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Fate/Royale

von

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Von Caster zu Caster

Es war noch dunkel, als ich die Augen aufschlug. Dass ich als Servant überhaupt schlafen konnte, war mir gar nicht klar gewesen, doch irgendwann war ich wohl eingedämmert, ohne es selbst zu merken. Verhalten gähnte ich hinter vorgehaltener Hand. Anscheinend war ich im Schlaf vom Bett gerutscht und hatte nun die Nacht auf dem Boden daneben verbracht, den Kopf jedoch auf der Bettkante. Kein Wunder, dass mein Nacken sich anfühlte, als wäre ein 14-Tonner mehrfach darüber gerollt. Eine Frühaufsteherin war ich zwar schon immer gewesen, doch mir steckte der Schreck des gestrigen Tages noch gehörig in den Knochen und so fühlte sich dieser Morgen - war es überhaupt Morgen? - an, als wollte ich ihn lieber verschlafen. Wäre ich nicht neben Elisabeth aufgewacht, ich hätte wohl geglaubt, dass alles nur ein Traum gewesen war.

Heute jedoch war es nicht meine innere Uhr, die mich in Unruhe versetzte. Der Funkwecker auf dem Nachttisch zeigte gerade mal 4:00 Uhr morgens. Irgendetwas stimmte nicht. Ein Kribbeln, das unter die Haut ging, wie ein eisiger Hauch im Winter, wenn der Schal nicht richtig saß. Alles in mir schien mich warnen zu wollen, dass jemand hier war. Jemand wie… ich. Ein Servant. Nahe. Stark. Gefährlich. Eine potentielle Gefahr für meinen Master. Dieser Gedanke vertrieb erfolgreich jede Müdigkeit und im Nu war ich hellwach, wenngleich mir das Herz in die Hose rutschte. Wenn ein Servant hier war, würde das womöglich bedeuten, dass es zum Kampf käme. Gar nicht gut, denn ich wusste ja immer noch nicht mit meinen Kräften umzugehen. Stumm betete ich, dass es doch einfach nur Diogenes wäre. Der wirkte letztes Mal auch so entspannt und würde sicher nicht kämpfen wollen.

Meine Hoffnung wurde nicht erfüllt. Leise war ich aus dem Schlafzimmer geschlichen, um mich umzusehen. Dem Gefühl folgend traf ich im Wohnzimmer dann tatsächlich jemanden an, doch Diogenes war es nicht. Dass ich dennoch sofort wusste, wen ich da vor mir hatte, schien mir jedoch in diesem Moment nicht wirklich beruhigend. Caster Cú Chulainn. Diese flauschige Kapuze, es konnte kein Zweifel bestehen.
 

Vorsichtig trat ich näher, ihn nicht einen Moment lang aus den Augen lassend. Nervös war er jedenfalls nicht, so entspannt, wie er sich da aufs Sofa gefläzt hatte. Die Botschaft war klar: Ich bin stärker als du, also habe ich nichts zu befürchten. Nicht angenehm, sich das in Erinnerung zu rufen, aber es stimmte leider. Hätte er Master und mich jedoch um jeden Preis loswerden wollen, hätte er das längst gekonnt. Also war er zum Reden hier. Gut. Das hieß immerhin, dass wir vielleicht einander - halt, nein - dass er mich nicht töten würde.

“Ich hatte keinen Besuch erwartet”, ergriff ich das Wort als Erste und betete still, dass man mir nicht ansah, wie nervös ich wirklich war, als ich das Sofa ihm gegenüber ansteuerte und dort Platz nahm. Jetzt bereute ich, Grand Order noch nicht so weit gespielt zu haben, sonst wüsste ich bestimmt mehr über ihn, aber im Spiel hatte ich ihn gerade erst kennengelernt. “Was verschafft uns die Freude?” Wirklich eine Freude war es zwar nicht, doch das wusste Cú sicher selbst. Allerdings machte er nicht den Eindruck, als störe ihn das in irgendeiner Weise. Trotz der tief ins Gesicht gezogenen Kapuze, die seinen roten Augen und die blauen Haare erfolgreich zu verbergen wusste, konnte ich doch ein Grinsen auf seinem Gesicht erkennen.

Einen Moment lang erwog ich, ihn einfach direkt mit seinem Namen anzusprechen und ihn damit vermutlich gehörig zu erschrecken, immerhin dürfte ich den eigentlich nicht kennen. Dann aber entschied ich mich dagegen. Dass ich ihn kannte und vielleicht auch andere Kriegsteilnehmer war mein einziger Vorteil. Ganz so schnell wollte ich ihn den nicht verspielen.
 

