fassen, dass du dich in ihr Konto geschaltet hast. Such jetzt was aus, ich hab‘ Hunger.“

 

Eine Stunde später saßen die Geschwister einträchtig Pizza kauend zusammen und beobachteten, wie die Protagonisten des Filmes darüber rätselten, wie sie dem Tod entgehen konnten. Ihre Argumentationsstruktur hatte schon die ein oder andere hochgezogene Augenbraue zur Folge gehabt.

„Sie hätten sich vielleicht ihrem Schicksal ergeben sollen, als die Rakete sie in den Weltraum schießen sollte. Dann wäre das Ding explodiert und es wäre Ruhe.“

„Und es würde sich nicht lohnen, einen Film darüber zu drehen“, entgegnete Matt trocken, nachdem er geschluckt hatte. Verstohlen sah er immer wieder zu seinem Smartphone. Katie ließ ihm noch zwanzig Sekunden Zeit, bis sie beschloss, dass sie besser nicht wieder von der ominösen Allura – die Magierin, die in dem Event am Mittag den Rauch ihrer Bombe weggefegt hatte – anfangen wollte. Scheinbar hatte ihr Bruder sich an seinen Vorsatz gehalten und den Datensatz nicht tiefergehend überprüft. Abgesehen davon gab es andere Dinge, die wahrscheinlich Priorität haben sollten.

„Kannst du mich morgen eventuell an der Uni einsammeln? Ich hätte ansonsten fünfundzwanzig Minuten, um in die Stadt zu kommen und ich will den Termin bei Krolia nicht verpassen.“ Sie selbst hasste es, unpünktlich zu sein; etwas, das sie mit ihrer Agentin gemeinsam hatte.

Matt nickte. „Ich werde mich ihr sicherlich nicht allein ausliefern. Sie klang, als hätte sie Gutes zu berichten, wobei es ein Wunder wäre, könnte man es ihr anhören. Sie ist achtzig Prozent der Zeit gruslig.“

„Du klingst, als wären Struktur und Durchsetzungsvermögen etwas Schlechtes.“

„Ich meine nur, dass ich manchmal daran zweifle, dass sie menschlich ist. Niemand ist so… effizient.“

„Sie schon“, entgegnete Katie mit einem Schulterzucken und einem Biss in ein neues Stück Peperonipizza. „Weißt du, worum es geht?“

Die Antwort blieb einige Sekunden aus, in denen sie gebannt dabei zusahen, wie eines der Mädchen aus der Gruppe dem Tode Geweihter von einem Stalaktit aufgespießt wurde. Ein Teil der Höhle, in der sie sich hatten verstecken wollen, war zusammengebrochen.

„Nur, dass es Neuigkeiten gibt. Nicht genau, welcher Natur diese Neuigkeiten sind.“ Seufzend legte Matt den leeren Pizzakarton auf dem Couchtisch ab, ehe er sich zurücklehnte. „Allerdings klang sie nicht, als hätten wir uns etwas zu Schulden kommen lassen, also…“ Er ließ das Ende des Satzes in der Luft hängen.

Nun war es an Katie, zu nicken. „Okay. Ich denke, ich bin gegen zwei fertig. Eigentlich muss ich nur was abgeben. Ich warte an der Ecke mit dem Campuscafé.“ Wieder wollte sie abbeißen, entschied sich dann aber dafür, das angebissene Pizzastück zurück in die Packung zu legen und verzog beim Blick auf den Fernseher letztendlich doch angewidert das Gesicht. Ein Protagonist wurde gevierteilt und der Zuschauer konnte genauestens beobachten, wie Muskelfasern und Sehnen rissen.

„Den Rest gibt es scheinbar zum Frühstück.“

 

Der nächste Morgen kam früher als erwartet. Da Matt scheinbar genug Disziplin besaß, sich nach dem Film tatsächlich noch mit seinem Paper auseinanderzusetzen, blieb es an ihr hängen, sich die fehlerhaften Stellen von Alpha EINS noch einmal genauer anzusehen. Es war nicht so, als hätten sie eine Deadline, bis zu der der neue Bereich fertig gestellt sein sollte, aber da das Spiel ein Herzensprojekt war, steckten sie viel Zeit in die direkte Instanthaltung. Beide Holt-Geschwister wurden außerdem von dem Drang getrieben, sich und ihr Baby weiterzuentwickeln, was unweigerlich zu vielen in Spiel verbrachten Stunden führte.

