Epilog: See you next level
Ich krieg Brechreiz. Seit Katsudon und der Alte hier aufgekreuzt sind, heißt es nur noch Glückwunsch, Glückwunsch, Glückwunsch und zu was? Nicht für Silber, nicht für den Weltrekord oder das Comeback, sondern für diese beknackte Exhibition.
Wenn Otabek nicht hier wäre, hätte ich schon längst die Flucht ergriffen. Ihm ist das egal, aber da ist er auch der Einzige. Der Thailänder übt schon für's Standesamt und der Schweizer hat dem Grinsen nach 'nen Dreier im Kopfkino laufen. Wehe die fangen wieder mit so'ner obszönen Kacke an wie letztes Jahr. Dann bin ich raus, aber so was von.
Die Idioten verschweigen es, aber Katsudon hat ihn gefragt. Der Presse können sie lange erzählen die letzte Showeinlage war als Kniefall vor dem König geplant. Katsudon hat das vielleicht geplant, aber Viktor wusste nichts davon. Der war doch fix und fertig mit der Welt, als sie mir und Otabek entgegen kamen...! Das war ein gottverdammter Heiratsantrag am Ende! Da war es umso besser, die Exhibition geändert zu haben, so hat wenigstens der Moment mir allein gehört!
…Sie wollen später noch mit mir reden. Keine Ahnung, worum's geht und warum sie das heute Vormittag bei der Pressekonferenz nicht anschneiden wollten. Sei’s drum, schlimmer kann’s net werden. Während der Konferenz fiel kein Wort darüber, ob Katsudon aufhört oder welchen Trainer er alternativ haben sollte, jetzt wo der Alte wieder einsteigt.
Gerade hängt er sich für die Kamera Katsudon über die Schulter und isst ihm aus der Hand. Dazu noch ein Grinsen medienwirksam in die nächste Kamera, dass auch der letzte Spaßt kapiert, dass Mr Superstar vergeben ist. Und Katsudon gefällt's, dass Viktor so anhänglich ist.. Dieses ganze Geflirte geht einem allein durch’s Zusehen tierisch auf'n Geist. Sie sollen das irgendwo anders machen, wo's keiner sehen kann! Wahrscheinlich hat Viktor jetzt schon wieder vergessen, dass sie mit mir reden wollten! Wenn sie nicht langsam zu Potte kommen, dann bin ich weg. Ich will nicht noch ewig hier rumgammeln und von Yakov und Lilia hin- und hergeschleift werden. Hände schütteln hier, freundlich sein da – was soll der Dreck? Diese ganze Promokacke, die Viktor das jedes Mal mitgemacht hat, mach' ich ganz bestimmt nicht mit. Ist ja kein Wunder, dass dem irgendwann die Lichter ausgegangen sind!
Irgendwann stehen die Iditon doch vor mir. Was auch immer es zu sagen gibt, ich hoffe, es war die Warterei wert.
„Spukt’s aus.“
„Du weißt doch noch gar nicht, was wir sagen wollen“, fängt der Alte an sich aufzuplustern.
„Es ist mir egal, klar?“, schnappe ich zurück. „Ihr habt doch bloß noch Augen für euch. Der Rest interessiert doch gar nicht mehr.“
„Deswegen wollen wir mit dir reden,“ antwortet Viktor, „oder viel mehr, Yuuri möchte das.“
„Tz, ein Auf-Nimmer-Wiedersehen?“, motze ich. Das kann er sich sparen. „Du bist das Letzte, Katsudon.“
„Also nicht direkt...“
„Nicht direkt?! Was soll das heißen, nicht direkt‘?“, rufe ich aufgebracht und stapfe einen Schritt auf ihn zu, hält die Hände vor seine Brust. Mit dem rechten Zeigefinger deute ich direkt zwischen seine Augen. „Du denkst doch keine Sekunde darüber nach, wie du auf andere wirkst! Du hockst in ner Kabine auf'm Klo und flennst, aber kannst dem da den Weltrekord ablaufen und denkst dann, das war’s?!“
„‚Dem da‘? Wer ist denn ‚Dem da‘?“, beschwert sich Viktor, aber es geht mir am Arsch vorbei.
„Man kann nicht einfach mal nur für sich an die Spitze laufen und dann verschwinden!“
„Ja, ich weiß“, sagt Katsudon, senkt den Kopf und sieht mich dann direkt an. „Deswegen verschwinde ich auch nur kurz...“
Ha? Kurz? Was labert er? Dann kommt er plötzlich auf mich zu und umarmt mich. Was zur Hölle geht hier?!
„Nur so lange, bis ich mein Visum bekomme“, gesteht er.
Ein Visum? Visum für was...?
„Wir essen dann zusammen in Russland Katsudon, Yurio.“
Was, wie, meint der etwa ein Visum für...?!
„Yuuri und ich kommen zurück“, sagt Viktor und legt die Arme um uns beide. „Yuuri wird auch nicht aufhören. Wir laufen alle drei, zusammen.“
...!
Mann, Alter. Ihr seid solche Vollidioten...
Aber ich freu mich drauf. Ehrlich.
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Als Viktor und ich den Bankettsaal an unserem letzten Abend in Barcelona verlassen, umgibt uns eine merkwürdige Gelassenheit. Beim Betreten des Bankettsaals fühlte ich mich zunächst verunsichert; vielleicht weil meine Erinnerung des letzten Banketts nicht mit der Realität übereinstimmt, wie ich mittlerweile auf zahlreichen Fotos gesehen habe. Es gäbe sicherlich auch jede Menge Gründe, sich deswegen unwohl zu fühlen, wenn ich dadurch nicht den schönsten Zufall meines Lebens an der Hand halten würde.
Offiziell bestätigt haben wir es nicht, aber einen Hehl daraus zu machen, dass wir uns nahestehen, wäre nach allem, was gewesen ist, ein Verrat an uns selbst. Jeder der Anwesenden hat es vermutet, wenn derjenige es nicht sogar aus erster Hand weiß. Mit unserer Exhibition haben wir der Welt gezeigt, dass wir zusammen bleiben wollen und nach nur wenigen Minuten sind uns für diese gelungene Überraschung mehr Glückwünsche ausgesprochen worden als für die Silbermedaille oder den Weltrekord. Auch jetzt schwebt noch dieses gewisses Gefühl in der Luft, das mich an das Tanabata erinnert und das ich nicht richtig in Worte fassen kann, bis man uns unerwartet doch noch die Frage stellt, die gleichzeitig die Antwort zu sein scheint: „Seid ihr glücklich?“
Es braucht einen Moment, es zu realisieren, aber ja. Wir sind glücklich.
Nicht nur, weil es ab heute ein wirkliches Wir gibt. Zum ersten Mal in meinem Leben stehe ich am Ende eines internationalen Wettkampfs und bereue nichts. Weder die Dinge, die dich getan habe; noch die Dinge, die ich nicht getan habe.
Eine Goldmedaille bin ich Viktor zwar immer noch schuldig, aber wir haben von jetzt an alle Zeit, dieses Ziel weiterzuverfolgen. Schließlich scheint kein Traum zu groß, wenn es jemanden gibt, der mit einem träumt. Und manche Ziele bleiben alleine auf ewig unerreichbar. Wir haben uns entschieden, unseren Weg zusammen auf dem Eis zu gehen. Dort haben wir gefunden, wonach wir beide gesucht haben.
Für uns bedeutet alles auf dem Eis Liebe.
~ENDE~