Unverwandt und abwartend starrte ich ihn an, auf eine Antwort wartend, mit der sich Caster Cú ordentlich Zeit ließ. “Ich bin hergekommen”, begann er schließlich, gerade als ich drauf und dran war, ihn anzublaffen, ob er bloß hier war, um herumzulümmeln und mir den Schlaf zu vergällen. “Um dir zu raten, dich aus diesem Krieg zurückzuziehen.” Auch ohne seine Augen zu sehen, wusste ich, dass er mich anstarrte, wohl um meine Reaktion zu beobachten. Starrt blickte ich zurück.

Was hatte ich auch erwartet? Er war wohl kaum hier, um Smalltalk zu halten und Tee zu trinken. Was er riet, war naheliegend. Den gleichen Rat hätte ich mir und vor allem Elisabeth wohl auch erteilt. Sie war zu jung und unerfahren, um echte Chancen zu haben. Der Krieg würde nur ihr schnelles Ende bedeuten. Ähnliches galt leider für mich. Zwar war ich nicht jung, aber dafür völlig überfordert mit der Situation, hatte keine Ahnung, was ich zu tun vermochte und sah mich übermächtigen Helden gegenüber. Jeder bei gesundem Menschenverstand hätte diesen Rat erteilt. Stellte sich mir nur eine Frage: Wieso interessierte das Cú Chulainns Master genug, dass er seinen Servant herschickte?

“Das wäre für euch beide besser. Dein Master ist noch sehr jung und unerfahren.” Ich konnte förmlich hören, wie er grinste. “Ebenso wie du. Du scheinst dir noch nicht im Klaren darüber, was für Fähigkeiten du hast. In einem Krieg wie diesem kann das schnell das Ende für einen Servant und seinen Master bedeuten.” Argwöhnisch musterte ich ihn, während er sprach. Ich sagte nichts, lauschte einfach nur. Kein Hinweis auf seinen Master oder dessen Beweggründe.

Am liebsten hätte ich dem anderen Caster eine gelangt. Nicht, weil er log oder es schlicht unhöflich gewesen war, hier einzudringen, sondern weil er Recht hatte und ich das eigentlich nicht hören wollte. Was Cú sagte, hatte Hand und Fuß, doch aufzugeben hieße zugleich auch, mich damit abzufinden, niemals in mein normales Leben zurückzukehren, sondern einfach nur ein unfähiger Heldengeist zu sein, der vielleicht irgendwann wieder in einem Krieg beschworen wurde. Auf gar keinen Fall würde ich dieses Schicksal einfach schlucken! Außerdem stimmte hier doch etwas nicht, flüsterte eine leise Stimme in meinem Hinterkopf. Wollte Cús Master Elisabeth oder mich loswerden? Auf den ersten Blick waren wir beide keine Gefahr, so viel war klar. Ging es womöglich nicht um uns, sondern um Elisabeths Sensei? Das würde zumindest sehr viel mehr Sinn machen. Vermutlich dachte Cús Master, dass Elisabeths Servant im Grunde auch der ihres Senseis wäre. Auch ein schwacher zweiter Servant war ein Vorteil, schon allein strategisch.
 

“Danke für den Rat, aber wir werden uns nicht zurückziehen”, ließ ich ihn kurzerhand wissen. Klar, nicht die feine Art, hier auch einfach für meinen Master mitzuentscheiden, doch solange mir Elisabeth nichts Gegenteiliges sagte, ging ich davon aus, dass es auch ihr Wunsch wäre, den Gral zu erringen. Immerhin hatte jeder irgendetwas, das er unbedingt wollte.

Was mein kleiner Master sich wünschen würde, war ja nicht schwer zu erraten. Sie, die so jung und eine Waise war. Natürlich ihre Eltern, ihre Familie und wusste der Himmel, ich konnte es so gut nachfühlen. Wie gerne würde ich vor dem Gral stehen und ihn bitten, mir meine Mutter zurückzugeben, ungeschehen zu machen, was passiert war und wenn auch nur, um sie noch ein einziges Mal sehen zu dürfen? Nein. Sie durfte ich nicht zurückbringen. Und was würde es auch bringen? Würde sie nicht wieder den letzten Schritt gehen und stünde ich dann nicht wieder vor vollendeten Tatsachen? Das würde ich weder ihr, noch meiner Schwester oder mir antun. Niemals. Dieser Entschluss stand für mich fest. Mein Wunsch musste es sein, in mein Leben zurückzukehren, auch wenn es egoistisch war.