Folglich hatte Katie fast bis zum Sonnenaufgang Zeit damit verbracht, Fehler in Quellcodes und Programmierungen zu finden und auszubessern, um danach noch gut eine Stunde zu investieren, ihren Avatar durch die Oase zu jagen und die Umgebung sowie ihre Monster auf Funktionstüchtigkeit zu prüfen.

Es war keine Seltenheit, dass ihr Schlaf-Wach-Rhythmus ausreichend durcheinanderkam, dass sie gegen Mittag beim fünften Weckerklingeln aufgescheucht aus dem Bett fiel. Nach der üblichen Morgenroutine schmiss sie sich in Bluse und Bleistiftrock, band sich einen hohen Zopf und hoffte darauf, einen präsentablen Eindruck zu vermitteln. Wenig später war sie mit gepackter Tasche aus der Tür gefallen, um sich auf den Weg zur Uni zu machen, wo sie ihrem Professor die ersten thematisch gegliederten Entwürfe für ihre Abschlussarbeit präsentieren wollte.

„Der Termin ist um halb zwei. Das passt. Ich habe genug Zeit und wenn der Bus pünktlich ist, kann ich Kaffee dazwischen schieben…“ Katies Worte entwickelten sich zu einem Mantra und obwohl sie nichts zu befürchten hatte – etwas, das ihre Prüfungsnoten und ihr Ehrgeiz belegten – ließ sich der Gedanke, dass ihr Prüfer mit ihrer Arbeit nicht zufrieden sein könnte, nicht abschütteln. Nervosität machte sich während der Fahrt breit und sobald sie ankam, war sie nicht mehr ganz so sicher, ob zusätzliches Koffein wirklich eine gute Idee war.

Dennoch. Routine beruhigte.

Was außerdem beruhigte, war Musik. Musik, die die lärmenden Studenten ausblendete, als sie ins Unicafé trat und sehr zielsicher auf die Theke zusteuerte, um als dritte in der Reihe einen einfachen schwarzen Kaffee zu bestellen. Heute mal nicht extrastark. Die Verwunderung des Baristas nahm sie in Kauf, steckte dann ihren Ohrhörer wieder ein, um sich erneut auf den Refrain ihres momentanen Lieblingsliedes zu konzentrieren und am anderen Ende der Theke auf ihr Getränk zu warten.

Alles lief gut. Alles lief wie immer, die Routine war entspannend.

So lang, bis sie jemand am Arm antippte und ihre Aufmerksamkeit zu einem rapiden Fokus zwang. Dass sie scharf durch ihre Zähne eingeatmet hatte, bemerkte sie erst, als ihr Gegenüber zu einer entschuldigenden Geste ansetzte. Etwas verwirrt entstöpselte Katie erneut ihre Musik und ließ die Hörer in ihrem Schal verschwinden.

„Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken. Ich, uhm… Ich war nicht schnell genug, dich auf den Kaffee einzuladen, den du gerade gekauft hast und scheinbar bist du in Eile, aber… Also, falls du mal… Zeit hast, würde ich dich gern auf einen Kaffee einladen. So – zu einem Kaffee inklusive Gespräch. Falls du Lust hast.“

Katies Kinnlade hatte sich einige Millimeter verabschiedet, was in Kombination mit leicht geweiteten Augen wohl einen Eindruck mäßiger Verwirrung auslöste. Der Typ der vor ihr stand kam ihr bekannt vor, auch wenn sie nicht einordnen konnte, woher. Dunkelbraunes Haar fiel ihm einseitig in die Augen, war auf der anderen Seite, den ansonsten relativ kurz gehaltenen Schnitt komplimentierend, hinter sein Ohr geschoben. Braune Augen sahen sie freundlich an und ein minimaler Rosaschimmer auf seinen Wangen sagte ihr, dass das Interesse wahrscheinlich ernst gemeint war.

Hatte sie Zeit hierfür? Eigentlich überhaupt nicht. Wenn sie es objektiv betrachtete, hatte sie bereits ein relativ turbulentes Leben. Andererseits blieb das reale Sozialleben gern mal hinter dem virtuellen zurück und an ihr letztes… date-ähnliches Treffen konnte sie sich nicht einmal mehr erinnern.

