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Triumvirat

Bull x Dorian x Lavellan
von

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Triumvirat

Dorian ist normalerweise nicht der Typ Mann, der andere beobachtet. Nein. Er wird beobachtet und er verwendet viel Zeit und Mühe darauf, dass die Leute ihn ansehen und entweder bewundern oder vor Neid erblassen. Er selbst neigt nicht dazu, andere zu bewundern und das letzte Mal, als er auf etwas neidisch war, hat er es sich mit dem Vermögen seiner Familie selbst beschafft.
 

Dass nicht alles mit Gold zu kaufen ist, weiß Dorian selbstverständlich. In Theorie. Es ist nicht so, als würde man als Sohn eines Magisters in Tevinter dazu erzogen, nicht daran zu glauben, dass Gold und Macht alles kaufen können. Aber Dorian hat ein paar unbezahlbare Lektionen gelernt, als sein Vater versucht hat, ihm den Gefallen an anderen Männern mit Blutmagie auszutreiben.
 

Man kann sich mit Gold nicht den Erben kaufen, den man immer gewollt hat.
 

Man kann sich keine Akzeptanz bei den Eltern dafür kaufen, dass man keine Frau heiraten möchte.
 

Und egal wie viel Geld man ausgibt, man kann die verinnerlichte Abscheu darüber, wen man liebt, nicht einfach abschalten.
 

All diese Dinge hängen natürlich miteinander zusammen. Dorian war nie ein neidischer Mann, nein. Aber vielleicht ist er auf dem besten Weg dahin, einer zu werden, wenn er Bull und den Inquisitor beim Flirten beobachtet, als wäre es das normalste auf der Welt. Als wäre überhaupt nichts Verwerfliches daran, lässige Kommentare darüber zu machen, dass irgendein beknackter Lord aus Orlais besonders beeindruckende Oberarme und einen sogar noch beeindruckenderen Hintern hat.
 

Dorian ist sich im ersten Moment gar nicht so sicher, was genau ihn daran eigentlich stört. Es kostet ihn mehrere Nächte seines wohlverdienten Schönheitsschlafs und zwei volltrunkene Abende in der Taverne, um herauszufinden, dass er nicht nur neidisch ist, weil Inquisitor Lavellan und Bull keine Scheu davor haben, ihr Interesse an Männern zu zeigen. Nein.
 

Dorian ist auch neidisch, weil er will, dass sie ihn so ansehen. Und über ihn diese Dinge sagen.
 

Diese Erkenntnis führt dazu, dass er Skyholds Weinkeller plündert und sich auf den Zinnen die Kante gibt, was vielleicht keine gute Idee ist. Weil er nämlich beinahe in den Tod stürzt, als er sich sehr betrunken und sehr wütend auf sich selbst und die Welt auf den Weg in sein Bett machen will.
 

Dem Erbauer sei Dank sind keine Augenzeugen anwesend, um ihn bei dieser Blamage zu beobachten. Dorian blamiert sich selten und es ist eines der wenigen Dinge, bei denen er nicht gerne beobachtet wird.
 

Und wo er gedanklich schon beim Beobachten ist, befindet er es als Frechheit, dass er nicht ununterbrochen von Bull und Lavellan beobachtet wird – wie es sich gehört. Wenn die beiden schon damit beschäftigt sind, ihre Attraktion zu Männern für alle Welt zur Schau zu stellen, dann sollten sie sich Gedanken über ihren Kuhgeschmack machen, wenn sie Dorian noch nicht bemerkt haben.
 

Auf diese spezielle Art bemerkt.
 

Wie er womöglich, eventuell und ganz vielleicht Lavellan und Bull bemerkt hat.
 

Aber das sind keine Gedanken für eine Nacht, in der man fast von den Zinnen der Burg gestürzt ist und Dorian beschließt, dass die Gedanken auch nicht wirklich zählen, wenn man sie nur nach zwei Flaschen Wein hat.
 

Dummerweise muss er feststellen, dass die Gedanken auch im nüchternen Zustand nicht wirklich verschwinden und selbst im Schlaf wird er heimgesucht von diesen elenden Bildern. Vielleicht sollte er sich irgendeinen namenlosen Lord oder gutaussehenden Soldaten suchen und seine neuerlichen… Wünsche anderweitig abreagieren.
 

»Du siehst aus wie eine Gewitterwolke«, informiert Lavellan ihn, während sie gemeinsam durchs verregnete Crestwood stapfen. Irgendwo hinter ihnen philosophieren Varric und Bull über Varrics mangelnde Darstellung des Spionendaseins. Dorian hat keine Lust, sich über Varrics Romane Gedanken zu machen, weil er schon die ganze Zeit versucht nicht darauf zu achten, wie beeindruckend Bulls Muskeln vom anhaltenden Regen nass schimmern.
 

Wie konnte er es nur so weit kommen lassen?
 

»Ich passe mich der Landschaft an«, gibt er ungehalten zurück und wirft einen Seitenblick auf Lavellan. Seine schwarzen, lockigen Haare kleben ihm in der Stirn. Selbst bei diesem schlechten Licht könnte Dorian die Sommersprossen auf dem braunen Gesicht zählen und er hatte schon mehr als einmal die Gelegenheit festzustellen, dass diese Sommersprossen sich nicht nur auf dem Gesicht und den Armen befinden, sondern Lavellans ganzen Körper bedecken.
 

Die Dalish halten offenbar nichts von keuscher Bescheidenheit, wenn es um Nacktheit geht, denn Lavellan reißt sich regelmäßig alle Kleider vom Leib und spaziert durchs Camp mit nichts weiter am Körper als einer Unterhose. Dorian ist sich sicher, dass das Universum ihn irgendwie bestrafen möchte.
 

»Das heißt, du bist mies drauf, weil es regnet?«, will Lavellan wissen. Er ist fast einen Kopf kleiner als Dorian. Die langen, spitzen Ohren und die riesigen Augen sind zwar nicht ganz so offensichtlich wie Bulls Andersartigkeit, aber sie sind auch nicht zu übersehen.
 

»Vielleicht. Vielleicht hab ich auch schlecht geschlafen. Oder zu lange keinen guten Wein mehr getrunken«, gibt er schnippisch zurück, als könnte Lavellan irgendetwas dafür, dass Dorian mit sich selbst nicht klar kommt und all sein schillerndes Getue ihm auch nicht wirklich dabei hilft zu akzeptieren, dass seine Eltern ihn verstoßen haben, weil er nicht so geworden ist, wie sie ihn gerne haben wollten.
 

Lavellan öffnet den Mund, um zu antworten, aber im nächsten Moment huschen die braunen Augen nach rechts, fort von Dorians Gesicht und Dorian kann kaum so schnell schauen wie der Inquisitor die Hand nach oben reißt und ein ersticktes Geräusch erkennen lässt, dass sie in einen Hinterhalt geraten sind.
 

»Gute Arbeit, Boss«, ruft Bull und wirft sich lachend ins Kampfgetümmel, als sieben rote Templer zwischen den Felsen hervorkommen. Dorian flucht unterdrückt und greift nach seinem Stab. Er hat die Schnauze voll von roten Templern. Und vom Regen. Und von seiner eigenen Nüchternheit. Und von der beeindruckenden Eleganz, mit der Lavellan seinen eigenen Stab herumwirbeln lässt – in Bewegungen, die Dorian noch nie vorher bei irgendjemandem gesehen hat, weil es bei ihnen in Tevinter keine Dalishelfen gibt.
 

Er hat die Nase voll von Bulls Muskeln und seinem breiten Grinsen und den kraftvollen Bewegungen, mit denen er seine zweihändige Axt herumwirbelt, als würde sie überhaupt nichts wiegen. Und er hat die Nase voll davon, die beiden anzustarren und nicht ebenfalls angestarrt zu werden.
 

»Bull, ich hab ein Geschenk für dich!«, ruft Lavellan ausgelassen und direkt neben Bull friert einer der Templer ein. Bull stößt einen triumphierenden Schrei aus, schwingt seine Axt hoch über seinen Kopf und zerschmettert den gefrorenen Feind in tausend kleine Stücke.
 

»Danke, Boss«, gibt er zurück und zwinkert – zwinkert mit seinem verbleibenden Auge zu Lavellan herüber, als hätte Lavellan ihm gerade einen schmutzigen Antrag gemacht. Nach allem, was Dorian weiß, war es das vielleicht sogar. So in etwa muss Vorspiel mit Iron Bull aussehen, denkt Dorian sich, während er den letzten Templer in Flammen aufgehen lässt und sich die Zeit nimmt, sich etwas Regen aus dem Gesicht zu wischen.
 

Varric schultert irgendwo hinter ihm seine Bianca und Dorian schaut zu, wie Lavellan Bull auf den Rücken haut und ihn von unten herauf angrinst. Bull sieht sehr zufrieden mit sich und der Welt aus.
 

»Hey, man kann von hier aus die Festung sehen!«, ruft Lavellan und deutet in die vom Regen verschwommene Ferne, wo Dorian ganz vage ein paar Zinnen und einen Turm ausmachen kann. Er könnte ein paar Banditen gut gebrauchen, um noch etwas mehr Frust an ihnen auszulassen. Idealerweise, während er mit dem Rücken zu Bull und Lavellan steht, damit er sie nicht ansehen muss und dabei feststellen darf, dass sie ihn kein bisschen ansehen.
 

Dorian fragt sich, ob der Kohlstift um seine Augen, den er heute Morgen mit viel Mühe aufgetragen hat, quer über sein Gesicht läuft.
 

»Vielleicht finden wir in der Festung guten Wein«, sagt Lavellan, der munter neben ihm her stapft, als würde ihm dieser elende Regen überhaupt nichts ausmachen. Aber wenn man im Wald unter freiem Himmel lebt, gewöhnt man sich wahrscheinlich an die verschiedensten Wetterlagen.
 

Dorian jedenfalls hat noch nie im Wald gelebt und hat keinerlei Interesse daran, sich an das scheußliche Wetter in Ferelden zu gewöhnen.
 

Er ist sich einen Moment lang nicht sicher, was Lavellan mit Wein anfangen will, wo sie doch diesen scheußlichen See ablaufen lassen wollen. Dann wird ihm klar, dass Lavellan die Unterhaltung von vorher fortsetzen will. Als wären sie nicht gerade von roten Templern angegriffen worden.
 

Dorian gibt ein Schnauben von sich, das tatsächlich ein paar Regentropfen von seinem Gesicht fortschleudert.
 

»Ich bin nicht sicher, ob selbst guter Wein dieses Wetter erträglicher machen kann«, brummt er ungnädig. Wenn er Bull hinter sich eine Bemerkung über verwöhnte Vints machen hört, dann ignoriert er das gekonnt und weigert sich, seine Laune davon noch schlechter werden zu lassen. Viel weiter bergab geht es vermutlich ohnehin nicht.
 

Er blinzelt verwirrt, als er Lavellans Hand auf seiner nackten Schulter spürt. Die Haut kribbelt unter der ungewohnten Berührung und er dreht den Kopf, um Lavellan in die braunen Augen zu schauen.
 

»Ein Elend, wo du so ein charmantes Lächeln hast«, meint Lavellan und zwinkert mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Dorian starrt ihn an, während Lavellan seine Hand zurück zieht und munter vor sich hin summend weiter durchs nasse, matschige Gras stapft, als hätte er gerade nicht ganz eindeutig geflirtet.
 

Mit Dorian.
 

Dorian spürt zu seinem grenzenlosen Ärger, dass ihm Hitze ins Gesicht steigt und sich sein Brustkorb zusammenzieht. Er folgt Lavellan mit kreiselnden Gedanken und hämmerndem Herzen und will sich lieber nicht damit auseinander setzen, was genau das bedeutet.
 

Um sich abzulenken, wendet er sich stattdessen an Bull, um auf dem Weg zur Festung ein wenig zu sticheln.
 

»Und, Bull? Gar keine Kommentare? Kein Problem damit, mit einem ‚Vint‘ zu reisen?«
 

Bull wirft ihm einen Blick von der Seite zu.
 

»Ach? Da kommst du her? Ihr Menschen seht alle gleich aus für mich«, gibt er zurück, als hätte er nicht gerade vorhin mit Varric über verwöhnte ‚Vints‘ gelästert. Dorian zwingt sich, tief einzuatmen.
 

»Ich bin auch Magier. Wäre es dir lieber, wenn ich gefesselt und angeleint wäre?«
 

Bull schnaubt amüsiert und marschiert weiter neben Dorian her, Lavellan und Varric hinterher, die sich gut gelaunt unterhalten und ihnen keine weitere Beachtung schenken.
 

»Ich würde dich schon erst zum Abendessen einladen«, meint Bull lässig und Dorian kann es nicht fassen, dass ihm das zweimal direkt hintereinander passiert. Vielleicht haben die beiden sich abgesprochen und wollen sich nun über ihn lustig machen. Aber, erinnert eine leise Stimme ihn, die beiden wissen überhaupt nicht, dass du Männer magst. Du hast es niemandem erzählt.
 

»Hoffentlich bevor du mir den Mund zunähst«, schnappt Dorian. Er sieht ganz genau wie Bull sein eines Auge verdreht, bevor er einen Schritt zulegt.
 

»Kommt drauf an, wie viel mehr Mist du noch reden willst«, grollt Bull und dann holt er mit Varric und Lavellan auf und steigt in ihr Gespräch ein, als hätte er schon die ganze Zeit mit einem Ohr zugehört, weil Dorian nicht seine volle Aufmerksamkeit verdient.
 

Dorian fragt sich, ob er vielleicht seine schlechte Laune an etwas anderem auslassen sollte, als an seinen Reisebegleitern, aber ihm fällt keine gute Alternative ein, vor allem, wenn er bedenkt, dass zwei der Drei überhaupt erst für seine Laune verantwortlich sind.
 

Die nächste halbe Stunde bleibt Dorian hinter den anderen und versucht sich nicht zu sehr auf das Gefühl von nasser Kleidung auf seiner Haut zu konzentrieren und darauf, dass er wahrscheinlich eine dicke Erkältung bekommen wird, wenn sie nicht bald irgendwo Halt machen, wo es warm ist und trockene Decken gibt.
 

Lavellan ist dazu übergegangen, rüde Witze zu erzählen, über die besonders Bull laut dröhnend lacht und Varric leise gluckst.
 

»Den muss ich mir für mein nächstes Buch merken«, sagt Varric nach einem besonders derben Scherz über eine orlisische Dame und einen Ochsenkarren.
 

»Bekomme ich eine Widmung?«, will Lavellan breit grinsend wissen und schreitet unbekümmert auf das verrammelte Burgtor zu, als wäre es gar nicht da. Dorian würde gerne sagen, dass er nicht genau beobachtet, wie Lavellan sich die schwarzen Locken aus der Stirn wischt.
 

»Wer, wenn nicht der Retter der Welt?«, sagt Varric und lädt Bianca.
 

»Sollen wir anklopfen?«, fragt Bull breit grinsend, als gäbe es nichts Schöneres, als in diesem strömenden Regen auch noch eine Horde Banditen zu töten, die Blut und Eingeweide verspritzen und Dorians Kleider damit noch mehr ruinieren werden.
 

»Vielleicht laden sie uns auf einen warmen Tee ein«, sagt Lavellan und macht sich nicht einmal die Mühe, seinen Stab in die Hand zu nehmen, bevor er die Hände ausstreckt, eine komplizierte Schlängelbewegung macht und die Magie um sie her wie Fäden zu sich zieht, ehe er sie mit einem heftigen Stoß beider Hände von sich weg entlädt und das Holz in hunderte kleine Stücke bersten lässt.
 

Dorian greift nach seinem Stab. Er hat noch nie jemanden gesehen, der so oft ohne Stab Magie verwendet, aber er kannte auch vor Lavellan keinen einzigen Dalish Magier. Nachdem das Tor geborsten ist, schreitet Lavellan über die Splitter hinweg, als würden sie seinen nackten Füßen kein bisschen Schmerz zufügen und fängt an, Bogenschützen auf den Zinnen einzufrieren, damit Varric sie problemlos erschießen kann.
 

Es macht Dorian bitter, dass Lavellan diese Kampftaktiken mit seinen anderen Gefährten scheinbar mühelos einstudiert hat, ohne sich vorher großartig mit ihnen abzusprechen. Er hat schon beobachtet, wie Lavellan um Cole herumwirbelt, der kaum zu sehen ist, als wüsste Lavellan genau, wo er sich befindet. Er weicht instinktiv Viviennes Zaubern aus, wenn sie gemeinsam unterwegs sind, er beschwört Barrieren um Cassandra und Solas, ohne auch nur hinzusehen, wo sie sich gerade befinden, als kenne er ihre Kampfstrategien in und auswendig.
 

Dorian schleudert Feuerbälle auf zwei herannahende Krieger mit schwerer Rüstung, greift nach der Magie um sich her und bereitet sich auf einen gut platzierten Kettenblitz vor, als wie aus dem Nichts ein Bandit mit zwei Dolchen auf ihn zustürzt. Dorian weiß, dass er nicht wendig genug ist, um auszuweichen und er schwingt seinen Stab nach vorne, um eine Barriere zu errichten, gerade als ein scheußliches Geräusch – eine Mischung aus Knochenknacken und zerreißendem Fleisch – ertönt und der Bandit in der Mitte von einer riesigen Axt halbiert wird.
 

Bull grinst Dorian an, ehe er sich dem nächsten Banditen zuwendet und Dorian muss sich arg zusammenreißen, sich nicht hier und jetzt zu übergeben und sein Image als verwöhnter Sohn eines Magisters noch weiter zu untermauern.
 

Er spürt, wie warme Magie sich um ihn schließt und ihm wird klar, dass Lavellan eine Barriere um ihn errichtet hat, während er sich einen Zweikampf mit dem letzten sichtbaren Bogenschützen liefert.
 

Er schaut nicht einmal zu Dorian herüber.
 

Vielleicht beachtet er dich gar nicht so wenig, wie du dachtest, flüstert eine Stimme in seinem Kopf, aber Dorian verwirft den Gedanken. Er sollte sich nicht mitten im Kampf mit irgendwelchen belanglosen Grübeleien auseinander setzen. Dorian zielt mit Präzision und Frust und reißt den letzten Bogenschützen mit einem einzigen Feuerball von den Füßen.
 

Er fällt von den Zinnen und landet mit einem scheußlichen Geräusch auf dem Boden. Lavellan dreht sich um und grinst Dorian zu, dann rennt er die Treppe hinauf, dicht gefolgt von Bull. Woher diese beiden ihren Enthusiasmus nehmen, ist Dorian schleierhaft, aber er folgt ihnen die Treppen hinauf, wo die nächsten Gegner bereits auf sie warten.
 

Das größte Problem, denkt Dorian sich, während er mit Zaubern um sich wirft und magische Barrieren heraufbeschwört, ist, dass er den Inquisitor gut leiden kann. Er ist nicht einfach nur ein hübscher Mann, mit dem Dorian gerne eine oder zwei Nächte verbringen würde. Er ertappt sich dabei, Lavellans Respekt und Zuneigung ergattern zu wollen und es stört Dorian.
 

Mit Sex kann er leben.
 

Was auch immer diese komische Zuneigung ist, damit kann er definitiv sehr viel weniger leben.
 

Zuneigung. Bewunderung.
 

Damit hat Dorian nichts am Hut.
 

*
 

Wenn Dorian jedes Mal ein Silberstück dafür bekommen würde, wenn jemand misstrauisch hinter seinem Rücken tuschelt, mit dem Finger auf ihn zeigt oder ihn offen beleidigt, dann hätte er vermutlich nach wenigen Wochen sein Vermögen wieder beisammen. Am Anfang hat er in Erwägung gezogen, seinen Alkohol in der Taverne zu kaufen und dann anderswo zu trinken, aber aus purem Trotz bleibt er dort, sitzt alleine an seinem Stammtisch in der Ecke und tut so, als würden ihm all die Blicke nichts ausmachen.
 

Meistens macht es ihm nichts aus, wenn Leute ihn schief ansehen oder über ihn lästern. Er weiß schließlich, dass er großartig ist und er ist nicht auf die Bestätigung anderer Leute angewiesen. Aber nach fast zwei Monaten dauerhaftem Getuschel nagt es an ihm – vor allem, wenn er sich vorstellt, dass all diese Gerüchte auch an die Ohren des Inquisitors gelangen.
 

Dorian starrt in sein Glas und fragt sich, wie Südländer dieses Gebräu ihr Leben lang trinken können, als jemand einen Stuhl an seinem Tisch zurück zieht und sich rittlings darauf nieder lässt.
 

Es ist Bull.

Er verschränkt die Arme auf der Lehne des Stuhls und mustert Dorian mit einer gelassenen Miene, die Dorian direkt wieder zur Weißglut treiben könnte, wenn er nicht schon so angetrunken wäre.
 

Er wartet auf eine Beleidigung, eine schnippische Bemerkung, einen schlau verpackten Seitenhieb über seine Heimat oder seine Landsleute oder ihn selbst.
 

»Bock auf eine Partie Schach?«
 

»Was?«
 

»Schach. Ich hab gesehen, dass du mit Cullen spielst.«
 

Dorian starrt ihn an. Vielleicht lacht Bull gleich, verkündet, dass es ein Scherz war und verschwindet wieder zurück zu seinen üblichen Saufkumpanen. Aber er sieht Dorian nur erwartungsvoll und ganz entspannt an.
 

»Wenn du unbedingt willst, dass ich den Boden mit dir wische«, sagt Dorian nonchalant. Bull grinst breit auf diese schiefe Art und Weise, die irgendetwas in Dorians Lendengegend kribbeln lässt. Er schwankt zwischen Scham, Ärger und Resignation.
 

Oh nein.
 

Er wird sich definitiv nicht von seinem besten Stück in irgendeine Richtung schleifen lassen, die er garantiert bereuen würde, wenn er am nächsten Tag nüchtern und mit heftigem Muskelkater aufwachen würde. Bei dem Gedanken an Muskelkater wird Dorian heiß und er räuspert sich.
 

Dummerweise sieht Bull aus, als wüsste er ganz genau woran Dorian gerade gedacht hat und Dorian würde sich gerne in dem Wein ertränken, der vor ihm auf dem Tisch steht.
 

Dem Erbauer sei Dank macht Bull keinen anzüglichen Kommentar, sondern stellt ein Schachbrett auf den Tisch vor ihnen und fängt an die Figuren aufzustellen. Dorian bemerkt, dass Bull für sich selbst die schwarzen Figuren aufstellt. Vielleicht sollte er aufhören, in jede kleine Handlung von Bull und Lavellan dramatische Bedeutungen hinein zu interpretieren.
 

Aber vor allem bei Bull hat wahrscheinlich wirklich jedes Muskelzucken eine tiefere Bedeutung, immerhin ist er als Qunari-Spion darauf spezialisiert, Leute auszuhorchen und sich selbst zu verstellen.
 

Dorian fragt sich, ob Bull sich gerade verstellt.
 

»Nach dir«, sagt Bull mit einer einladenden Handbewegung auf das Schachbrett und Dorian setzt seinen ersten Bauern. Er hat schon mitbekommen, wie Bull und Solas Schach spielen – und zwar ganz und gar ohne Brett. Dorian dachte am Anfang, dass das unmöglich funktionieren kann, aber tatsächlich. Das hat dazu geführt, dass ihm zum ersten Mal wirklich klar geworden ist, wie schlau Iron Bull eigentlich ist.
 

Dorian weiß, dass er selbst auch ziemlich intelligent ist, aber er könnte im Leben nicht Schach ohne Brett spielen.
 

Sie spielen schweigend bis auf die gelegentlichen, nachdenklichen Geräusche, die Bull macht. Dorian und Cullen sind sich in etwa ebenbürtig, was die Fähigkeiten im Schach angeht. Bull ist allerdings sehr viel schwerer zu durchschauen als Cullen es jemals sein könnte. Selbst wenn er sich Mühe geben würde.
 

Dorian vergisst die tuschelnden Leute und seinen Frust aus den letzten Wochen, während er seine ganze Konzentration auf das Spiel vor sich richtet. Fast wünscht er sich, nicht so viel getrunken zu haben, denn dann hätte er sicherlich weniger Schwierigkeiten, Bulls Züge vorherzusehen.
 

Als sein Wein leer ist, bestellt Bull ihm ungefragt einen neuen. Er selbst trinkt dieses merkwürdige Gebräu, dessen Geruch allein Dorian schon die Tränen in die Augen treibt, wenn er dem Krug zu nahe kommt. Er hat gesehen, wie Bull und Lavellan ein paar Krüge davon gemeinsam getrunken haben, nachdem sie einen Drachen getötet hatten.
 

Dorian hat auch gesehen, wie zufrieden und beinahe liebevoll Bull Lavellan angesehen hat, als dieser nach drei Bechern mit dem Kopf auf den Tisch gesunken ist. Dorian hat an seinem üblichen Platz gesessen und die beiden beobachtet – man könnte fast sagen, dass es eine ärgerliche Angewohnheit geworden ist – und er hat zugesehen, wie Bull Lavellan mühelos vom Stuhl gehoben und aus der Taverne getragen hat.
 