Aber Elisabeths Lage war vermutlich eine andere und sie war ein Kind. Sie brauchte ihre Eltern, ihre Familie. Vielleicht war auch das falsch, weil die Toten eben nicht zurückgeholt werden sollten und vielleicht war so ein Wunsch ein Frevel gegen die Gesetze der Natur, doch im Vergleich erschien es mir harmlos. Allerdings wusste ich auch, wie der Gral Wünsche erfüllte und ganz wohl war mir nicht dabei, dass sich überhaupt jemand irgendetwas wünschte. Eine wirkliche Wahl hatte ich allerdings nicht und bei Elisabeth konnte ich immerhin sicher sein, dass sie auf meinen Rat hören würde und obendrein keinen Wunsch äußern würde, der blinder Machtgier oder Habsucht entsprang.
 

“Du hast den Weg hierher umsonst auf dich genommen. Sicher verstehst du, dass ich unmöglich darauf verzichten kann, dem Gral meinen Wunsch zu nennen. Dir selbst wird es wohl nicht anders gehen.” Er musste auch einen Wunsch haben, selbst wenn ich den nicht kannte. “Ich kann nicht und um ehrlich zu sein, tut mir das auch nicht Leid. Der Gral ist eine Chance und auf die kann ich nicht verzichten. Ich brauche den Gral. Für mich gibt es keinen anderen Weg.” Immerhin war ich durch den Gral und den Krieg um ihn hierher beschworen worden. Sollte das Drecksding mich gefälligst auch wieder heim schicken. Entschieden sah ich den anderen Caster an. Jetzt wünschte ich wirklich, ich hätte seine Augen sehen können, um heraus zu lesen, was er über meine Worte dachte, doch dann schmunzelte er. “Ist dir dein Wunsch wirklich so wichtig?” Ich nickte ohne zu zögern. “Ja.”

Ohne diesen Wunsch hätte ich alles verloren, was mein Leben ausmachte. Meine Familie, meinen plüschigen Mitbewohner, alle Menschen, die mir lieb und teuer waren, einfach alles. Was hatte ich also zu verlieren, wenn ich am Krieg teilnahm? Nichts. Schlimmstenfalls starb ich, doch das täte ich auch, wenn ich aufgab. Immerhin war ich nur noch ein Geist. Elisabeth hingegen stand auf einem anderen Blatt. Sie in Gefahr zu bringen, schnürte mir vor Schuldgefühlen die Kehle zu, doch das ließ ich Cú besser nicht wissen. Er war ein potentieller Feind und ich wollte meinen jungen Master keiner unnötigen Gefahr aussetzen.
 

Ich konnte förmlich spüren, dass Caster mich mit Blicken aufspießte. “Ich rücke davon auf gar keinen Fall ab und rate dir, Master und mich nicht zu sehr zu unterschätzen”, fügte ich mutiger hinzu, als ich mich fühlte. “Ich weiß nicht, was dich auf die Idee bringt, du könntest mich davon abbringen, den Gral anzustreben, aber”, wollte ich schon weiter auffahren, da hob er eine Hand, wie um mir zu verstehen zu geben, dass er verstanden hatte. Ich verstummte in der Erwartung, dass er etwas zu sagen hätte, doch anstatt meine eher fadenscheinige Argumentation zu zerpflücken, stand Cú auf, umrundete den Tisch und ließ sich dann neben mir auf das kleine Sofa fallen. Instinktiv rutschte ich etwas beiseite, während er völlig ungehemmt einen Arm über meine Schultern legte und sich verschwörerisch zu mir neigte.

“Na, wenn du so entschlossen bist…”, konnte ich ihn eindeutig zu nah an meinem Ohr raunen hören und wollte direkt weiter von ihm abrutschen, stieß dabei aber gegen seine Hand an meiner Schulter. “Als Caster-Kollege kann ich dir ja ausnahmsweise ein wenig aushelfen.” Ich hatte gerade entschieden, demonstrativ aufzustehen und zu dem Platz zu wandern, auf dem er eben noch gesessen hatte, doch jetzt erstarrte ich förmlich. Wollte er mir etwa wirklich Tipps geben, was das Caster-Dasein anging? Verdammt. Abwartend starrte ich ihn an, konnte nur das Grinsen auf seinen Lippen erkennen, das verriet, wie gut er meine Reaktion zu deuten wusste. Ich brauchte seine Hilfe und ihm war das ebenso klar wie mir.

“Aha?”, brachte ich schließlich gepresst heraus. Ich traute ihm kein Stück. In diesem Krieg waren wir keine Verbündeten, sondern Feinde und so ungern ich gegen Cú kämpfen wollte, ich würde mich garantiert nicht von ihm für blöd verkaufen lassen. Von meinem skeptischen Tonfall unbeeindruckt, lehnte sich der blauhaarige Caster jedoch ungeniert in meine Richtung, sodass sein Atem meine Wange streifte, während ich ihn aus den Augenwinkeln anstarrte. Hätte ich den Kopf in seine Richtung gewandt, hätte er mir glatt in die Nase beißen können.
 