„Also?“ Scheinbar etwas unsicher ob ihres Schweigens neigte er fragend den Kopf.

Was sollte schon schief gehen?

„Ehm. Also – ja? Entschuldige, ich bin tatsächlich etwas spät dran, aber… warum nicht.“ Das Pochen in ihren Ohren sagte ihr, dass ihr selbst die Hitze ins Gesicht stieg und ihre Antwort klang so überrumpelt, wie sie sich fühlte. „Ich… bin übermorgen ungefähr um dieselbe Zeit hier, dann –“

„Das passt“, fiel ihr ihr Gegenüber fast schon etwas übermotiviert ins Wort, rieb sich dann etwas verlegen den Nacken. „Ich bin dann auch hier.“

Dieser Moment war es, den der Barista nutzte, um ihren Namen auszurufen und ihr ihren Kaffeebecher zu übergeben. Sie verschloss ihn mit einem Deckel, ehe sie ihre Tasche auf ihrer Schulter zurecht zupfte und dann erst wieder zu dem Braunhaarigen hochsah. „Okay, dann bis übermorgen?“ Die fragende Intonation deutete an, dass sie losmusste.

„Bis übermorgen“, bestätigte und entsann sich wohl erst, als sie sich bereits in Bewegung gesetzt hatte, dass er ihr vielleicht zumindest noch seinen Namen nennen sollte. „Ich bin übrigens James!“

Sie musste schmunzeln, ließ die Regung dann zu einem Lächeln wachsen und sah beim Rausgehen noch einmal kurz über ihre Schulter. „Bye, James.“

Sobald die Tür hinter ihr zu fiel, frage sie sich, was sie da gerade eigentlich angestellt hatte. Seufzend nahm sie einen Schluck Kaffee, verbrannte sich prompt die Zunge und stapfte mit einem Augenrollen in Richtung des Campusgebäudes, zu dem sie musste. Unnachgiebig wehte ihr der kühle Herbstwind die Strähnen ihres Ponys in die Augen und mit einem Stoßgebet gen Himmel hoffte sie, dass sie nicht gänzlich zerstruppt im Büro ihres Professors ankommen würde. Mit ihren Zweifeln bezüglich der Zusage zu diesem Treffen würde sie sich später beschäftigen müssen.

 

Es sind gute Ansätze vorhanden, Ms. Holt, aber in diesem, diesem und diesem Punkt verstricken Sie sich zu tief in die Materie. Denken Sie daran, dass das keine Doktorarbeit ist.“ Gerade hatte Katie die Beifahrertür von Matts Auto hinter sich zugeschlagen und sich angeschnallt, als sie gänzlich ohne Präambel begann, ihren Professor nachzuäffen. Das Treffen war suboptimal gelaufen und sie fühlte sich in ihrer Kompetenz infrage gestellt. „‘Gute Ansätze‘ – das klingt als hätte ich eine Hausarbeit über Molekularteilchen geschrieben.“

„Freut mich auch, dich zu sehen, Schwesterherz.“

„Tag.“

„Kaffee?“

Mit großen Augen sah sie zu ihm rüber, woraufhin er einen der To-Go-Becher aus dem Getränkehalter zog. Sie waren ihr in ihrer Tirade nicht aufgefallen und der Geruch des schwarzen Goldes milderte ihre schlechte Laune rapide. „Danke“, schob sie leiser hinterher und genoss den ersten Schluck mit geschlossenen Augen.

„Madison kommt nicht damit klar, dass du mehr Ahnung von dem Thema hast als er. Jede Wette. Er hat sich bei meiner Abschlussarbeit genauso aufgeführt.“ Schmunzelnd zog der Ältere aus der Parklücke und machte sich auf in die Stadt. Die öffentliche Verkehrsanbindung war schrecklich, aber mit dem Auto würde es im Bestfall nur einige Minuten dauern, bis sie an ihrem Ziel angelangt waren.

„Dann ist es pure Schikane“, schlussfolgerte Katie und zog ihre Augenbrauen zusammen. Ein weiterer Schluck wirkte dem etwas entgegen.

„Möglicherweise. Du weißt doch, männlichen Stolz anzugreifen, ist ein heikles Thema.“ Sie konnte hören, wie er vor sich hin grinste. De facto war es mit seinem Stolz genauso, aber er war lieb zu ihr, also wies sie ihn nicht darauf hin.

