Zum Inhalt der Seite

Our Beginning

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

„Die Typen da war’n also deine Freunde.“

 

Ryuji warf noch einen Blick zurück auf die kleine Gruppe Jungs, die nach einem kurzen Zusammenstoß und ein paar unfreundlichen Worten wieder ihrer Wege ging.

Es machte ihn wütend, dass Akira ihn aufgehalten hatte.

Er hätte den Kerlen gerne gehörig gezeigt, wo der Haken hing!

 

Aber nein. Das würde Akiras Ruf auch nicht helfen, und insgeheim war er froh, dass sein Freund ihn immer wieder vor Dummheiten bewahrte.

Das machte es trotzdem nicht unangenehmer.

„Was für Arschlöcher.“

„Ryuji.“

„Was denn?! Is‘ doch so! Die behandeln dich wie Dreck, Mann! Du hast längst wieder ne weiße Weste, das is‘ nich‘ okay von denen!“

 

Es war naiv, klar. Menschen änderten ihre Meinung nicht, nur weil sie hörten, dass sie falsch lagen.

Inzwischen war auch in der Schule bekannt, dass Kamoshida ein widerwärtiger Dreckskerl war, der seine Schüler misshandelt und missbraucht hatte, und trotzdem hatte das Tuscheln über Ann nie komplett aufgehört. Die Leute hielten Ryuji immer noch für einen nutzlosen Yankee, obwohl seine Schuld ebenfalls längst in ein anderes Licht gerückt war.

Aber einzugestehen, dass das schlechte Bild, das man sich schon eingeprägt hatte, falsch war? War wohl einfach zu schwierig für die meisten Leute.

 

Bei Akiras Umfeld schien es ähnlich zu sein. Viel erzählte er zwar nicht, aber es klang durch, dass er keinen guten Stand in seiner Klasse hatte, und dass seine alten Schulkameraden ihn immer noch mit Argwohn bedachten.

Sie tuschelten hinter seinem Rücken. Sie wollten nicht mehr mit ihm zu tun haben. Die Lehrer warfen ein strengeres Auge auf ihn als nötig.

Es war–

„–nich‘ fair!“, rief Ryuji noch einmal wütend aus. Der Mülleimer schepperte unter seinem Tritt gefährlich, aber es war ihm egal; er hatte das gebraucht. Irgendwie seinem Ärger Luft machen zu können, wenn er schon die Typen nicht verprügeln konnte, die Akira wie Dreck behandelten.

 

„Es ist ihr Verlust“, entgegnete sein Freund mit einem Achselzucken.

 

„Ich versteh das nich‘. Wie kannste das machen? Du bist immer so lässig un‘ gefasst, egal, was für Scheiß man dir entgegenwirft.“

Ryuji würde es nie verstehen.

Er würde es immer bewundern, ohne jede Diskussion, aber er würde nie verstehen, wie Akira das konnte. Der musste sich doch genauso elend fühlen, wie Ryuji sich gefühlt hatte, als sein altes Team sich von ihm abgewendet hatte! Nur noch schlimmer, denn im Gegensatz zu Ryuji, der tatsächlich eine Schuld daran gehabt hatte, hatte Akira nichts getan, um seine Freunde zu verraten.

Akira sah immer noch recht unberührt aus.

„Ich habe neue Freunde“, stellte er heraus, sein Blick vielsagend, „Und ich weiß, dass ich mich auf die immer verlassen kann.“

Er hatte keinen Grund, seinen Kontakten hier nachzuweinen. Ryuji konnte trotzdem nur den Kopf schütteln.

 

„Du solltes‘ echt abhau’n, wenn du mit der Schule durch bis‘“, kommentierte er mit einem missgelaunten Seufzen. Er sah fast sehnsüchtig noch einmal zu der Mülltonne hinüber, die er zu gerne noch einmal treten würde, behielt seine Füße aber bei sich.

Als er zu Akira zurücksah, grinste der schon wieder.

 

„Ich muss doch sowieso bei dir einziehen, damit du nicht verhungerst.“

„Ha! Ganz genau, Mann! Du kanns‘ deinen besten Kumpel nich‘ allein von zuhaus ausziehen lassen!“

 

 

 
 

***

 

 

 

Ryuji lag ausgebreitet auf Akiras Bett, den Kopf auf seinen Oberschenkeln, den Blick auf den Fernseher geheftet. Eine fremde Hand fuhr durch sein Haar.

Eigentlich war es entspannend genug, dass er beinahe in den Schlaf abdriftete.

Eigentlich.

Aber da waren Nachrichten auf dem Schirm, die noch von dem gleichen Fall wie ein paar Tage zuvor berichteten, und das brachte Ryujis Gedanken wieder zu Akiras dämlichen nicht-mehr-Freunden zurück.

So war an Schlaf nicht zu denken.

 

Frustriert vergrub er das Gesicht an Akiras Schlafhose, gab einen halberstickten Schrei von sich. Ein Zupfen an seinem Haar war gleichermaßen Mahnung und Beruhigung.

