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Rot und Blau

von

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Flucht

Das Dunkle war seit Menschen Gedenken dasjenige, was immer Furcht in ihnen auslöste. Nichts sehen zu können und sich nur auf seine eigenen, anderen Sinne verlassen zu müssen, während der Verstand nur auf das nötigste reduziert war.

Nämlich zu überleben und auf jede ach so kleine Gefahr zu achten.

Leichter gesagt als getan, denn alles klang gefährlich im dunklen. Selbst ein kleiner Vogel der nur über dem Waldboden sprang und dabei kleines Äste zerbrach, hörte sich eher so an, als ob uns jemand folgte. Jemand der uns umbringen will.

Hart schluckte ich sogleich und lauschte angespannt in die Dunkelheit, während sich dicht neben mir etwas bewegte und gegen mich stieß.

Dies ließ mich jedoch nicht wirklich aufschrecken, sondern eher der kurze Schrei dicht neben mir. „Verdammt, habt ihr das auch gehört? Da hinten?“, fragte mich eine zitternde Mädchenstimme. „Nur dein Geschrei war zu hören! Jetzt wissen alle wo wir sind!“, zischte stattdessen eine aufgebrachte Jungenstimme dicht hinter mir.

Innerlich murrend atmete ich tief durch und versuchte mich wieder etwas zu entspannen. Bevor die beiden Streithähne sogleich loslegen konnten, ging ich dazwischen. „Seid still!“, flüsterte ich angespannt und lauschte in die Dunkelheit.

Bis auf das knacken der Äste und das leise ächzen der Bäume, die sich im Wind bewegten, konnte ich nichts weiter vernehmen.

Erst als ich kleine Hände in meiner Jacke fest krallten, entspannte ich mich wieder etwas und atmete tief ein. „Wir sollten uns beeilen, damit wir hier schnellstens raus kommen“, sprach ich ruhig und blickte nun hinter mich.

Nur mit Mühe konnte ich ihre Umrisse erkennen, doch ihren angstvollen Blick den sie auf mich gerichtet hatten, spürte ich dagegen umso mehr.

„Okay?“, sprach ich leise und versuchte die beiden Kinder, die mir seit Anbeginn der Reise folgten, anzulächeln. Gelang mir jedoch nicht wirklich überzeugend, da ich selbst müde und erschöpft war…und man mir es vermutlich auch ansah.

Ich hörte das kleine Mädchen hinter mir kurz schniefen, eh sie meine Hand ergriff und kurz drückte.

Ein abfälliges schnauben ihres Bruders dagegen, klang mehr nach Frustration statt Furcht. „Solange Amber nicht wieder schreit“

„Tue ja nicht so cool, Adam! Du hast dich auch vorhin an mir festgekrallt gehabt, als es neben uns so geknackt hat!“, brauste Amber sogleich auf und warf ihrem Bruder einen bösen Blick zu. Zumindest denke ich, dass sie das tat.

Ehe ich wieder dazwischen gehen konnte, spürte ich plötzlich etwas nasses meine Wange hinab laufen.

Überrascht sah ich auf und spürte sogleich, wie etwas über meine Nase lief. Kalt und nass.

„Es fängt an zu regnen! Das hat uns gerade noch gefehlt!“, schimpfte Adam sofort drauf los und stampfte wütend mit einem Fuß zu Boden, während es nun tatsächlich mit Regnen anfing und ich frustriert wieder zu Boden blickte.

Das verkomplizierte die Sache ziemlich.

Wir waren in der Nacht mitten im Wald und es regnete…und das bei Temperaturen die fast beim Gefrierpunkt lagen.

Zudem bin ich absolut orientierungslos und weiß einfach nicht, wohin ich noch gehen sollte. Alles war aber immerhin besser, als die Stadt. Zumindest darin war ich mir absolut sicher.

Ein leichtes zittern neben mir ließ mich zu Amber blicken, die sich sogleich enger an mich schmiegte und meine Hand so eisern festhielt, dass sie wohl angst hätte, ich könnte verschwinden.

So wie ihre Eltern.

