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Herzblind

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Langsam~ geht's ans Eingemachte.
Diesmal bin ich sehr gespannt wie es ankommt *Nägel knabber* Komplett anzeigen

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Es dürfte eigentlich keine Überraschung mehr sein. Eigentlich hätte es mir klar sein müssen. Und eigentlich bin ich ja irgendwie auch selbst Schuld.

Trotzdem stehe ich wie erschlagen da und starre zu ihr rüber. Wie sie sich an die Wand drücken lässt, wie sie sich küssen lässt.

Das ist wirklich unmissverständlich. Das ist wirklich eindeutig und es ist Betrug.

Ich werde sauer.

»Gabriel?«, höre ich Lucas irritiert fragen, doch ich drücke ihm nur meine Cola in die Hand und stapfe auf die beiden Frauen zu. Ich kenne ihre Partnerin nicht, aber das ist mir im Grunde auch völlig egal. Ruppig ziehe ich die beiden auseinander und während ihre Partnerin sich empört beschwert, kriegt Sophie tellergroße Augen. Ich greife nach ihrem Arm und zerre sie unnachgiebig mit, bis nach draußen vor die Tür. Mir ist egal ob sie einen Stempel hat, der ihr den Wiedereinlass gewährt oder nicht. Mir ist auch egal, dass ich keinen habe. Ich starre sie an und versuche einen klaren Gedanken zu fassen.

»Erklär mir das!«, fauche ich irgendwann und deute mit einer ausladenden Bewegung in Richtung Club.

»Gabriel, das...ich...«, stammelt sie und das hilft mir nicht mich zu beruhigen. Ich hab schon einige Freundinnen gehabt und schon einige Trennungen und Beziehungsprobleme hinter mir, aber nicht eine einzige hat mich jemals betrogen. Das ist neu für mich und es gefällt mir ganz und gar nicht.

»Erklär. mir. das.«, knurre ich zwischen zusammen gebissenen Zähnen, während die Tür aufgeht und jetzt nicht nur die Namenlose Mit-Fremdgängerin sondern auch Nuri, Nina und Lucas raus kommen.

»Hey, lass sie in Ruhe«, knurrt mich Sophies Freundin an und ich schnaube abfällig.

»Du hältst dich da schön raus, das geht dich grade nichts an«, sage ich abweisend, was ihr aber nicht gefällt.

»Wenn du ein Problem mit meiner Freundin hast, dann geht es mich sehr wohl etwas an, klar?«, knurrt sie und wenn ich nicht so sauer wäre, wäre ich vermutlich beeindruckt, denn sie ist so groß wie ich und wirkt wesentlich trainierter, bedrohlicher. Doch grade sorgt es nur dafür, dass ich kaum noch Luft kriege vor Wut.

»Deine...deine Freundin? Wie schön, dass ich das jetzt auch endlich mal erfahre!? Wann wolltest du mir das denn sagen, huh? Hast du vielleicht auch nur eine Sekunde drüber nach gedacht vielleicht vorher mit mir drüber zu reden, bevor du dir eine Freundin anlachst?«, fahre ich sie an und ich sehe, dass Sophie Tränen in die Augen steigen, aber zum ersten Mal in meinem Leben ist es mir egal Tränen zu sehen.

»Okay, pass auf, du kannst dir deine homophoben Sprüche schön klemmen und abziehen, wenn–«

Mir reißt der Geduldsfaden.

»Jetzt halt verfluchte Scheiße noch mal deine Klappe, okay? Mir ist doch scheiß egal mit wem sie schläft! Und wenn sie sich an einem Baum reiben will, aber ich habe ein extremes Problem damit, dass sie mich Wochenlang hinhält, nichts sagt und so für dumm verkauft, weil sie nicht den Arsch in der Hose hat mit mir Schluss zu machen«, brülle ich nun und möchte am liebsten kotzen, weil ich so wütend bin.

Anscheinend hat nun auch Sophies Bodyguard gemerkt, dass sie sich besser raus halten sollte, denn sie sagt gar nichts mehr und sieht nun selbst verwirrt zu Sophie runter, die mittlerweile leise in ihre Hände schluchzt.