Die Zeit verschwimmt im Schach und im Wein und Dorian stellt fest, dass er seit Ewigkeiten nicht so entspannt war.
 

»Ziemlich offensiver Stil für einen zerbrechlichen Magier«, sagt Bull nach einer sehr langen Weile. Dorian grinst.
 

»Ziemlich defensiver Stil für eine selbst ernannte Tötungsmaschine«, gibt er lässig zurück. Bull lacht.
 

»Ok, ok«, willigt er gönnerhaft ein und nimmt noch einen Schluck aus seinem Krug.
 

»Außerdem verbitte ich es mir, zerbrechlich genannt zu werden«, fügt Dorian hinzu. »Schach!«
 

Bull fährt sich mit seiner rechten Hand übers Kinn und mustert das Schachbrett.
 

»Ja, ihr seid robuster, als ihr ausseht.«
 

»Ihr?«
 

»Magier. Auch wenn ich dieses Outfit für Selbstmord halte.«
 

»Entschuldige bitte? Hast du bemerkt, dass dein Oberkörper nackt ist?«, gibt Dorian empört zurück. Er braucht keine schwere Rüstung, um sich zu schützen, weil er sich schließlich nicht alle Nase lang in Nahkämpfe stürzt.
 

»Hey, Qunari, schon vergessen? Meine Haut ist meine beste Rüstung! Und man kann sich viel besser bewegen, wenn man nicht so ein Metallhaufen ist wie Cassandra oder Cullen.«
 

»Tja, wir Menschen sind eben weich und leicht zu zerquetschen«, sagt Dorian, während Bull seinen König aus dem Schach zieht.
 

»Also doch zerbrechlich«, sagt Bull triumphierend und haut Dorian quer über den Tisch auf die Schulter. Dorian schnaubt empört und richtet seine Konzentration wieder auf das Spiel. Er grübelt eine gefühlte Ewigkeit darüber nach, was er tun kann, um Bull aus der Reserve zu locken, als er Bulls Stimme »Hey, Boss«, sagen hört.
 

Dorian schaut auf.
 

Lavellans braune Haut schimmert aus unerfindlichen Gründen besonders schön im Kerzenlicht, das hier in der Taverne herrscht. Er trägt seine übliche Kluft, die womöglich Standard für Dalish-Elfen ist. Dorian hat sich noch nicht entschieden, ob er den Aufzug chic oder abscheulich findet.
 

Lavellans lange Wimpern, die endlos vielen Sommersprossen und die schwarzen Locken lenken auch allzu sehr von seiner Kleidung ab.
 

»Wer gewinnt?«, fragt Lavellan schmunzelnd, zieht sich einen Stuhl an ihren Tisch und setzt sich genau wie Bull rittlings darauf, die Ellbogen auf die Rückenlehne gestützt und den Blick interessiert aufs Brett gerichtet.
 

»Ich«, sagen Dorian und Bull gleichzeitig und Lavellan lacht, wirft den Kopf in den Nacken und Dorian beobachtet seinen Adamsapfel einen Augenblick, bevor er sich seinem Wein widmet.
 

»Lasst euch von mir nicht stören. Ich versuche sowieso schon die ganze Zeit mir die Regeln zu merken«, meint Lavellan bestens gelaunt. Dorian versucht, sich nicht ablenken zu lassen.
 

Er scheitert grandios.
 

Lavellan hat seine Unterlippe zwischen den Fingern, die Stirn gerunzelt und seine schwarzen Locken fallen ihm vollkommen ungeordnet ins Gesicht. Dorian verteilt solche Komplimente nicht leichtfertig, aber Lavellan könnte einer der hübschesten Männer sein, die er je gesehen hat. Und Dorian hat schon viele Männer gesehen.
 

»Was zu trinken, Boss?«, fragt Bull beiläufig. Dorian sieht aus dem Augenwinkel, wie Lavellan gedankenverloren nickt. Es ist, als würde sein Blick sich in Dorians Finger bohren. Wenn er nicht wüsste, dass man die Blicke von Magiern nicht wirklich auf der Haut spüren kann, dann würde er es vielleicht glauben.
 

Im nächsten Moment hat Lavellan einen Krug vor sich stehen. Er riecht kurz daran, wirft Bull einen nachsichtig schmunzelnden Blick zu und nimmt einen großen Schluck. Das Husten, das diesem Schluck folgt, verrät Dorian, dass Bull ihm wieder dieses höllische Gebräu bestellt hat.
 

»Also diese hier können nur in eine Richtung laufen, und dieses Teil… steht eigentlich nur rum«, murmelt er. Dorian fragt sich, ob Bull Lavellan die Regeln schon einmal erklärt hat, oder ob Lavellan alles selbst erraten soll.
 

»Das ist der König«, sagt Dorian. Lavellan gluckst.
 

»Macht Sinn, wenn er nur rumsteht.«
 

Bull lacht und schiebt seinen König ein Feld nach links, da Dorian ihn schon wieder ins Schach gesetzt hat.
 

»Ich habe gehört, dass Menschenkönige manchmal auch im Krieg sterben, wenn sie doch mal ihre Burg verlassen«, sagt Dorian. Was das angeht, ist König Cailan womöglich ein ungewöhnliches Beispiel.
 

Bull schnaubt grinsend.
 

»Weil Menschen zerbrechlich sind.«
 

»Bei uns gibt‘s keine Könige. Klappt ziemlich gut«, meint Lavellan. Dorian beschließt beizeiten nähere Informationen über die Dalish Kultur einzuholen. Er weiß erstaunlich wenig darüber – oder vielleicht weniger erstaunlich wenig, da in seiner Heimat keine Dalish-Elfen hausen. Aus naheliegenden Gründen.
 

Dorian würde gerne sagen, dass er Bull lässig Schachmatt setzt und Lavellan somit beeindruckt, aber stattdessen setzt Bull seine Dame vier Felder diagonal nach vorn und Dorian muss feststellen, dass er gerade verloren hat.
 

»Schachmatt«, sagt Bull grinsend und verschränkt zufrieden die Arme vor seiner nackten Brust. Dorian lehnt sich zurück und seufzt. Lavellan nimmt noch einen Schluck aus seinem Krug und verzieht das Gesicht, allerdings ohne sich über den anscheinend scheußlichen Geschmack zu beklagen.
 

»Dorian! Erklär mir, warum du verloren hast«, sagt Lavellan, rutscht um den Tisch herum, bis seine Schulter Dorians berührt und sieht ihn erwartungsvoll an. Bull lacht zufrieden und leert seinen Becher und dann beobachtet er Dorian und Lavellan dabei, wie sie über Schachregeln reden.
 

Dorian fühlt sich so zufrieden, wie schon lange nicht mehr und er versucht nicht genau zu ergründen, woran das liegt.
 

*
 

»Lieber Dorian,
 

dein letzter Brief hat mich zwei Tage nach Vaters Geburtstag erreicht. Das war das erste Mal, dass wir den Tag nicht zusammen in unserem Sommerhaus verbracht haben. Ich bin dankbar, dass dein Inquisitor Vater die Möglichkeit zur Recherche gegeben hat, statt ihn zum Tode zu verurteilen – ein Urteil, das ich trotz meiner Gefühle hätte nachvollziehen können. Es ist jetzt noch stiller im Haus. Ich hätte nicht erwartet, dass das möglich wäre, nachdem Mutter gestorben ist. Ich vermisse die Zeit, in der du durchs Haus gegeistert bist – es war alles ein bisschen weniger trist und ich glaube, Vater konnte sich in deiner Anwesenheit immer etwas besser damit abfinden, dass ich so ein miserabler Magier bin.
 

Meine Studien verlaufen recht erfolgreich, ich versuche mich abzulenken, indem ich neue mathematische Gleichungen aufstelle, die etwas mit Wahrscheinlichkeit zu tun haben. Wenn wir uns einmal wiedersehen, kann ich dir meine Arbeit zeigen. Meine Gesundheit ist nicht gerade das, was man als vital bezeichnen kann, gestern habe ich den ganzen Tag nur geschlafen. Ich glaube, Juliana bekommt bald einen Herzinfarkt – Mutter tot, Vater verhaftet, meine Kondition… ich habe das Testament ändern lassen. Wenn ich sterbe, sollen Juliana und ihre Familie freigelassen werden. Nicht, dass das hier viel bedeutet, ich habe gesehen, wie die Liberati leben. Aber Juliana redet so oft von der Heimat ihrer Eltern, vielleicht geht sie zurück nach Antiva, wenn ich irgendwann einmal nicht mehr bin.
 

Ich hoffe, dir geht es besser dort im kalten Süden. Dein letzter Bericht von dem Riss im See und den Untoten klang ausgesprochen abenteuerlich. Ich bin fast ein wenig neidisch, dass ich wohl nie dazu kommen werde, solche Abenteuer zu erleben, auch wenn der andauernde Regen weniger erfreulich klingt. Und Dorian, ich weiß, dass du nicht der Typ Mann bist, der gerne über seine Gefühle redet, aber ich könnte schwören, dass dreiviertel deines Briefes sich nur darum gedreht haben, wie empörend dein Qunari-Begleiter und wie elendig heldenhaft dein Inquisitor sind. Wenn ich es richtig verstanden habe, stören sich die Südländer nicht allzu sehr an gleichgeschlechtlichen Neigungen, mein Freund. Das Leben ist kurz und man sollte es in vollen Zügen genießen!
 

Ich danke dir für dein Angebot, dich durch den Inquisitor mit den Grauen Wächtern in Verbindung zu setzen und vielleicht eine Lösung für mein Problem zu finden. Soweit ich weiß, sind sie jedoch alle verschwunden und ich versuche, mich nicht irgendwelchen Hoffnungen hinzugeben. Wenn du Vater siehst, grüß ihn von mir und sende noch einmal Dank an deinen Inquisitor.
 

Dein Felix«
 

*
 

Dorian ist kein Freund von Solas, aber er schaut immer mit Interesse zu, wenn Solas Magie wirkt. Deswegen nutzt er die Chance zur Beobachtung – schon wieder Beobachtung, Dorian befindet, dass ihm der Süden definitiv nicht bekommt – als Lavellan und Solas gemeinsam eine Technik erproben, die ihr Inquisitor gerade gelernt hat.
 

Dorian sitzt auf einer der Mauern und schaut hinunter in den Hof. Er kommt sich beinahe vor wie Cole, der hier oft seine Zeit verbringt und den Gedanken von Menschen lauscht. Manchmal denkt Dorian sich, dass es sehr praktisch wäre, wenn er den Gedanken von anderen lauschen könnte.
 

Lavellan ist wie so oft barfuß und heute hat er zu allem Überfluss beschlossen, dass er auch kein Oberteil braucht. Solas sieht neben Lavellan aus wie ein blasser Ziegenkäse. Dorian kann von hier aus nicht hören, worüber sie reden, aber Lavellans Gesicht sieht hochkonzentriert aus, während er probehalber seinen Stab herumwirbelt und dann nickt.
 

»Frage mich, wann er anfängt, uns zu vertrauen«, ertönt eine interessierte Stimme neben ihm. Dorian fällt zum zweiten Mal beinahe von den Zinnen, aber eine sehr große Hand langt nach seinem Oberarm und hält ihn fest.
 

»Was?«, sagt Dorian und er vergisst vor lauter Schreck und Verwirrung gereizt zu sein, als Bull sich neben ihm auf die Mauer stützt und ebenfalls mit großem Interesse hinunter in den Hof schaut.
 

Bull zuckt mit den massigen Schultern.
 

»Ich kenn mich mit dem Magie-Bullshit ja nicht so aus, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Dalish ihre eigenen Zaubertricks haben. Hab davon noch keine gesehen beim Boss. Alles nur ganz braves Zirkelgezauber«, meint Bull, sein eines Auge auf Lavellan und Solas gerichtet, die nun gedämpft miteinander sprechen und dann noch eine langsame Bewegungsabfolge miteinander proben.
 

Dorian blinzelt und denkt darüber nach. Lavellan errichtet Barrieren, friert Leute ein und erschafft mit großer Präzision Blitzkäfige, die ihnen nicht selten zum Sieg verhelfen. Und Dorian hat keine Ahnung, was für eine Art von Magie die Dalish benutzen. Er weiß nicht einmal, ob Solas Dalish ist – er distanziert sich regelmäßig von Elfen und hat auch keine Tattoos im Gesicht.
 

»Und wieso sollte er irgendwelche Tricks verstecken?«, sagt Dorian ungehalten, während seine Gedanken darum kreisen, ob es wohl irgendwelche Bücher über die Magie der Dalish gibt. Bull schnaubt, als hätte Dorian etwas sehr Naives gesagt, was Dorian prompt wieder ärgert.
 

»Ist ja nicht so, als hätten Elfen besonders gute Erfahrung mit Menschen gemacht«, meint Bull. Dorian fühlt sich sofort direkt angegriffen. Vielleicht, weil er aus Tevinter kommt. Wahrscheinlich hat Bull es nicht unbedingt so gemeint, aber Dorian hat trotzdem nicht übel Lust, dem riesigen Trottel einen Feuerball gegen den Kopf zu schleudern.
 

Ob er Lavellan danach fragen kann?
 

Nein, besser nicht.
 

Er erinnert sich an seine letzte Unterhaltung mit Solas über Magie aus Tevinter, bei der es sich herausgestellt hat, dass Dorians Landsleute diese Kunst von den Elfen gestohlen haben. Es ist ein hartes Stück Arbeit sein Heimatland gleichzeitig zu lieben und abgrundtief zu verabscheuen und Dorian weiß irgendwo in den Tiefen seines Kopfes, dass er letztendlich auch ein privilegiertes Produkt dieser Gesellschaft ist und man sich davon nicht so leicht lösen kann.
 

Aber er hat jetzt keine Lust, sich näher damit auseinanderzusetzen.
 

Es nagt an ihm, dass Lavellan ihnen womöglich wirklich nicht vertraut. Dorian würde es gerne leugnen, aber er traut dem Inquisitor. Sie kennen sich kaum mehr als ein paar Monate, aber Dorian hatte in seinem Leben wenige Freunde und Lavellan hat bisher nichts anderes getan, als ihn zu unterstützen.
 

»Aw, was denn? Schmollst du jetzt?«, will Bull wissen, während er Dorians finstere Miene betrachtet. Dorian wirft ihm einen strafenden Blick zu, der Bull zum Lachen bringt.
 

»Tja. Du wirst dich irgendwann damit abfinden müssen, dass deine Landsleute seine natürlichen Fressfeinde sind. So wie ich deiner bin«, meint Bull und grinst Dorian an, als wäre es überhaupt kein Problem ihm zu sagen, dass Dorian und Lavellan eigentlich gar nicht befreundet sein können.
 

Gut, das hat er natürlich eigentlich nicht gesagt. Aber Dorian hat es definitiv im Unterton gehört.
 

»Ach? Wenn nur ich sein natürlicher Fressfeind bin, was sind dann die Leute, die Magier den Mund zunähen und sie in Ketten legen?«, presst er zwischen den Zähnen hervor. Bull zuckt mit einer Schulter.
 

»Hey, mir vertraut er schließlich auch nicht. Kein Grund dein Höschen zu verknoten«, sagt Bull lässig, als würde es ihm nichts ausmachen, dass der Inquisitor ihm nicht vertraut.
 

»Und wem vertraut er deiner professionellen Meinung nach?«
 

Dorian stellt die Frage, als wäre es Hohn. Aber ein kleiner Teil von ihm will die Antwort wirklich wissen. Bull sieht hinunter zu Solas und Lavellan, die immer noch in beeindruckender Synchronisation ihre Stäbe umher wirbeln lassen.
 

»Ganz ehrlich?« sagt Bull und sieht dabei zu, wie Lavellan eine elegante Kreisbewegung vollführt, ohne Solas dabei auch nur eine Sekunde lang aus den Augen zu lassen, »Niemandem hier.«
 

Dorian fragt sich, wie jemand, der so offen mit anderen Leuten umgeht, durchs Leben zieht ohne irgendjemandem zu vertrauen. Aber letztendlich kennt Dorian Inquisitor Lavellan kaum – vielleicht hat er jede Menge enger Freunde und Verwandte in seinem Clan, denen er all seine Geheimnisse und Gedanken anvertraut.
 

Dorian würde es Bull gegenüber selbstverständlich niemals zugeben, aber Dorian würde seinen linken Arm dafür geben, einer von diesen Vertrauten zu sein.
 

*
 

Er streitet mit Bull gerade über Architektur, als Lavellan sich ihm mit großen Schritten nähert.
 

»…diese pseudostabilen Bruchbuden von– hey Boss!«
 

Dorian fragt sich, ob es einen Tag geben wird, an dem Lavellan schlichtweg furchtbar aussieht. Jetzt gerade ist er mit Dreck und Blut beschmiert und sieht aus, als hätte er seine Kleidung mehrere Tage lang nicht gewechselt. Seine schwarzen Locken hängen ihm wirr ins Gesicht und in der Hand hält er einen Brief, der bei genauerem Hinsehen schmutzige Fingerabdrücke aufweist.
 

»Dorian, ich muss mit dir sprechen«, sagt er und wedelt mit dem Brief durch die Luft. Er schenkt Bull ein flüchtiges Lächeln, dann richten sich seine dunklen Augen auf Dorian. »Es ist ein Brief für dich gekommen.«
 

»Ein Brief? Ist es ein schmutziger Brief?«, will Dorian amüsiert wissen und streckt die Hand danach aus. Lavellan schenkt ihm ein schiefes Grinsen und schüttelt den Kopf.
 

»Nicht ganz«, sagt er. »Er ist von deinem Vater.«
 

Dorians Herz rutscht ihm ein Stück weit den Brustkorb hinunter und er schluckt, während sein Gemüt sich zu entscheiden versucht, ob es Entsetzen, Empörung oder kalte Wut fühlen möchte. Dorian faltet das schwere Pergament auseinander und fängt an zu lesen.
 

»Ehrwürdige Mutter,
 

ich kann verstehen, dass Ihr euch der Aufgabe, Dorian zum genannten Treffpunkt zu bringen, nicht gewachsen seht. Noch während ich diese Bitte an Euch richte, kann ich meinen eigenen Worten kaum glauben. Wenn man bedenkt, dass mein Sohn jedweden Kontakt abgeschmettert hat, ist dies der einzige Weg, den ich sehe. Ich kenne meinen Sohn; er ist zu stolz–«
 

Dorian lässt den Brief sinken und starrt Lavellan an.
 

»Ich kenne meinen Sohn!? Was mein Vater über mich weiß, kann kaum einen Fingerhut füllen!«, empört er sich lautstark, ohne den Brief zu Ende zu lesen. Zwei Magierinnen, die an ihnen vorbei schlendern, zucken angesichts seiner erhobenen Stimme zusammen und eilen weiter. Dorian ignoriert sie genauso wie Bulls sorgfältig blanken Gesichtsausdruck.
 

»Ich wette, dieser Kerl, den wir treffen sollen, ist irgendein Handlanger, der mich ausschalten und zurück nach Tevinter schleifen soll!«
 

Wie kann sein Vater es wagen so zu tun, als wäre Dorian schuld daran, dass sie keinen Kontakt mehr miteinander haben? Er hat schließlich nicht versucht, seinen Vater mit Blutmagie von irgendwelchen selbsternannten Perversionen zu heilen!
 

Lavellan sieht empört aus – diesen Gesichtsausdruck kann Dorian sogar unter der dicken Schicht Dreck und getrocknetem Blut erkennen.
 

»Was? Glaubst du, das würde er tun?«
 

»Nein«, gibt Dorian grollend zu. »Obwohl ich ihm so ziemlich alles zutraue.«
 

Er schweigt einen Moment und überfliegt erneut die Zeilen des Briefes. Die Handschrift seines Vater ist scharf gestochen wie eh und je. Dorian würde den Brief gerne in Flammen aufgehen lassen, aber er will vor Bull und Lavellan die Fassung nicht verlieren.
 

»Lasst uns gehen und diesen Handlanger meines Vaters treffen«, meint er und knüllt den Brief zusammen. Lavellan schaut an sich hinunter. »Wenn jemand irgendein krummes Ding drehen will, bringen wir sie allesamt um! Darin bist du schließlich Experte!«
 

»Ich bin definitiv dafür, den Handlangern von Magistern eins über die Rübe zu geben, aber vielleicht kann ich das auch machen, nachdem ich mich gewaschen habe? Mutter Giselle hat mich in der Eingangshalle ein wenig überfallen«, sagt Lavellan und deutet an sich herunter, als wäre Dorian sein Zustand eventuell noch nicht aufgefallen.
 

»Oh. Ja. Selbstverständlich«, meint Dorian und sackt ein wenig in sich zusammen.
 

»Wir warten hier, Boss. Ich muss Dorian noch erklären, warum moderne Architektur in Tevinter lachhaft ist«, sagt Bull scheinbar bestens gelaunt. Wenn dies ein Versuch sein soll, Dorian von seinen Gedanken und seiner Wut abzulenken, funktioniert es ausgezeichnet. Bull hat nämlich eindeutig keine Ahnung von Architektur. Wer weiß schon, in was für glanzlosen Klötzen die Qunari auf Par Vollen hausen!
 

Dorian ist sich nicht sicher, was er davon halten soll, als Cole zusammen mit dem Inquisitor zu ihnen kommt, nachdem etwa eine halbe Stunde vergangen ist. Lavellans Haar ist nass aber seine Haut und seine Sommersprossen sind wieder zu sehen, ebenso wie seine Tattoos. Er hat frische Kleidung angezogen und riecht nach einer Mischung aus Rosmarin und Lavendel.
 

Dorian ertappt sich dabei, sehr tief einzuatmen.
 

»Kann losgehen«, verkündet Lavellan und klopft Cole auf die Schulter. Cole lächelt verschwommen zu ihrem Anführer hinüber.
 

»Hab keine Angst, Dorian«, sagt Cole und starrt Dorian direkt ins Gesicht. Es wirkt jedes Mal so, als könnte Cole ihm direkt in die Seele schauen – was er vermutlich tatsächlich kann. »Wir beschützen dich.«
 

»Ich brauche niemanden, der mich beschützt, vielen Dank auch«, sagt Dorian mit in die Luft gereckte Nase und ignoriert das Schnauben von Bull.
 

»Nun, wir sind vor allem mentale Unterstützung. Auf geht’s!«, sagt Lavellan und Dorian holt Luft, um ihn aufzuhalten, aber da ist er schon von der Galerie hinunter in Solas‘ Rondell gesprungen. Dorian könnte schwören, dass er Solas ein unterdrückt erschrockenes Geräusch machen hört und fühlt sich sofort besser, auch wenn er selbst die Treppe bevorzugt.
 

*
 

Dorian kann insgesamt nicht wirklich behaupten, ein großer Fan vom Süden zu sein. Es ist zu kalt, überall lauern Bären – die Lavellan absolut nicht umbringen will, Dorian wird den Inquisitor wahrscheinlich niemals verstehen – und die Leute sind so… stumpf.
 

Redcliff hat immerhin eine Art rustikalen Charme, auch wenn Dorian im Moment Schwierigkeiten hat, das anzuerkennen, da die Rustikalität hinter einer ungesunden Mischung aus wachsendem Zorn und panischer Angst zurückbleibt.
 

»Du bist ein ziemlich schneller, kleiner Bursche, Cole«, hört er Bull hinter sich sagen.
 

»Wärst du gern schneller, The Iron Bull?«, will Cole interessiert wissen. Lavellan lächelt kaum merklich, während er den beiden ganz eindeutig zuhört. Dorian tut so, als würde er ihren Worten keine Beachtung schenken, aber in Wahrheit sind sie eine gute Ablenkung für seinen aktuellen Gemütszustand.
 

»Nah. Ich kann auch einfach dastehen und darauf warten, dass sie zu mir kommen, wenn sie bereit sind zu krepieren.«
 

Dorian sieht aus den Augenwinkeln wie Lavellan lächelnd die Augen verdreht.
 

»Dann sind sie es und nicht du. Du willst nicht töten, du willst verteidigen.«
 

»Hey!«, sagt Bull und klingt ausgesprochen empört. Dorian fragt sich, ob Cole Recht hat, aber dann wiederum hat Cole noch nie etwas über Dorian gesagt, das nicht wahr war. Beunruhigend. »Hör auf so einen Scheiß in der Öffentlichkeit zu erzählen, Kleiner!«
 

Cole lässt sich allerdings nicht abbringen.
 

»Aber du gibst ihnen eine Chance. Du lässt sie wählen. Damit es ihre eigene Schuld ist.«
 

»Aw, komm schon, Kleiner! Jetzt ist es komisch!«
 

Lavellan lacht leise und Dorian denkt darüber nach, einen amüsierten Kommentar zu machen, aber in diesem Moment kommt das Gasthaus in Sichtweite und seine Gedanken lösen sich in einem Nichts aus Nervosität auf.
 