Langsam fuhr ich mir mein inzwischen nass gewordenes Haar aus dem Gesicht und sah mich aufmerksam um.

„Wir finden schon was…wir waren hier im Sommer gewesen. Eure Jagdhütte muss hier irgendwo sein“, sprach ich angespannt zu Adam, doch der murrte nur und schien wohl auch kurz davor zu quengeln. Denn ich konnte inzwischen auch ein leises, verzweifeltes schluchzen vernehmen.

„Ich sehe nichts! Wie soll ich die im dunklen auch finden!“, fuhr er mich nun wütend und verzweifelt an.

Der Regen wurde inzwischen stärker, ebenso seine Mutlosigkeit und Wut.

„Wir werden diese Hütte niemals finden! Die finden garantiert vorher uns!“, schrie er jammernd und ließ mich zusammen fahren.

Amber neben mir, fing nun ebenfalls an zu schluchzen, als hätte sie jemand plötzlich heftig geschlagen.

Beinahe paralysiert hörte ich nun das weinen der Kinder, während mir die großen, schweren Tropfen ohne Unterlass auf meinen Schädel donnerten.

Am liebsten würde ich mich einfach meinen Tränen hingeben und mich hilflos zusammenrollen. Alles von mir schmeißen und hoffen, dass dieser Alptraum schnell vorbei ist und ich wieder daheim bin. Daheim bei meiner Familie, die mich freudestrahlend empfängt, nachdem ich ein Jahr fort war.
 

Aber dem war nicht so. Und zu heulen, würde keinem von uns helfen.

Entschlossen sah ich nach vorn, blinzelte die Tränen trotzig aus meinen Augen, während der Regen dafür sorgte, das sich mein Gesicht so anfühlte, als hätte ich bereits seit Stunden geheult.

Ein gleisend heller Blitz erhellte plötzlich für einen kurzen Augenblick die Umgebung und ließ uns alle miteinander aufschreien.

Doch der Donner, der sofort danach folgte, war um einiges beängstigender als es dieser Blitz je sein könnte.

„Ich will nach Hause! Ich will weg von hier!“, schrie Amber aufgebracht und hielt sich heulend die Ohren zu, als der Donner so laut in unseren Ohren hallte, das ich den Anschein hatte, die Welt würde sofort grollend untergehen.

Adam drückte sich zitternd an mich und schrie ebenfalls, während ich erschrocken die Augen weitete und mir erneut mein nasses Haar aus dem Gesicht strich, um besser sehen zu können.

„Die Jagdhütte! Da vorn ist sie!“, brüllte ich aufgebracht, um den Donner zu übertönen der sogleich folgte, als ein weiterer Blitz die Umgebung um uns kurz erhellt hatte.

Ein schlichtes, altes Holzhaus stand auf einer Lichtung, nicht weit von uns entfernt. Schnell nahm ich die weinenden Kinder jeweils an meine Hand und hastete sogleich los.

Auch wenn uns sogleich wieder die Dunkelheit umgab, weil kein Blitz mehr über den Himmel tanzte, so konnte ich mir immerhin gut die Richtung merken, in welcher die Hütte stand.

Jedoch vergaß ich auch das, was noch vor mir lag.

Mit einem reisenden Geräusch war ich an eine Hecke vorbei gestürmt, die mir sogleich meine Strumpfhose aufgerissen hatte und meine Haut dazu.

Mit zusammen gebissenen Zähnen rannte ich weiter, denn der nächste Blitz schoss in zick-zack Linien über uns und die Wipfel der Bäume hinweg.

Der Donner der daraufhin folgte, ließ auch mich aufschreien, denn die Erde schien zu Beben und mein innerstes ebenfalls. Amber fiel vor Schreck zu Boden und quiekte laut auf.

Hastig zog ich sie wieder auf die Beine und rannte sogleich weiter, immer weiter Richtung Hütte, die so nah vor uns lag.

„Gleich haben wir es geschafft!“, versuchte ich die Kinder zu beruhigen…und vor allem mich.