“Du hast da ein interessantes Buch”, meinte er in entspanntem Plauderton und vielleicht hätte ich mich davon einlullen lassen, wäre er nicht zum einen so verdammt nahe und zum anderen am flüstern, als vertraue er mir ein pikantes Geheimnis an. Wie von selbst fand meine Hand ihre Weg zu dem Buch, das an einem Gurt um meine Hüfte hing. Bemerkt hatte ich das bisher nicht oder zumindest nicht bewusst. Viel zu sehr hatte mich alles andere eingenommen und all die Fragen, die ich gehabt hatte und die mich auch jetzt noch beschäftigten.

“Darf ich mal reinsehen?” Jetzt lehnte ich mich wirklich von ihm weg. Jedoch weniger ob seiner Worte als vielmehr, weil seine Nase meine Ohrmuschel gestreift hatte. Dass mein Gesicht hochrot in schönstem Kontrast zu seiner blauen Kleidung leuchtete, versuchte ich zwar eilig zu überspielen, doch angesichts des selbstgefälligen Zuges um seine Mundwinkel könnte ich schwören, dass mir das so überhaupt nicht gelang. “Nein, das ist privat.” Zumindest ging ich davon aus. Es fühlte sich privat an. Bei meinem Pech fänden sich darin noch glatt meine Fanfiktions und dann wollte ich auf gar keinen Fall, dass irgendjemand dieses Buch las, während ich mich im selben Gebäude befand.

Ganz gleich, was jedoch darin stand, es spielte ohne Frage eine Rolle. Sonst hätte Cú Chulainn es nicht erwähnt. Vielleicht mein Noble Phantasm? Ich betete stumm zum Gral, dass es nicht meine Fähigkeit wäre, kitschigen Fluff in die Welt hinaus zu schreiben, denn in dem Fall war dieser Krieg entweder für mich gelaufen oder er würde zu einer totalen Katastrophe ausarten, denn Happy Ends waren so überhaupt nicht mein Ding. “In dir steckt womöglich wirklich mehr, als der erste Blick ahnen lässt. Mein Instinkt sagt mir, dass dein Noble Phantasm sehr mächtig sein könnte und damit eine Menge Mana kosten muss”, sinnierte der Caster an meiner Seite weiter, während meine Gedanken noch panisch darum kreisten, was ich in diesem Buch finden würde. Ich müsste unbedingt reinschauen, sobald ich Cú losgeworden war. “Dein jetziger Master kann dir diese Menge Mana wohl kaum bereit stellen”, fuhr Cú fort und es fühlte sich an, als habe jemand einen Kübel Eiswasser über mir ausgegossen. “Es gibt viele andere, sehr viel mächtigere Master, glaub mir. Mit diesem Master kannst du den Krieg unmöglich gewinnen.”
 

Daran, dass es viele mächtigere Magier gab, zweifelte ich nicht eine Sekunde. Natürlich. Elisabeth war Anfängerin, jung und Magierin der ersten Generation. Doch die Geheimwaffe eines Servants, sein Noble Phantasm, konnte einen entscheidenden Unterschied machen und diesen Nachteil ausgleichen. Wenn es allerdings stimmte, was er sagte und meines zu viel Mana benötigte, dann saßen Elisabeth und ich echt tief in der Tinte. Dass ich nicht wusste, was mein Noble Phantasm war und sie wiederum nur eine Magierin erster Generation war, war natürlich nicht unsere Schuld, aber das änderte nichts daran, dass es unsere Siegeschancen erheblich schmälerte. Besonders, wenn Leute wie Cú teilnahmen. Vielleicht sollte ich noch dankbar sein, dass er als Caster hier war und nicht als Lancer, sonst hätte ich vielleicht schon als erster toter Servant des Krieges Karriere gemacht.

Natürlich bestand die Gefahr, dass er sich über mich lustig machte oder einfach nur Unfug plauderte, um herauszufinden, was ich wusste - nämlich nichts - aber ein Teil von mir wollte ihm gerne glauben und diese Ratschläge annehmen. Es war ja nicht so, als könnte ich irgendjemanden um Hilfe bitten, ohne dabei direkt preiszugeben, wie wehrlos und damit angreifbar die arme Elisabeth und ich waren.
 