»Hey«, sagt Lavellan leise. »Keine Sorge. Du hast drei sehr kompetente Leibwächter.«
 

Dorian möchte gerne sagen, dass er keine Leibwächter braucht, aber in Wahrheit ist er sich da nicht so sicher.
 

»Ja. Ich hab nichts dagegen ein paar Vints eins auf die Zwölf zu geben«, sagt Bull breit grinsend und tritt neben Dorian, der vor der Tavernentür stehen bleibt. Er ist eine riesige, merkwürdig beruhigende Präsenz an Dorians Seite. Wann genau hat er angefangen, sich in der Nähe eines verdammten Qunaris sicher zu fühlen? Die Welt geht wahrhaftig zugrunde.
 

Lavellan betrachtet Dorians Gesicht einen Augenblick lang, dann wendet er sich wieder der geschlossenen Tür zu.
 

»Wenn du nicht möchtest, dass wir alle mitgehen…«, fängt er an und Dorian spürt eine Hand auf seinem Arm. Er ignoriert das wohlige Kribbeln, dass sich von dieser Stelle her ausbreitet.
 

»Ich hab nichts zu verbergen«, sagt Dorian mit sehr viel mehr Bravur als er wirklich fühlt und greift beherzt nach der Klinke, damit niemand von seinen Gefährten auf die Idee kommt, dass Dorian Angst hat. Cole weiß vermutlich Bescheid, aber Dorian hofft, dass er ausnahmsweise einmal nicht alles vor sich her plappert, was ihm in den Sinn kommt.
 

Die Taverne ist leer, als sie eintreten und Dorian erwartet, jeden Moment aus dem Hinterhalt angegriffen zu werden.
 

»Uh-oh. Es ist niemand hier«, sagt er und hört selber, wie nervös seine Stimme klingt. »Das ist kein gutes Zeichen.«
 

»Er ist hier«, sagt Cole leise und Dorian macht eine beeindruckend elegante Drehung dafür, dass seine Beine sich wie Pudding anfühlen. Vielleicht hat ein kleiner Teil seines Gehirns es geahnt oder befürchtet, aber der Mann, der um die Ecke tritt und Dorians Namen sagt, ist kein ihm unbekannter Handlanger seines Vater.
 

»Vater«, sagt er und spürt, wie sein Gesicht sich automatisch in die sorgfältig wütende Maske verwandelt, die er für seinen Vater reserviert hat. Magister Halward Pavus sieht immer noch genauso aus wie Dorian ihn in Erinnerung hat. Er ist sich plötzlich übermäßig bewusst, dass er seinem Vater mit einem Dalish-Elfen, einem Dämon und einem Qunari-Spion gegenüber steht. Eine Art grimmige Genugtuung macht sich in ihm breit, als die Augen seines Vaters misstrauisch und eindeutig beunruhigt auf Bull liegen bleiben.
 

Dorian sieht aus dem Augenwinkel wie Bull grinst. Es ist kein freundliches Grinsen – eher eines, das möglichst viele Zähne zeigt und unmissverständlich klarstellt, dass Bull genauso gern Magistern den Kopf einschlägt, wie es den Anschein hat.
 

»Das ganze Gerede in dem Brief war also nur ein Vorwand?«, will Dorian bissig wissen. Sein Vater sieht aus, als wäre ihm diese Angelegenheit sehr peinlich – auch wenn Dorian sich nicht sicher ist, ob es ihn aus den richtigen Gründen peinlich ist. Halward Pavus macht einige Schritte in den Raum und Dorian hört Bull hinter sich sehr leise knurren.
 

Sein Vater hält inne und räuspert sich kaum merklich, dann richten sich seine Augen auf Lavellan.
 

»Also hat man dir von dem Brief erzählt«, sagt sein Vater und Dorian verkneift sich mit Müh und Not ein Schnauben. Lavellan tritt neben Dorian. Er rührt sich überhaupt nicht, aber Dorian spürt, wie das Nichts um ihn her vibriert. Sein Vater spürt das sicherlich ebenfalls.
 

»Ich entschuldige mich für die Täuschung, Inquisitor, ich hatte nie geplant Euch zu involvieren.«
 

Lavellan legt den Kopf schief. Seine Augen, die viel größer sind als die von Menschen, verengen sich ein klein wenig. Dorian ist sich ziemlich sicher, dass er solche Vibrationen im Nichts noch nie gespürt hat, was ihn prompt an die Unterhaltung mit Bull über Lavellans Magie erinnert.
 

»Natürlich. Magister Pavus kann schließlich nicht nach Skyhold kommen und mit dem gefürchteten Inquisitor gesehen werden. Was würden die Leute daheim denken?«, sagt Dorian schnippisch. »Und in was genau wolltest du den Inquisitor nicht involvieren? Kidnapping? Einen Hinterhalt? Eine herzliche Familienzusammenkunft?«
 

Sein Vater seufzt schwer, als würde er das Gewicht der ganzen Welt auf den Schultern tragen.
 

»So ist es jedes Mal…«
 

Lavellan zieht seine geschwungenen Augenbrauen nach oben.
 

»Wenn man bedenkt, dass Ihr Dorian unter falschem Vorwand hierher gelockt habt, hat er alles Recht der Welt wütend zu sein«, erwidert Lavellan mit eisiger Stimme. Halward Pavus, der Besitzer von insgesamt zwölf Sklaven ist, von denen neun elfischer Abstammung sind, hat in seinem Leben sehr wahrscheinlich noch nie Widerworte von jemandem mit Lavellans Abstammung bekommen. Dorian könnte schwören, dass man die Irritation deutlich auf dem Gesicht seines Vater sehen kann.
 

Aus unerfindlichen Gründen stachelt Lavellans Wut Dorians eigenen Zorn an. Er denkt an den abgedunkelten Raum und den Tisch, auf dem er liegen sollte, an die Worte seines Vaters, dass er Dorians »Problem« lösen könnte. Und er denkt daran, wie Lavellan mit Bull flirtet – und vielleicht auch mit Dorian – und daran, dass es nicht so sein muss, wie es zu Hause in Tevinter nun einmal ist.
 

»Du kennst nicht mal die Hälfte der Wahrheit. Aber vielleicht solltest sie kennen«, sagt er und ballt seine Hände zu Fäusten. Sein Vater sieht alarmiert aus.
 

»Dorian! Es besteht kein Grund–«, fängt sein Vater an, aber Lavellan hebt die Hand und Dorian hat seinen Vater noch nie so schnell verstummen sehen. Dann richten sich seine großen, braunen Augen auf Dorian, als würde er ihn ermuntern wollen, weiterzusprechen.
 

»Ich bevorzuge die Gesellschaft von Männern. Mein Vater hält nichts davon«, erklärt Dorian verbissen. Lavellan blinzelt verwirrt, verengt erneut die Augen zu Schlitzen und sein Blick huscht ungläubig zwischen Dorian und seinem Vater hin und her. Schräg hinter sich hört Dorian Bull abfällig schnauben.
 

»Was?«, sagt Lavellan.
 

»Habe ich gestottert? Männer. Und ihre Gesellschaft. Gesellschaft im Sinne von Sex! Sicherlich hast du davon gehört«, blafft Dorian ungehalten, auch wenn Lavellan wirklich keinerlei Schuld an der momentanen Situation hat. Er verdreht zur Antwort die Augen.
 

»Das sind ja keine Neuigkeiten, Dorian«, sagt Lavellan immer noch verwirrt.
 

Dorians Gedanken stolpern kurz über die Tatsache, dass Lavellan irgendwie gemerkt hat, dass Dorian auf Männer steht. Er weiß nicht, wie genau er das herausgefunden hat – Dorian dachte immer, dass er sich einigermaßen subtil verhält.
 

»Ich habe keine Ahnung, wieso irgendjemand sich dafür interessiert«, presst Dorian zwischen den Zähnen hervor.
 

»Dieses Drama ist wirklich unnötig«, sagt sein Vater mit dieser Stimme, die er auch manchmal angeschlagen hat, wenn Dorian seiner Meinung nach zu viel Wein auf Parties getrunken hat. Dorian kann diese Stimme nicht leiden. Er ist über dreißig und kein kleines Kind mehr. Außerdem hat er alles Recht der Welt wütend zu sein.
 

»Es ist definitiv nötig! Du hast es nötig gemacht, als du mich unter falschen Vorwänden hierher gelockt hast!«
 

»Das ist nicht das, was ich gewollt habe«, sagt sein Vater grimmig.
 

»Ich bin ohnehin nicht das, was du wolltest, Vater, oder hast du das schon vergessen?«
 

»Ist das eine große Sache in Tevinter?«, will Lavellan wissen.
 

»Was ist keine große Sache bei den Vints?«, murmelt Bull und Dorian kann es ihm nicht einmal verübeln.
 

»Es ist eine große Sache, wenn man versucht unmögliche Standards zu erfüllen! Jede Familie in Tevinter verheiratet ihre Kinder, um den perfekten Magier zu erschaffen – perfekter Körper, perfekter Geist. Der perfekte Anführer. Das heißt, dass jede winzige Abweichung der Norm eine Schande ist und versteckt werden muss«, erklärt Dorian und starrt Lavellan ins Gesicht. Der Inquisitor sieht angeekelt aus – etwas, das Dorian normalerweise stören würde, wenn es um sein Heimatland geht – aber Tevinter hat es verdient.
 

Wenn Dorian an diese Dinge denkt, ist er selbst genauso angeekelt wie Lavellan jetzt aussieht.
 

Sein Vater senkt den Kopf und besitzt die Dreistigkeit, enttäuscht auszusehen.
 

»Es geht also bei diesem Familienzerwürfnis nur darum, mit wem du gerne Sex hast?«, will Lavellan wissen, als müsste er sich noch einmal erkundigen, ob diese Trivialität wirklich der Grund dafür sein kann, eine Familie auseinander zu reißen.
 

»Es geht nicht nur darum. Er hat mir beigebracht Blutmagie zu verabscheuen! Blutmagie ist die Lösung für einen schwachen Geist, das sind seine Worte! Und was war das Erste, das du versucht hast, als du herausgefunden hast, dass dein Erbe nicht so perfekt ist, wie du ihn gerne haben wolltest? Du hast versucht, mich zu… verändern!«
 

»Ich wollte nur das Beste für dich!«
 

»Nein! Du wolltest das Beste für dich! Für dein beschissenes Erbe! Alles nur dafür!«
 

Dorian ist klar, dass er laut geworden ist und er ignoriert verbissen das Brennen in seinen Augenwinkeln. Eine Hand legt sich auf seine zu einer Faust geschlossenen Finger und zieht sie sachte auseinander.
 

»Lass uns verschwinden«, sagt Lavellan mit sanfter Stimme und zu Dorians grenzenloser Überraschung verhakt er ihre Finger miteinander und zieht Dorian in Richtung Tür. Dorian dreht sich nicht um, aber er hört sehr eindeutig, wie Bull auf den Boden spuckt und sich ihnen anschließt.
 

Ihr Weg zurück verläuft zu großen Teilen schweigend – sogar Cole spricht wenig und Dorian ist dankbar, dass er nicht versucht in Dorians Gedanken herumzuwühlen und sie der ganzen Welt preiszugeben. Und Dorian kann nicht umhin zu bemerken, dass Lavellan seine Hand nicht losgelassen hat. Er ist so perplex, dass ihm nicht einmal ein zweideutiger Spruch diesbezüglich einfällt.
 

Bull beobachtet sie beide schmunzelnd und Dorian fragt sich, ob es ihn nicht stört, da Bull doch so gerne mit dem Inquisitor flirtet. Vielleicht ist es alles nur ein großes Spiel.
 

Dorian schiebt die Gedanken an seinen Vater beiseite und konzentriert sich auf die schmalen Finger in seiner Hand, bis sie schließlich auf eine Gruppe Venatori stoßen und Lavellan seine Hand letztendlich loslassen muss.
 

*
 

Als sie Tage später in Skyhold ankommen spricht es für Dorians verwirrten Geisteszustand, dass er nicht direkt eine Flasche Wein öffnet und sich betrinken geht, sondern einfach in seinen liebsten Sessel fällt und aus dem Fenster starrt.
 

Die Erinnerungen an das Treffen mit seinem Vater sind scharf gestochen – vor allem Bulls Knurren und sein Ausspucken und Lavellans kalte Stimme und sein ernster Blick. Und natürlich die Hand. In seiner Hand.
 

Dorian mustert seine Finger und fragt sich, ob es plausibel ist, dass er die Hand immer noch spüren kann. Er hört Lavellans Schritte nicht, weil der Inquisitor wie fast immer barfuß läuft. Er hat immer noch jede Menge Blattwerk im Haar und Schmutz im Gesicht – ein Beweis dafür, dass er sich nach seiner Ankunft in Skyhold noch keine Zeit zum Baden genommen hat, sondern fast direkt hierher zu Dorian gekommen ist.
 

»Bist du in Ordnung?«, fragt er. Dorian möchte gerne die Blätter aus seinem Haar pflücken und noch mal seine Hand halten – obwohl diese vermutlich nicht minder schmutzig ist als sein Gesicht.
 

»Nein, nicht wirklich«, sagt Dorian ehrlich. Er ist zu ausgelaugt, um Bravur zu zeigen und lächelnd zu lügen und das will schon etwas heißen. »Danke, dass du mich dorthin begleitet hast. Es ist vielleicht nicht das passiert, was ich erwartet habe, aber… es ist immerhin etwas.«
 

Dorian hat das Gefühl, dass dieses »Danke« nicht genug ist. Aber er ist nicht der Typ für grandiose Dankesreden, außer andere Leute halten diese an ihn selbst gerichtet. Er betrachtet kurz seine Fingernägel und beschließt, dass ihm nach diesen Geschehnissen kaum noch etwas mehr vorm Inquisitor erniedrigen kann, also fährt er mit etwas fort, das ihm sehr auf der Seele brennt.
 

»Gott weiß, was du jetzt von mir denken musst, nach diesem ganzen Aufruhr…«
 

Lavellan legt den Kopf schief und pustet sich ein paar Haare aus dem Gesicht, wobei einige Blätter zu Boden segeln. Dorian hat das Gefühl, dass sein Herz vielleicht jeden Moment platzen muss und er hat keine Ahnung, wann genau all diese Gefühle ihren Anfang genommen haben.
 

»Ich finde, du bist sehr mutig«, sagt Lavellan in ernstem Ton. Dorian blinzelt erstaunt.
 

»Mutig?«, wiederholt er verwundert.
 

»Es ist nicht leicht mit der Tradition zu brechen und alles hinter sich zu lassen«, erklärt Lavellan und lächelt kaum merklich. Dorian spürt, wie sich seine eigenen Mundwinkel nach oben biegen und eine Wärme sich in ihm ausbreitet.
 

Er will Lavellan dringend küssen, aber das wäre definitiv eine schlechte Idee.
 

»Wie auch immer, ich denke, es ist an der Zeit, mich bewusstlos zu trinken. Du könntest mir Gesellschaft leisten, wenn dir der Sinn danach steht«, sagt er so lässig wie möglich und zwinkert, bevor er an Lavellan vorbeigeht und sich endlich auf den Weg zur Taverne und zu seinem wohlverdienten Wein macht.
 

*
 

»Lieber Dorian,
 

ich danke dir für deinen letzten Brief. Er hat eine besonders unangenehme Krankheitsepisode etwas erträglicher gemacht und das obwohl das untere Drittel kaum zu lesen war – wie viel Wein hattest du getrunken, als du mir alles über deinen Vater und die Finger deines Inquisitors berichtet hast?
 

Ich schreibe dir diesen Brief von unterwegs aus, entschuldige also die schlampige Schrift und die relative Kürze meiner Worte. Du wirst nicht glauben, was passiert ist – oder wahrscheinlich schon, denn ich denke, dass letztendlich du derjenige bist, dem ich diese Reise verdanke.
 

Ich bekam vor etwa zwei Wochen eine Nachricht von einer gewissen Bethany Hawke, die mir einen Treffpunkt und eine Zeit anbot, zu der sie sich mit mir treffen könnte, um mir bei der Heilung meiner Krankheit zu helfen. Ich habe keine Ahnung, wie du es geschafft oder wen du gefragt hast, um eine Graue Wächterin aufzutreiben, die nicht verschwunden ist. Aber ich danke dir sehr.
 

Wenn wir uns das nächste Mal schreiben, werde ich womöglich ein Grauer Wächter sein – obwohl Mistress Bethany mir versicherte, dass sie mir das Angebot auch ohne meinen offiziellen Beitritt zum Orden geben würde und mich bezüglich der Risiken warnte. Was könnte ich auch schon beitragen mit meinen unterirdisch schlechten Magierfähigkeiten und mathematischen Gleichungen? Aber ich denke, ich bin bereit für ein neues Abenteuer, auch wenn dies vielleicht nicht der passendste Moment ist, um den Wächtern beizutreten. Wer weiß, warum sie allesamt verschwunden sind?
 

Ich hoffe, du nimmst das endgültige Zerwürfnis mit deinem Vater nicht allzu schwer – jetzt haben wir beide Väter, deren Ideale wir nicht teilen und von denen wir uns deswegen abwenden mussten. Ich bin in Gedanken bei dir und hoffe, dass ich im nächsten Brief wieder viele interessante Details über dein blühendes Liebesleben lesen kann, sofern ich das Initiationsritual überlebe. Wünsch mir Glück!
 

Dein Felix«
 

*
 

Lavellan beobachtet Bull und Krem beim Training. Er sitzt auf einem Baumstumpf im Hof, seine Beine vor sich ausgestreckt. Zu Dorians grenzenloser Empörung hat er einen Blumenkranz auf den schwarzen Locken – soweit Dorian weiß, hat er ihn von Scout Harding bekommen. Dorian stellt sich neben ihn und verschränkt die Arme vor der Brust, während er den Blick über Bull und Krem schweifen lässt.
 

Krem versucht Bull mit dem Schild abzuwehren, was beim Größenunterschied der beiden beinahe unmöglich zu sein scheint.
 

»Er wird mir ein Bündnis mit den Qunari anbieten«, sagt Lavellan nach einer Weile. Bull hat Krem nun zum dritten Mal hintereinander angeschnauzt, weil Krem seiner Meinung nach nicht richtig aufgepasst hat.
 

»Komm schon Krem! Ich versuch jetzt schon seit einer Ewigkeit, dir diesen Kniff beizubringen!«
 

Dorian starrt Lavellan an.
 

»Ein Bündnis? Mit den Qunari?«, sagt er entsetzt. Lavellan wendet den Blick nicht von Bull ab und scheint von Dorians Entsetzen nicht beeindruckt zu sein.
 

»Jap. Gegen die Venatori.«
 

Dorian liegen bissige Kommentare auf der Zunge darüber, dass die Qunari natürlich ein Bündnis gegen sein Heimatland anbieten, aber er kann nicht leugnen, dass die Venatori gestoppt werden müssen. Trotzdem verschlechtert sich seine Laune unweigerlich.
 

»Und woher weißt du davon, bevor Bull dir davon erzählt?«, will er wissen, damit er nicht doch irgendwelche schnippischen Bemerkungen macht. Ein Bündnis mit den Qunari. Als er der Inquisition beigetreten ist, hat er damit ganz sicher nicht gerechnet.
 

Lavellan wendet den Blick nun von Bull und Krem ab und schaut Dorian von unten herauf an. Die Blumen in seinem Haar sind blassrosa.
 

»Ich bin gut mit Geheimnissen«, sagt er sehr ernst. Dorian wünscht sich, dass er sagen könnte, keine Gänsehaut zu bekommen. Aber er bekommt definitiv Gänsehaut auf den Armen. Dann grinst Lavellan breit und schelmisch. »Hab Leliana ausgehorcht.«
 

Dorian findet es beinahe ein wenig liebenswürdig, dass Lavellan glaubt, es sei weniger bedrohlich zu sagen, dass er es geschafft hat, Leliana zu belauschen, statt es irgendwie von selbst geahnt zu haben. Allerdings ist die Tatsache, dass Lavellan es schafft, Leliana zu belauschen so ziemlich das beängstigendste, was Dorian bislang über Lavellan erfahren hat.
 

Lavellans Blick richtet sich wieder auf Bull, der Krem gerade einen so heftigen Schubs verpasst hat, dass Krem auf dem Hintern landet.
 

»Hat beide Augen im Kopf und sieht schlechter als eine kurzsichtige Qualaba«, knurrt Bull ungehalten. Dann schaut er hinüber zu Dorian und Lavellan.
 

»Hey Boss, ich muss mit dir sprechen, während Krem-de-la-Crème seinen zarten Hintern ausruht«, ruft Bull. Lavellan erhebt sich, zwinkert Dorian zu und macht sich auf den Weg hinüber zu Bull, während Krem sich aufrappelt. Dorian überlegt, ob er zu ihnen gehen soll, aber Bulls Körpersprache hält ihn davon ab. Er hat den riesigen Kerl noch nie so… nervös gesehen.
 

Dorian nimmt auf Lavellans Baumstumpf Platz und beobachtet die Szene. Er fragt sich, warum Bull nicht begeisterter darüber aussieht, mit seinen Landsleuten zusammenzuarbeiten.
 

Nachdem das Gespräch beendet ist, verschwindet Krem in Richtung Taverne und Bull stupst mit seinen riesigen Fingern gegen den Blumenkranz auf Lavellans Kopf. Lavellan lacht und Dorian beschließt, dass er für ein paar Sekunden lang lieber den blauen Himmel betrachten möchte, als die beiden in dieser seltsam intimen Szene zu beobachten.
 

»Hey Dorian«, sagt Bulls Stimme im nächsten Moment direkt neben ihm, was dazu führt, dass Dorian beinahe vom Baumstumpf fällt. Er hofft, dass er sich elegant fängt und steht bemüht lässig auf. »Der Boss sagt, ich soll mit dir über die nächste Mission reden.«
 

Dorian hebt die Brauen.
 

»Und warum sollst du das tun?«
 

Bull zuckt mit den Schultern.
 

»Du kannst mit auf die Mission kommen, wenn du kein Problem damit hast, mit meinen Leuten zusammenzuarbeiten«, meint Bull.
 

»Oh, wie gnädig«, erwidert Dorian sarkastisch.
 

Bull verdreht sein eines Auge, etwas, das Dorian öfter in ihm hervorruft.
 

»Hey, war nicht meine Idee. Mir ist es egal, ob du deine Unterhose auf der Mission verknotest«, meint Bull.
 

»Meine Unterhose sitzt ganz hervorragend, vielen Dank auch«, antwortet Dorian ungehalten und zupft automatisch an seinem Hosenbein. Bull grinst breit.
 

»Das glaube ich gerne«, sagt er und marschiert von dannen. Irgendwann in naher Zukunft wird Dorian es schaffen, Bull oder Lavellan mit brennenden Wangen zurückzulassen, nachdem er einen spontanen, eindeutig zweideutigen Spruch gemacht hat. Nicht heute. Aber irgendwann ganz bestimmt.
 

Er wird mit auf diese Mission gehen und bei jeder Gelegenheit anmerken, dass er keine Intentionen hat, sich zum Qun konvertieren zu lassen. Er wird Lavellans Stimme der Vernunft sein, wenn ihr Kontakt zu den Qunari auch nur falsch mit der Wimper zuckt. Wer weiß, was diese großen, grauen Wahnsinnigen planen.
 

Dorian ist sich auch weiterhin nicht sicher, wieso Bull dermaßen angespannt ist, als sie sich direkt am nächsten Morgen auf den Weg an die Storm Coast begeben. Es sieht aus, als wäre jeder Muskel in Bulls Körper ununterbrochen angespannt. Dorian kann nicht sagen, ob Lavellan dies ebenfalls aufgefallen ist, aber jemandem, der Leliana belauschen kann, bleibt so etwas wohl kaum verborgen.
 

Dorian ist in letzter Zeit so beschäftigt mit seinen Gedanken, – über seinen Vater und sich selbst, über die Qunari und Felix, über Lavellans geheim gehaltene, magische Fähigkeiten – dass er überhaupt keine Zeit mehr dazu hatte, über seine Gefühle nachzudenken. Das ist wahrscheinlich eine gute Sache. Besonders, wenn er beobachtet, wie Lavellans Hand immer wieder Bulls Finger beim Gehen streift – etwas, das für den unbeteiligten Beobachter vielleicht wie ein Versehen aussehen mag.
 

Aber Dorian weiß es besser.
 

Und er weiß auch, wie es sich anfühlt, wenn Lavellans Hand sich in der eigenen befindet. Verflucht seien die Elfen und die Qunari, dass sie diese beiden Exemplare ihrer Rassen produziert und Dorian vor die Nase gesetzt haben.
 