»I–Ich dachte, dass du schwul bist, okay?«, schnieft sie dann und ich falle fast vom Glauben ab. Was?

»Du hast wochenlang nichts gemacht außer mich mal zu küssen und den Sex musste ich initiieren. Jedes Mal! U-Und ich kann an einer Hand abzählen wie oft und du hast immer so gewirkt, als ob du froh warst, wenn es vorbei war und überhaupt dachte ich einfach, dass du wegen deiner Familie auch eine Alibifreundin brauchst. Und...Und ich dachte...We–wenn meine Eltern raus finden würden, dass ich eigentlich... die würden mich umbringen!«, schluchzt sie.

Ich selbst stehe einfach nur da und frage mich wirklich, ob sie mich grade verarschen will. Klar, ich bin religiös erzogen worden und aufgewachsen und die Kirche meiner Eltern ist eher konservativ aufgestellt was Familienbild und Ehe angeht, aber aufgrund des Gebotes, Liebe deinen Nächsten würde es weder meinen Eltern noch meinen Schwestern einfallen sich abfällig über irgendwen zu äußern, ihn belehren zu wollen oder gar zu verteufeln. Mir wurde von klein auf beigebracht jeden so zu nehmen wie er ist. Und auch wenn ich mit der Kirche nichts mehr am Hut habe wurde ich weder verstoßen noch werde ich gemieden und mir würde es im Traum nicht einfallen schlecht über meine Eltern oder deren Glauben zu reden. Das Sophie es jetzt aber unterstellt macht die ganze Situation nicht besser, denn ihre Familie ist erzkatholisch, meine nicht. Das ist ein Unterschied. Ein riesiger.

»...u–und dann dachte ich, dass das perfekt ist. Du bist wirklich nett und sympathisch und, ich dachte, das du mein Freund sein kannst, damit meine Eltern mich in Ruhe lassen, während...«

»Während du dich durch die halbe Uni vögelst?«, frage ich heiser und weiß wirklich nicht mehr was ich denken soll. Meine Wut ist irgendwie noch da und gleichzeitig doch verraucht und ich fühle mich vollkommen taub.

Bevor ich irgendeine Entscheidung fällen kann, bleibt Nuri neben mir stehen, holt aus und knallt Sophie eine so heftige Ohrfeige mitten ins Gesicht, dass sogar ich zurück zucke.

»Du bist so eine feige, hinterlistige Schlange. Zum einen, selbst wenn du den Verdacht hattest, hättest du mit Gabriel reden können und nicht seine Gutmütigkeit ausnutzen sollen. Zum anderen, informier' dich mal genauer über christliche Werte und Religionen und die Unterschiede und schmeiß' nicht alles in einen Topf und wehe du meldest dich noch ein einziges Mal bei ihm, dann nehme ich dich so auseinander, dass du wünscht uns niemals begegnet zu sein und ich rate dir dringend bei deinem Studium auf zu passen und noch mal zu lernen wie Beziehungen richtig funktionieren, denn sonst hoffe ich für deine Patienten, dass du niemals eine Zulassung zur Psychotherapeutin bekommst. Auf nimmer wieder sehen«, erklärt sie klar und deutlich, bevor sie mich weg schiebt. Ich stolpere einfach mit und übergebe mich an der nächsten Straßenecke.
 

~
 

Immer noch völlig betäubt starre ich an die Decke und kriege nichts richtig mit. Die Begründung die mir Sophie serviert hat ist so lächerlich, dass ich sie nicht glauben kann und trotzdem klebt sie auf jedem Gedanken der durch die Watte in meinem Kopf geistert.

Es ist mitten in der Nacht, das weiß ich, aber die Wohnung und auch mein Zimmer sind hell erleuchtet. Ich weiß, dass Nina danach zurück in den Club ist um den anderen Bescheid zu sagen und das Nuri mir die ganze Zeit über den Rücken gerieben hat, während ich mir gefühlt die Seele aus dem Leib gekotzt habe. Ich kann mich dran erinnern, dass Lucas seinen Wagen geholt hat und wir zusammen zurück gefahren sind. Und ich bin der Meinung, dass die Freunde der beiden in dem anderen Auto nachgekommen sind und nach einem kurzen rein schauen nach drüben gegangen sind. Aber während all das passierte und vermutlich noch mehr, habe ich nur in meinem Bett gelegen und an die Decke gestarrt.