Unangenehm piekste mich mein schlechtes Gewissen in die Seite. Elisabeth. Sie war einfach viel zu jung für all das hier. Für den Krieg und die Gefahr. Daran konnte kein noch so nachvollziehbarer Wunsch etwas ändern. Selbst wenn ich ein mächtiger Servant gewesen wäre, stünden ihre Chancen denkbar schlecht, weil sie kaum Mana weitergeben konnte. Ganz abgesehen natürlich von all den anderen Faktoren. Wenn man die Jagd auf uns eröffnete, würden noch ganz andere Probleme auf uns zukommen, sah man mal von der psychischen Belastung ab. Die Ängste, die sie durchstehen müsste, der Überlebenskampf, die Entbehrungen und der ziemlich naheliegende Umstand, dass zu siegen auch töten bedeutete. Wie könnte ich zulassen, dass ihr diese Bürde auferlegt wurde?

Das war selbst für Erwachsene kaum ertragbar. Sie war aber gerade mal 13 Jahre alt. Unzumutbar. Da würde mir wohl jeder zustimmen. Dass selbst ausgebildete Soldaten nach einem Einsatz oft lange mit schwerwiegenden Problemen zu kämpfen hatten, wusste sogar ich. Wie würde es da erst einem unschuldigen Kind ergehen? Konnte ich das überhaupt verantworten? Als ihr Servant war es meine Pflicht, sie zu beschützen. In einem Kampf könnte ich das nicht. Sie zu beschützen, würde bedeuten, ihr den Krieg auszureden und sie in Sicherheit zu bringen. Gleichzeitig hieße das aber auch, dass ich einen anderen Master erhielte. Kein Gedanke, der mir wirklich behagte. Wem Elisabeth ihre Befehlszauber geben würde, wenn sie freiwillig aus dem Kampf ausstiege, war mir klar. Ihrem Sensei natürlich. Wem auch sonst, wenn nicht ihm? Zu meinem Wohlbefinden trug dieser Gedanke leider überhaupt nicht bei.

Mir war zum Heulen zumute. Wie ich es auch drehte und wendete, es ging sich einfach nicht aus. Solange ich Elisabeths Servant war, war sie in Lebensgefahr und jeder Realist musste erkennen, dass das Mädchen in diesem Krieg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Tod fände, wenn sie nicht einen Rückzieher machte. Auf der anderen Seite würde es sein, als hätte ich sie verraten, wenn ich ihr davon abriet, mitzukämpfen. Dabei hatte ich ihr meine Treue zugesichert und ich wollte sie auch ganz bestimmt nicht im Stich lassen. Es war zum Haareraufen. Dass ich meine eigenen Fähigkeiten nicht einmal kannte, auch mein Noble Phantasm nicht und dieser Krieg auch mein Ende bedeuten könnte und vermutlich würde, schien mir in diesem Moment nur noch halb so wichtig. Elisabeth konnte mich nicht retten, das konnte vermutlich niemand, aber ich konnte sie retten. Das zumindest könnte ich für sie tun.

So sehr meine Gedanken auch haderten, im Grunde hatte ich mich längst entschlossen, Elisabeth aus diesem Krieg raus zu halten. Ich wollte auf keinen Fall zusehen müssen, wie ein unschuldiges Kind getötet wurde, wenn ich es doch hätte verhindern können. Auf gar keinen Fall. Mit Schmerz und Angst könnte ich irgendwie umgehen, aber diese Schuld wollte ich nicht auf mich laden.
 

In meine Überlegungen vertieft, hatte ich glatt vergessen, dass Caster Cú noch immer neben mir saß, auch jetzt noch einen Arm um mich gelegt hatte, bis er mit den Fingern wie beiläufig meinen Hals entlang strich. Die Berührung ließ mich aufschrecken und ihr instinktiv ausweichen, was dazu führte, dass meine Wange mit Cús Nase Bekanntschaft machte. “Hörst du mir jetzt wieder zu?”, konnte ich ihn amüsiert flüstern hören. Shit. Was hatte ich verpasst? Hatte ich etwas verpasst?

Mich von seinem warmen Atem weg lehnend, stieß ich direkt wieder auf die andere Grenze meiner Wohlfühlzone, die seine Hand markierte. Für meinen Geschmack rückte mir dieser Kerl eindeutig viel zu sehr auf die Pelle. Hatte er noch nie etwas von persönlichem Freiraum gehört? Aus den Augenwinkeln starrte ich zu ihm herüber, mich wieder fassend. Seine Einwände, wieso Elisabeth und ich aus dem Krieg ausscheiden sollten, hätte ich alle selbst gefunden. Halt. Falsch. Er hatte mir geraten, auszuscheiden und Elisabeth als Grund angeführt. Es hätte andersherum sein sollen. Er hätte Elisabeth aus dem Krieg lotsen sollen und mich als Grund anführen. Am liebsten hätte ich mir vor den Kopf geschlagen. Cú war nicht hier, um einen Konkurrenten loszuwerden - sein Master sah Elisabeth gar nicht als solchen - sondern, um einen weiteren Servant für seinen Master zu gewinnen. Mich. Und ich Idiotin hatte mir in die Karten schauen lassen.