Katie lehnte sich zurück, als sie antwortete. „Dann schraube ich wohl einen Gang zurück, halte mich an das Einmaleins und spare mir den Rest für mein Lebenswerk auf.“ Missmutig sah sie aus dem Fenster. Schon häufiger hatte sie darüber nachgedacht, ob sie mit zu viel Motivation an die universitären Voraussetzungen ging, ob sie zu viel investierte. Welcher Student fragte sich bitte sowas? Und dann war da sie, die einfach den Anspruch an sich selbst hatte, die Sachen die sie sich vornahm so gut wie nur möglich zu erledigen. „Hat Krolia sich noch einmal gemeldet?“

„Bisher nicht.“ Und da noch fünfzehn Minuten bis zu ihrem Termin verstreichen würden, würde sich das wohl nicht ändern.

 

„SONY hat eine Zusammenarbeit angeboten. Sie wollen eine Adaption von Alpha EINS für die Playstation 6 konzipieren. Virtual Reality Prinzipien sollten bis daher kommerziell ausreichend zugänglich sein, dass eine zusätzliche Vermarktung des Zubehörs sowie des Spiels selbst eine lukrative Einnahmequelle darstellen.“

Die hochgewachsene Frau stand mit gegen ihren Schreibtisch gelehnter Hüfte vor ihnen und unterstrich ihre Worte klar gestikulierend. Sie hatte beiden Holt-Geschwistern ein Handout überlassen, auf dem die wichtigsten Fakten deklariert und schlüssig dargestellt waren. Momentan ließ sie ihnen einen Moment Zeit, die Information einsickern zu lassen, bevor sie fortfuhr. Matt wie auch Katie trugen schockierte Überforderung in ihrer Mimik zur Schau.

„Abgesehen von einer vermeintlichen Anpassung des Spiels auf eine andere Konsole würde die Alpha BOX nicht mehr als alleinig verfügbare Hardware fungieren. Dennoch wäre es eine Diskussion wert, da man mit Playstation-Publikum eine breitere Masse anspricht und das Spiel mehreren Leuten zugänglich macht. Besonders denen, die sich die Alpha BOX nicht zulegen möchten, da sie nur für ein einziges Spiel genutzt werden kann. Es sieht aus wie die Wahl zwischen Monopol und Popularisierung.“

„Die Gefahr der Alpha BOX war immer, dass die Tatsache, exklusiv Alpha EINS zu spielen, Leute davon abhält, sich die Konsole anzuschaffen. Die medialen und technischen Möglichkeiten des Marktes vor zwei Jahren haben nicht hergegeben, auf ein bereits bestehendes System zurückzugreifen.“ Matt saß im linken von zwei Stühlen vor Krolias Schreibtisch. Seine Haare standen in alle Richtungen ab, da er seine Hände nun mehrfach in ihnen vergraben hatte. Noch immer war Unglaube auf sein Gesicht gepflastert.

Katie schaltete sich ein. Ihr Blick war noch auf das Handout gerichtet, blieb kurz am stilisierten ‚HOLT‘ in Form einer Rundglasbrille hängen, das am oberen Rand des Papers als Logo prangte. „Eine einfache Umkonzipierung auf eine Playstation wird nicht machbar sein. Wir müssten den Grundcode neu aufsetzen. Es ist möglich, aber im Grunde würden wir die Spieldatei komplett neu schreiben.“

„Naja, wir könnten es Alpha ZWEI nennen und auf die Grundfeatures reduzieren, um mit verstreichender Zeit zu updaten. Wäre nicht das erste Mal, dass es so passiert.“ Die Geschwister sahen sich an, simultan auf ihren Unterlippen kauend.

„Damit würden wir SONY einen Haufen von Rechten einräumen. Und mit einer reduzierten Version des Spiels würden sie sich sicher nicht zufriedengeben. Wir könnten höchstens eine Art weiteren Planeten erschaffen, der nur mit der PS spielbar ist.“

„Und wenn man die Alpha BOX und Alpha ZWEI für die Playstation besitzt, gäbe es die Möglichkeit, Bonusfeatures freizuschalten? Das wäre denkbar… Allerdings müssten die Systeme kombiniert werden und –“ Der Ältere stockte, als Krolia sich räusperte und damit die Aufmerksamkeit der beiden auf sich zog.