Zwischendurch kam Marie rein und hat mir Mowgli auf die Brust gesetzt. Da hat er sich zusammengerollt und liegt immer noch da. Und obwohl ich das Bedürfnis habe ihn zu streicheln kann ich mich nicht überwinden auch nur einen Finger zu rühren.

»Gabriel?«

Die sanfte Stimme veranlasst mich dazu zur Seite zu schielen und ich sehe, wie Nuri sich neben mir auf die Bettkante setzt.

»Kann ich dir irgendwas Gutes tun?«

Wie automatisch schüttele ich den Kopf und starre wieder an die Decke. Ihre Hand legt sich auf meinen Kopf und ich spüre wie sie mir übers Haar streichelt. Das Atmen wird plötzlich unfassbar schwer und ich hab einen riesen Knoten im Hals.

»...sie hat einen Schaden, okay? Vergiss, was sie da von sich gegeben hat. Das war nur um vor sich selbst ihr arschiges Verhalten zu rechtfertigen. Man kann auch als Lesbe ein Arsch sein«, flüstert sie mir sacht zu und ich blinzele heftiger als nötig. Meine Augen fangen an zu brennen.

Mir schießt noch durch den Kopf, dass ich nicht wegen so etwas heulen will, weil ich es ja quasi wusste und selbst Schuld bin weil ich ihr durch meine seltene Präsenz überhaupt nur die Möglichkeit gegeben habe, als Nuri leise seufzt und sich neben mich legend mich an sich drückt.

»Du bist einfach zu gutmütig, du treudoofe Socke«, flüstert sie so liebevoll, dass es weh tut. Ich klammere mich zitternd an sie und achte nicht einmal mehr drauf wo Mowgli hin rutscht.

Während ich anfange zu heulen wie ein kleines Kind, geht mir durch den Kopf, dass ich nicht verstehe wieso nicht mit mir darüber gesprochen hat und wieso man jemanden, den man gern hat so hintergehen und anlügen kann für sowas wie Sex.
 

~
 

Die nächsten Tage ziehen irgendwie in einem Schleier an mir vorbei und bevor ich mich versehe sind sogar über zwei Wochen vergangen. Mittlerweile habe ich verdaut was da passiert ist. Zumindest halbwegs. Mir ist inzwischen auch klar, dass ich deshalb so am Boden war und vielleicht auch noch bin, weil der Vertrauensbruch für mich so heftig war, obwohl ich es im Grunde vorher wusste und einfach nur gehofft habe, dass es nicht so ist. Sophie selbst hat sich zum Glück nicht mehr gemeldet und mittlerweile habe ich alle Daten die ich von ihr hatte, inklusive Nummer, gelöscht. Mir ist auch völlig gleich ob und inwiefern ich durch dieses Intermezzo vor dem Club ihre Beziehung mit der anderen Frau gestört habe. Nuri findet das gut.

Sie weiß aber nicht, dass mich eine Sache selbst jetzt noch beschäftigt. Sophies Annahme, ich sei schwul. Ich weiß nicht mal wieso, aber es lässt mich nicht los. Mir ist klar, dass sie insofern Recht hatte, das ich keinen Bedarf an sexuellem Kontakt hatte und nur auf ihren Wunsch hin mal nachgegeben habe, aber sie hat auch nie etwas deshalb gesagt. Und nur weil ich ein Kerl bin, sehe ich nicht die Notwendigkeit immer und überall an Sex zu denken. Aber davon dann abzuleiten, dass ich schwul bin?

Der Gedanke ist mir und auch meinen Exfreundinnen nicht gekommen.

Tief durchatmend reibe ich mir über das Gesicht und versuche zu verstehen, was ich jetzt eigentlich machen soll, aber obwohl ich den Auftrag bestimmt zum dritten Mal durchlese und Mark mittlerweile wirklich sehr irritiert neben mir steht und wartet, bleibt nicht ein Wort hängen.