Diese Erkenntnis traf mich wie der Schlag. Alle Abwägungen darüber, ob Elisabeth überhaupt diesen Krieg ertragen könnte, hatte ich selbst in seinen Rat hinein interpretiert. Alles, was Cú hatte wissen wollen, war gewesen, ob ich wirklich bereit war, zum Äußersten zu gehen, um den Gral zu gewinnen. Eine Frage, auf die ich im Grunde ja nicht einmal selbst eine Antwort kannte, doch anscheinend hatte ich ihn davon überzeugen können, dass sie ‘Ja’ lautete. Mein liebenswerter junger Master war lediglich ein Argument gewesen, um diesen zu verlassen.

Allerdings änderte das alles auch nichts an meinem Entschluss. Elisabeth durfte nicht am Krieg teilnehmen, aber ich, ich würde dennoch versuchen, den Gral zu erringen. Anders als die Kleine hatte ich schließlich nichts zu verlieren. Alles, was ich dafür brauchte, war ein anderer Master. Einer, dem ich trauen konnte. Das war auch nur in der Theorie einfach.
 

“Du hast meine Antwort”, presste ich hervor. Meine Sorgen und Abwägungen wollte ich sicher nicht mit ihm teilen. Er hatte mich genug ausgespielt. “Was willst du noch?” Wieder war sein Grinsen alles, was ich unter der Kapuze sehen konnte, doch das machte nichts. Den Rest konnte ich mir bildlich vorstellen. Für ihn war diese Unterhaltung sicher erfolgreich gelaufen. Er hatte einen potentiellen Gegner stark verunsichert, das Band zwischen Master und Servant belastet und das alles, ohne auch nur die geringste Anstrengung. Mistkerl. Das würde ich ihm nicht vergessen.

“Vorerst nichts”, antwortete Cú schließlich und zog zu meiner Erleichterung den Arm hinter mir weg. Wie gerne wäre ich sofort auf Abstand gegangen, doch ich beherrschte mich. Nicht, weil es unhöflich gewesen wäre, sondern weil ich auf gar keinen Fall wollte, dass ihm klar war, wie unangenehm mir die ganze Situation gewesen war. Den Triumph gönnte ich ihm einfach nicht. “Es war mir ein Vergnügen und ich freue mich auf ein Wiedersehen”, meinte Caster für meinen Geschmack zu gut gelaunt, als er sich erhob und ich es ihm gleichtat. Ich sagte nichts dazu, sondern starrte ihn nur finster an. Ein Vergnügen war das eindeutig nicht gewesen. Unbeirrt kramte der Blaugewandete in seinem Umhang und zog schließlich ein kleines Stück Pappe heraus. Eine Visitenkarte, die er mir entgegen hielt, sich wieder zu meinem Ohr beugend. “Falls du es dir überlegst und deinen Master wechseln möchtest.” Kurz zögerte ich, war unschlüssig, ob ich die Karte annehmen sollte, entschied mich dann aber dafür. Informationen waren zu wertvoll in diesem Krieg, als dass man einfach darauf verzichten durfte - auch dann, wenn sie einem auf dem Silbertablett serviert wurden. “Bis bald, Caster”, war das letzte, was ich von ihm hörte, ehe er sich auflöste, wie es nur ein Servant vermochte und mich einfach stehen ließ. Mit ihm verschwand auch dieses befremdliche Gefühl, dass mich erst über seine Ankunft in Kenntnis gesetzt hatte.
 

Ich seufzte tief. Ein wenig ratlos, wie es nun weitergehen sollte, blieb ich am Ende doch zurück. Begeistert würde mein Master sicher nicht reagieren, wenn ich ihr vorschlug, sich zurück zu ziehen, doch es half nichts. Da mussten wir beide durch. Mein Blick wanderte zu der Visitenkarte, die ich ihr wohl besser nicht vorenthielt. Geheimnisse würden nur zu Streit führen und je mehr ich sie wie eine Erwachsene behandelte, so hoffte ich, würde sie sich auch wie eine benehmen.

Nachdenklich drehte ich die kleine Pappkarte, die ich von Cú erhalten hatte, zwischen den Fingern. Wie viele Servants sein Master wohl abzuwerben versuchte? Sicher gab es einige Magier, die ihre zu gerne aufgaben, um aus dem Krieg auszuscheiden und ihr Leben zu retten. Verübeln konnte ich das keinem. Ein wenig amüsierte mich jedoch die Vorstellung von Cú als Vertreter, der von Tür zu Tür ging, um Servants für seinen Master anzuwerben. Wie ein Vertreter, der Staubsauger verkaufte. Ob ich eine Waschmaschine oben drauf bekäme, wenn ich zusagte?