Inzwischen war der Boden so aufgeweicht, dank des Regen, das auch ich beinahe ausgerutscht und hingefallen wäre. Mit mühe hielt ich uns alle aufrecht, ehe wir dann endlich die Hütte erreicht hatten.

Hastig kramte ich in meiner Seitentasche herum und suchte den alten, verrosten Schlüssel den ich auf unseren Fluchtweg im vorbei gehen, nur schnell eingesteckt hatte. Hoffentlich habe ich ihn nicht verloren…

Doch als ich den harten, metallischen und Schlüsselförmige Gegenstand endlich gefunden hatte, in den tiefen meiner viel zu großen Jacke, atmete ich erleichtert auf und steckte den Schlüssel sogleich in das Schlüsselloch.

Mit einem Klacken ging die Tür auf und ich schob die Kinder schnell hinein, ehe ich scheppernd die Türe hinter mir zuknallte. Augenblicklich war ein lauter Donnerschlag zu hören, fast so als wolle dieser meinen frevelhaften Lärm übertrumpfen.

Vorsichtig blickte ich mich in der Hütte um, während draußen der Regen gegen die Holzbalken trommelte. Wieder herrschte Dunkelheit und die damit verbundene Angst, Was sich im Dunklen alles so aufhalten könnte.

„Dad hat das Feuerzeug glaub ich…dort hingelegt!“, rief Adam sogleich und zeigte auf eine schemenhafte Kommode. Sogleich nickte ich und ging geradewegs darauf zu.

Vorsichtig fing ich damit an, die Kommode abzutasten.

Alles fühlte sich staubig und schmutzig an, außerdem krabbelten meine Fingerspitzen unwohl, als diese an irgendetwas festzukleben schienen.

Hastig wischte ich den Gedanken an eine große, behaarte Spinne beiseite, die mir wohl jetzt den Arm hochkrabbelt und tastete aufgeregt weiter.

Und endlich fand ich das, was ich gesucht hatte. Eine Packung Streichhölzer! Gerade wollte ich vor Freude aufschreien, als mich der laute Donner sogleich ausbremste und stattdessen dafür sorgte, dass ich vor Schreck die Streichhölzer wieder fallen ließ.
 

Wenn es nicht gerade so beängstigend wäre, hätte ich wohl darüber lachen können
 

Doch mein Herz ist mir leider in die Hose gerutscht. Leise fluchend tastete ich jetzt also auf dem Boden herum und war mit diesmal absolut sicher, dass es staubig und dreckig hier drinnen war.

Auf einmal stieß ich gegen etwas und blickte verwirrt auf, als ich Amber erkannte. Mit zittrigen Fingern hielt sie mir nun die Streichhölzer entgegen. „I-ich hab sie gefunden“, flüsterte sie.

„Und ich hab das gefunden!“, rief Adam schon beinahe stolz und stach mir mit seiner gefundenen Kerze beinahe das Auge aus.

Schnell erhob ich mich und zündete sofort ein Streichholz an. Das kleine Licht erhellte nur leicht die Umgebung, doch es reichte aus damit ich die beiden Kinder erblicken konnte. Doch was ich sah, gefiel mir gar nicht, also zündete ich jetzt schnell die Kerze an, damit ich ein besseres Sichtfeld bekam.

Adam ist ein 10 jähriger Junge von relativ großer Gestalt mit kurzen blonden Haaren und blauen Augen. Über seinem linken Auge war ein tiefer, blutiger Kratzer zu sehen, welcher auch noch weit in seine Augenbraue ragte. Ansonsten war seine Kleidung teilweise zerrissen und absolut durchnässt.

Amber ist die Zwillingsschwester von Adam und ebenfalls blond. In ihren blauen Augen hatten sich erneut Tränen gebildet, die nun auf ihre aufgeschrammte Wange hinunterlief, weiter zu ihrer aufgeplatzten Lippe.

Sie sah blass und erschöpft aus und nicht weniger durchnässt, als ihr Bruder.

An beiden klebte getrocknetes Blut.

Mühsam riss ich mich von dem Anblick los und bat die beiden, sich auf das nahe alte Sofa zu setzten. Währenddessen suchte ich nach jeder Kerze in der kleinen Hütte und zündete diese an.