»Sag mal...ist wirklich alles okay? Bist du wieder krank?«, fragt er nun, aber ich schüttele nichtssagend den Kopf und gebe ihm den Auftrag in die Hand. Er ist der Lehrling und soll lernen, dann kann er das jetzt auch tun.

»Mach du einfach ich brauch fünf Minuten Pause«, murmle ich leise und er nickt nach kurzem Zögern. Tief durchatmend lehne ich mich gegen meinen Werkzeugschrank und beobachte Mark dabei, wie er nun das Blatt studiert und dann die Motorhaube des Golfs öffnet. Er ist mittlerweile im 3. Jahr und kurz vor seiner Prüfung, da kann er einige Aufträge auch allein machen.

Mein Handy klingelt und wie ferngesteuert greife ich danach, auch wenn wir eigentlich nicht privat telefonieren dürfen.

»Ja?«

»Mowgli ist weg!«

Vor Schreck fällt mir fast das Handy aus der Hand.

»Wie weg?«

»Keine Ahnung, er ist nirgendwo! Ich glaube er ist vorhin durch die Tür geschlüpft, als Nuri und ich ihren neuen Schrank rein getragen haben«, erklärt mir Marie aufgeregt und mir wird schlecht.

»Marie, verarsch mich nicht. Wo ist mein Kater!?«, krächze ich aufgebracht und schiele zur Uhr. Es ist grade zwei und ich muss eigentlich noch zwei Stunden arbeiten.

»Ich verarsch dich nicht, wirklich. Ich hab ihm grade Futter hingestellt und eigentlich kommt er ja immer an, aber diesmal nicht und dann haben wir die Wohnung abgesucht aber nirgendwo gefunden und–«

»Verfluchte Scheiße!«, fauche ich und sehe meinen Kater schon unter irgendeinem Auto. Mir rutscht das Herz in die Hose.

»Gabriel? Geh, los. Ich deck dich«, kommt es plötzlich von der Seite und mein Blick trifft Mark, der mich schief anlächelt. Kurz denke ich drüber nach, ob ich das wirklich machen kann, aber dann ist mir egal ob ich Anschiss von Herrn Fechter kassiere.

»Danke«, nuschel ich heiser und laufe in Richtung Umkleide. Er ruft mir noch nach, dass er schreibt, was er meinem Chef auftischen wird und dann fällt die Tür zu.
 

~
 

»Da haben wir schon–«

»Dann guckt noch mal!«, fauche ich Nuri entgegen und mir ist egal, dass es vielleicht zu heftig ist. Ich kann kaum klar denken und mit jeder Minute, die Mowgli nicht wieder auftaucht, wird es schlimmer. Mittlerweile haben wir alles abgesucht, sogar die Kellerräume, obwohl Nuri Angst vor Spinnen hat und Marie in dunklen Räumen. Nirgendwo ist ein Kater zusehen und das Mowgli schwarz ist, hilft auch nicht. Mein Herz rast und meine Finger sind schwitzig, während ich noch einmal den Keller rechts von mir ausleuchte. Ein Fahrradreflektor blendet zurück, aber eine Katze sehe ich nicht.

Angespannt beiße ich die Zähne zusammen und versuche nicht dran zu denken, dass einer der anderen Hausbewohner vielleicht die Haustür geöffnet haben könnte und Mowgli so ganz nach draußen entwischt ist, aber gleichzeitig lässt mich diese Befürchtung nicht los.

»Vielleicht–«

»Wag es ja nicht das auszusprechen!«, falle ich Marie knurrend ins Wort und stoße die Tür zum Treppenhaus auf. Mittlerweile dämmert es und ich würge leicht bei dem Gedanken, dass Mowgli da draußen ist. Ich hatte zwar zwischendurch überlegt ihn raus zu lassen, aber weil er noch nicht ganz mir gehört lieber in der Wohnung Klettermöglichkeiten an die Wand geschraubt und den Balkon mit einem Katzennetz versehen.