»Enge Käfige, zu eng, viel zu eng für viele hier, Varric, Dorian, Sera, tot. Cole ist ein Dämon, tot. Cassandra und Cullen, geübte Soldaten, geübt mit Befehlen, vielleicht am Ende noch am Leben. Lavellan in Ketten, stumm und angekettet, Saarebas, Saarebas, Saarebas, nein, nicht Saarebas, Kadan…«
 

Dorian runzelt die Stirn und schaut Cole an, der neben ihm herläuft. Sein riesiger Hut hält das meisten vom Regen von ihm ab, wie ein praktischer Schirm. Im ersten Moment denkt Dorian, dass Cole seine Gedanken liest, aber am Ende ist er sich nicht mehr so sicher. Und er hat keine Ahnung, was Kadan bedeutet.
 

Soweit Dorian weiß, sind Saarebas Qunari-Magier, was ihn zu dem Entschluss bringt, dass Cole nicht Dorians sondern Bulls Gedanken gelesen hat. Dorian glaubt nicht, dass Bull Cole gehört hat und erst jetzt versteht er, warum Bull so angespannt ist.
 

Dorian dachte immer, dass alle Qunari Thedas erobern und die dort Lebenden konvertieren wollen. Aber es klingt ganz so, als würde Bull das nicht wollen. Und er hat Recht, Dorian würde sich definitiv nicht anketten und seinen Mund zunähen lassen.
 

»Was heißt Kadan, Cole?«, will Dorian leise wissen, während er Bull und Lavellan beobachtet. Er muss sich diese ganze Beobachtungsschiene wirklich schnell wieder abgewöhnen.
 

Cole schaut unter seinem Hut hervor zu Dorian und zieht die Schultern nach oben. Dann deutet er nach vorne und zeigt auf Lavellan, dessen Finger gerade erneut Bulls Hand berühren, als wäre er ein Anker in Bulls tumultartigen Gedanken.
 

»Kadan«, wiederholt Cole, als wäre es ihm nicht so recht möglich, eine Erklärung in Worte zu fassen. Dorian weiß nicht was es bedeutet, aber vielleicht versteht er es trotzdem. Sein Magen zieht sich unweigerlich zusammen. In diesem Augenblick kommt ein Camp in Sicht und Dorians Gedankenwirbel kommen zu einem abrupten Halt, als sich ihr Kontakt als Elf entpuppt, der sich – und wie sollte es auch anders sein – nach einem schnippischen Kommentar von Dorian als entflohener Sklave aus Tevinter entpuppt.
 

Dorian hätte es anhand seines Akzents erkennen können.
 

Felix hat immer gesagt, dass Dorian manchmal dringend genauer nachdenken sollte, bevor er etwas laut von sich gibt. Dorian hat immer erwidert, dass das langweilig und bieder sei und er daran kein Interesse hat. Als er jetzt jedoch verkündet, dass die Qunari auch nicht viel besser sind, als seine Landsleute, dreht Lavellan sich mit finsterem Gesichtsausdruck zu ihm um.
 

»Vielleicht kann ich als Magier und als Elf anmerken, dass beide Seiten ihre Probleme haben«, sagt er mit eisiger Stimme, ehe er sich wieder Gatt zuwendet. »Wie lautet der Plan?«
 

Dorian schaut absichtlich nicht in Bulls Richtung und lässt das Gerede über geplante Taktiken über sich hinweg spülen. Es ist kein Wunder, denkt Dorian sich verbissen, dass Lavellan weder ihm noch Bull vollkommen vertraut. Die Qunari und Tevinter würden ihn versklaven, wenn sie ihn in die Finger bekämen.
 

Cole steht immer noch neben Dorian und schaut zu ihm auf.
 

»Wir sind die letzten der Elvhenan. Nie wieder werden wir uns beugen«, sagt er. Dorian bekommt eine Gänsehaut.
 

Er beschließt fürs Erste, in den nächsten Minuten nichts mehr zu sagen. Lavellans eisiger Blick hat ihn nachhaltig zum Schweigen gebracht und er lauscht Bulls Anweisungen an seine Leute, ehe sich die Chargers auf den Weg machen und Bull, Lavellan, Cole und Dorian zurück lassen.
 

Obwohl Dorian aus Tevinter kommt, hat er noch nie eine Dreadnought der Qunari gesehen. Es ist ein beeindruckender Anblick.
 

»Oh, scheiße«, sagt Bull. Seine Augen sind in die Ferne gerichtet und Dorian muss die Augen zusammenkneifen, um zu erkennen, dass mehrere Venatori-Magier auf den Stützpunkt der Chargers zumarschieren. Dorian hat Bull mit seinen Leuten lachen und singen und scherzen und rüde Witze machen gehört. Er glaubt sehr fest daran, dass Bull wirklich an seiner Kompanie hängt, aber in diesem Moment wird ihm klar, dass Bull eine beinahe unmögliche Entscheidung treffen muss.
 

Und Dorian hat keine Ahnung, wie er sich entscheiden wird.
 

»Du kannst sie noch zurückrufen«, sagt Lavellan sofort. Kein Zögern. Kein »Wir brauchen diese Allianz, um die Venatori zu schlagen«. Gatt protestiert.
 

»Die Hälfte der Ben-Hassrath denkt ohnehin schon, dass du Tal-Vashoth bist, Bull! Ich hab für dich gebürgt! Wenn die Dreadnought untergeht, ist das das Ende unserer Allianz!«
 

Bull sieht ganz und gar zerrissen aus. Er starrt hinüber zu seinen Leuten, die ihre Waffen gezogen haben. Lavellans Augen verengen sich zu Schlitzen, als er Gatt ansieht.
 

»Bull, ruf deine Leute zurück«, sagt er.
 

Dorian fragt sich, ob Gatt diese Aufteilung für den Angriff auf die Venatori absichtlich so geplant hat, damit Bull sich zwischen seinen Leuten und dem Qun entscheiden muss. Um seine Loyalität zu testen.
 

Bull setzt sein Horn an die Lippen und bläst hinein. Er sieht gleichzeitig unendlich erleichtert und entsetzt aus.
 

»Hissrad–«
 

»Sein Name«, sagt Lavellan und macht einen Schritt auf Gatt zu, »ist The Iron Bull.«
 

»Ja. Ja, das ist er wohl«, sagt Gatt abfällig. Dorians Augen richten sich auf die Dreadnought, die im nächsten Augenblick mit einem lauten Donnern explodiert und dann in die Tiefen der Waking Sea sinkt.
 

Keine Allianz zwischen den Quanri und der Inquisition. Dorian ist sehr erleichtert und gleichzeitig… betrübt? Wütend? Er sieht seine eigenen gemischten Gefühle auf dem Gesicht von Bull gespiegelt.
 

The Iron Bull, Tal-Vashoth.
 

»Lass uns gehen, Vhenan«, sagt Lavellan leise und greift diesmal zielstrebig nach Bulls Hand. Dorian erinnert sich daran, wie Lavellan seine Hand genommen hat, als er seine Bande zu seinem Vater endgültig gekappt hat.
 

Genau wie Dorian lässt Bull Lavellans Hand nicht los.
 

*
 

Dorian sitzt auf den Zinnen und schaut hinunter in die Schlucht, als Bull sich zwei Wochen später neben ihn setzt. Dorian hat gehört, dass Qunari Spione in Skyhold eingedrungen sind und versucht haben, Bull zu vergiften. Lavellan war so wütend, Dorian hätte schwören können, dass Cullen sich ein wenig in die Hose gemacht hat.
 

Seitdem wurden die Patrouillen verdoppelt und die Pläne der Wachen rotieren unregelmäßig.
 

»Alles ok bei dir?«, will Bull wissen. Dorian ist verwirrt über die Frage. »Ich weiß, dass so Familienkram ganz schön hart sein kann.«
 

Ah.
 

Dorian schnaubt.
 

»Achso? Und was weißt du darüber? Qunari haben keine Familien«, gibt er zurück. Er ist sich nicht ganz sicher, wieso er jedes Mal Spitzen austeilen muss, wenn jemand sich nach seinem Wohlergehen erkundigt. Vielleicht hat es mit Selbstschutz zu tun.
 

Bull setzt sich auf die Zinnen neben ihn und schaut ebenfalls hinunter in die Schlucht.
 

»Herausfinden, dass man nicht zu den Leuten passt, von denen man großgezogen wurde? Sich abkehren müssen von allem, womit man aufgewachsen ist und die enttäuscht hat, die man liebt? Ja, ich denke, ich weiß ein oder zwei Dinge darüber«, sagt Bull.
 

Dorian seufzt.
 

»Verzeihung«, brummt er schließlich.
 

»Kein Ding«, sagt Bull. Dann gluckst er. »Wir haben alle Drei diese Sache am Laufen, jeder mit seiner eigenen Strategie andere so weit wie möglich von sich fernzuhalten. Bei dir ist es dieses ganze Bravado und der glitzernde Scheiß und die Theatralik.«
 

Dorian funkelt Bull strafend an. Er grinst.
 

»Der Boss und ich, wir horten unsere Geheimnisse hinter dieser ganzen gut gelaunten Fassade. Aber es kommt aufs selbe raus. Scheint kulturübergreifend zu sein.«
 

Dorian beobachtet ein paar von Lelianas Raben, die in die Ferne fliegen.
 

»Dass du meine Kleidung als ‚glitzernden Scheiß‘ bezeichnest, spricht lediglich für deinen miserablen Geschmack!«
 

Bull lacht nur und schaut weiter in die Ferne. Es ist eine durchaus angenehme Stille, die sich zwischen ihnen entfaltet und Dorian ist zum etwa hundertsten Mal darüber erstaunt, dass er die Gesellschaft eines lauten Qunari mit schlechten Manieren doch so angenehm finden kann. Der rustikale Süden hat vielleicht doch ein bisschen auf ihn abgefärbt – so abscheulich das auch ist.
 

Bull und Dorian sitzen eine ganze Weile auf den Zinnen und beobachten Lelianas Raben und einige Pilger, die durch die Schlucht nach Skyhold kommen. Schließlich räuspert Dorian sich.
 

»Und? Wie geht es dir? Mit dem ganzen Tal-Vashoth Status?«, fragt er schließlich. Wenn Bull sich schon die Mühe macht, sich nach Dorians Befinden zu erkunden, dann kann er die Höflichkeit wenigstens zurückgeben.
 

Vielleicht ist Höflichkeit der falsche Begriff, denn Dorian ertappt sich dabei, wie er ernsthaft interessiert an der Antwort ist. Bull zuckt mit den massigen Schultern und spreizt die langen Finger auf den Zinnen.
 

»Bin noch nicht durchgedreht und hab angefangen, Leute abzuschlachten. Ich denke mal, das ist ein ganz gutes Zeichen«, sagt er.
 

Dorian runzelt die Stirn.
 

»Nun, das hast du vorher schließlich auch nicht gemacht. Wieso solltest du jetzt damit anfangen?«
 

Bull wirft Dorian einen Blick von der Seite zu, den Dorian als Abwägung darüber interpretiert, ob Bull sich die Mühe machen sollte, Dorian diese Dinge zu erklären.
 

»Das ist das, was sie uns immer einreden. Wir sind unkontrollierbare Killermaschinen außerhalb des Quns. Ich hab dutzende Tal-Vashoth abgeschlachtet, weil sie Kinder umgebracht haben. Oder andere unschuldige Zivilisten. Ist nicht so, als hätte ich je Beweise dafür gesehen, dass es auch anders geht«, brummt er schließlich. Sein Ton ist lässig und sorgfältig unbeteiligt, aber Dorian kann sich denken, dass diese Dinge Bull tatsächlich beschäftigen.
 

»Tja, dann sitzen wir wohl im selben Boot. Fast ganz Thedas will uns einreden, dass Magier außerhalb der Zirkel es nicht schaffen, sich von Dämonen fernzuhalten. Früher oder später drehen wir alle durch und bringen unsere Familien und geliebten Menschen um. Kann man nichts gegen machen, schade.«
 

Bull sieht aus, als hätte er darüber noch nicht nachgedacht und verzieht das Gesicht nachdenklich. Dann grinst er Dorian schief an.
 

»Darauf sollten wir einen trinken gehen«, meint er. Dorian schnaubt und richtet sich auf.
 

»Ich dachte schon, du würdest nie fragen.«
 

*
 

Dorian hat ein Problem. Um genau zu sein, hat er zwei Probleme. Und diese beiden Probleme spielen gerade Schach gegeneinander, während Dorian ein Glas Wein trinkt und ihnen dabei zusieht.
 

Gefühle.
 

Das sind Dinge, die er wirklich nicht gebrauchen kann. Solange er lediglich darüber nachgedacht hat, von Bull gegen die nächstbeste Wand gedrückt zu werden und die Kleider von Leib gerissen zu bekommen, war allem im ganz normalen Rahmen.
 

Aber es scheint nicht gereicht zu haben, dass Dorian Lavellan gegenüber irgendwelche komischen, emotionalen Anwandlungen hegt, nein. Das Ganze musste in eine Art scheußliches Zwillingsgeschwür ausarten, nachdem er stockbesoffen mit Bull wüste Trinklieder ausgetauscht und Bull ihn am Ende in sein Bett getragen hat – wie er es auch bei Lavellan schon einmal getan hat.
 

Dorian ist sauer auf sich selbst, verwirrt über die gemischten Signale von seinen beiden Problemverursachern und empört darüber, dass er sich noch nicht getraut hat, zumindest seinen sexuellen Wünschen entschlossener nachzugehen.
 

Er sollte seine sexuelle Frustration womöglich wirklich an irgendjemand Außenstehenden abreagieren.
 

Gerade als er sich probehalber in der Taverne umschauen will, ob irgendjemand seine Aufmerksamkeit erregt – oder irgendetwas anderes an ihm – da legen sich schlanke Finger auf Dorians Hand und fangen an, Muster auf seinen Handrücken zu malen. Dorian fühlt sich, als wäre er wieder sechzehn, weil sein Magen automatisch anfängt Saltos zu schlagen.
 

Bulls amüsierter Blick lässt Hitze in Dorians Gesicht aufsteigen und er kippt den Rest seines Weins hinunter und bestellt sich einen neuen, während seine Augen auf dem braunen Finger ruhen, der anscheinend irgendwelche Runen auf seine nackte Haut zeichnet.
 

Dorian möchte Lavellan packen und ihn besinnungslos küssen. Er möchte ihn anschreien und fragen, was es damit auf sich hat.
 

Aber Lavellan ist so konzentriert aufs Spiel, dass Dorian sich nicht einmal sicher ist, ob der Inquisitor genau merkt, was genau hier gerade vor sich geht. Wenn er nicht so abgelenkt wäre, wäre er vielleicht amüsiert darüber, dass Lavellan auch nach einigen Versuchen immer noch absolut miserabel im Schachspiel ist. Es scheint ihm trotz alledem Spaß zu machen.
 

Dann schießt er in seinem Stuhl nach oben, wirft beinahe Dorians neues Glas Wein um und deutet auf das Brett.
 

»Schach!«, ruft er. Dorian überlegt, ob dies das erste Mal ist, dass Inquisitor Lavellan Bull ins Schach gesetzt hat. Bull gluckst heiter vor sich hin, dann greift er nach seinem Turm, schiebt ihn einige Felder nach links und verschränkt die Arme lässig auf der Tischplatte. Sein breites Grinsen macht Dinge mit Dorians Brustkorb, über die er lieber nicht weiter nachdenken möchte.
 

»Schachmatt, Boss.«
 

Lavellan starrt auf das Brett, dann sinkt er zurück auf seinen Stuhl und dreht den Kopf, um Dorian fassungslos anzuschauen.
 

»Hast du das gesehen?«, sagt er leise und mit grabesernster Stimme. Dorian nickt, immer noch ein wenig benommen von den Mustern auf seiner Haut.
 

»Gott sei Dank hast du andere Qualitäten«, sagt Dorian schmunzelnd. Bull lacht dröhnend, Lavellan blinzelt und dann grinst er, streckt Dorian die Zunge heraus und verlangt eine Revanche.
 

Dorian ist absolut hoffnungslos verloren.
 

*
 

»Absolut ausgeschlossen, Inquisitor!«
 

»Ich hab nicht um Erlaubnis gebeten, Cassandra.«
 

»Ihr könnt nicht–«
 

»Ich kann machen, was ich will, Cullen! Ich bleibe nicht hier in meiner Festung sitzen, wenn irgendwelche Halbstarken meinen Clan angreifen!«
 

Dorian hockt neben Bull in der Sonne, als Lavellan dicht gefolgt von Cullen, Cassandra und Leliana den Hof überquert. Sie haben sich zu zweit einen Spaß daraus gemacht, über die Modeentscheidungen einiger orlisischer Abgeordneter zu lästern, als die Gruppe sich ihnen nähert.
 

Lavellans Gesichtsausdruck ist mörderisch. Er hat die Hände zu Fäusten geballt und in einer seiner Hände befindet sich ein zusammengeknüllter Brief.
 

»Die Welt braucht–«
 

Das Gras um Lavellan herum fängt Feuer. Cassandra japst nach Luft und macht einen hastigen Schritt zurück. Mehrere Augenpaare haben sich nun auf die kleine Gruppe gerichtet. Dorian hat ihren Inquisitor noch nie so wütend gesehen.
 

»Die Welt ist mir egal! Was soll ich mit der Welt, wenn meine Familie nicht mehr darin ist? Huh? WAS?«
 

Mit einer hastigen Handbewegung löscht Lavellan die Flammen im Gras, während Cassandra Lavellan ermahnt, leiser zu sprechen. Seine dunklen Augen streifen Bull und Dorian, dann wendet er sich ab und hastet die nächstbeste Treppe hinunter in den tiefgelegeneren Hof.
 

Bull und Dorian werfen sich einen kurzen Blick zu, dann erheben sie sich gleichzeitig.
 

Leliana bemerkt sie und kommt kurzerhand zu ihnen herüber, während Cullen und Cassandra mit gedämpften Stimmen weiterstreiten.
 

»Der Inquisitor hat eine dringende Nachricht von seinem Clan erhalten«, erklärt sie unumwunden und verschränkt die Arme vor der Brust. »Mir wäre wohler, wenn Eure Heiligkeit nicht alleine nach Wycome aufbricht und wenn wir warten, bis Cassandra und Cullen ihre Streitigkeiten beigelegt haben, ist der Inquisitor wahrscheinlich schon auf halbem Wege in die Free Marches.«
 

»Das Nichts biegt sich unter seiner Wut, brennend, schreiend, flimmernd. Die Heimat ruft nach ihm und er kann sie nicht sterben sehen, er muss sie retten, bei ihnen sein, wenn nötig mit ihnen untergehen.«
 

Dorian bekommt beinahe einen Herzinfarkt, als Cole direkt neben ihnen auftaucht, als wäre er schon die ganze Zeit dagewesen. Soweit Dorian weiß, war er das vielleicht sogar. Leliana lächelt kaum merklich zu Cole hinunter – kein bisschen erstaunt über sein plötzliches Auftauchen.
 

»Ich sehe, wir verstehen uns. Seht zu, dass unser Inquisitor nicht mit seinem Clan untergeht«, sagt sie, dreht sich um und schreitet über den Rasen hinüber zu Cullen und Cassandra, die nun die Treppe zur Burg hinauf erreicht haben und immer noch aufgebracht gestikulieren. Ihr Ton hat eindeutig impliziert: »Und wehe, wenn doch!«.
 

»Nun. Ich war noch nie in den Free Marches«, sagt Dorian mit einer theatralischen Geste, dann folgt er Bull und Cole in Richtung Burgtor.
 

Bull ist kein großer Fan von Pferden – und Pferde sind definitiv kein großer Freund von Iron Bull, aber ausnahmsweise macht Bull keinen Hehl daraus, dass er den Geruch nicht ausstehen kann und die stierenden Augen der Reittiere bedrohlich findet – eine Tatsache, die Dorian einen mehrminütigen Lachanfall beschert hat, als Bull sie ihm mitteilte.
 

Ein so großer Mann, der sich lachend und begeistert seine Axt schwingend riesigen Drachen entgegenwirft und gleichzeitig Pferde beunruhigend findet, scheint Dorian ausgesprochen widersprüchlich und seltsam zu sein. Es ist eins dieser kleinen Puzzleteile, die er in den letzten Monaten gesammelt hat.
 

So wie Lavellans Begeisterung für Süßspeisen. Oder seine Feinfühligkeit gegenüber den Gefühlen anderer – mit Ausnahme der Momente, in denen es um kulturelle Unterschiede geht und er offensichtlich irgendwelche menschlichen Etiketten verletzt. Dann wiederum ist Dorian sich nicht sicher, ob Lavellan diese Augenblicke nicht absichtlich ignoriert.
 

Vielleicht will er sich nicht für die Menschen verbiegen und seine Kultur aufgeben, wenn er mit den Fingern isst oder halbnackt über den Hof marschiert, um die Sonne zu begrüßen.
 

Dorian lauscht Bulls kaum merklichem Murren, während er auf das robusteste Reittier steigt, das die Inquisition zu bieten hat – mit Ausnahme von Lavellans eigenem Reittier, das ihm von den Dalish geschenkt wurde.
 

Das riesige Geweih sieht aus, als könnte es mehrere Dämonen gleichzeitig wie ein Rammbock von den Beinen reißen, aber es schnaubt freundlich, als Lavellan sich nähert.
 

»Ihr müsst nicht mitkommen«, sagt Lavellan knapp.
 

»Red keinen Scheiß, Boss«, sagt Bull ungerührt.
 

»Ich mag es, wenn wir Leuten helfen. Du hilfst Leuten. Dir sollte auch jemand helfen«, sagt Cole ernst.
 

Dorian gibt ungern zu, dass er ein miserabler Reiter ist, aber er hat erst in den letzten Monaten gelernt sich auf einem Pferd zu halten – sehr zum Amüsement von Meister Dennet, der es sich nicht hat nehmen lassen Dorians miserable Haltung und Zügelführung zu kommentieren und seine Unfähigkeit auf seine Herkunft zurückzuführen.
 

Cole macht für gewöhnlich die Pferde scheu, deswegen reitet er meist hinter Lavellan. Er scheint sich nicht daran zu stören, ohne Sattel auf solch einem Tier zu sitzen. Vielleicht bekommen Geister in Menschengestalt keinen wunden Hintern.
 

»Dein ursprünglicher Plan war also, es allein mit einer Horde Banditen aufzunehmen?«, fragt Dorian nach mehreren Stunden schweigender Reise. Lavellan wirft ihm einen finsteren Blick zu.
 

»Denkst du, dass ich das nicht kann?«
 

Dorian räuspert sich. Er denkt an all die Kämpfe, die er mit Lavellan bestritten hat und Lavellan ist zweifellos ein ausgezeichneter Magier. Aber eine ganze Horde Banditen ohne Unterstützung zu besiegen, scheint Dorian ein sehr hochgegriffenes Ziel zu sein. Dann erinnert er sich an Bulls Worte über Lavellans Geheimnisse.
 

»Nun, ich denke, dass ein wenig Unterstützung nicht schaden kann«, sagt Dorian. Lavellan mustert ihn einen Augenblick lang, dann richtet sich sein Blick wieder auf den Weg vor ihnen und er antwortet nicht. Dorian ist sich nicht sicher, ob er diesen abweisenden, wütenden Lavellan besonders gut leiden kann.
 

Es ist, als wäre Lavellan zu beschäftigt damit, über die Aufgabe nachzudenken, die vor ihm liegt und als würde diese Konzentration verhindern, dass er seine übliche, gut gelaunte Fassade aufrecht erhält. Dorian weiß nicht so recht, wie er damit umgehen soll, dass dies vielleicht der wahre Kern hinter all dem Lachen und den rüden Witzen sein soll – allerdings muss er auch zugeben, dass er selbst viele Facetten seiner Persönlichkeit hinter Bravado und Theatralik versteckt, genau wie Bull gesagt hat.
 

Was nicht heißt, dass Bravado und Theatralik nicht Teil von Dorians Persönlichkeit sind.
 

Vielleicht sollte er aufhören, über dieses Thema nachzugrübeln und einfach reiten. Reiten und sein schmerzendes Hinterteil ignorieren.
 

Sie machen erst Halt, als es schon dunkel geworden ist. Cole, der hinter Lavellan eingeschlafen ist, wird von Bull heruntergehoben und ins Gras gelegt, wo Cole sich einfach zusammenrollt und weiterschläft.
 

»Ich wünschte, ich könnte so friedlich schlafen«, sagt Bull trocken, während er Cole betrachtet. Lavellan führt die Pferde ans Wasser, während Bull anfängt, ein Lagerfeuer zu errichten. Dorian ist unsagbar müde, aber er will auf keinen Fall einschlafen, während Bull und Lavellan wach am Feuer hocken und in die Flammen starren.
 