Kurz darauf hatte sich ein angenehmes, schwaches Licht in jedem Raum ausgebreitet. Nebenbei spendeten die Kerzen noch etwas Wärme, auch wenn es nicht viel war.

Während ich mich vor dem Kamin hinhockte, etwas zerknülltes Papier und alte Holzbretter hinein warf, kam mit tapsigen Schritten jemand auf mich zu. Ich musste mich nicht umdrehen, um zu wissen wer es war. „Mir ist kalt, Hannah“, sprach Amber leise neben mir und zitterte bereits.

Selbst ich fing ebenfalls nun an zu zittern und sah an meine nasse Kleidung hinab.

Zerrissen an manchen Stellen und ebenfalls so nass, das ich schon eine kleine Pfütze unter mir zustande gebracht hatte.

Murrend erhob ich mich und holte den alten Wäscheständer aus dem kleinen Schlafzimmer. „Zieht euch die nasse Kleidung aus, ich hole uns etwas anderes!“

Während die Kinder eher murrend und maulend sich umzogen, blickte ich skeptisch in den großen, alten und rustikalen Eichenschrank.

Zwar hing hier viel Kleidung, doch das war definitiv alles für Männer und zudem ziemlich…alt.

Ich zog die Sachen dennoch hervor, schrie aber beinahe erschrocken auf, als mir unzählige Motten entgegen flogen.

Hastig eilte ich zu den Kindern zurück und warf ihnen die übergroßen Kleidungsstücke entgegen. Auch ich zog mich fix um und hing meine nasse Kleidung auf den Wäscheständer, ehe ich diesen dann vor dem warmen Kamin stellte.

Das übergroße Holzfällerhemd knöpfte ich eher schnell und halbherzig zu, weswegen es wohl etwas ungeordnet aussah. Sehr zur Freude von Adam.

„Ständig hast du uns gesagt, dass wir uns ordentlich anziehen sollen und jetzt siehst du auch nicht besser aus!“

Amber brachte nun ebenfalls ein schwaches Lächeln zustande, ehe ich nur einmal schwer schnaufte und mir die viel zu große Hose gleich beiseite warf. Inzwischen war es zum Glück nicht mehr so kalt, also würde es auch ohne Hose gehen, zudem war das Hemd lang genug. Ging ja fast als Kleid durch…ein ziemliches hässliches aber.

„Habt ihr Hunger? Vielleicht findet sich in der Küche noch etwas?“, sprach ich schmunzelnd um schnell das Thema zu wechseln.

Doch alle beide schüttelten nur stumm den Kopf und schwiegen nun. Es wurde so still, dass wieder das Trommeln der Regentropfen auf dem Dach zu hören war.

Abschätzig blickte ich zur Decke hinauf und hörte es irgendwo hinein regnen. Zudem klang es auch so, als ob irgendwo etwas über den Dachboden ging. Es knarzte hier und dort verdächtig.

Angespannt lächelnd sah ich zu den beiden erschöpften Kindern und warf ihnen eine große, muffige Decke über, um sie zuzudecken. „Naja es nicht unbedingt das Hilton, aber besser als nichts“, versuchte ich die angespannte Stimmung etwas zu aufzulockern.

Adam jedoch sah finster drein, während Amber starr aus dem Fenster blickte und die Regentropfen beobachtete, die wie Rinnsale hinabflossen.

„Dad hat hier auch seine Pistole und Schrotflinte liegen, wir müssen sie finden. Dann gehen wir zurück und zeigen es diesen Arschlöchern!“

Mit jedem Wort wurde Adam lauter und aggressiver. Amber neben ihm zuckte zusammen und fing stumm an zu schluchzen.

„Adam, das können wir nicht“, sprach ich nach einer kurzen Pause ruhig und sah eindringlich in sein angespanntes Gesicht. Sofort richtete er sich auf und warf mir wütend das stinkende Kissen entgegen. Nur knapp konnte ich diesem ausweichen, ehe es gegen ein präpariertes Kaninchen traf und dieses mit zu Boden warf.