»Vielleicht sollten wir Mathis und Momo anrufen, damit sie uns helfen«, sagt Marie nun doch kleinlaut und ich merke, dass ich sie zu Unrecht angefahren habe, aber ich fühle mich im Moment so hilflos, dass ich nicht weiß was ich tun soll.

Tolle Wurst. 27 Jahre alt und überfordert mit dem Leben. Gabriel was hast du dir nur angetan?

Ein leises Maunzen lässt mich aufhorchen und ich sehe ins Treppenhaus. War das...

Bevor ich Nuri und Mari fragen kann, ob das eine Einbildung war, höre ich es wieder und ich wetze die Treppen hoch. Es wird lauter, aber auch als ich an unserer Etage vorbei bin ist es noch dumpf. Mit wummerndem Herzen bleibe ich im dritten Stock stehen und zische die Mädchen an leise zu sein, damit ich hören kann woher das maunzen kommt.

Es ist still.

»...Mowgli!?«, rufe ich lockend. Meine Stimme bricht fast weg. Ich hab so Angst, dass ihm etwas passiert ist. Er maunzt wieder und so kläglich, dass sich alles in mir zusammen zieht. Mein armer Kater!

Die Treppen weiter hoch sprintend merke ich, dass ich immer näher komme. Dann fällt mir ein, dass wir ja noch einen Dachboden haben, den aber keiner außer die obersten Etagen nutzt. Eigentlich ist er zum Wäsche aufhängen gedacht, doch keiner der unteren Parteien hat Lust dafür immer hoch zu rennen.

Oben angekommen drücke ich die Klinke runter, aber die Tür bleibt zu. Abgeschlossen? Was zum...

Hastig friemle ich meinen Schlüssel aus der Hosentasche und ramme ihn dann in das Schloss. Es klickt zwei Mal, die Tür springt auf und ich habe das Bedürfnis vor Erleichterung zu heulen als ein leicht struppiger und staubiger Mowgli hinter der Tür zum Vorschein kommt. Ich nehme ihn sofort auf den Arm und drücke ihn an mich. Himmel Arsch und Zwirn, ich bin echt fertig mit der Welt.
 

~
 

»Ich sag es dir ja nicht gern, aber du hast ihm jetzt mehr Stress ausgesetzt durch das Herbringen, als durch die paar Minuten eingesperrt sein und es ist auch nichts gebrochen oder gestaucht oder so, er reagiert ganz normal«, erklärt Elyas ruhig und sieht mich dann an. Ich lasse mich ächzend auf einen der Stühle vor dem Schreibtisch sinken, weil meine Knie butterweich sind und nachgeben. Meine Finger zittern immer noch, während ich mir durch die Haare gehe und ich höre, wie Elyas meinen Kater wieder in die Transportbox steckt und Leckerli dazu legt. Dann schließt er das Gatter und kommt zu mir.

»Ihm geht es wirklich gut, vermutlich besser als dir, wenn ich das so sagen darf. Ist das ein Kratzer von ihm?«, meint er dann und deutet auf meine Wange. Ich nicke müde.

»Bin direkt von der Arbeit zurück und hatte wirklich anderes im Kopf als zu duschen. Deshalb hat er mir eine gewischt, als ich ihn hoch genommen habe«, erkläre ich schwach und muss sogar schief grinsen. Elyas lacht leise.

»Das sollte dir fürs nächste Mal reichen, als Indiz, dass es ihm gut geht, wenn er so wie immer reagiert. Denk dran es bei Bedarf zu desinfizieren. Obwohl es nicht so tief aussieht«, erklärt er schmunzelnd und wäscht sich die Hände. Ich nicke nur.

Nachdem ich Mowgli endlich gefunden hatte, war ich auch von Marie nicht mehr von der Idee abzubringen ihn zum Tierarzt zur Kontrolle zu bringen. Ich war so unter Storm, dass ich für kein logisches Argument mehr empfänglich war und hab Mowgli direkt in seine Box gesetzt und dann her gebracht. Mir kam dabei nicht mal in den Sinn, dass Marie sich ihn selbst hätte ansehen können und im Grunde hatte ich auch nur Glück, dass Elyas noch Papierkram zu erledigen hatte und deshalb noch da war. Ansonsten hätte ich vor verschlossenen Türen gestanden und zur nächsten Praxis gemusst, die Notdienst macht.