»Wie genau läuft das mit Dämonen und Magiern?«, will Bull nach einer Weile des Schweigens wissen. Dorian blinzelt und schaut ihn an. Lavellan zuckt mit den Schultern und stochert mit einem Stock in den Flammen herum.
 

»Weil Magier immer in Verbindung mit dem Nichts stehen, stehen wir auch dauernd im Kontakt mit Geistern und Dämonen. Dämonen sind gewissermaßen dauerscharf auf uns«, sagt Lavellan und Bull nickt, weil es ein Vergleich ist, mit dem er etwas anfangen kann.
 

»Und wenn man besonders starke Emotionen hat, dann versuchen sie, sich in unsere Köpfe einzuschleichen.«
 

Bull verzieht das Gesicht.
 

»Ich glaube, jeder Magier hat eine Art von Dämon, für die er besonders anfällig ist«, fährt Lavellan fort, ungerührt von Bulls Unbehagen. Seine Augen richten sich auf Dorian. Er scheint kurz nachzudenken, dann…
 

»Welche sind es bei dir?«, will er dann wissen. Dorian schnaubt und schaut ins Feuer. Er spürt, wie Bull und Lavellan ihn ansehen und er weiß nicht wirklich, ob er darüber reden will. Dann wiederum will er Dinge über Lavellan erfahren und das geht bekanntermaßen besser, wenn man etwas von sich selbst preisgibt.
 

»Verlangen«, sagt er schließlich. Fast erwartet er, dass die beiden lachen und verkünden, dass sie sich das gedacht haben. Aber Lavellan nickt nachdenklich und Bull sieht aus, als würde er seine Lebensentscheidungen überdenken, die ihn in direkte Umgebung von so vielen Magiern geführt haben.
 

Immer, wenn Dorian die Dämonen von der anderen Seite des Schleiers her flüstern hört, kann er die Angst vor Magiern nachvollziehen.
 

»Und du, Boss?«, will Bull schließlich wissen. Dorian ist dankbar, dass er nicht fragen muss. Lavellans Augen verengen sich, als er ins Feuer schaut. Dann blickt er auf und sieht erst Dorian an, dann Bull. Seine Finger strecken sich in Richtung des Feuers und er fängt eine Flamme in seiner Handinnenfläche.
 

»Zorn.«
 

Dorian blinzelt. Er weiß nicht, was er erwartet hat, aber das war es nicht. Aber was soll es sonst sein, wispert eine Stimme in seinem Kopf. Verzweiflung? Stolz? Verlangen?
 

Er denkt an die Flammen, die im Hof um Lavellans Füße herum ausgebrochen sind und an seinen Gesichtsausdruck, als er Cullen angeschrien hat.
 

Lavellan schweigt mehrere Minuten, ehe er den zerknitterten Brief aus der Tasche an seinem Gürtel zieht und ihn Dorian und Bull hinhält. Die beiden rücken näher zusammen und beugen sich über das Stück Papier.
 

»Da'len,
 

normalerweise würde ich Dich nicht belästigen. Du hast genug zu tragen, alte Magister von Tevinter zu bekämpfen und gleichzeitig Dein Volk zu repräsentieren. Leider haben die Risse, die dieses Land heimsuchen, Chaos und Furcht gebracht, und viele wollen daraus einen Vorteil schlagen.
 

Banditen greifen den Lavellan-Clan an. Sie sind schwer bewaffnet und gerüstet, und gegen ihre große Anzahl kommen unsere Jäger nicht an. Wir hatten uns in einem kleinen unbesiedelten Tal nicht weit von Wycome niedergelassen, einem sicheren Ort mit nur wenigen Rissen - aber wegen dieser Banditen müssen wir uns möglicherweise wieder eine neue Heimat suchen. Falls Deine Inquisition uns helfen könnte, würde uns das viel Mühsal ersparen.
 

Dareth shiral,

Hüterin Istimaethoriel Lavellan«
 

»Was genau macht ein Hüter?«, fragt Dorian.
 

Lavellan stochert weiter im Feuer herum.
 

»Wir hüten die Geschichte und Kultur unseres Volkes. Man ist weniger ein Anführer, als ein Beschützer des Clans. Vor allem ist es unsere Aufgabe, den Clan vor Fen’Harel zu schützen«, sagt er schließlich.
 

»Das ist dieser Wolftyp, nicht?«, sagt Bull. Lavellan schnaubt und nickt.
 

»Ein Trickstergott, ja.«
 

Dorian hängt in Gedanken immer noch an der Erkenntnis, dass Lavellan ein Hüter ist.
 

»Ich wusste nicht, dass du ein Hüter bist«, meint er. Lavellan zuckt mit den Schultern.
 

»Bin ich noch nicht. Ich bin Hüterin Istimaethoriels Lehrling. Wenn sie irgendwann mit Falon’Din geht, werde ich ihr Nachfolger sein.«
 

Dorian weiß nicht, ob es unhöflich ist zu fragen, wer genau Falon’Din ist, aber Bull nimmt es ihm ab.
 

»Und dieser Falon’Din Typ macht was…?«
 

Lavellans Mundwinkel zucken angesichts der Bezeichnung »Typ« für einen seiner Götter.
 

»Er begleitet die Seelen der Toten durchs Nichts.«
 

Sein Blick geht in die Ferne und er seufzt leise. Dann fährt er sich mit den Fingern über das braune Gesicht. Die Tattoos scheinen im Licht der Flammen sogar noch beeindruckender, als bei Tageslicht.
 

»Und deine…«, fängt Dorian an und gestikuliert in Richtung von Lavellans Gesicht.
 

»Was soll das werden? Eine Lektion über Dalish Kultur?«
 

Dorian verzieht das Gesicht.
 

»Verzeihung, ich wollte nicht–«
 

»Es ist nicht unbedingt so, dass wir gute Erfahrungen damit gemacht haben, unsere Kultur mit Shemlens zu teilen.«
 

Dorian schließt den Mund. Er hat noch nicht darüber nachgedacht, dass nicht nur sein Status als Magier aus Tevinter ihn als misstrauenswürdig ausweist, sondern auch die Tatsache, dass er ein Mensch ist. Jetzt, da er darüber nachdenkt, kommt er sich dumm vor, es vorher noch nie bedacht zu haben.
 

Lavellan ist nicht nur misstrauisch, weil Tevinter eine schwierige Geschichte mit den Elfen hat, sondern weil Menschen ganz allgemein sich Elfen gegenüber selten gut verhalten haben. Und auch heute noch verhalten.
 

»Du musst nichts erzählen, wenn–«
 

»Ich weiß«, schneidet Lavellan ihm das Wort ab und blickt wieder ins Feuer. Sie schweigen erneut und Dorian fängt Bulls Blick auf. Bull zieht die Schultern hoch und Dorian ist etwas beruhigt angesichts der Tatsache, dass er nicht der Einzige ist, mit dem Lavellan seine Geheimnisse nicht teilen möchte.
 

Dorian sieht ein, dass er schlafen muss, wenn er morgen nicht im Laufe der Reise vom Pferd fallen will, also legt er sich auf seine Schlafmatte und schaut hoch in den sternenübersäten Himmel. Für einige Herzschläge lang ist nur das Knistern des Feuers zu hören.
 

»Die Tattoos heißen Vallaslin. Sie repräsentieren die Gottheit, die… der wir uns am nächsten fühlen«, sagt Lavellan sehr leise. So leise, dass Dorian es kaum über das Knistern der Flammen hören kann. Er dreht sich auf die Seite und schaut zu Lavellan auf.
 

Er möchte sagen: Lass mich deine Vallaslin mit den Fingern nachzeichnen. Sie sind wunderschön. Du bist wunderschön.
 

Stattdessen bleibt er auf sicheren Pfaden.
 

»Und deine Gottheit?«
 

Lavellan schweigt wieder eine Weile lang, dann rutscht auch er in eine liegende Position und deckt sich sorgfältig zu. Dorian sieht jetzt nur noch eine vage elfenförmige Gestalt, die vorm Feuer wabernde Schatten wirft. Irgendwo in der Dunkelheit hört er eine Eule.
 

»Dirthamen. Gott des Wissens und der Geheimnisse.«
 

Dorian beschließt in Skyhold die Bibliothek nach den Göttern der Dalish zu durchforsten.
 

»Schlaf ein bisschen, Kadan«, meint Bull. Dorian ist sich nicht sicher, ob er die Stimme von Bull schon einmal so zärtlich hat klingen hören. Er schließt die Augen und stellt sich vor, wie es sich wohl anfühlen muss, wenn einer der beiden in so einer Stimme zu ihm spricht. In Gedanken daran und an den Dalish Gott der Geheimnisse schläft er schließlich ein.
 

*
 

Während Lavellan sich wäscht und Dorian sehr bemüht irgendwo anders hinsieht, wendet er sich an Bull, um sich abzulenken. Seine Nacht war sehr kurz.
 

»Und? Wie lange schlaft ihr schon miteinander?«, will er wissen. Er ist so müde, dass er sich nicht einmal darüber ärgern kann, dass seine Stimme womöglich ein kleines bisschen neidisch klingt. Bull verengt sein Auge zu einem schmalen Schlitz, dann schnaubt er und schüttelt den Kopf.
 

»Gar nicht«, sagt Bull schließlich. Dorian starrt sehr konzentriert auf Bulls Oberarm, um nicht auf Lavellans nackten Körper zu achten, der nass in der Sonne glitzert. Diese Tattoos sind wirklich ablenkend.
 

Dorian schnaubt abfällig.
 

»Wenn ihr vorhattet es geheim zu halten, macht ihr einen ziemlich miserablen Job«, sagt er.
 

Bull schaut ganz ungeniert zu Lavellan hinüber, der nun splitterfasernackt und klitschnass aus dem nahegelegenen Bach kommt und zu ihnen herüber stapft.
 

»Hey Boss«, ruft Bull zu Dorians Entsetzen. Er gibt ein empörtes Geräusch von sich und streckt eine Hand aus, um Bull den Mund zuzuhalten, aber Bull fängt seine Hand problemlos in der Luft und hält Dorians Handgelenk fest. Zu Dorians grenzenloser Verlegenheit spürt er eine heftige Welle der Erregung in sich aufsteigen.
 

»Dorian will wissen, seit wann wir Sex haben!«
 

Dorian versucht nicht so auszusehen, als wäre ihm diese Situation peinlich und zieht sein Handgelenk von Bull zurück. Vor lauter Bemühen darum, lässig und unbeeindruckt auszusehen, vergisst er, dass Lavellan nackt ist und sein Blick fällt prompt auf die zahllosen Sommersprossen auf Lavellans Oberschenkeln, bevor er in seinem Schritt hängen bleibt.
 

Verdammt.
 

Lavellan blinzelt, während er so gut es geht Wasser aus seinen Haaren wringt.
 

»Gar nicht«, sagt er dann. Bull sieht Dorian mit einem Blick an, der eindeutig ausdrückt: »Was hab ich dir gesagt?«
 

Dorian will widersprechen, aber Lavellan fährt vollkommen ungeniert fort.
 

»Ich bin nicht interessiert an Sex. Also, kein Sex. Ich muss allerdings sagen, dass Bull ein ausgezeichneter Küsser ist, du solltest es mal ausprobieren.«
 

Bull lacht aus vollem Hals und wirft den Kopf in den Nacken, während Dorian zwischen den beiden hin und her schaut. Dorian versteht überhaupt nichts mehr.
 

»Kein… Sex?«
 

Lavellan hebt seine Augenbrauen und stemmt die Hände in die Hüften.
 

»Kein Sex. Ist nichts für mich. Genauso wie orlisischer Schinken und Varrics Romanzen.«
 

Dorian hat noch nie von irgendjemandem gehört, der keinen Sex mag. Ihm liegt ein Kommentar auf der Zunge, dass Lavellan vielleicht noch nicht mit der richtigen Person Sex hatte, aber irgendetwas sagt ihm, dass dieser Kommentar unerwünscht und geschmacklos wäre, also hält er den Mund.
 

»Dachtest wohl der Boss will an deinen perfekten Hintern, was?«, sagt Bull immer noch glucksend.
 

»Na, um ehrlich zu sein, ist es ein sehr schöner Hintern«, meint Lavellan an Bull gewandt.
 

Bull nickt.
 

»Hey! Könnt ihr aufhören, über meinen Hintern zu reden, während ich hier sitze?«
 

»Wieso?«, fragt Lavellan.
 

Dorian hat keine Antwort darauf und sieht dabei zu, wie Lavellan sich wieder anzieht, ohne weiteren Kommentar auf sein Reittier steigt und Cole dabei behilflich ist, hinter ihm aufzusitzen.
 

Dorian kann förmlich hören, wie Felix‘ Stimme in seinem Kopf sagt: »Dorian, mein Freund… Du hast dich in zwei recht ungewöhnliche Männer verliebt. Du warst schon immer gut darin, die dramatischste Wahl für alles zu treffen…«
 

Das Wort »verliebt« sorgt dafür, dass er zwei Anläufe braucht, um auf sein Pferd zu kommen und sein »perfekter Hintern« schmerzt immer noch von der langen Reise am Vortag. Die Wahrheit ist, dass Dorian durchaus gerne weiteren Gesprächen über sein perfektes Äußeres lauschen würde, aber sein Herz ist momentan damit beschäftigt, wie ein wahnsinnig gewordener Riese durch seinen Brustkorb zu trampeln.
 

Womit hat er das verdient?
 

Der Rest der Reise verstreicht ohne Unterhaltungen über Dorians Hinterteil oder darüber, dass Lavellan keinen Sex mag. Dorian fragt sich unweigerlich, was Lavellan dann von ihm will – denn er hat definitiv mit Dorian geflirtet. Wenn nicht für Sex, wofür dann? Dorian ist es gewöhnt, dass Männer – und Frauen – Sex mit ihm haben wollen. Aber alles andere… vielleicht hat Lavellan nur einen Spaß gemacht.
 

Lavellan und Cole spielen ein Ratespiel, das Dorian nicht kennt, während Bull irgendein Trinklied vor sich hin summt. Die Landschaft bleibt bergig und grün und es regnet zu Dorians Erleichterung sehr viel weniger als in den südlicheren Landstrichen, in denen sie häufiger zu tun haben. An einem bestimmten Punkt steigt Lavellan ab und fängt an die Umgebung sorgfältig abzusuchen.
 

»Was tut er da?«, fragt Dorian mit verschränkten Armen, während Lavellan auf dem Boden kniet und anscheinend etwas sucht.
 

»Spuren suchen, nehm ich an.«
 

Ah. Dorian hat vergessen, dass sie nicht genau wissen, wo der Clan sich befindet. Aber wie es sich herausstellt, ist es nicht vonnöten, dass Lavellan längerfristig auf dem Boden herumkriecht, denn irgendwo in der Ferne hört man plötzlich laute Schreie. Lavellans Kopf ruckt nach oben und einen Moment lang scheint er zu lauschen.
 

Dann rennt er los.
 

»Oh, was zum–«, sagt Bull, dann rennt er hinterher. Dorian flucht halblaut. Sprinten ist nicht unbedingt etwas, in dem er besonders gut ist. Cole taucht direkt hinter Lavellan auf und dann verschwindet er wieder aus Dorians Sichtfeld.
 

Die Umgebung ist so bergig, dass Dorian nach kurzer Zeit außer Atem ist, da sie bergauf rennen. Er bereut es, von seinem Pferd gestiegen zu sein. Und dann tut sich unter ihnen ein Tal auf. Ein Tal, dessen Seiten steil nach oben ragen.
 

Dorian erinnert sich daran, dass in Lavellans Brief erwähnt wurde, dass der Clan sich in ein Tal zurückgezogen hat. Und tatsächlich – viel zu viele Meter unter ihnen kann Dorian Bogenschützen sehen, riesige Wagen mit dunkelroten Segeln und eine Menge hektisch packender Leute. Als Dorian den Kopf nach rechts dreht, sieht er eine beunruhigend große Gruppe bewaffneter Menschen in erstaunlich robust aussehenden Rüstungen.
 

Lavellans Blick huscht hastig zwischen den beiden Gruppen hin und her. Dorian versucht abzuschätzen, wie weit es hinunter geht und schätzt die Entfernung auf mindestens dreißig Meter. Zwei der Banditen gehen zu Boden, als Pfeile sie in den Hals treffen, viele der anderen wehren die eintreffenden Pfeile mit Schilden ab.
 

Dorian hört Lavellan tief einatmen.
 

»Boss–«, sagt Bull, aber Lavellan unterbricht ihn mit einer scharfen Handbewegung.
 

»Dort hinten ist es nicht so steil«, sagt Cole und deutet nach links.
 

Dorian beobachtet, wie eine große, stämmige Frau mit weißem Haar und einem ausgesprochen beeindruckenden Stab zwischen den Bogenschützen hindurch schreitet.
 

»Folgt Cole«, sagt Lavellan, dann dreht er sich um und macht einige hastige Schritte zurück von der Felswand. Cole rennt voran, der flacheren Stelle des Tals entgegen. Bull zögert genau wie Dorian.
 

»Boss, was–«, fängt Bull an und dann nimmt Lavellan Anlauf. Dorian stößt einen panischen Schrei aus und Lavellan springt, stürzt sich von der Felswand, als könnten ihm plötzlich Flügel wachsen. Dorian streckt eine Hand nach ihm aus, doch er ist schon längst auf halbem Weg nach unten, als dicke Ranken aus der Felswand schießen und beginnen, Lavellans Fall abzubremsen.
 

»Sieht so aus, als würden wir endlich ein paar neue Tricks sehen«, ruft Bull und sprintet Cole hinterher. Dorian kann kaum seine Augen von Lavellan nehmen und beschließt, dass er von hier oben womöglich mehr von Nutzen sein kann, als dort unten.
 

Er flucht ununterbrochen, während er ein paar gut gezielte Feuerbälle auf die angreifenden Banditen schleudert. Lavellan ist unten angekommen und lässt sich von einer der Ranken auf die Beine stellen, dann stürzt er der Frau entgegen. Dorian kann aus dieser Entfernung nicht hören, was sie sagen, aber im nächsten Moment wenden sie sich gemeinsam den Banditen zu.
 

Dorian hat noch nie in seinem Leben zwei Magier solche Dinge tun sehen – und da er aus Tevinter kommt, hat er schon einiges gesehen. Zeitmagie, Blutmagie, alle möglichen experimentellen Arten von Magie. Aber er hat noch nie Dalish Magier dabei beobachtet, wie sie die Natur manipulieren.
 

Lavellans Hüterin hat ihren Stab vor sich ausgestreckt und zwei Bäume in nächster Nähe geraten in Bewegung, während Lavellan noch mehr Ranken erschafft und gleichzeitig eine Barriere aufrecht erhält, die den Rest des Clans vor Pfeilen schützen soll.
 

Dorian fährt fort damit, Feuer auf die Angreifer zu schleudern, während er rückwärts in Richtung des Abstiegs geht, den Bull und Cole genommen haben. Im Nachhinein muss er zugeben, dass es vielleicht nicht seine beste Idee gewesen ist, denn im nächsten Augenblick strauchelt er über einen Stein.
 

Es ist definitiv nicht der eleganteste Moment seines Lebens.
 

Noch während er fällt, denkt er sich, dass er froh darüber ist, dass niemand wirklich auf ihn achtet, – was selten vorkommt, da er normalerweise sehr darauf bedacht ist, dass alle Anwesenden mindestens ein Auge auf ihn haben. Er überlegt panisch, wie er mit Magie seinen Sturz abfangen kann, aber im nächsten Moment wird er schon aus dem Fall gerissen und eine massive, knorrige Ranke schlingt sich um seine Mitte und fängt an, ihn langsam Richtung Boden sinken zu lassen.
 

Dorian verrenkt sich beinahe den Nacken, um Lavellan zu sehen. Er schaut nicht zu Dorian herüber. Sein Blick ist immer noch auf die Banditen gerichtet, die weiterhin zahlreich in ihre Richtung kommen, aber Lavellan hat nun beide Arme von sich gestreckt – einen nach vorne in Richtung der Angreifer, den anderen in Dorians Richtung.
 

»Da’len, habe ich dir nicht beigebracht, dass du dich nicht immer so überanstrengen sollst?«, ertönt die ausgesprochen strenge Stimme der Frau, die Dorian mittlerweile auf dem Kopf sieht, weil die Ranke ihn falsch herum Richtung Boden gleiten lässt. Das macht es leider auch ziemlich schwer zu zielen.
 

»Ich glaube, wir haben gerade keine Zeit für Belehrungen.«
 

Die Frau – es muss Hüterin Istimaethoriel sein – schnaubt lautstark und wirbelt ihren Stab herum, woraufhin einer der lebendigen Bäume zwei Banditen gleichzeitig in den Boden stampft. Dorian ist beeindruckt, während sein Magen sich langsam aber sicher wieder beruhigt, da er nicht mehr gen Boden stürzt.
 

Jetzt, da er so nah ist, sieht er, dass Lavellans Gesicht schweißgebadet ist. Er könnte schwören, dass das Gras um die Füße des Inquisitors angefangen hat zu schmoren.
 

»Es ist immer der richtige Zeitpunkt, um dazuzulernen, Da’len.«
 

Sie streckt ihren Stab aus und klopft auf Lavellans ausgestreckte Hand. Dorian fragt sich, ob sie ihm sagt, dass er die Banditen loslassen soll. Lavellan schüttelt verbissen den Kopf.
 

Dorian ist noch fünf oder sechs Meter von der Erde entfernt, als ein Pfeil sich in Lavellans Seite bohrt. Dorians eigener Schrei geht in den Gebrüll von Bull unter, der nun in Dorians Blickfeld rauscht und mit erhobener Axt auf die Banditen zustürmt. Dorian kann Cole nirgendwo sehen, aber er hört ein sehr entschlossenes »Tut ihm nicht weh!« und einen dumpfen Aufprall.
 

Die Ranke, die Dorian hält, fängt an zu zittern und sackt einen, zwei Meter Richtung Boden, bevor sie sich wieder fängt. Lavellan ist jetzt auf den Knien, immer noch beide Arme von sich gestreckt und schwer atmend, während der Pfeil aus seiner Seite ragt.
 

Er hört laute Schreie von Seiten der Banditen, als Bull anfängt, durch ihre Reihen zu pflügen. Er hört auch die eindeutige Anweisung: »Bringt diese drecksverdammten Elfen um!«. Als die Ranke ihn absetzt, denkt Dorian darüber nach, dass er verstehen kann, wieso Lavellan so zornig auf die Welt ist.
 

Die Welt, die ihn hasst, einfach nur, weil er ist, was er ist. Weil er existiert. Dorian stolpert vorwärts, während Lavellan endlich einen Arm sinken lässt. Erst jetzt wird Dorian klar, dass er nicht nur Ranken gegen die Banditen eingesetzt und gleichzeitig Dorians Fall abgefedert hat, sondern immer noch die Barriere aufrecht erhält, die den anderen die Flucht ermöglichen soll.
 

Sieben der Banditen in schwerer Rüstung kommen immer näher. Dorian hat in der kurzen Zeit noch nicht herausfinden können, wo ihre Bogenschützen sich verstecken. Ein zweiter Pfeil sirrt dicht an Lavellans Kopf vorbei, als Dorian ihn erreicht.
 

Zehn Meter entfernt von ihm wirbelt Bull seine Axt in einem ausladenden Kreis und tötet drei Banditen gleichzeitig.
 

»Da’len, lass die Ranken los«, warnt Hüterin Istimaethoriel. Auch ihr sieht man die Anstrengung an, so viel Magie auf einmal zu verwenden. Sie hat dunklere Haut als Lavellan und aus der Nähe erkennt Dorian, dass ihr zurückgebundenes Haar stark gelockt ist. Ein sehr scharfer Blick aus überraschend grauen Augen richtet sich auf Dorian.
 

»Heilen gehört nicht zu meiner Expertise!«, ruft Dorian panisch, als Lavellan strauchelt.
 

Er hört die Antwort der Hüterin nicht, weil in diesem Augenblick zwei sehr junge Mädchen und ein junger Mann neben ihnen auftauchen und sich panisch nach Lavellans Wohlergehen erkundigen.
 

»Könnt ihr die Barriere übernehmen?«, bringt Lavellan zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. Eines der Mädchen weint, der Junge mit einem Schopf roten Haars sieht kalkbleich aus.
 

Alle Drei nicken entschlossen.
 

Dorian schleudert einige Feuerbälle gegen die immer noch nahenden Banditen in schwerer Rüstung. Einer von ihnen geht zu Boden, ein zweiter wird von unsichtbaren Dolchen in den Hals getroffen und fällt vorn über.
 

»Dorian«, flüstert Lavellan kaum hörbar, während die drei Kinder hinter ihnen eine neue Barriere errichten. Lavellan muss seine eigene losgelassen haben. »Ich bin so schrecklich… zornig…«
 

Das Gras um Lavellan ist eindeutig schwarz. Und es raucht.
 

Dorian lässt seinen Stab los und packt Lavellans Gesicht mit beiden Händen.
 