„‘S kotzt mich an“, murmelte er schließlich, als er den Kopf wieder hoch genug nahm. Er merkte erst jetzt, dass Akira den Fernseher wieder ausgeschaltet hatte. Das ganze Zimmer lag im Dunkeln.

„Gut, okay. An solchen Drecksäcken wie den Typen vorhin hätten auch die Phantom Thieves nichts machen könn‘, aber – trotzdem! Hier is‘ immer noch viel zu viel Ungerechtigkeit!“

Und sie konnten nichts tun.

Nicht in dem Maß, wie Ryuji das gern hätte. Nicht in dem Maß, wie es nötig wäre, um zu erhalten, wofür sie gekämpft hatten – eine bessere Welt, mit glücklicheren, selbstbestimmten Menschen, die selbstbewusst und überzeugt ihrem Weg folgen konnten.

 

„Da sin‘ immer noch so viele, die’n Sinneswandel brauchen könnten.“

 

Und es würde sich nicht ändern. Nicht, so wie es jetzt war.

Andererseits – könnte man das überhaupt noch ändern? Ryuji verstand die ganze Metaverse-Sache nicht. Das Metaverse gab es nicht mehr. Also gab es auch keine Paläste mehr. Hieß das also, dass es auch keine inneren Schweinehunde mehr gab, die man bekämpfen könnte?

War das alles anders geworden?

Aber Mona war noch da. Und Mona war auch nur ein Teil vom Metaverse gewesen.

War das Metaverse gar nicht weg, sondern nur unerreichbar?

Könnten sie es wiederfinden?

 

Wollten sie das wirklich?

 

Ryuji würde ohne Zögern ja sagen.

 

Aber er wusste, dass er nicht alleine war. Langsam stieß er die Luft aus, drehte sich herum, um zu Akira aufsehen zu können. Er erkannte nichts außer einer vagen Silhouette in der Dunkelheit. Das einzige Licht, das hereinfiel, kam vom Mond draußen.

Es war mau.

Akiras Hand lag auf seiner Wange, wo sie so nicht mehr durch sein Haar fuhrwerken konnte.

„Würdeste zurückwollen?“

 

Stille. Dann ein leiser Laut, der nicht ganz ein Seufzen war, aber trotzdem schon mehr als ein Atmen. Es mochte Einbildung sein, aber Akira klang müde in Ryujis Ohren.

 

„Wir haben eine Entscheidung getroffen.“

„Ich weiß. Ich mein ja nur hypo-hypope- du weißt schon!“

Akira wusste garantiert, was er meinte, doch er schwieg Ryuji trotzdem aus.

 

„Ich würde. Scheiß auf Lebensgefahr un‘ so’n Zeug, aber’s is‘ erdrückend, nur rumsitzen zu können! Egal, was ich tu, ‘s is‘ einfach nich‘ halb so viel, wie ich gern tun könnte! Un‘ es geht einfach nicht mehr!“

Er schnaubte erschöpft.

„Ich sollte Bulle werden.“

Dann konnte er mehr tun als darauf hoffen, dass die blauen Männchen ihren Job machten. Er konnte dafür sorgen, dass sie ihren Job machten! Er könnte es selbst tun.

Er verstand schon, warum Makoto in die Fußstapfen ihrer Schwester treten wollte. Musste ein gutes Gefühl sein, zu wissen, dass man gerade auf einen Job hinarbeitete, der die Welt besser machen konnte.

 

„Tu das.“

 

Akiras Antwort kam unerwartet genug, dass Ryuji ihn entgeistert ansah.

„Echt jetzt?“

Er hätte Spott erwartet. Einen neckenden Kommentar dazu, dass er sich doch niemals alle nötigen Gesetzestexte und Vorschriften und Regeln merken könnte. Eine Spitze, dass ein Yankee wie er doch kein Bulle sein konnte. Irgendetwas in der Richtung.

Aber alles, was er gerade noch bekam, war ein Nicken, und Akiras unergründlicher Blick, den er mehr auf sich spürte, als dass er ihn sah. Fingerspitzen klopften auf seine Stirn.

„Du wärst ein guter Polizist. Und körperlich fit genug, um einen Handtaschendieb auch durch ganz Tokyo zu jagen.“

Ryuji schnaubte.

„Hallo?! Als ob der so weit käme! Den hab ich nach’n paar hundert Metern locker eingeholt!“

 

Aber sie gefiel ihm wirklich, die Idee.

 

„Mann. Stell dir vor, wir wär‘n dann immer noch die Phantom Thieves! Ich wär der coolste Doppelagent überhaupt!“

Aber wenn er es wirklich zum Bullen brachte, dann – natürlich würde er die Phantom Thieves trotzdem noch brauchen, aber es wäre ein Weg, auf dem er auch zu einem Ziel kommen könnte. Eine bessere Welt. Den Schwachen Mut machen.

Ein bisschen Anerkennung dafür kriegen.

„Un‘ du, Akira? Was machste nach der Schule?“

 

Die Antwort kam mit einem Kuss auf Ryujis Nasenspitze.

 

„Das Gleiche wie du.“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück