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Schokofrüchte

von

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„Nein!“, kam es wie aus der Pistole geschossen. Erneut keimte Panik in seinen Augen auf, entsetzt starrte er die rothaarige Frau vor sich an, welche sich diesmal nicht über ihn lustig machte – auch wenn er nicht wusste, wie er das Zucken ihrer Mundwinkel deuten sollte.

„Du schaffst das. Keine zwölf Meter bis zur Bande, eine Leichtigkeit.“ Dann ließ sie auch schon seine Hände los, kurvte rückwärts, während Harry erst für eine Sekunde wie angewurzelt stehen blieb, sich schließlich doch in Bewegung setzte. Gaaanz langsam, ziemlich ungelenk und umgeben von einer Woge aus Angst und Unsicherheit gelangte er vorwärts, konzentrierte sich auf jede einzelne Bewegung seines Körpers und tatsächlich kam er voran. Zwar langsam, aber bewegte sich. Und während er langsam auf

Jillian zustackselte, zeigte sich auf dem Gesicht jener Frau ein zufriedenes und gar ein wenig selbstsicheres Lächeln.

Das kurz darauf gefror und dem Eis Konkurrenz machte. Ihre Augen weiteten sich, ein tonloser Schrei entwich ihren Lippen, während Harry nicht wusste, wie ihm geschah.

„Jenna, pass auf! Verdammt!“

„Aaaaachtung!“

Mit einem Mal ging alles ganz schnell: er sah die junge Frau – sehr junge Frau, ziemlich sicher noch ein Teenager noch ein Teenager – aus den Augenwinkeln auf ihn zurasen. Wie in Zeitlupe wandte sich sein Kopf in ihre Richtung, doch sie war so schnell auf den Schlittschuhen, dass Harry keine Zeit blieb, sie genauer zu mustern, als ihn auch schon etwas am Handgelenk packte und aus dem Weg zog. Wie sollte es auch anders sein, verlor er er das Gleichgewicht, stieß dabei gegen Jillian, welche vermutlich gerade Schlimmeres verhindert hatte, nur damit sie gemeinsam auf den Boden prallten.

„Was steht der auch da so rum?!“, hörte er die Fremde gedämpft zetern. „Wenn der nicht fahren kann, hat der hier nix zu suchen oder er soll sich so einen Pinguin für Kinder nehmen!“ Doch war er damit beschäftigt, sich auf dem Eis abzustützen, um Jillian nicht mit seinem Gewicht zu erdrücken.

„Hast... Hast du dir was getan?“ Besorgt sah er auf seine Begleitung hinab, welche entgegen ihrer sonst so selbstbewussten Natur ein wenig zaghaft nickte. Ihre Blicke trafen sich und dann war es da, dieses berühmte Knistern, das jeder kannte, aber niemand so recht beschreiben konnte. Auch Harry merkte dann, dass ihre Gesichter nur noch wenige Zentimeter von einander entfernt waren. Sein Augen wanderten zu ihren Lippen, als sich auch schon ihre Hände in seinen Nacken legten, ihn ganz langsam zu sich zogen. Harry schluckte schwer, sein Herz rastete regelrecht auf, wollte den Brustkorb sprengen und er hatte Sorge, dass sie seine Nervosität selbst durch die dicke Winterkleidung spürte. Sein Hirn schien plötzlich blutleer – was vielleicht ganz gut war, sodass er nicht weiter darüber nachdachte, was gleich folgen sollte. Zärtlich strich er ihr eine verirrte Locke aus dem Gesicht, fuhr weiter über ihre Wange und...

… hielt inne, runzelte die Stirn.

„Dein Ohrring.“

„Wow, du weißt auch, wie man einen magischen Moment zerstört.“ Der Frust in ihrer Stimme war kaum verkennbar. Aber leider ist das hier immer noch kein schmalziger Roman von Nicholas Sparks, Harry dafür aber ein Vollidiot.

Der Musiker stemmte sich auf, schüttelte den Kopf und blickte sich um. „Dein Ohrring ist weg.“

Nun fasste sich Jill selbst an die besagte Stelle, betastete einige Male das Ohrläppchen. „Oh nein...“

„Er muss hier noch irgendwo liegen.“ Harry rollte sich wenig elegant zur Seite, sodass Jillian sich aufrichten konnte, um danach ihm auf die Beine zu helfen. Nun suchten sie gemeinsam die Eisfläche ab, doch von dem Schmuckstück keine Spur und der Rotschopf wirkte regelrecht geknickt.

„Die habe ich von meiner Großmutter bekommen“, kam es leise von ihr, woraufhin Harry sich weiterhin verzweifelt umsah, sich dabei gewohnheitsmäßig durch das Haar streifte. Natürlich hatten die Dinger eine Bedeutung, anderweitig hätte die Journalistin einfach nur gelacht und abwinkend deutlich gemacht, dass sie zuhause noch siebenundsechzig Paar ihrer geliebten Ohrschmuckstücke besaß. Doch Harry wusste nicht, wie er ihr helfen konnte. Die Chance, den Ohrring wiederzufinden, schätzte er als verschwindet gering ein. Es war nicht nur dunkel, nein, da waren auch die zahlreichen Menschen, die unachtsam sich ihren Weg durch den Park bahnten und damit den Ohrring schon sonst wohin getragen haben konnten – sie wussten ja nicht einmal, wo Jill ihn überhaupt verloren hatte.

Auch Jillian schien sich dessen bewusst, ein schweres Seufzen entfloh ihr, nachdem sie die Schlittschuhe wieder abgegeben und – endlich – wieder in festem Schuhwerk steckten. „Ich... Es tut mir leid. Kann ich dich vielleicht auf ein paar Schokoerdbeeren einladen? Um dich zumindest ein kleines Bisschen aufzuheitern?“ Jillian rang sich ein trauriges Lächeln ab, nickte dann jedoch. Doch der Kummer, den sie ausstrahlte, machte Harry deutlich, dass der Abend so gut wie gelaufen war.



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