„Sie sind alle Tod…und wir sind feige geflohen…“, flüsterte der Junge aufgebracht, während er in mein entsetztes Gesicht blickte.

Wieder herrschte Stille, eine angespannte Stille die selbst der laute, grollende Donner nicht vertreiben konnte. Ich starrte auf den Jungen hinab, während Adam wütend seine Tränen wegblinzelte und mit der Faust auf die Sofalehne schlug.

„Alle sind…Tod…“

Eilig lief ich zu ihm und drückte ihn eng an mich, sein Körper schüttelte sich nun vor Schluchzen, während er immer wieder dieses eine Wort wiederholte, vor dem wir heute so verzweifelt und überhastet geflohen waren.

Tod.

Amber schloss sich kurz darauf ihren Bruder an und schmiegte sich voller Trauer und Verstörung in meine Arme. Verbissen starrte ich zu Boden, drückte die beiden an mich und versuchte mich nicht mitreißen zu lassen.

Ich muss stark bleiben für die beiden…ich muss. Wenn ich jetzt auch anfangen sollte zu heulen, wird das niemandem helfen. Am wenigstens mir.

Also keine Furcht vor der Zukunft zeigen. Auch wenn sie bis jetzt fürchterlich aussieht.

„Es war ein anstrengender Tag, lasst uns schlafen, ja?“, lächelte ich die beiden warm an und wischte ihnen die Tränen aus den Gesicht.

Die Erschöpfung der beiden war beinahe greifbar, doch an Schlaf war wohl nicht zu denken.

„Und wenn sie uns finden?“, wisperte Amber mit aufgerissenen, verquollenen Augen. „Wenn sie uns finden und dasselbe mit uns anstellen, wie mit Mum und Dad?“

„Das lasse ich nicht zu“, versprach ich Augenblicklich und sah dem Mädchen fest in die Augen. „Versprochen“

Wieder Stille.

Amber legte sich nun auf das Sofa, zog sich die Decke hoch bis zur Nasenspitze und blickte Gedankenverloren in das knisternde Kaminfeuer.

Es dauerte nicht lange und ihr fielen die Augen langsam zu. Kurz darauf war sie eingeschlafen, meine Hand dabei jedoch festhaltend.

Abwartend schielte ich zu Adam, der mich abschätzend musterte, dann trotzig und schniefend wegblickte. „Ich wollte dich nicht mit dem Kissen treffen es…tut mir leid“, murrte er so leise, das ich ihn kaum verstanden hatte.

Etwas belustigt sah ich ihn an, dann wuschelte ich durch sein zerzaustes Haar. „Jaja, das waren doch Vorpupertäte Züge. Ich weiß schon“, sprach ich leise lachend, doch Adam sah betrübt weg und ließ mich wieder verstummen.

„Wir hätten nichts tun können, oder?“, fragte er flüsternd.

„Nein“, flüsterte ich ebenso, blickte auf die alte Decke und zupfte etwas unbeholfen daran. „Wir konnten froh sein, das wir noch fliehen konnten“

Adam schwieg.

Nachdenklich blickte ich zu Boden, ließ die vergangenen Stunden nochmal an mir vorbei ziehen, doch wenn ich nicht gerade ein Android wäre, der jedes kleines Detail nochmal zurückspulen kann, so werde ich wohl nie erfahren, was da eigentlich alles genau passiert ist.

Wir können einfach nur froh sein, das wir entkommen konnten. Gerade wollte ich das erneut zu Adam sagen, als ich feststellte, dass er eingeschlafen war.

Ein kurzes lächeln huschte über meine Lippen, dann deckte ich ihn ebenfalls zu und legte mich zu den beiden dazu.

Morgen würde ich nach diesen Waffen suchen, die hier irgendwo herum lagen. Dann wären wir immerhin etwas sicherer.

Das stetige Klopfen des Regen gegen die Häuserwand, hatte schon beinahe einen melodischen Klang.