„Ich entnehme euren Worten, dass es durchaus möglich ist. Ebenfalls scheint klar zu sein, dass es einen enormen Arbeitsaufwand bedeuten würde“, brachte sie die Quintessenz auf den Punkt. Sie stieß sich vom Schreibtisch ab und umrundete ihn, um ihren Platz im zugehörigen Sessel einzunehmen. „Wie steht ihr zu der Grundsatzfrage, der Alpha BOX das Monopol zu entziehen?“

Für einen Moment kehrte nachdenkliche Stille ein.

„Die Alpha BOX ist mit keiner anderen bisher existierenden Konsole direkt vergleichbar“, eröffnete Katie. „Das Zubehör ist so konzipiert, dass es exakt auf das System abgestimmt ist und nicht beliebig mit einer anderen Hardware verwendet werden kann. Für mich persönlich wäre vom Tisch, ein komplett neues Zubehörsystem zu programmieren und zusammenzustellen, das mit der Playstation 6 kompatibel ist und dasselbe Gameplay ermöglicht.“ Für eine Einschätzung der Meinung ihres Bruders sah sie kurz zu ihm, wurde aber mit einem Nicken gebeten, fortzufahren.

„Ich kann mir vorstellen, eine Version zu programmieren, die mit den Gegebenheiten der Playstation harmoniert. In Kombination mit einer – sagen wir – handelsüblichen VR-Brille kann ein ähnlicher Effekt erzeugt werden, der allerdings nicht identisch ist mit dem der Alpha BOX. Dementsprechend würde ich darauf verzichten, ganz Alpha EINS umzucodieren und nur die nötigsten geographischen Punkte übernehmen, um eine PS-Version, Alpha ZWEI meinetwegen, darum herum aufzubauen. Es mag erscheinen, wie eine abgespeckte Version, wäre aber eher als eine Erweiterung zu sehen, die möglicherweise in Kombination mit Alpha EINS zusätzliche Möglichkeiten für die Spieler ausspuckt.“

„Damit würde die Alpha BOX ihr Alleinstellungsmerkmal behalten und eine zweite Version für die Playstation gleichermaßen einen Vorgeschmack auf Alpha EINS bieten, wie auch eine Erweiterung für die Spieler, die Alpha EINS bereits kennen.“ Krolia nickte und schrieb sich einige Notizen hierzu auf.

„Abgesehen davon bringen wir damit nicht zweimal das gleiche Spiel auf den Markt“, ergänzte Matt. „Wir könnten darüber nachdenken, die SONY-Software zur Alpha BOX kompatibel zu schreiben, aber… Wenn ich ehrlich bin, habe ich die nächsten dreißig Jahre noch etwas anderes vor.“ Ein gequältes Lächeln unterstrich die Worte. Katie stimmte brummend zu.

Es dauerte noch mehrere Momente, bis ihre Agentin den Stift niederlegte und sie ansah. „Darf ich diese Informationen so an SONY weitergeben? Sollten sie sich mit der Basisidee anfreunden können, würden wir in weitere Verhandlungen treten und das Projekt konkretisieren.“

Beide Holts nickten. Zwei Paar Schultern sanken nun etwas entspannter und tiefes Ausatmen war zu hören. Dass ausgerechnet ein Riesenkonzern wie SONY an ihrem Projekt Interesse haben würde, war… unerwartet. Einerseits zumindest. Andererseits hatten sie mit Alpha EINS die ganze Welt begeistert und für viele war es sicherlich nur eine Frage der Zeit gewesen, wann der Hype um das Spiel weiter ausgebaut werden würde.

„Danke für euer Vertrauen. Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um die Gespräche zu euren Gunsten zu führen.“ Das Lächeln, das folgte, zeigte eine eher ungewohnt weiche Seite ihrer Agentin. Es war eine ehrlich anmutende Regung und in Katie wallte Dankbarkeit hoch, dass sie sie bereits während der letzten Jahre sehr tatkräftig unterstützt hatte.

„Der Dank ist auf unserer Seite“, ließ die Jüngere sie das Lächeln erwidernd wissen und verließ nach abschließendem Händeschütteln mit ihrem Bruder das Büro.



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