Die Hitze, die von Lavellan und dem Boden um ihn her ausgeht, brennt unter Dorians Handflächen und Knien, während er vor Lavellan im Gras hockt.
 

»Ich warne dich, Amatus«, zischt Dorian. Dann tut er das einzig Sinnvolle, das ihm einfällt.
 

Er presst seine Lippen auf Lavellans Mund.
 

Die Welt um sie her verlangsamt sich ein wenig. All die Geräusche scheinen nun durch einen dicken Vorhang an seine Ohren zu dringen und Dorian stellt seinen gesunden Menschenverstand in Frage, als sein Herz sich überschlägt und sein Magen mehrere Saltos macht, während er Lavellan küsst.
 

»Ist das wirklich der richtige Moment, Dorian?«, brüllt Bull irgendwo seitlich von ihm. Dorian zieht sich zurück und schaut noch eine Sekunde lang in Lavellans dunkle und sehr überraschte Augen. Dann kippt der Inquisitor zur Seite und bleibt regungslos im verkohlten Gras liegen.
 

*
 

Dorian ist stolz darauf, dass er durchaus in der Lage ist, sich an alle möglichen sozialen Situationen anzupassen, aber jetzt ist er eindeutig außerhalb seiner Komfortzone. Er hat einen Pfeil im Unterschenkel und zwei Clanmitglieder von Lavellan in seiner unmittelbaren Nähe, die sich besagtes Bein anschauen. Einer von ihnen ist der junge rothaarige Elf, der Lavellan mit der Barriere geholfen hat, die andere ist eine Frau mittleren Alters, die aussieht, als könnte sie Dorian mit ihren muskulösen Oberarmen in zwei Hälften brechen.
 

»Halt still, mein Sohn«, wird er ungehalten und mit starkem fereldischen Akzent angemotzt, als er versucht sich etwas bequemer auf dem Gras niederzulassen. Er wurde schon lange nicht mehr »mein Sohn« in diesem Ton genannt. Schon gar nicht von einer vollkommen fremden, elfischen Frau mittleren Alters.
 

Dorian will gerade einen schlauen Spruch von sich geben, als der Pfeil mit einem heftigen Ruck aus seinem Bein gezogen wird und er einen sehr lauten Schmerzensschrei von sich gibt. Der Junge, der kaum älter als fünfzehn zu sein scheint, streckt seine Hände aus und fängt an, am Nichts um Dorian herum zu zupfen, bis sich eine warme Decke aus Magie auf Dorians Wunde legt.
 

Irgendwo weiter links von ihm liegt Lavellan auf einem großen Bärenfell. Er ist immer noch bewusstlos. Bull und Cole sitzen neben ihm, während Hüterin Istimaethoriel leise vor sich hinmurmelt und ihre leicht faltigen Hände über seinem Brustkorb auf und ab wandern lässt. Die beiden Mädchen, die Dorian vorhin schon gesehen hat, stehen hinter ihrer Hüterin und beobachten jede ihrer Bewegungen.
 

Überall liegen verwundete Elfen auf Fellen und werden von wuselnden Clanmitgliedern versorgt. Dorian hat keine Ahnung von Dalish-Kultur und er fragt sich, ob er irgendwie geheim halten kann, dass er aus Tevinter kommt – etwas, mit dem er für gewöhnlich nie hinter dem Berg halten würde.
 

»Ha, wer hätte gedacht, dass ich einen Shemlen aus Tevinter mal verarzte, statt ihm den Hals umzudrehen«, sagt die fremde Frau bestens gelaunt, während sie sauberen Stoff in Bahnen schneidet und dem Jungen dabei zusieht, wie er mit seiner Magie vorsichtig die Blutung stoppt.
 

»Irgendwann ist immer das erste Mal«, murmelt Dorian. Sie mustert ihn aus braunen Augen. Ihr Haar ist schwarz und lockig, die Haut genauso braun wie ihre Augen. Die Tattoos auf ihrem Gesicht sind in heller Tinte gestochen, sodass sie einen großen Kontrast zur Haut darstellen.
 

»Ich könnte schwören, ihr habt alle diese Aura der Überlegenheit, selbst wenn ihr kopfüber von Felswänden hängt«, erklärt sie. Der Junge zieht seine Hände zurück und betrachtet sein Werk zufrieden.
 

»Gute Arbeit, Innon. Ich glaube, Raishan braucht noch etwas mehr Salbe gegen ihre Verbrennungen.«
 

Innon nickt, richtet sich auf und verschwindet in Richtung einer Frau in Rüstung, deren kompletter linker Arm von Brandblasen übersät ist.
 

»Und? Wie ist dein Name, Shemlen?«, will die Frau von ihm wissen.
 

Dorian grummelt leise.
 

»Dorian. Aus dem Haus… ach. Egal. Dorian reicht.«
 

Sie schnaubt amüsiert und breitet ihre beeindruckenden Oberarme aus.
 

»Valora vom Clan Lavellan. Zu Euren Diensten«, sagt sie mit einem überdeutlich sarkastischen Ton. Irgendetwas an ihrer Stimme und ihrem Gebaren kommt Dorian bekannt vor. Während sie anfängt, Dorians Bein in Bandagen zu wickeln, beobachtet Dorian Lavellan. Zum ersten Mal wird ihm bewusst, dass Lavellan sich immer nur mit seinem Clannamen vorstellt.
 

Dorian hat Lavellan geküsst und kennt nicht einmal seinen Rufnamen.
 

»Wenn du dir den Nacken nicht verrenken willst, kann ich dich auch näher zu meinem Sohn tragen«, sagt die Frau mit einem sehr wölfischen Grinsen. Dorian erstarrt, gibt ein sehr würdeloses Geräusch von sich und bleibt dann an der Informationen hängen, dass diese Frau Lavellans Mutter ist.
 

Er öffnet den Mund, um etwas zu sagen. Dann klappt er ihn wieder zu. Sein Gesicht fühlt sich sehr heiß an.
 

»Oh, sei nicht so ein Baby«, sagt Valora und verdreht die Augen. Dann tut sie genau das, was sie gerade vorgeschlagen hat und hebt Dorian – einen ausgewachsenen Mann – vom Boden, um ihn hinüber zu Lavellan, Bull und Cole zu tragen.
 

»Achtung, Tima, schwer verliebter Shemlen im Anflug«, ruft sie. Mindestens zehn Köpfe drehen sich zu ihnen um und Dorian ist sicher, dass er jeden Moment vor Scham sterben muss.
 

»Ich kann alleine gehen!«, protestiert er lautstark, aber Valora hört nicht auf ihn, setzt ihn direkt neben Bull und lässt sich auf seiner anderen Seite ins Gras sinken. Bull lacht Dorian für mindestens drei Minuten aus. Dann lehnt Valora sich nach vorn und schaut ihn prüfend an.
 

»Und du? Gibt’s auch irgendwen bei euch in der Inquisition, der nicht in meinen Sohn verschossen ist?«
 

Dorian streckt Bull die Zunge heraus.
 

»Ma’am, ich muss sagen, Eure Oberarme sind sehr beeindruckend«, sagt Bull. Valora lacht heiser. Die beiden Mädchen, die ihrer Hüterin zusehen kichern und flüstern miteinander.
 

»Wenn das ein Versuch sein soll, sich bei der Mutter des Angebeteten einzuschmeicheln, klappt es ganz gut.«
 

Bull grinst.
 

»Oh, ich weiß nicht, Ma’am. Qunari haben keine Mütter, ich kenn mich da nicht so gut aus.«
 

»Du hast keine Mutter?«, fragt eins der Mädchen mit großen Augen an Bull gewandt. Bull schüttelt den Kopf.
 

Die Mädchen tauschen einen Blick und sehen gleichzeitig entsetzt und beeindruckt aus. Eine von ihnen hat krauses Haar, das in zwei Puscheln links und rechts von ihrem Kopf absteht, das andere Mädchen hat blasse Haut, schmale Augen und ganz kurz geschorenes Haar.
 

»Hattest du wenigstens eine Hüterin? Oder einen Onkel? Zum Geschichtenerzählen vorm Schlafengehen?«, will das Mädchen mit den kurzen Haaren wissen. Sie lispelt ein wenig. Bull zuckt mit den Schultern.
 

»Wir haben sowas wie Hüterinnen. Bei uns heißen sie Tamassrans«, erklärt Bull bereitwillig.
 

»Ihr habt mehr als eine?«
 

»Jap. Jede Menge Tamassrans«, sagt Bull. Die beiden sehen aus, als wüssten sie nicht, ob das eine gute oder eine schreckliche Vorstellung ist. Bevor das Mädchen noch mehr Fragen stellen kann, regt Lavellan sich auf seinem Bärenfell und öffnet die dunklen Augen.
 

»Rael!«, quietscht das Mädchen mit den kurzen Haaren und stürzt sich auf Lavellan, bevor jemand sie aufhalten kann. Lavellan gibt ein »Uff« von sich, als das Mädchen auf ihm landet.
 

»Tamala, Rael soll nicht gleich wieder anfangen zu bluten«, sagt Hüterin Istimaethoriel milde und Tamala löst sich von Lavellan. Von Rael.
 

Rael Lavellan.
 

Dorian ist kein besonders großer Fan von Kindern und gerade ist er sehr irrational neidisch auf Tamala und ihre Freundin, die – ohne dabei komisch angesehen zu werden – Rael belagern. Tamala hat angefangen ein paar von Raels Locken in winzig enge Zöpfe zu flechten.
 

»Alle ok?«, nuschelt Rael als erstes. Seine Augen huschen durch die Gegend, er sieht Bull, Dorian und Cole, seine Mutter und Hüterin Istimaethoriel.
 

»Ein paar Verbrennungen, ein paar Fleischwunden«, sagt Valora und streckt die Hand aus, um sie auf Raels Stirn zu legen. Rael nickt und lächelt ein bisschen.
 

»Junger Mann«, sagt Hüterin Istimaethoriel in diesem Moment und Rael zuckt sofort zusammen. Dorian kennt diesen Ton. Und dann darf er zuhören, wie Rael Lavellan – Anführer der Inquistion und zukünftiger Retter der Welt – von seiner Hüterin eine viertelstündige Standpauke bekommt, weil er es mit der Magie übertrieben und sich gegen ihre Anweisungen gestellt hat.
 

Sobald sie damit fertig ist, streichelt sie Lavellan übers Haar und lächelt zu ihm hinunter.
 

»Danke, dass du gekommen bist.«
 

Rael grinst müde zu ihr nach oben. Er hat mittlerweile etwa zehn kleine Zöpfe in seinem lockigen Haar. Er dreht seinen Kopf ein wenig zur Seite und schaut Dorian an. Dann schaut er Bull an. Es sieht einen Augenblick lang so aus, als würde er etwas sagen wollen, aber Tamala und ihre Freundin haben keinerlei Intention, von Rael abzulassen.
 

»Rael! Rael! Hast du die Barriere gesehen, die wir gemacht haben?«
 

»Das war eine ganz hervorragende Barriere«, sagt Rael lächelnd und wendet sich den beiden zu. Die beiden schauen sich begeistert und stolz strahlend an. Dann fangen sie an darüber zu plappern, wie toll und beeindruckend Rael und Hüterin Istimaethoriel mit ihrer Magie waren und dass sie hoffen, auch bald solche Sachen lernen zu können. Dorian hätte gern ein wenig Ruhe und Frieden.
 

Und vielleicht noch mehr Küsse. Idealerweise ohne die nahende Drohung, dass Lavellan sich in ein zorniges Lavamonster verwandelt.
 

»Ich dachte, es gibt immer nur ein oder zwei Magier in einem Clan«, sagt er. Alle Augen der Anwesenden wenden sich ihm zu. Rael schnaubt leise.
 

»Ja. Das sollen die Shems auch ruhig weiter denken. Sonst hat man ruckzuck Templer auf der Türmatte.«
 

Dorian blinzelt. Dann nickt er. Er muss sich wohl damit abfinden, dass er hunderte Dinge nicht weiß und vielleicht niemals wissen wird.
 

Der Rest des Tages vergeht in Aufruhr, statt in Frieden und mit mehr Küssen, wie Dorian es sich gewünscht hat. Alle freuen sich, Lavellan zu sehen. Sie wollen mit ihm sprechen und ihn umarmen, Geschichten von ihm hören und seine Begleiter kennenlernen. Dorian lernt Raels zweite Mutter und seinen Onkel kennen. Der Clan besteht aus fast sechzig Elfen, die geschäftig herum wuseln, Wagen reparieren, Wunden verarzten, Pfeile herstellen und sorgfältig die Leichen der Banditen von Wertsachen befreien.
 

Bull hilft Valora und drei anderen einen großen Scheiterhaufen zu errichten und die Leichen zu verbrennen. Als Dorian fragt, wieso sie das machen, ist die Erklärung, dass es erstens weniger aufwendig ist, als Gräber auszuheben und zweitens, weil sie gelernt haben, dass die Kirche ihre Toten verbrennt.
 

Dorian kann es nicht fassen, dass diese Leute darauf Rücksicht nehmen, obwohl diese Mistkerle versucht haben, sie allesamt abzuschlachten. Es beruhigt ihn ein wenig zu sehen, dass Lavellan auf den Scheiterhaufen spuckt, sobald er angezündet wird. Hüterin Istimaethoriel sieht nicht begeistert aus, aber sie sagt auch nichts dazu.
 

Erst als es dunkel geworden ist und die meisten Mitglieder des Clans schlafen gegangen sind, kommt Dorian zu einem ruhigen Moment. Cole hat anscheinend einen Narren an Innon gefressen und hockt bei dem Jungen, der dabei ist, im Licht eines kleinen Lagerfeuers neue Salben anzurühren.
 

Niemand hier scheint sich daran zu stören, dass Cole ein Dämon sein könnte. Hüterin Istimaethoriel hat ihn als Geist des Mitgefühls identifiziert, nachdem sie einen Blick auf ihn geworfen hat und das war alles, was irgendjemand zu Coles Natur gesagt hat. Dorian weiß nicht, ob er diese Leute für beeindruckend weise oder sehr naiv halten soll.
 

»Danke für eure Hilfe«, sagt Rael – Dorian hat sich definitiv noch nicht an diesen Namen gewöhnt. Er hockt immer noch auf dem Bärenfell und streicht gedankenverloren mit den Fingern darüber. Bull gibt ein leises »Hm« von sich. Dorian denkt darüber nach, sich für die Rettung vorm Sturz zu bedanken, aber er will auch nicht wirklich darauf zu sprechen kommen, dass er sich selbst arg bloßgestellt hat. Also schweigt er über diesen Vorfall.
 

Nach einer Weile des Schweigens finden Raels Augen Dorians Blick und mustern ihn aufmerksam. Dorian starrt zurück, sehr entschlossen sich keinerlei Schwäche oder gar Verlegenheit anmerken zu lassen.
 

»Du hast mich Amatus genannt. Was heißt das?«, will er wissen. Dorian weiß nicht, wann genau in den letzten Wochen sich seine schnippische und theatralische Ader in Luft aufgelöst hat, sobald Lavellan ihn ansieht, aber es ist definitiv passiert. Er spürt, wie sein Gesicht heiß wird.
 

»Irgendwas sagt mir, dass es ‚Kadan‘ nicht allzu unähnlich ist«, meint Bull verschmitzt. Dorian möchte dem großen Hornochsen gerne seinen Stab über den Kopf ziehen.
 

»Da ich nicht weiß, was Kadan bedeutet, kann ich das weder bestätigen noch abstreiten«, sagt Dorian bemüht lässig und verschränkt die Arme vor der Brust. Bull lacht. Dann wirft er einen Blick hinüber zu Rael und sein Lachen verwandelt sich in ein Lächeln. Er sieht beinahe stolz aus.
 

»Wahrscheinlich ist es so ähnlich wie Vhenan«, sagt Rael spitzbübisch. Er rutscht näher zu Bull und Bull manövriert ihn ohne weiteren Kommentar zwischen seine Beine, sodass Lavellans Rücken an Bulls massiger Brust lehnt. Dorian hält einen Moment lang die Luft an, als könnte er so die Gefühle unterdrücken, die sich in seiner Magengegend breit machen, aber Rael streckt die Hand nach ihm aus und alles in seinem Innern kommt zum Halten.
 

Sein Gehirn friert ein, sein Magen schlingert und jede Zelle seines Körpers scheint für ein paar Sekunden eingefroren. Er denkt darüber nach, abfällig zu schnauben und zu verkünden, dass er die beiden in ihrer trauten Zweisamkeit nicht stören will. Aber Bull sieht nicht aus, als würde er sich über Dorian lustig machen wollen oder so, als würde es ihn stören, wenn Dorian ebenfalls ein wenig näher käme.
 

Und Lavellan schaut ihn dermaßen offenherzig an, dass Dorian zum ersten Mal den Eindruck hat, er könnte bis in Raels Seele hineinschauen. Also rutscht er auf das Bärenfell, weicht Bulls rechtem Bein aus und während er noch darüber nachdenkt, wie er sich am besten in diese Konstellation einreihen kann, zieht Lavellan Dorian zwischen seine Beine, platziert Dorians Kopf auf seiner Schulter und schlingt den anderen Arm um seine Mitte.
 

Dorian liegt halb, sitzt halb zwischen Lavellans Beinen, während Lavellan zwischen Bulls Beinen sitzt und sehr schlanke Finger fangen an, Muster auf seinen nackten Unterarm zu malen.
 

Lavellans Mund ist direkt an Dorians Schläfe, als er wieder spricht.
 

»Du hast mich gerettet«, flüstert er sehr leise. Sein Atem streift Dorians Ohr und Dorian bekommt eine sehr deutliche Gänsehaut auf den Armen.
 

Er grummelt.
 

»Tja. Ich kann schließlich nicht mit ansehen, wie der Retter der Welt in Flammen aufgeht. Leliana hätte mich umgebracht«, sagt er. Seine Stimme klingt ungehaltener, als er sich fühlt. Alles in allem ist er einfach nur froh, dass er nicht mit ansehen musste, wie Lavellan von einem Dämon in Besitz genommen wird.
 

»War wahrscheinlich kein besonders großes Opfer, ihn mit dem Mund abzulenken«, meint Bull. Dorian hört das Grinsen in seiner Stimme. Er grummelt, während Lavellan gluckst.
 

Bulls riesige Hand findet ihren Weg in Dorians Haar. Die Berührung ist erstaunlich sanft für so eine große Hand, die an einem so riesigen und muskulösen Qunari befestigt ist. Dorians Herz ist kurz davor, seinen Brustkorb zu sprengen.
 

»Du solltest das dringend noch mal versuchen. Ohne drohende Dämoneninvasion«, murmelt Lavellan gegen Dorians Haar. Dorian rappelt sich ein wenig auf, dreht den Kopf und schaut Lavellan an. Dann schaut er Bull an.
 

»Ist das… so ein Ding?«, will er wissen und wedelt zwischen den beiden hin und her. Bull hebt die Brauen im selben Moment wie Lavellan.
 

»Ein Ding?«, will Lavellan amüsiert wissen.
 

»Schaut ihr euch gegenseitig zu? Ist das so ein… wie genau funktioniert das?«
 

Lavellan seufzt und Bull schnaubt.
 

»Ich meine… nichts gegen zugucken«, sagt Bull und wippt mit den Brauen. Dorian stirbt ein wenig. »Aber wie gesagt. Er hat’s nicht mit Sex. Zumindest nicht zum Selbermachen. Hey Boss, wie ist es mit Zuschauen, wenn ich Dorian verführe?«
 

Dorian gibt eine Reihe undefinierbarer Geräusche von sich. Lavellan tippt sich mit einem Finger gegen das Kinn und sieht aus, als würde er sehr angestrengt darüber nachdenken.
 

»Ich hab es noch nie ausprobiert, aber wenn ich so drüber nachdenke… Hey, Dorian, würdest du mich zugucken lassen, wenn Bull dich verführt?«
 

»Ist das alles ein großer Witz für euch?«
 

»Was? Nein! Ich mein das ernst, würdest du mich zugucken lassen? Dass Bull nichts dagegen hätte, weiß ich schon«, sagt Lavellan. Sein Gesichtsausdruck sieht sehr ernst aus. Über Bulls Gesichtsausdruck möchte Dorian lieber nicht nachdenken, denn er führt dazu, dass ihm sehr heiß wird und sein Unterkörper kribbelt.
 

»Ich… ah…«
 

»Oh, schau mal, Boss. Unser Magister mit der großen Klappe hat keinen schlauen Spruch mehr übrig.«
 

»Ich bin kein Magister«, zischt Dorian peinlich berührt.
 

»Jaja. Niemand interessiert sich für die Unterscheidung«, sagt Bull unbeeindruckt.
 

»Du kannst nein sagen, Dorian. Niemand würde schlecht über dich denken«, sagt Lavellan und er klingt so offen besorgt, dass Dorian am liebsten einen frustrierten Schrei ausstoßen würde. Als würde er von allen Leuten zurückschrecken vor sexuellen Abenteuern!
 

Er öffnet den Mund, um etwas Schnippisches zu erwidern, als Finger sich um sein Kinn legen und ihn im nächsten Moment trockene Lippen zum Schweigen bringen. Das ist definitiv Bull, der ihn da gerade küsst. Dorian wird von einem Qunari geküsst. Von seinem – wie Bull es selbst genannt hat – natürlichen Fressfeind.
 

Sein Gehirn stottert und hört dann ganz auf zu denken. Bulls Finger drücken Dorians Kopf nachdrücklich nach hinten und eine andere Hand, die ganz definitiv nicht zu Bull gehört, streicht durch sein Haar, seinen Hals hinunter und zeichnet den Saum seines Oberteils nach. Die Gewissheit, dass Lavellan dabei zusieht, wie Dorian Bull küsst, treibt seine Körpertemperatur in ungeahnte Höhen.
 

Als Bull sich von ihm löst, liegt Lavellans Hand direkt über Dorians Herzen, als würde er prüfen wollen, wie Dorians Herzschlag sich bei all dem verhält. Sein Gesicht ist im flackernden Licht der Flammen sehr neugierig und eindeutig angetan.
 

»Zugucken klingt gut«, sagt Lavellan leise und lächelt kaum merklich. Dorians Scharfzüngigkeit muss irgendwo in Bulls Kuss verloren gegangen sein.
 

»Ich erwarte trotzdem eine Antwort«, sagt Dorian so brüsk wie möglich, auch wenn seine Stimme heiser klingt und sein Puls rast, als wäre er meilenweit gerannt.
 

»Worauf?«
 

»Was genau das für ein Ding ist!«
 

Lavellan legt den Kopf schief und mustert ihn aus seinen großen, schrägstehenden Augen. Dann wirft er Bull einen Blick zu.
 

»Ok. Menschen haben diese Sache am Laufen, wo immer nur zwei Leute zusammen sein können, oder?«, fragt Lavellan und Dorian ist sich ziemlich sicher, dass es in diesem Moment keine rhetorische Frage ist. Lavellan sieht ernsthaft verwirrt aus, als wäre es etwas, das er schon länger vermutet, aber jetzt zum ersten Mal in Worte fasst.
 

Bull nickt.
 

»Jap. So machen Menschen das, Boss.«
 

»Ah«, sagt Lavellan und kratzt sich am Kopf. »Das erklärt, warum Dorian so nervös ist.«
 

Bull schnaubt und grinst.
 

»Ich bin nicht nervös«, zischt Dorian ungehalten.
 

»Ok, es ist folgendermaßen«, sagt Lavellan ernst und nimmt Dorians Gesicht in seine Hände. Dorians Mund klappt abrupt zu und er schluckt. »Ich mag Bull. Ich mag dich. Bull mag dich. Du magst Bull. Und wahrscheinlich magst du mich. Und Bull. Vielleicht willst du auch nur Sex mit Bull haben. Ich hab keine Ahnung, wie diese Sex-Sache funktioniert, aber manchmal guckst du ihn an, als würdest du wollen, dass er dich aufisst. Ich nehme an, das geht in die Richtung–«
 

»Gut beobachtet, Boss.«
 

»Danke, Vhenan.«
 

»Gut beobachtet? Dafür, dass du es schaffst Leliana zu belauschen, ist das eine ziemlich lausige Leistung!«, empört sich Dorian.
 

»Pscht«, macht Lavellan und schaut sich um. Dann lehnt er sich wieder gegen Bull und zieht Dorian mit sich. »Du musst auch nicht jetzt antworten.«
 

Dorian weiß, dass er intelligent ist. Aber in diesem Augenblick hat er eindeutig das Gefühl, den Faden verloren zu haben. Also konzentriert er sich mit hämmerndem Herzen auf das Wesentliche:
 

Rael Lavellan mag ihn, obwohl er keinen Sex mag. Das heißt, er will nicht einfach nur Sex mit Dorian haben, wie es zuhause in Tevinter üblich ist.
 

Iron Bull mag Dorian und er will Sex mit ihm haben.
 