Erschöpft sah ich aus dem Fenster, lauschte dem Regen…und fiel kurz darauf in einen tiefen und traumlosen Schlaf, den meinen entkräfteten Körper so dringend brauchte.
 


 

Ein greller Schrei ließ mich augenblicklich erschrocken auffahren und die Augen aufreißen. Mit klopfendem Herzen blickte ich zur Seite, doch bekam just in demselben Moment einen dumpfen und harten Schlag an die Schläfe. Gepeinigt schrie ich auf und sackte wie ein schwerer Sack zur Seite, während ich deutlich mein Blut durch die Adern pulsieren spürte und eben dieses sich gerade einen Weg über meine aufgerissene Haut bahnte.

Der Schmerz in meinem Kopf teilte sich explosionsartig überall aus und ließ mich zunächst keinen klaren Gedanken fassen. Lediglich die Schreie von Adam und Amber drangen mir in die Ohren und johlendes Gelächter, welches sich dumpf und entfernt anzuhören schien.

„Zwei Gören und eine Frau. Ich habe dir gesagt in dieser Hütte steckt mehr, als es zunächst den Anschein hat!“

Amber schrie erneut auf, schmerzvoller als zuvor.

Mühsam richtete ich mich mit zusammengebissenen Zähnen auf, blinzelte das Blut aus meinen Augen, welches bereits meine Wangen hinablief und stierte wütend zur Seite.

Drei mir unbekannte Männer hatten sich um unser Schlafquartier versammelt und starrten auf uns herab. Einer grinste dabei unheimlich, ließ dabei eine große Zahnlücke in seinen Schneidezähnen erkennen, während er belustigt die windende Amber begutachtete, die er scheinbar locker an ihren Handgelenken festhielt.

Adam wurde von einem anderen Mann mit ungepflegten, langen Haaren zu Boden getreten. Auch er schrie jämmerlich auf.

Gerade als ich mich aufrichten wollte, wurde ich an meinem Kragen gepackt und nach oben gezogen. Erschrocken starrte ich in ein grobes, unrasiertes Gesicht. Er sah nicht besser aus, als ein verwahrloster Holzfäller, der schon zu lange in den Bergen gelebt hatte. Und das tat er bestimmt auch. Alkoholgeruch zog mir in die Nase, als der Kerl vor mir anfing zu sprechen.

„Ihr seid einfach in unser Territorium eingedrungen, das kann ich nicht dulden“

Adam schrie empört und gepeinigt auf. „Diese Hütte gehört meinem Dad!“

Sofort erfolgte ein Tritt in seine Magengegend, der ihn gequält nach Luft schnappen ließ.

Erschrocken starrte ich ihn an, als der Mann abfällig grinste und seine glasigen und blutunterlaufenden Augen an meinem Gesicht auf und ab wandern ließ.

„Wenn die Welt schon aus den Fugen gerät, dann sollten wir uns dem anpassen, meinst du nicht?“, hauchte er mir entgegen, während mir sein vergorener Atem beinahe die Luft zu atmen nahm.

Diese verdammten Mistkerle haben alle dieses Dreckszeug Red Ice intus und werden uns vermutlich bestialisch abschlachten, nachdem sie wer weiß was mit uns angestellt haben!

„Wer hätte gedacht, das dieser verdammte Aufstand dieser Plastikknalltüten doch noch etwas Gutes hat!“, rief grölend derjenige der Amber festhielt und sie nicht einmal aus den Augen ließ, während das Mädchen verzweifelt schluchzte.

Adam japste noch immer nach Luft und krümmte sich vor Schmerz, doch er war bei Bewusstsein.

Weg hier…und zwar sofort!

Ehe ich mir auch nur ansatzweise einen Plan überlegen konnte, plapperte ich einfach drauf los.

„Wenn ihr euch gegen diese Androiden verteidigen wollt, dann braucht ihr doch Waffen“, warf ich in diese zweifelhafte Konversation ein, denn ich wurde auf die Couch niedergedrückt und starrte mit aufgerissenen Augen zu dem Mann auf, der sich belustigt über mich beugte.

Gier blitze in seinen Augen auf und ließ mich erzittern, während ich verzweifelt versuchte den Griff um meinen Kragen zu lockern.