»Ich hoffe, dass es kein nächstes Mal geben wird«, murmele ich und fühle mich grade so erschlagen, dass ich kaum an den Rückweg denken will.

»...das ist doch nicht nur wegen Mowgli, oder?«, fragt Elyas dann und ich zucke nichtssagend mit den Schultern. Natürlich liegt mein Gemütszustand nicht nur an Mowglis kurzzeitigem Verschwinden, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich Elyas schon wieder erzählen will was für dämliche Probleme ich mit meinem Liebesleben bzw. dem nicht mehr vorhandenen habe. Er seufzt leise und geht dann kurz an seinen Computer, bevor er seinen Kittel auszieht und über den Schreibtischstuhl hängt.

»Komm, ich fahr dich nach Hause«, sagt er ruhig, aber ich schüttele mit dem Kopf und deute auf meinen Autoschlüssel, den ich vorhin auf den Behandlungstisch hab fallen lassen, während ich Elyas versucht habe zu erklären, was passiert ist ohne völlig die Nerven zu verlieren.

»Bin selbst mit dem Wagen da«, murmele ich. Er greift die Schlüssel und legt sie in die Schreibtischschublade.

»Mit dem du heute nicht mehr fahren wirst. Du bist immer noch so weiß wie die Wand neben dir und deine Hände zittern, so fährst du kein Auto«, sagt er streng. Ich blinzele ihn völlig verdattert an. Mir fällt keine Entgegnung darauf ein.

»Jetzt komm, ich will abschließen, okay? Sonst kommt noch irgendjemand auf die Idee, dass wir heute Notdienst machen«, schiebt er hinterher und aufgrund des Seitenhiebs drehe ich verlegen brummelnd den Kopf zur Seite. Mich aufraffend versuche ich das zittern meiner Knie zu ignorieren und hebe Mowglis Transportbox umsichtig hoch. Elyas löscht das Licht und schiebt mich aus dem Behandlungsraum. Mir schießt kurz durch den Kopf, dass er mich gern durch die Gegend schiebt und ich wundere mich, warum ich das überhaupt zu lasse, werde aber dann von der Dame am Empfang abgelenkt, die nicht aussieht, als ob sie Feierabend machen will. Ich bin zwar verwirrt, nicke ihr aber freundlich zu als sie mir einen schönen Abend wünscht. Elyas tritt noch mal kurz zu ihr, erklärt ihr leise etwas, weshalb sie wieder nickt und kurz zu Mowgli und mir rüber sieht. Dann kommt er auf mich zu und dreht mich an den Schultern in Richtung Tür.

Ich sehe dabei zu, wie er abschließt und folge ihm dann in Richtung Parkplatz, auf dem mein Wagen und seiner steht. Es fühlt sich komisch an mein Auto jetzt hier stehen zu lassen, aber weil ich immer noch zittrige Knie habe, muss ich ihm irgendwo Recht geben, dass es vermutlich sicherer ist, wenn er mich fährt. 9 Jahre Fahrpraxis hin oder her.

»Wieso bleibt die Frau da?«, frage ich dann doch, während ich mich umständlich anschnalle, weil ich es nicht über mich bringe Mowgli auf die Rückbank zu stellen. Elyas schmunzelt kurz, bevor er mir hilft und dann den Wagen startet.

»Wir haben im Moment zwei Hasen und drei Hunde zur Überwachung da und es wäre schlecht, wenn die jetzt abnippeln nur weil keiner da ist«, erklärt er und fährt vom Parkplatz. Ich nicke nur und möchte mir am liebsten die Stirn am Beifahrerfenster einschlagen. Ganz super, Gabriel, als ob dir das nicht hätte klar sein müssen. Ist ja schließlich eine Tierklinik!

Ich brumme nur und beobachte Mowgli, der sich eingekugelt hat und schläft. Na toll, ich hatte wirklich wesentlich mehr Panik als er.

Es ist eine Weile still im Auto und irgendwie beruhigt es mich.