Keinen der beiden stört es, dass in diese ganze Sache drei Leute involviert sind.
 

Mit Bulls Hand auf dem Bauch und Lavellans Hand in seinen Haaren schläft Dorian schließlich ein, ohne den beiden zu antworten.
 

*
 

»Lieber Dorian,
 

erst einmal das Wichtigste: Ich lebe noch.
 

Ich bin jetzt offiziell ein Grauer Wächter, auch wenn ich weiterhin nicht daran glaube, dass ich zu ihrem Orden irgendetwas beitragen könnte. Mistress Bethany Hawke hat mir die Ehre erwiesen, die letzten Tage in meiner Gesellschaft zu verweilen. Sie sagt, es macht die Alpträume einfacher zu ertragen, wenn man nicht alleine aufwacht und jemanden bei sich hat, der weiß, wie es sich anfühlt.
 

Dein Inquisitor weiß es mittlerweile bestimmt, aber seit ich das Initiationsritual hinter mich gebracht habe, weiß ich, wieso die Grauen Wächter verschwunden sind. Mistress Bethany und ich hören beide den Gesang des Erzdämons. Weil Mistress Bethany den Orden mehr oder weniger verlassen hat, ist sie nicht mit ihren Kameraden gegangen – wohin auch immer sie verschwunden sind.
 

Sie ist sehr angenehme Gesellschaft und kennt viele spannende Abenteuergeschichten. Ich habe so viel über das Leben in Ferelden und in den Free Marches gelernt – und das nur in den letzten Tagen. In Tevinter schaut man ja leider selten über den Tellerrand. Es heißt immer nur, dass im Süden die Barbaren leben und es dort kalt ist und nach Hund riecht. Mistress Bethany teilte mir schmunzelnd mit, dass es vor allem in Ferelden wirklich allerorts sehr nach Hund riecht.
 

Ich denke viel darüber nach, was mit unserer Heimat alles verkehrt läuft, Dorian. Und abgesehen davon, dass unser politisches System korrupt ist und wir an einer glorreichen, längst vergangenen Zeit festhalten, die nie wieder kommen wird, sind wir doch die einzige Nation, die noch so eine barbarische Institution wie die Sklaverei aufrecht erhält. Ich weiß, dass ich dir berichtet habe, dass ich das Testament geändert habe, um Juliana zu befreien, sobald ich verstorben bin. Jetzt habe ich beschlossen, sie und ihre Familie zu befreien, sobald ich wieder nach Hause komme.
 

Wenn sie weiterhin bei mir angestellt sein möchte, werde ich sie bezahlen. Wenn sie gehen möchte, werde ich sie gehen lassen. Es ist ein Unrecht, auf dem unsere Gesellschaft fußt, Dorian. Wenn wir nicht den Anfang machen, wer dann?
 

Ich freue mich zu hören, dass du deinem Inquisitor dabei helfen konntest, seine Familie zu retten. Und ich freue mich auch zu hören, dass dein Liebesleben – und bitte schreib mir nicht im nächsten Brief wieder zwei lange Absätze voller Empörung über das Wort ‚Liebe‘, Dorian, wir sind doch beide erwachsen – sich langsam aber allmählich entwickelt. Du hast dich von der heimatlichen Tradition schon so weit abgewandt, mein Freund, was macht es da, wenn du noch einen Schritt weiter gehst und noch ein Stück mehr aufgibst? Vor allem dann, wenn es dich glücklich machen würde.
 

Falls es dich irgendwie beruhigt; Mistress Bethany berichtete mir von ihrer Schwester, Champion von Kirkwall, und ihren beiden Geliebten – eine Elfe und eine Piratin. Nicht unähnlich deiner Situation, würde ich meinen. Du siehst, es gibt Lebensentwürfe wie diese auch andererorts. Lass dich nicht von unserer traurig starren Erziehung unglücklich machen.
 

Mistress Bethany sagt, das wir nichts anderes tun können, als unser Leben so gut zu leben, wie wir eben können, in der Zeit, die uns gegeben ist. Dafür, dass sie so jung ist, ist sie erstaunlich weise. Ich glaube, sie hat bereits allerlei Leid erfahren.
 

Über deine Nachricht, dass ihr an einem orlisischen Ball teilgenommen und dabei Empress Celene gerettet habt, musste ich schmunzeln. „Ein Magier aus Tevinter, ein Qunari und ein Elf gehen auf einen orlisischen Ball…“ klingt wie der Anfang eines Witzes. Wahrscheinlich ist das das unpatriotistischste, was du je getan hast. Wer hätte gedacht, dass deine Wege dich jemals dahin führen, die orlisische Kaiserin zu retten?
 

Viele Grüße sendet dir aus Starkhaven,

dein Felix«
 

*
 

In der zweiten Nacht, die sie bei Lavellans Clan verbracht haben, hat Rael ihnen gestanden, dass er sich liebend gern den Arm abhacken und einfach hier bleiben würde. Es war ein Geheimnis, etwas, das er mit ihnen geteilt hat. Dorian wusste nicht, was er dazu hätte sagen sollen und auch Bull hat geschwiegen.
 

Vielleicht, weil ihnen allen klar war, dass es nicht geht.
 

Der Anker muss genutzt werden, um die Welt zu retten und die Verantwortung dafür kann nicht abgegeben werden.
 

Und obwohl Dorian keinerlei Interesse daran hat, irgendwo in der Wildnis zu leben und jeden Tag nach seinem Essen zu jagen, kann er verstehen, warum Lavellan sich so fühlt.
 

Der Ball in Halamshiral war entgegen Felix‘ Vorstellungen alles andere als amüsant. Dorian und Bull wurden an allen Ecken und Enden kritisch beäugt und betuschelt – was natürlich zu erwarten war angesichts der Tatsache, dass Bull ein Qunari und Dorian der Sohn eines Magisters ist.
 

Was Dorian tatsächlich erstaunt hat, ist die Reaktion der orlisischen Nobilität auf den Inquisitor. Elf hin oder her, diese Leute sollten wissen, was Rael Lavellan für die Welt getan hat und wahrscheinlich noch tun wird. Trotzdem kam es Dorian so vor, als hätten diese Leute zwar gehört, dass Lavellan ein Elf ist – aber als hätten sie es nicht wirklich geglaubt, bis sie ihn mit eigenen Augen gesehen haben.
 

»Ist das der Inquisitor?«
 

»Was? Nein. Das kann nicht sein. Das ist sicher nur sein Dienstpersonal…«
 

»Ein Wilder von diesen Dalish-Elfen? Wohl kaum, meine Liebe.«
 

Dorian hat das Wort Klingenohr schon oft gehört, aber noch nie so oft wie an diesem Abend, während der Inquisitor sich in seiner formellen Uniform zwischen sogenannten Adligen hindurch bewegt und gezwungene Konversation geführt hat.
 

Leute sagen immer, dass Tevinter das größte Übel ist und Dorian kann es ihnen nicht einmal nachtragen. Allerdings findet er nicht wirklich, dass Orlais‘ Kultur ihnen in irgendetwas nachsteht – einmal abgesehen davon, dass keine Magier das Land beherrschen. Was wahrscheinlich der wichtigste Unterschied ist.
 

Leliana hat Dorian und Bull beiseite genommen und sie gebeten, ein Auge auf Lavellan zu haben, für den Fall, dass er selbst anfängt orlisische Nobilität zu ermorden. Dorian hat zwar geschnaubt und genickt, aber er hätte sich vermutlich nicht besonders viel Mühe dabei gegeben, Lavellan zurückzuhalten, wenn es dazu gekommen wäre.
 

Er ist sich ziemlich sicher, dass es Bull ähnlich ging.
 

Dorian würde allerdings liebend gern wieder auf einen orlisischen Ball gehen und sich von allen Seiten Beleidigungen anhören, wenn er dafür nicht dort sein müsste, wo er sich gerade befindet.
 

Über seinem Kopf kreist ein riesiger Erzdämon, vor ihm schreien dutzende Dämonen und das Getümmel einer Schlacht dröhnt Dorian in den Ohren. Von allen Seiten hört man Schreie und das Klirren von Waffen. Dorian ist jetzt schon erschöpft, auch wenn er versucht, es nicht zu zeigen. Die Inquisition hat vor über einer Stunde das Tor der Festung Adamant durchbrochen und liefert sich einen erbitterten Kampf gegen die Grauen Wächter und ihre Armee von Dämonen.
 

Dorian hat nicht besonders viel Spaß daran, aber das eigentlich Schlimme an der Situation ist die Tatsache, dass Rael Lavellan ihn und Bull angesehen und gesagt hat:
 

»Helft den Soldaten so gut ihr könnt.«
 

Und noch bevor Dorian oder Bull etwas sagen konnten, ist Lavellan davon gespurtet, eine Treppe hinauf und in Richtung der Zinnen, Clarel hinterher. Dorian versteht nicht, wieso er sie nicht mitgenommen hat – schließlich nimmt Lavellan sie beinahe überall mit hin. Aber diesmal hat er Cassandra, Solas und Varric im Schlepptau. Dorian beobachtet, wie Varrics Armbrust um die Ecke verschwindet und dann ist keiner von ihnen mehr zu sehen.
 

Der Erzdämon stößt einen ohrenbetäubenden Schrei aus, dreht um und schießt in die Richtung davon, in die Lavellan gerade gerannt ist.
 

»Fuck, fuck, fuck«, dröhnt Bull lauthals, während seine Axt durch eine Gruppe Dämonen pflügt, als wären sie aus Schall und Rauch gemacht. Dorian zielt und fällt einen Verzweiflungsdämon mit eine gut platzierten Feuerball. Irgendwo hinter sich hört er Cullens Stimme, wie sie den Soldaten weitere Befehle erteilt.
 

Dorian ist nicht scharf darauf, sich einem Erzdämon zu stellen, aber die Wahrheit ist, dass er lieber das an Lavellans Seite tun würde, als hier zu sein und nichts zu tun.
 

»Hey, Dorian!«, donnert Bull und teilt einen Dämon entzwei. »Sollen wir folgen?«
 

Dorian flucht, friert ein Lavamonster ein und rennt Bull voran die Treppe hinauf.
 

Ihr Weg Lavellan hinterher ist nicht so reibungslos, wie Dorian es sich vorgestellt hat. Sie werden an mehreren Stellen von Grauen Wächtern und ihren Dämonen aufgehalten und als sie den Erzdämon röhren hören, hat Dorian das schreckliche Gefühl, dass es bereits zu spät ist.
 

Im nächsten Moment fängt die Festung an zu beben. Dorian stolpert und schwankt, ehe Bulls Hand ihn am Oberarm packt und wieder auf die Beine stellt. Als sie um die nächste Ecke stürzen, rennen ihnen Cassandra und Solas entgegen, Varric dicht auf ihren Fersen. Weiter hinten sieht Dorian Rael und Wächter Stroud.
 

Dann bricht die Festung unter ihnen weg. Dorian hört Bulls »Kadan!« kaum, als Lavellan in den Abgrund stürzt, der im nächsten Augenblick auch Varric, Stroud und Hawke schluckt. Cassandra und Solas stolpern noch einen Moment mit rudernden Armen und weit aufgerissenen Augen, dann fallen sie den anderen hinterher.
 

Dorian und Bull weichen zurück, auch wenn Bull aussieht, als würde er Lavellan gerne hinterher springen. Das grüne, grelle Licht, das im nächsten Moment aufleuchtet, bereitet Dorian gleichzeitig ein mulmiges und hoffnungsvolles Gefühl im Magen.
 

Seine Brust hat sich so eng zusammen gezogen, dass er kaum atmen kann.
 

Er und Bull stehen am Rand eines Abgrunds und auf halbem Weg nach unten klafft ein grüner, wirbelnder Riss im Schleier zwischen den Welten. Auch nachdem der Staub sich gelegt hat, kann Dorian nichts sehen.
 

Dorian denkt ernsthaft darüber nach, einfach kopfüber in den Riss zu springen. Aber eine Bewegung hinter ihm hält ihn davon ab, als eine weitere Gruppe Dämonen auf ihn und Bull zukommen. Bull schwingt seine Axt mit so viel Zorn, wie Dorian es noch nie gesehen hat – und das will etwas heißen.
 

Es gibt zwei Möglichkeiten, denkt Dorian, während er seinen Stab herumschleudert und Barrieren errichtet, ehe er anfängt Feuerbälle zu werfen.
 

Entweder, alle wurden von herabstürzenden Steinen begraben und sind von ihrem Standpunkt aus nicht zu sehen.
 

Oder Lavellan hat diesen Riss geöffnet, um den Sturz zu verhindern und sie sind allesamt im Nichts gelandet. Körperlich.
 

Dorians Gedanken sind so versteinert, dass er sich nicht einmal entscheiden kann, was von beidem schlimmer wäre. Er hat das mulmige Gefühl, dass Lavellan ihn und Bull nicht mitgenommen hat, um sie zu beschützen. Aber er konnte unmöglich ahnen, dass so etwas passieren würde.
 

Die Stimmen in seinem Kopf sind lauter als sonst.
 

»Möchtest du ihn nicht wiedersehen? Du hast ihm noch nicht gesagt, was du fühlst. Ich kann dich zu ihm bringen. Er hat keine Ahnung, dass du genauso empfindest wie er. Du hast ihm nie deine Antwort gegeben.«
 

Dorian ignoriert das leise Flüstern am Rande seines Bewusstseins so gut es geht. Er schluckt zwei Lyriumtränke hintereinander und tötet drei weitere Dämonen, bevor seine Beine nachgeben und er zu Boden sinkt. Bull rammt seine Axt in den letzten verbliebenen Dämon, ehe er Dorian ohne Schwierigkeiten auf die Beine hievt und ihn dorthin trägt, wo sie hergekommen sind.
 

Sie sehen einige Graue Wächter, die sich der Inquisition angeschlossen haben und nun gegen die Dämonen kämpfen.
 

Dorian will sie anschreien, dass sie sich all das vorher hätten überlegen sollen. Bevor Lavellan in einem Kampf gegen einen Erzdämon ins Nichts gefallen ist.
 

»Dorian«, sagt die Stimme in seinem Kopf und sie klingt eindeutig nach Rael. Dorian schließt die Augen und beklagt sich nicht einmal, dass Bull ihn durch die Gegen trägt, als wäre Dorian ein kleines Kind. »Dorian, verlass mich nicht. Willst du nicht mit mir zusammen sein?«
 

»Hey, Dorian. Sprich mit mir«, sagt Bull leise. Dorian gibt ein Schnaufen von sich, als er in Bulls Armen herum rangiert wird. Er hat Bull seine Axt noch nie mit einem Arm schwingen sehen, aber es ist offensichtlich möglich. Die Axt in der einen und Dorian in der anderen Hand.
 

Dorian hat das absurde Bedürfnis zu lachen.
 

»Du riechst fürchterlich«, krächzt er. Bull schnaubt und schleift die Axt nun hinter sich her. Das Geräusch, das sie auf dem Boden verursacht, beschert Dorian eine Gänsehaut.
 

»Stundenlanges Gemetzel hat sowas zur Folge. Du riechst auch nicht nach Maiglöckchen«, erklärt Bull mit einem schiefen Schmunzeln.
 

»Setz mich ab«, sagt Dorian. Bull wirft ihm einen Blick zu, ignoriert die Anweisung und schleppt Dorian drei weitere Treppen hinunter, bevor er ihn auf den Boden stellt. Weiter vorne hört man weiteres Kampfgetümmel. Dorian findet es absurd, dass die Schlacht weitergeht, obwohl Rael Lavellan gerade ins Nichts gestürzt ist.
 

»Der Boss hat gesagt, wir sollen die Soldaten unterstützen«, grollt Bull leise und hebt seine Axt – jetzt wieder mit beiden Händen. »Auf geht’s.«
 

Dorian schluckt einen weiteren Lyriumtrank und folgt Bull in Richtung der Geräusche. Seine Beine fühlen sich an wie Pudding, aber er weigert sich, diesem Gefühl nachzugeben. Er sieht Cullen, Vivienne und Cole mitten im Kampfgetümmel gegen einige Magier der Grauen Wächter. Weiter hinten wüten Bulls Leute unter einem weiteren Rudel Dämonen.
 

Im Gegensatz zu Dorian sieht Vivienne aus, als wäre sie frisch gepudert. Dorian beschließt, sie beizeiten nach ihrem Geheimnis zu fragen. Er wischt sich die Haare aus der schweißnassen Stirn und hebt erneut seinen Stab.
 

»Dorian, lass mich dir helfen. Es muss nicht so wehtun, glaub mir. Ich kann machen, dass es besser wird. Ich kann dich zu ihm bringen.«
 

Dorian atmet tief ein und aus.
 

Lavellan hat ihn zurückgelassen, um ihn zu beschützen. Nicht, damit Dorian dem nächstbesten Dämon erlaubt, Besitz von ihm zu ergreifen.
 

»Ich sehe definitiv zu gut aus für deinesgleichen«, presst er zwischen den Zähnen hervor und rammt seinen Stab auf den Boden.
 

Er kann sich nicht vorstellen, dass dies das Ende sein soll. Der Weg der Inquisition kann nicht zwischen all diesen schleimigen Dämonenüberresten in den Ruinen einer einstmals großen Festung enden. Aber vielleicht ist das die eigentliche Art und Weise, wie die großen Geschichten aufhören. Nicht so wie in den Büchern, die Dorian gerne liest – in denen die Helden überleben und alles ein befriedigendes Ende nimmt.
 

Er denkt darüber nach, wie neidisch und schlecht gelaunt er war, als er angefangen hat, diese unwillkommenen Gefühle Lavellan und Bull gegenüber zu entwickeln. Wie er sie beobachtet hat und all ihre offene Zuneigung zueinander als sicheres Zeichen dafür verbucht hat, dass Dorian sich emotional in einer Sackgasse verrannt hat.
 

Warum hat er nicht direkt nach der Unterhaltung im Lager von Raels Clan geäußert, wie er sich fühlt? Und dass er verdammt noch mal liebend gerne zulassen würde, dass Bull ihn verführt und Lavellan dabei zuschaut?
 

»Du kannst es ihm immer noch erzählen«, flüstert die Stimme unangenehm laut in seinem Kopf. Dorian flucht innerlich.
 

»Hey Bull«, ruft er.
 

Bull ist umgeben von einer Horde Dämonen. Er sieht übel aus. Er hat mehrere tiefe Wunden auf der Brust und auf dem Rücken. Sein Auge ist zugeschwollen, was ihm das Zielen mit der Axt erschweren muss, aber Bull löst dieses Handicap, indem er einfach wie ein Wahnsinniger seiner Axt im Kreis schwingt, bis er etwas trifft. Diese Strategie erweist sich als erstaunlich erfolgreich, da die meisten Dämonen nicht unbedingt als taktische Genies bezeichnet werden können.
 

»Was gibt’s?«, ruft Bull, als wäre er nicht schweiß- und blutgebadet und als wäre dies nur eine freundliche Unterhaltung bei einem Glas Wein. Bulls Nonchalance im Anblick von Gefahr ist eine der Eigenschaften, die Dorian an ihm attraktiv findet.
 

»Weißt du noch, diese Unterhaltung am Lagerfeuer?«
 

Bull zerhackstückt einen Dämon, den Vivienne für ihn eingefroren hat und wankt leicht auf der Stelle. Dorians Beine geben mit Sicherheit jeden Moment nach. Wenn er jetzt ohnmächtig wird, hat er Angst, dass der Dämon, der in seinem Kopf flüstert und für den Dorians Verzweiflung ein Festmahl sein muss, sich Einlass verschafft.
 

Bull sieht augenblicklich alarmiert aus. Eine weitere Sache, die Dorian an Bull sehr zu schätzen weiß, ist, dass man nicht lange herumreden muss, bis er Dinge versteht. Bull weiß meistens, was man sagen möchte, egal wie unglücklich oder rudimentär man es ausdrückt.
 

»Ja, ich erinnere mich.«
 

Dorian ist so nah an Bull heran gewankt, wie seine Beine ihn tragen. Es sind kaum noch Dämonen übrig. Bulls Chargers haben sich die letzten vier vorgenommen – zumindest die Dämonen, die sich auf dieser Ebene der Festung gezeigt haben. Bull lässt seine Axt zu Boden sinken und Dorian sieht, dass er sehr schwer atmet.
 

»Ich könnte ein Ablenkungsmanöver von meinem Kopf gebrauchen«, krächzt Dorian. Wahrscheinlich sieht er alles andere als ansehnlich aus. Er hat selbst keinerlei Lösungsvorschläge, wie er die Stimme in seinem Kopf abschalten könnte, aber Bull zuckt nicht einmal mit der Wimper, hebt seine Hände und packt Dorians Gesicht mit beiden Händen. Sie sind rau und sehr warm und erstaunlich… behutsam.
 

Dorian hat keine Ahnung, was in Bulls Kopf vor sich geht, aber im nächsten Augenblick hat Bull seinen Mund zum zweiten Mal seit sie sich kennen auf Dorians Lippen gepresst und küsst ihn so nachdrücklich, dass Dorians Knie schlussendlich doch nachgeben.
 

Einer von Bulls Armen schlingt sich um ihn, damit Dorian nicht zu Boden geht und eine wunderbare Stille legt sich auf seine Gedanken wie ein kühler Nebel am frühen Morgen.
 

Rael hatte Recht.
 

Bull ist definitiv ein ausgezeichneter Küsser. Dorian ärgert sich, dass er diesem speziellen Talent bislang erst ein einziges Mal nachgegangen ist und krallt sich mit seinen Händen so gut es geht an Bulls Harnisch fest.
 

Er könnte schwören, dass Cullen irgendeinen Kommentar macht und dass Bulls Chargers irgendwo im Hintergrund johlen und klatschen.
 

Als Bull den Kuss löst, lässt er Dorian nicht los und betrachtet sein Gesicht aus der Nähe.
 

»Besser?«, brummt er.
 

»Hm«, ist alles, was Dorian herausbringt.
 

Er denkt an ein grünes Tal, in dem Gras um nackte Füße angefangen hat zu kokeln, und einen Kuss, der jemandem dabei geholfen hat, ein Unglück zu verhindern.
 

»Gut aufgepasst«, flüstert er heiser und versucht ein schiefes Grinsen. Bull schnaubt und zieht seinen Arm zurück. Dorian sinkt augenblicklich auf die Knie.
 

»Hey, Ma’am, habt Ihr noch Saft?«, ruft Bull über seine Schulter.
 

»Mein Lieber, dass du überhaupt fragen musst«, sagt Vivienne. Aus unerfindlichen Gründen schafft sie es unter allen Umständen, ihre Ausstrahlung der offenkundigen Überlegenheit aufrecht zu erhalten. Sie hat viel Blut und Schleim auf ihrer extravaganten Robe, aber abgesehen davon sieht Vivienne de Fer makellos aus. Sie hat nicht einen einzigen Kratzer und als sie ihren Stab über Dorian schwingt, sieht es aus, als hätte sie keinerlei Probleme, auf das Nichts zuzugreifen.
 

»Weiter oben sind noch mehr Dämonen«, ruft Cullen und sendet die anwesenden Truppen die Treppen hinauf, die Dorian und Bull vorhin herunter gekommen sind. Natürlich sind dort Dämonen. Sie fluten vermutlich aus dem riesigen Riss, den der Inquisitor dort geöffnet hat.
 

Bull und Vivienne helfen Dorian auf die Beine. Dorian ist beruhigt, als er Viviennes Hand leicht zittern spürt.
 

»Er lebt noch«, sagt Cole plötzlich direkt neben Dorian. Dorian zuckt zusammen und sein Kopf ruckt herum. Cole sieht aus, als würde er irgendeinem Geräusch angestrengt lauschen, das keiner außer ihm hören kann.
 

»Er wandert durchs Nichts. Ich spüre den Anker, leuchtend hell. Er sucht einen Ausgang.«
 

Dorian kippt den Lyriumtrank herunter, den Vivienne ihm reicht, packt seinen Stab fester und humpelt fest entschlossen der Treppe entgegen. Das Gefühl in seinem Brustkorb lockert sich ein wenig.
 

Er lebt. Er lebt. Er lebt. Er lebt. Er lebt.
 

Noch.
 

»Mein lieber Dorian, du siehst aus, als würdest du kopfüber in den Riss springen wollen. Lass uns nichts überstürzen, ja?«, sagt Vivienne. Wenn ihre Stimme nicht so angespannt wäre, hätte Dorian sie vielleicht angefahren.
 

»Kannst du sonst was fühlen, Cole?«, will Bull wissen.
 

Cole schweigt eine Weile, während sie die erste Treppe erklimmen.
 

»Einen Alptraum«, wispert Cole leise und Dorian bekommt sofort Gänsehaut auf den Unterarmen. »Einen riesigen Alptraum. Er frisst die Ängste, er bewacht den Ausgang.«
 

Dorian möchte sich lieber nicht vorstellen, was genau ein riesiger Alptraum sein soll und wie genau er Ängste frisst, aber die Tatsache, dass er den Ausgang bewacht, lässt Dorians Magen sinken.
 