Und tatsächlich verfluchte ich mich innerlich dafür, dass ich mir am Abend zuvor nicht einfach noch eine Hose drüber gezogen hatte und mir dieses viel zu große Hemd nicht ordentlich zugeknöpft habe.

„Eine Waffe? Ja, sehr von Vorteil“, sprach er heiser und fuhr über meinen nackten Schenkel weiter hoch zu dem Hemd. Ekel ergriff mich, doch ich sprach hastig weiter.

„Im Nachttisch im Schlafzimmer befindet sich ein Revolver“

Er hielt inne, blickte mich prüfend mit den geweiteten Pupillen an. Kalter Schweiß rann meinen Rücken hinab und ließ mein Herz auf Hochtouren arbeiten.

„John, sieh nach“, sprach er mit rauer Stimme und ließ mich zusammenzucken, als er mit seinen rauen Fingern nun unter dem Hemd war.

John war derjenige, der eben noch auf Adam eingetreten hatte, sich aber nun mit schlurfenden Schritten Richtung Schlafzimmer machte.

Kaum war besagter John im Schlafzimmer angekommen, rammte ich mein angewinkeltes Bein so brachial wie mir möglich in den Unterleib dieses Mistkerls, der mich festhielt.

„Hier ist nichts!“, rief John frustriert und polterte laut im Schlafzimmer umher.

Hastig stand ich auf und trat dem anderen Mann der Amber festhielt in die Kniekehlen und brachte ihn immerhin auch zum straucheln, gefolgt von einem wütenden Fluch.

Amber befreite sich schnell, rannte zu ihrem Bruder und half ihm auf. Adam richte sich mühsam auf und hielt sich seinen schmerzenden Unterleib, während er erschrocken aufsah.

So schnell ich konnte, rannte ich zu der kleinen Küchenzeile und holte mir die schwere, gusseiserne Pfanne. Mit Mühe konnte ich sie hochhalten und ließ sie dann donnernd auf den Kopf des Mannes nieder, der eben noch Amber festgehalten hatte.

Mit einem dumpfen stöhnen fiel er zu Boden.

„John! Schnell die Knarre!“, rief der andere der mich eben noch festgehalten hatte und richtete sich schnaufend und wutentbrannt auf. Hass spie aus seinen Augen…und Mordlust.

„Schnell, raus hier!“, rief ich gehetzt und packte die beiden an die Hände um schnell zur Tür zu rennen.

Eilig riss ich die Türe auf und hörte im selben Augenblick einen lauten Knall und das splittern von Holz knappe neben meinem Kopf.

Ich sprang beinahe aus dem Haus und riss die beiden Kinder mit mir mit. Erst jetzt fiel mir auf, dass wir ohne Schuhe unterwegs waren. Der kalte und feuchte Matsch umschlang sofort meine nackten Füße und versuchte diese beinahe am Boden festzuhalten.

Aber immerhin war jetzt morgen und ich konnte sehen wohin ich rannte.

Mühevoll zerrte ich die Zwillinge mit mir mit, tiefer in den Wald. Amber fiel prompt in den Dreck, da sie die lange Kleidung die sie trug, zum straucheln brachte.

Mit letzter Kraft zog ich sie hoch und stieß sie voran, ehe ich einen neuen Knall hörte und kurz darauf einen brennenden Schmerz in meiner Hüfte.

Die Beine gaben nach und ich flog nun ebenfalls in die aufgeweichte Erde die mich zugleich wie festzuhalten schien.

Angestrengt atmete ich tief ein und aus, der durchdringende Schmerz in der Seite wurde schlimmer, ließ mir kaum Luft zum Atmen.

Alles drehte sich. Die Geräusche um sich herum wurden dumpfer, lediglich mein Blut hörte ich wieder kraftvoll durch meine Adern rasen.

„Hannah! Hannah!“, hörte ich Amber angsterfüllt schreien.

„L-lauft!“, rief ich angestrengt, als hätte ich gerade einen Marathon hinter mir. Der Preis für dieses eine Wort war hoch, denn meine Körperspannung schien wie weggewischt.