Als mein Blick jedoch auf den Namen fiel, der in eleganten Lettern auf der Visitenkarte prangte, traf mich glatt der Schlag. Simon El Melloi. El-Melloi wie in Lord El-Melloi, wie Diarmuids Master in Fate/Zero und später dann Waver, der diesen Titel und Namen trug? Angesichts dieser Verbindungen hoffte ich irgendwie, dass dieser Simon ein Abkomme von Waver war, denn den hatte ich eindeutig sympathischer gefunden. Auf jeden Fall aber ließ das den Schluss zu, dass Cús Master vermutlich ein recht mächtiger Magier war und es sich erlauben konnte, wenn er seinen Namen und seine Position so offen preisgab. Vermutlich war er sowieso recht bekannt. El-Melloi. Wo waren Elisabeth und ich da bloß reingeraten? Irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass dieser Schlag zwar auf unsere Kosten aber in seiner Essenz gegen Masters Sensei ging.
 

Mein Schädel brummte. Jetzt weiter darüber zu grübeln hätte wohl wenig Sinn. Ein wenig Ruhe würde gut tun und dann könnte ich mit klarem Kopf nochmal alles überdenken. Vielleicht wusste ja auch Master schon mehr über diesen Simon El Melloi? Vorenthalten wollte ich ihr unseren nächtlichen Besucher auf jeden Fall nicht. Ungeniert steuerte ich wieder das Schlafzimmer an, jedoch nicht, ehe ich die Visitenkarte zwischen die Seiten des Buches an meiner Hüfte geklemmt hatte. Apropos Buch. Das müsste ich mir dann später auch mal in Ruhe ansehen. Vielleicht kam ich dann hinter das Geheimnis meiner Fähigkeiten und meines Noble Phantasms.

Nach meinem bisherigen Ermessen konnte das ja noch immer alles mögliche sein und im Grunde war es mehr als peinlich, dass mich Cú Chulainn erst hatte auf das Buch hinweisen müssen. Auf diese Idee hätte ich echt selbst kommen können. Ich gähnte und machte es mir neben Elisabeth bequem, die noch immer tief und fest schlief. Von unserem ungeladenen Besucher und meinem Umhergewander hatte sie offenbar überhaupt nichts mitbekommen. Besser so, fand ich. Die Beschwörung hatte sie bestimmt einiges an Kraft gekostet. Da war es besser, wenn sie sich erholte, solange es noch ging. Schließlich konnte niemand sagen, ob uns nicht doch irgendein vorschneller Master hinterrücks überfiel. Dieser Gralskrieg hatte für meinen Geschmack einfach viel zu viele Gefahrenfaktoren. Alle Magier nahmen teil. Das hieß, es gab viele Servants und vermutlich einige Bündnisse, die schon vor Jahren geschlossen worden waren in der Erwartung dieses Krieges. Obendrein waren sie alle an diesem Ort und praktisch niemand sonst. Keine Menschenmassen, in denen sich ein Master hätte verbergen können. Sie waren hier gewissermaßen alle auf dem Silbertablett serviert. Mir war schleierhaft, wieso sich dieser Spinner damals solch einen Krieg gewünscht hatte. Die letzte Runde war doch garantiert ein totales Gemetzel gewesen und es würde mich doch sehr wundern, würde diese etwas anderes. Mein Blick ruhte auf Elisabeth. Das arme Mädchen. Inmitten dieses Wahnsinns. Sie freute sich sogar noch, fand es aufregend, war sich der gefährlichen Lage scheinbar gar nicht so richtig bewusst, während sie mir nur Leid tat.
 

Beinahe grenzte es an ein Wunder, dass ich überhaupt wieder einschlief. Doch tatsächlich sank ich recht schnell in einen kurzen, traumlosen Schlaf, der ein jähes Ende fand, als sich neben mit Elisabeth herumdrehte und mir dabei die Hand versehentlich gegen die Nase schlug. “Mh…”, konnte ich sie leise murren hören. Ich fühlte mit ihr. So richtig verlockend fand ich die Vorstellung auch nicht, aufzustehen, doch der Wecker verriet mir schnell, dass es dafür eigentlich Zeit war. Uneigentlich klang liegen bleiben und schlafen unendlich gut. Als Servant müsste das doch drin sein, oder? Zur Arbeit musste ich ja nicht mehr.