»Können wir irgendwas tun?«, fragt Cullen.
 

»Es ist ein sehr, sehr großer Alptraum«, sagt Cole lediglich. Dorian interpretiert das als »Nein«.
 

Sie werden von einigen verbündeten Grauen Wächtern überholt. Als sie die letzte Treppe heraufkommen – etwa auf halber Höhe der Plattform, von der Rael und die anderen gestürzt sind – sehen sie den Riss aus nächster Nähe. Dorian könnte schwören, dass er hunderte Augen dahinter schimmern sieht. Seine Nackenhaare sträuben sich.
 

Er hat das Gefühl, dass er keinen einzigen Feuerball mehr zustande bekommen kann und ist dankbar über die Barriere, die Vivienne über ihm, Cole und Bull errichtet.
 

Und dann stolpert Cassandra aus dem Riss. Bull stößt einen Schrei aus, während Cullen Cassandra aufhilft. Dann kommt Varric. Solas.
 

Dorians Herz krampft sich in seinem Brustkorb zusammen, Bulls Auge blickt wild umher.
 

»Wo ist er?«, brüllt Bull den anderen entgegen. Varric, Cassandra und Solas drehen sich zum Riss um.
 

»Er war direkt hinter uns«, japst Cassandra. Dorians Innereien werden von einer eisigen Faust ergriffen. Er will sich übergeben.
 

Viel zu viele Wimpernschläge passiert gar nichts und Dorian merkt kaum, wie Krem einen Dämon fällt, der sich von hinten an Dorian herangeschlichen hat. Dann stürzt Hawke aus dem Riss, ihre schwarze Haut voller Dreck, die kurzgeraspelten Haare blutverschmiert und ihr Blick voller Verfolgungswahn. Als sie seitlich wegstolpert, um einem Dämon auszuweichen, tritt eine letzte Gestalt aus dem Riss.
 

Es ist Dorian ungeheuer peinlich, aber er würde am liebsten weinen.
 

Ein tonnenschweres Gewicht, das ihn zu Boden gedrückt hat, wird von seinen Schultern gehoben, als Rael Lavellan kurz das Kampfgetümmel überblickt, die Hand mit dem leuchtenden Anker darin hebt und sie zur Faust ballt.
 

Mit grässlichen Schreien versinken die Dämonen im Boden und der Riss hinter Lavellan schließt sich mit einem finalen Zischen. Dorian schafft es nur auf den Beinen zu bleiben und nicht schon wieder auf die Knie zu gehen, weil Bull ihm seinen Arm hinhält und Dorian sich daran festklammert, als wäre Bull sein Rettungsboot auf hoher See.
 

Er hört nichts von dem, was gesagt wird. In seinen Ohren rauscht es und am Rande seines Sichtfeldes lauert die Ohnmacht mit wabernden Schatten.
 

Raels Haar ist zerzaust, alles an ihm ist schmutzig und blutverkrustet. Seine komplette linke Gesichtshälfte ist blutüberströmt, weil er eine Platzwunde direkt über der Augenbraue hat. Dorian ist sich sicher, dass er noch nie in seinem Leben so froh war, irgendjemanden zu sehen.
 

Er weiß sofort, dass irgendetwas Schreckliches passiert sein muss. Vielleicht auch gleich mehrere schreckliche Dinge. Lavellans Gesicht ist sorgfältig ausdruckslos, aber seine Augen… seine Augen sehen irgendwie gehetzt aus.
 

Dorian hat keine Möglichkeit, länger darüber nachzudenken, was hinter dem Riss passiert sein mag, denn im nächsten Augenblick pressen die Schatten sich vollständig in seinen Kopf und er sackt in sich zusammen.
 

*
 

Als Dorian aufwacht, weiß er zuerst nicht, wo er ist. Er blinzelt in gleißend helles Sonnenlicht und in einen erstaunlich aufgeräumten, wenn auch eher geschmacklos schlicht eingerichteten Raum. Erst, als er den riesigen Schreibtisch und den Balkon sieht, wird ihm klar, dass er im Zimmer des Inquisitors im Bett liegt.
 

Alles tut ihm weh. Dorian verkneift sich ein Stöhnen und versucht, sich aufzusetzen, aber er scheitert kläglich. Erst jetzt wird ihm bewusst, dass er nicht alleine im Bett liegt. Neben ihm liegt Rael Lavellen mit schweißüberströmten aber gesäubertem Gesicht. Die schwarzen Locken kleben ihm im in der Stirn, er atmet schwer und als Dorian ihn ansieht, ruckt Lavellans Kopf zur Seite. Jemand hat seine Platzwunde an der Stirn genäht.
 

»Alpträume«, sagt Bulls Stimme und Dorian zuckt zusammen.
 

Bull hockt auf einem Stuhl neben dem Bett.
 

»Wie lange hab ich geschlafen?«, will Dorian wissen. Er stellt fest, dass er nackt ist, aber er ist zu desorientiert, um sich darüber Gedanken zu machen.
 

»Lange«, brummt Bull. »Warst aber zwischendurch wach, um dich über die Einrichtung zu beklagen.«
 

Er grinst schief.
 

Dorian schnaubt. Auch wenn er sich nicht daran erinnern kann, aufgewacht zu sein, klingt es sehr nach ihm, sich über geschmacklose Möbel zu beklagen, bevor er wieder ohnmächtig wird. Er mustert erneut Lavellan, während Bull aufsteht und ihm einen Becher mit Wasser einschenkt. Dorian fragt sich, wie lange Bull schon auf diesem Stuhl sitzt, aber er will nicht fragen.
 

Er ist noch nicht wach genug für eine sentimentale Antwort. Die Augenringe auf der grauen Haut sprechen jedenfalls Bände.
 

Bull hält Dorian den Becher hin und Dorian leert ihn in wenigen Schlucken.
 

»Wer hat mich ausgezogen?«, will Dorian wissen. Bull hebt eine Braue.
 

»Ah«, sagt Dorian und räuspert sich. Natürlich muss er genau jetzt daran denken, was Bull und Rael ihm angeboten haben.
 

Bull schnaubt amüsiert.
 

»Wirklich, Dorian?«, sagt er. Dorian plustert sich auf, aber ihm ist bewusst, dass er nicht besonders beeindruckend oder einschüchternd aussieht, wie er hier nackt im Bett des Inquisitors sitzt. Sein Haar sieht sicherlich aus wie ein Vogelnest. Er kommt nicht dazu, Bull einen schnippischen Kommentar entgegen zu schleudern, da in diesem Moment die Bettvorhänge auf der linken Seite des Bettes Feuer fangen – im selben Augenblick, wie Lavellan mit einem Schrei aufwacht und sehr plötzlich senkrecht im Bett sitzt.
 

Dorian ist so erschrocken, dass er im ersten Moment nicht reagieren kann, aber Bulls Reflexe sind umso beeindruckender. Er greift die Schale mit Wasser vom Schreibtisch, aus der er gerade Dorians Becher gefüllt hat und schüttet sie über die plötzlich aufgeloderten Flammen.
 

Lavellan keucht und stiert geradeaus. Dorian beobachtet einen Schweißtropfen, der von seinem Kinn auf die Bettdecke tropft.
 

Ein verkokelter Bettpfosten und eine angesengte Bettdecke am Fußende sagen Dorian, dass dies nicht das erste Mal war, dass Bull auf diese Art ein Feuer löschen musste.
 

»Hey Kadan«, sagt Bull und er hat wieder diese Stimme, die Dorian schon ab und an beobachten durfte. Diese merkwürdig sanfte, beruhigende Tonlage. Als er es diesmal hört, ist er nicht neidisch.
 

Rael blinzelt und seine Augen fokussieren sich auf Bull. Dann dreht er den Kopf und sieht Dorian. Das tiefe und konzentrierte Ausatmen sagt Dorian, dass Lavellan sehr beruhigt ist, sie beide hier an seinem Bett vorzufinden. Er atmet mehrere Minuten tief ein und aus und scheint nicht in der Lage, sich auf irgendetwas anderes zu konzentrieren.
 

»Hey Kadan«, sagt Bull noch mal. Lavellans Augen flackern zu Bulls Gesicht.
 

»Kannst du mir alle Leute aus deinem Clan aufzählen?«
 

Rael blinzelt. Dann räuspert er sich.
 

»Valora, Istimaethoriel, Innon, Damaya, Tamala, Luthilia, Raishan, Ge… Gelian–«
 

Bull setzt sich aufs Bett und greift nach Lavellans Hand. In einem spontanen Entschluss ergreift Dorian die andere. Lavellan atmet. Und atmet. Dorian ist so dankbar, dass er immer noch atmet.
 

Während er zuhört, wie Rael Lavellan siebenundfünfzig Namen aufzählt, wird ihm klar, dass der Inquisitor nachhaltig unter Schock steht. Alle paar Minuten scheint er einer Panikattacke nahe und nur das wiederholte Aufzählen von Namen scheint ihm dabei zu helfen, keine Atemnot zu bekommen. Dorian fragt sich, ob Bull schon viele Panikattacken beruhigen musste.
 

Zwischenzeitlich verschwindet Bull, um neues Wasser zu besorgen. Lavellan schaut hinüber zur Balkontür, die geschlossen ist.
 

»Können wir…?«
 

Dorian sieht nicht einmal hin, als er mit der Hand in Richtung Tür wedelt und sie sich mit einem Krachen öffnet. Frische Luft strömt ihnen entgegen und Rael scheint sie zu inhalieren. Dorian möchte ihn überall anfassen, um sich zu vergewissern, dass er wirklich hier ist. Er hält weiterhin Lavellans Hand und hofft, dass Bull bald zurückkommt. Dorian hat noch nie jemandem bei einer Panikattacke geholfen und er hat keine Ahnung, wie Bull es schafft, bei all dem so ruhig zu bleiben.
 

Als Bull zurückkommt, platziert er eine neue Schale mit Wasser auf dem Nachtschrank.
 

»Können wir… wie… wie letztens…«, krächzt Lavellan. Dorian hat keine Ahnung, was er meint, aber Bull setzt sich wortlos aufs Bett und zieht Lavellan zwischen seine Beine. Dorian versucht sehr konzentriert nicht daran zu denken, dass er und Rael nackt sind, als er zwischen Raels Beine rutscht und sich mit dem Rücken gegen ihn lehnt. Die zwei paar Arme, die sich um ihn schließen, drücken ihn sehr fest.
 

Dorian würde gerne einen klugen Scherz machen, um die Stimmung zu lockern, aber seine Kehle hat sich zugezogen. Er räuspert sich ein paar Mal, um seine Stimme wiederzufinden.
 

»Ich bin kein Mensch für dramatische Reden«, sagt Dorian und grummelt, als Bull hinter ihm ungläubig schnaubt. »Aber lass mich dir sagen… dass ich an deiner Seite stehen werde. Gegen Corypheus, gegen meine Landsleute, gegen was auch immer die Welt uns vor die Füße schmeißt.«
 

Lavellan drückt ihn noch ein bisschen fester.
 

»Und wehe«, sagt Dorian so streng wie möglich, »wehe, du machst dich noch mal ohne uns aus dem Staub.«
 

Bull grunzt zustimmend. Lavellans Atem stoppt für einen Moment. Dorian lauscht angestrengt. Das Beben von Lavellans Brustkorb sagt ihm, dass der Inquisitor sehr angestrengt versucht, nicht zu weinen. Dorian ist gleichzeitig entsetzt und peinlich berührt. Er kann erstaunlich schlecht mit Gefühlen umgehen.
 

Er fragt sich, ob es ihn zu einem schlechten Menschen macht, dass er froh darüber ist, dass Lavellan nicht darüber reden möchte, was gerade in seinem Kopf vor sich geht. Ja, Dorian möchte wissen, was passiert ist. Aber gerade ist er erschöpft und ausgelaugt und so müde. Er schließt die Augen.
 

»Ich schulde euch noch eine Antwort«, murmelt er und lehnt seinen Kopf nach hinten.
 

Keiner der beiden fragt, welche Antwort Dorian meint. Er ist sich ziemlich sicher, dass sie genau wissen, wovon er spricht. Als Lavellan verschwunden war – geschluckt von dem riesigen Riss und dem Nichts – hat Dorian es bereut, ihm keine Antwort gegeben oder seine Gefühle gestanden zu haben.
 

Für Gefühle ist noch Zeit, wenn seine Augenlider nicht mehr so tonnenschwer sind. Es gibt keinen Grund mehr, neidisch zu sein.
 

»Die Antwort ist ja«, flüstert er in den stillen Raum hinein.
 

Der Kampf ist nicht vorbei. Die Welt ist immer noch im Chaos. Rael Lavellan wird ausziehen, um die Welt wieder und wieder zu retten und Dorian und Iron Bull werden an seiner Seite stehen, wenn er es tut.
 

Dorian denkt an »Kadan« und »Vhenan« und »Amatus«.
 

Wahrscheinlich bedeuten sie alle mehr oder weniger dasselbe. Dorian muss müde darüber schmunzeln, dass sie es geschafft haben, eine Allianz zu formen, die ihre Kulturen niemals zustande gebracht haben. Vielleicht fängt so die Welt an sich zu ändern.
 

»Aber denk ja nicht dran, mich anzuleinen«, nuschelt Dorian. Bull schnaubt. Von Lavellan kommt etwas, das beinahe ein Glucksen sein könnte.
 

»Würde mir nicht im Traum einfallen, Kadan«, meint Bull. Dorian hört das breite Grinsen in seiner Stimme.
 

»Über deine Wünsche können wir reden, wenn wir wieder wach sind, Vhenan«, meint Lavellan. Dorian spürt etwas sehr Warmes in seiner Brust, das sich dort breitmacht und einnistet und er hofft, dass es nicht so bald gegen ein anderes Gefühl eintauschen muss.
 

»Ich hab eine lange Liste«, sagt Dorian, bevor ihn der Schlaf ein weiteres Mal übermannt.
 

*
 

»Lieber Dorian,
 

das große Haus ist besonders leer, wenn man alleine darin wohnt. Juliana und ihre drei Kinder sind vor vier Tagen nach Antiva aufgebrochen, um dort ihr neues und freies Leben zu beginnen. Ich danke dir für deinen letzten, sehr ausführlichen und ungewohnt besorgten Brief. Hat dein Inquisitor dich weichgeklopft? Es ist gut zu erfahren, was genau es mit dem Ruf der Grauen Wächter auf sich hat.
 

Keine Sorge, ich bleibe standhaft und seit ihr eure Schlacht geschlagen habt, ist der Ruf leiser geworden.
 

Mistress Bethany hat mich nicht zurück nach Tevinter begleitet. Sie hat eilige Nachricht von ihrer Schwester erhalten und reist ihr nun entgegen Richtung Weisshaupt. Ich vertreibe mir die Zeit damit, eine flammende Rede für den Senat vorzubereiten – ich wünschte, du könntest dabei sein und mir mit deinem bissigen Humor das Lampenfieber nehmen. Aber ich bin fest entschlossen.
 

Ich habe jetzt plötzlich wieder so viel Zeit, Dorian. So viel Zeit. Wenn ich meine Rede gehalten habe, werde ich womöglich erst einmal reisen. Wer weiß, vielleicht komme ich euch im Süden besuchen und besichtige eure Inquisition.
 

Es freut mich zu hören, dass die Situation mit deinem Inquisitor und deinem Qunari sich aufgeklärt hat – der nahende Tod beschleunigt Erkenntnisse. Mein Freund, ich wünsche und gönne dir alles Glück der Welt. Und wenn dieses Glück im verregneten Süden in den Armen eines Elfen und eines Qunari liegt, dann hoffe ich, dass es so viel Spannung und so viel Zufriedenheit mit sich bringt, wie es dir richtig erscheint.
 

Außerdem bete ich zum Erbauer, dass er euch dabei helfen mag, Corypheus zu besiegen. Ich bin sicher, ein so ungewöhnliches Triumvirat zwingt selbst den ärgsten Feind in die Knie.
 

In der Hoffnung, dich bald einmal wiederzusehen,
 

dein Felix«



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  karlach
2018-02-05T18:45:40+00:00 05.02.2018 19:45
Liebe Ur,
Ich danke dir erneut von ganzem Herzen für deine Wichtelgeschichte!
Weil ich leider unglaublich schnell abgelenkt bin/mich verheddere und doch gerne ganz viel ansprechen würde, kriegst du statt einem ganzen Text eine Liste! Ich hoffe, das geht so!

— Ich glaube, eine schöne Geschichte und ein Wichtel, das Spass beim Schreiben hatte ist so das ultimative Ideal einer Wichtelgeschichte! Daher macht es mich immer noch sehr glücklich, hat dir das Schreiben Freude bereitet!

— Ich hab gerade in den Chat mit Yukki geguckt, die lieberweise seit halb sieben Uhr morgens zuhört, wie ich mich freue und da steht an einer Stelle, ich zitiere: „VIVIENNE. ICH BIN SO GLÜCKLICH.“

— Noch ein Zitat: „FELIX REDET VON BETHANY HAWKE UND DAVON, DASS BETHY IHN VIELLEICHT HEILEN KANN UND MEIN HERZ SINGT «JA, BITTE.»“

— „Solas wurde gerade als „blasser Ziegenkäse“ beschrieben und ich weinlache.“

— Das Wichtelthema hab ich auch vergessen, wenn es dich etwas beruhigt? *sprenkelt sich etwas Asche auf den Kopf* Polarlichter in Thedas jagen wäre ohnehin ein Unterfangen der grösseren Sorte gewesen, oder? (Wobei. Das wäre auch mal ein Abenteuer.)

— Die Playlist ist toll! Ich lausche mich immer noch langsam durch! Weil ich morgens um sechs im Bett gelesen hab, lief da keine Musik aber ich hab festgestellt, ich hab wahrscheinlich etwa… 40 Prozent davon auch in meiner eigenen Sammlung? Ich gratuliere also zum guten Musikgeschmack ;)

— Ich vertrete immer noch die Ansicht, dass du sowohl Dorian als auch Iron Bull wahnsinnig gut schreibst! Was ich nicht wusste, weil ich ihn bisher noch nicht aus deiner Feder gelesen hatte, das ist, dass du auch einen sehr überzeugenden Cole und eine herrliche Vivienne schreibst!
Die Charaktere lesen sich allgemein alle sehr lebendig und in character, beziehungsweise passen die Lavellans wunderbar in das, was Inquisition bereits liefert hinein!

— Wo wir von den Lavellans sprechen, ich fand es super, hat Rael sich nicht einfach an den beknackten War Table binden lassen. Ich gehöre leider zu der Sorte Spieler, die Clan Lavellan versehentlich in den Tod hat laufen lassen und hätte es so begrüsst, persönlich vorbeizuschauen und die Banditen in den Hintern zu treten, selbst wenn meine Lavellan Tamlin keine enge Bindung zu ihnen hatte.

— !!! Raels Mutter!!! Ich hatte ja viele Highlights während dem Lesen und sie war definitiv eines davon.

— Die Briefe von Felix haben mich unglaublich glücklich gemacht! Ich habe ihn furchtbar lieb und finde es schade (wenn auch nicht überraschend), dass er nach In Hushed Whispers kaum mehr eine Rolle spielt. Dass er also moralische Stütze für Dorian spielt, auch wenn „nur“ über Briefe, war eine wunderbare Art ihn etwas mehr ins Geschehen einzubauen!
Auch toll fand ich es, dass er auf Bethany Hawke trifft! Das ist eine Wendung, die ich nie in Betracht gezogen hatte aber so viele neue Möglichkeiten bietet…

— … aber bitte sag mir, dass er seine Rede im Senat überlebt ;________;

— „Und bitte schreib mir nicht im nächsten Brief wieder zwei lange Absätze voller Empörung über das Wort ‚Liebe‘, Dorian, wir sind doch beide erwachsen
Danke, Felix. Ich liebe dich.

— Rael ist ein unglaublich sympathischer Inquisitor und ich hab ihn sehr schnell sehr lieb gewonnen! Am liebsten würde ich ihn ganz fest drücken (wobei das wahrscheinlich sowieso Bull und Dorian sehr gerne für mich übernehmen). Dunkelhäutige Lavellans mit Sommersprossen und Locken haken so etwa alle Kästchen für Lavellan-Ästhetik ab, die ich haben könnte…

— Dass Dorian seinen Eigennamen erst noch lernen muss fand ich eine sehr schöne Idee! Es passt zu den Dalish und wie du die ganze Angelegenheit aus seinen Augen beschreibst ist sehr liebenswert!

— Winziges Detail aber ich liebe es, hat Rael Dirthamen-Vallaslin! Es passt zum einen super, zum anderen bin ich parteiisch und mag gerade die besonders gerne!

— Ich hoffe, die drei Herren verbringen nach dem traumatischen Trip in die grüne Hölle viel Zeit warm verpackt und sicher und verliebt miteinander. Von ganzem Herzen.

— Die Dynamik zwischen Dorian, Iron Bull und Rael liest sich unglaublich niedlich, selbst wenn viele ihrer Umstände es schlichtweg nicht sind. Ich für meinen Teil mochte es ihnen sehr gönnen, weiss Gott haben sie sich das mehr als nur verdient.

— Es war auch so schön, wie du die Themen Poly-Beziehungen und Asexualität auf eine so simple aber klare Art eingebaut hast! Dorians Reaktion ist glaube ich für viele Leute nachvollziehbar aber dass er kein besonders grosses Aufsehen daraus macht ist

— Uuuund wo wir beim Thema sind, deine Geschichte hat mich sehr neugierig auf deine Hawke gemacht! Der Gedanke, dass sie mit Merrill und Isabela über die Waking Sea fährt und glücklich ist tut meinem Herzen gut und ich war erleichtert, hat sie die grüne Hölle überlebt.

— RIP, Stroud. Ich hoffe, es gibt irgendwo einen Grey Warden-Himmel, in dem du jetzt mit kleinen Greifen spielen kannst oder so.

— Dein Schreibstil ist wunderbar flüssig und liest sich leicht! Mein kaputtes Hirn dankt sehr dafür, ich habe ehrlich einfach zwei Stunden (fast) am Stück gelesen und danach war mein Handy glaube ich erschöpfter als ich!

— 62 Seiten, Ur. Was zum. Ich hab 62 Seiten einfach so gelesen. Wenn Unistoff nur gleich leicht lesbar wäre.

— Genau, bevor ich es vergesse, ich war ganz aufgeregt, hab ich einige der deutschen Begriffe gelernt! Ich wusste beispielsweise nicht, dass „the Fade“ als „das Nichts“ übersetzt wurde! Da waren so viele Aha-Momente dabei :,D

— Ich versuche mich gerade zu erinnern, ob ich irgendwelche Punkte gerade vergesse (bestimmt…) aber ich hab so viele Dinge in der Geschichte erkannt, von denen ich mir relativ sicher bin, dass ich gesagt habe, dass ich sie mag. Dass du so viel davon abgedeckt hast ist etwas, das ich überhaupt nicht erwartet hätte und umso schöner und glücklicher macht es mich, hast du es doch getan. Stell dir das „say no evil“-Emoji aber glücklich bewichtelt vor?

— Ich werde die Augen offen halten, für den Fall, dass du beschliesst, für dich selbst noch mehr von den Abenteuern der drei Herren zu berichten! 👀

Ich höre auf, die Liste ist schon kriminell lang aber ich danke dir erneut für dieses wunderbare Geschenk.
Was für ein Start in die Woche! <3
Antwort von:  Ur
05.02.2018 19:59
Aber natürlich überlebt der Felix das :D Ich hab ihn doch nicht extra für dich gerettet, um ihn dann doch umzubringen ;) Ich hätte echt gerne noch mehr Bull&Krem/Dorian&Vivienne-Freundschaft eingebracht und hier und da ein paar Sprenkel von Scout Harding. Aber es war einfach kein Platz mehr :O Ich hab auch noch zwei Streitsituationen gestrichen, für die kein Platz mehr war (weil Dorians Ansichten zu Sklaverie und Bulls Ansichten zu den Tranquil nicht meinen/Raels moralischen Vorstellungen entsprechen :'D). Ich freu mich soso sehr, dass du die 62 Seiten so am Stück gelesen hast und es so lockerflockig vonstatten ging :)

Meine Allison Hawke segelt in der Tat mit ihren beiden Babes über das Meer und macht Sklavenhändlern das Leben schwer ;)

Das mit dem toten Clan ist mir auch passiert, ich war so entsetzt, ich hab noch mal neugeladen >__< Und es hat mich so gestört, dass man nicht losziehen und alle retten konnte D: Deswegen musste das sein - es war auch ein wenig fanservice für mich selbst :'D

Wenn ich noch zu einem (oder auch zwei, drei ...) OS komme, dann werd ich dich informieren ^-^


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