»...ihr hattet Recht«, murmle ich irgendwann dann und sehe zu ihm rüber. In diesem gelben Straßenlicht wirkt er ganz anders, als sonst. Viel ernster.

»Womit?«

»Sophie«, sage ich leise und brauche einen Moment, bevor ich ihm erzähle was passiert ist. Und irgendwie ist es diesmal einfach das zu erzählen. Es ist zwar noch aufwühlend und tut irgendwie auch weh, aber ich fühle mich nicht mehr ganz so überwältigt davon.

Weil meine Erzählung länger dauert als der restliche Fahrtweg zu mir nach Hause, parkt Elyas einfach und hört mir weiter zu. Als ich geendet habe, atme ich wieder zittrig durch und schließe für einen Moment die Augen. Es ist wieder ruhig und man hört nur Mowgli leise atmen.

»Und du machst dir jetzt Vorwürfe, weil du ihr so viel Freiraum und damit die Möglichkeit gegeben hast sowas zu tun?«, fragt er dann leise und ich brumme.

»Ja...nein, eigentlich...ich weiß es nicht«, sage ich dann ehrlich, »Ich will gar nicht sagen, dass ich mich nicht falsch verhalten habe, wirklich und vielleicht war das auch mein Fehler, aber am meisten beschäftigt mich wirklich diese...Begründung«, gebe ich zu und schiele etwas nervös zu ihm rüber. Elyas lächelt schief. Ich bin irritiert.

»Glaubst du wirklich, dass sie Recht hatte?«

»Nein!...doch...keine-keine Ahnung. Ich verstehe es einfach nicht. Weil...ich bin doch nicht automatisch schwul nur weil ich kaum Sex wollte und ihr so viel Freiraum gelassen habe, oder? Vielleicht kann man das als Desinteresse interpretieren und vielleicht hätten für eine Monatelange Beziehung auch mehr Gefühle im Spiel sein müssen, aber...das macht mich doch nicht gleich schwul. Das hätte ich doch merken müssen. Ich bin 27. Sowas merkt man doch viel früher, oder nicht? Ich bin viel zu alt um jetzt noch zu überlegen ob ich Fisch oder Fleisch lieber mag«, rattere ich runter und werde irgendwie nervös. Elyas Blick macht mich nervös. Er sieht mich die ganze Zeit direkt an und hört mir zu und lächelt leicht. Wieso lächelt er, wenn ich so durcheinander bin? Und wieso fühle ich mich trotzdem nicht ausgelacht?

Und wieso fällt mir jetzt auf, dass seine Augen braun sind, obwohl das Licht so schlecht ist.

Elyas lacht leise, und lehnt sich vor. Ich spüre, dass meine Hände leicht schwitzig werden.

»Zuerst einmal, man ist nie zu alt für irgendwelche Krisen und gerade Identitätskrisen können jederzeit zuschlagen«, erklärt er leise. Irgendwas passiert hier, aber ich kapiere nicht was und ich kann mich nicht entscheiden ob ich es wirklich wissen will.

»Und ihr Rückschluss ist wirklich total dämlich. Nur weil du keinen Sex wolltest bist du nicht automatisch schwul. Es kann diese Bedeutung haben, aber auch bedeuten, dass du vielleicht einfach nur eine asexuelle Tendenz hast, denn du hast ja zumindest ein paar Mal mit ihr geschlafen und außerdem gibt es auch die Möglichkeit, dass du bi sein könntest. Nur um ein paar Möglichkeiten zu nennen. Es gibt noch ein einige andere, aber das würde für den Moment jetzt zu viel werden«, erklärt er und mich lässt das Gefühl nicht los, dass er noch näher kommt, »Aber bevor du dir jetzt ewig Gedanken darüber machst und wer oder was du bist oder sein möchtest, rate ich dir es einfach aus zu probieren«, murmelt er und ich könnte schwören, dass seine Stimme dunkler wird. Mir läuft ein Schauer über den Rücken.

»Au–Ausprobieren?«, sage ich und meine Stimme ist grade peinlich dünn und krächzig. Elyas schmunzelt wieder so verschmitzt wie er es gerne tut und mich beschleicht der Gedanke, dass er mir etwas verheimlicht.