Elisabeth schien für heute jedoch andere Pläne zu haben, denn sie erhob sich unverhohlen gähnend und so folgte ich ihrem Beispiel. “Guten Morgen, Caster.” “Guten Morgen, Master”, erwiderte ich den Gruß und musste dabei an mich halten, um nicht zu gähnen. Sie rieb sich den Schlaf aus den Augen. Eine Haarsträhne stand von ihrem Kopf ab, beinahe wie eine Antenne. Man sah ihr an, dass sie noch nicht so ganz wach war. Das hielt das junge Mädchen allerdings nicht davon ab, aus dem Bett zu klettern und die Küche anzusteuern, in die ich ihr folgte. “Magst du auch Cornflakes zum Frühstück?”, erkundigte sie sich mit einer kindlichen Naivität, dass ich mich richtig schlecht dafür fühlte, zu nicken. Eigentlich brauchte ich ja nichts essen. “Lass mich dir helfen”, erbot ich mich und so teilten wir beide uns die Frühstücksvorbereitungen. Die unangenehmen Themen Krieg und Cú Chulainn konnten bis nach dem Frühstück warten.

Während wir beide unsere Schale mit Schokocornflakes leer löffelten, schwiegen wir uns an. Gefräßige Stille, wenn man so wollte, die nur von dem Knuspergeräuschen der Cornflakes durchbrochen wurde. Hungrig war ich zwar nicht gewesen, aber verdammt waren diese Cornflakes lecker. Es war Elisabeth, die die Stille schließlich durchbrach. “Wir besuchen heute Sensei”, erklärte sie nun munterer als eben noch. “Und natürlich auch Diogenes. Bestimmt könnt ihr beide auch Freunde werden! Vielleicht wird er ja sogar dein Sensei, wäre das nicht lustig?”

Am liebsten hätte ich meine Cornflakes direkt wieder ausgespuckt. Lustig? Irgendwie nicht. Ich traute immerhin weder ihrem Sensei noch Diogenes und hatte doch erhebliche Zweifel daran, dass ich mit diesen beiden jemals warm werden würde. Nicht, solange Elisabeth Teilnehmerin in diesem Gralskrieg war und ich für ihre Sicherheit verantwortlich. “Bestimmt werdet ihr euch toll verstehen.” Erwartungsvoll sah sie mich an. Oh shit. Ich merkte, wie ich nickte und sogar lächelte, um sie zu beschwichtigen, aber eigentlich wollte ich viel lieber den Kopf schütteln und dementieren, dass so eine Freundschaft überhaupt existieren könnte. Zumindest mein Master schien unberührt von diesen Sorgen und bester Dinge. Mich jedoch beschlich das Gefühl, dass dieses Treffen nur in die Hose gehen konnte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Aufgaben:
Du hast nun deinen Master kennengelernt und wie es scheint, mögt ihr einander.
Klein Elisabeth schläft selig in ihrem Bett. Doch plötzlich macht sich bei dir ein seltsames Gefühl breit.

1. Schau nach was los ist. Sicher erinnerst du dich, dass Servants andere Servants spüren können, wenn diese ihre Aura nicht verbergen. Das Gefühl ist jedenfalls sehr stark.

2. Im Wohnzimmer wirst du einen Mann sehen. Er hat seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen, sitzt aber sehr bequem auf seinem Platz, so als wüsste er, dass du im Moment nichts zu befürchten hast. Wenn du ihn deutlich bei seinem Namen nennst, wird er sich nicht wirklich überrascht zeigen und die Kapuze runternehmen.

3. Cu wird dir anraten aus dem Krieg zurück zu treten. Zum einen zum Wohle von Elisabeth und zum anderen, weil du dir scheinbar deiner Kräfte nicht bewusst bist. Sei mit deiner Entscheidung überzeugend, besonders wenn du entschlossen bist am Krieg teilzunehmen.
Überzeugst du Cu, was sich zeigen wird, indem er dir plötzlich sehr auf den Pelz rückt, wird er dir ein paar Tipps geben.

Tipp 1: Das Buch welches um deine Hüfte hängt ist sehr interessant.
Tipp 2: Dein Noble Phantasm scheint mächtig und braucht eine Menge Mana
Tipp 3: Mit diesem Master wirst du den Krieg niemals gewinnen, vor allem nicht in Anbetracht der Macht seines Masters und einiger anderen.

4. Cu wird dir schließlich mitteilen, dass egal was du am Ende machst, er sich auf ein Wiedersehen freut. Er wird dir noch eine Visitenkarte zustecken, wo du Ihn finden kannst, für den Fall, dass du vielleicht den Master wechseln willst. (Visitenkarte von Simon El Melloi)

5. Der neue Morgen bricht an und Elisabeth wird euch beiden ein Frühstück bereiten. Du kannst ihr bei der Zubereitung helfen. Elisabeth wird auf jeden Fall berichten, dass ihr heute ihren Sensei trefft. Eine Chance für dich vielleicht doch noch mit Diogenes warm zu werden. Komplett anzeigen

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