Ungelenk kippte ich nach meinem Halbherzigen aufstehversuch wieder zu Boden und hielt mir schmerzlich stöhnend meine Wunde. Das Hemd war an der Stelle regelrecht durchweicht und ich war mir ziemlich sicher, dass es sich dabei nicht um Wasser handelte.

Schritte waren zu hören und ich entdeckte Kinderfüße die sich vor mir aufstellten und mir aufzuhelfen versuchten.

Verdammt…

„Ihr verdammten Gören, glaubt doch nicht ernsthaft, dass ihr mir entkommen könnt?“, fluchte besagter Mann, der sich wohl als Anführer dieser zweifelhaften Bande herausstellte. Sein Kumpane John stand dicht neben ihm und sah uns schadenfroh an, fast so als freue er sich auf das, was gleich kommen würde.

Wütend stierte ich zu ihm auf, zwischen Adam und Amber, die sich schützend vor mich gestellt hatten.

Das diese Kinder nie hören wollen! Sie sollen weglaufen!

Ich japste wieder nach Luft, hielt mir verzweifelt meine schmerzende Seite um irgendwie die Blutung zu stoppen, doch das war aussichtslos.

„Rennt weg, bitte!“, flüsterte ich angestrengt.

Ehe ein weiteres Wort ertönen konnte, gab es einen weiteren lauten Knall.

Stille.

Angestrengt atmete ich ein und aus und sah perplex drein, als dieser John zu Boden fiel und sich nicht rührte.

Was…ist passiert?

Schritte, knackendes Holz umgab uns und ließ mich entgeistert in die schlammige Erde festkrallen, die sich feucht einen Weg zwischen meine Finger bahnte.

Ein Kreis von circa zehn Menschen hatte sich um uns gebildet, Menschen die einfach aus dem Nichts auftauchten und uns aufmerksam zu Beobachten schienen.

Ich habe sie nicht einmal bemerkt. Geschweige denn die Kinder, deren Blick nach zu urteilen.

„Was…zum?! Was wollt ihr?!“, rief der Mann der mich angeschossen hatte und richtete nun seine Waffe wutentbrannt auf die Menge die uns umgab.

…Erschrocken weitete ich meine Augen, als ich mir diese sogenannten Menschen genauer betrachtete. Blaue LED´s waren an ihren Schläfen erkennbar.

Augenblicklich wurde mir schlecht.

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, erfolgte ein Schuss aus der Menge, der den Mann der mich noch vor wenigen Minuten so bedrängt hatte, mitten in der Stirn traf.

Dumpf fiel er zu Boden und rührte sich nicht mehr.

Angespannt sah ich zu demjenigen, der den Schuss abgefeuert hatte. Ein junger Mann mit braunen Augen und Haar. Sein Haar war recht kurz geschnitten und von warmer dunkelbrauner Farbe, die fast meiner glich. Lediglich eine einzige kleine Haarsträhne lag ihm im Gesicht, die ihn von seinem perfekten Äußeren etwas abzuheben schien.

Er trug eine schicke Uniform, an der rechten Seite seiner Brust prangten die Initialen, die ein jeder Android besaß.

RK800

#313 248 317(-51)

Dann trat er aus der Menge auf uns zu und sprach uns mit einer klaren und freundlichen Stimme an.

„Ihr müsst mit uns kommen“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  KokoroSwansong
2018-07-16T15:44:14+00:00 16.07.2018 17:44
Ich finde, dass es immer eine besonders große Herausforderung ist Kinder zu schreiben und vernünftig darzustellen. Dies ist dir sehr gut gelungen und ich freue mich sehr das nächste Kapitel zu lesen. Weiter so!
Antwort von:  Himitsu-chan
16.07.2018 22:32
Vielen lieben Dank für dein Kommentar ^^
Freut mich das die Kinderso realistisch rüberkommen, hatte schon befürchtet die beiden zu sehr ins Extrme gehen (eine ängstlich, der andere Haudrauf xD)
Danke ich schreib weiter :)


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