»Ja, ausprobieren«, flüstert er und plötzlich liegen seine Lippen auf meinen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Yamasha
2017-11-01T18:02:15+00:00 01.11.2017 19:02
OMG!!! *kreisch* er küsst Gabriel! Wie süß! Und aufregend! Die Spannung die du aufgebaut hast in den letzten paar Sätzen war unglaublich!
Aber mir tut Gabriel unheimlich Leid! Sophie so erwischen zu müssen. So durcheinander, am Boden zerstört! Und dann diese Begründung?! Sag mal geht's noch? Ich kann das Argument mit den religiösen Eltern durchaus verstehen, ohne Frage. Aber sie hätte mit Gabriel reden sollen! Und müssen! So was sollte mensch nicht als selbstverständlich ansehen und argh! Ich mag sie jetzt noch viel weniger, habe aber auch gleichzeitig Mitleid mit ihr.
Und dann die Sache mit Mogwli... So viel Stress, der arme Gabriel. Auch wenn es gut ausgegangen ist und das Ense des Kapitels echt keine Wünsche übrig lässt. Außer Gabriels Reaktion... :D freu mich schon aufs nächste Kapitel :D
Antwort von:  Schwarzfeder
02.11.2017 10:56
Danke *///* das ist ein tolles Kompliment :'3
Tja~ deshalb kann ich Sophie auch nicht hassen oder so, denn im Grunde tut sie mir nur leid und einen Teil davon hat sie sich selbst zu zuschreiben. Denn wenn sie ehrlich mit Gabriel gewesen wäre, von Anfang an, dann...wäre er nicht so ausgerastet und hätte ihr vermutlich sogar versucht zu helfen.
und Gabriels Reaktion...die gibt's Sonntag :"3
Danke für den lieben Kommentar!!
Von:  Riccaa
2017-11-01T16:05:57+00:00 01.11.2017 17:05
OH MEIN GOTT!!!!!!!!! Das hat er nicht getan, oder???? Oh Jesus Christ. Er hat den ersten Schritt getan <3<3<3
Wow. Und Gabriel checkt es nicht :D Nun gut, er hat aber auch wesentlich größere Probleme. Das kam jetzt aber auch überraschend, aber trotzdem nicht ungewollt ;)))))) Tja mal sehen wie Gabriel reagiert wenn der Kuss vorbei ist. Ich glaube er ist viel zu geschockt um richtig was zu erwiedern. Gewagt, gewagt. Einfach so aus dem Nichts. Ich liebe es <3

Ja und Gabriel ist ja schon mit den Nerven ziemlich am Ende. Zuerst die komische Begründung von Sophie für ihr Fremdgehen und dann ist Mowgli auch nich verschwunden. Ich kann sagen er hat nicht überreagiert, jedenfalls nicht wie jeder andere Katzenbesitzer mit einer kleinen Katze auch. Meine Schwester hatte auch mal ne Katze, sie war noch ganz klein und ich glaube das erste mal draußen, und kam abe rselbst nach Stunden nicht wieder. Den ganzen Tag nicht. Anschließend sind meine Schwester und ich sie dann durch das ganze Dorf suchen gegangen. Wir haben sie heil wieder gefunden und alles ist gut ausgegangen. Von daher kann ich Gabriels Panik gut verstehen.

Dass Gabriel allerdings so richtig sauer werden kann wie bei Sophie oder auch bei Mowgli als er Marie und Nuri angeschnauzt hat, hätte ich nicht gedacht. Auch bei Sophie dachte ich eher, dass er etwas ruhiger ist und nicht schreit, klar wütend udn total sauer, ich mein er hat sie beim Fremdgehen erwischt, aber so extrem nicht. Obwohl ich glaube da hat er so stark reagiert, eben weil er sie inflagranti erwischt hat und sie nicht normal Schluss gemacht hat.
Oh man so viel Stress. Da könnte ich auch nicht mehr normal denken.

Tolles Kapitel :)))) Bin sehr gespannt wie Gabriel nach dem Kuss reagieren wird XD

Antwort von:  Schwarzfeder
02.11.2017 10:53
Ich freue mich grade Riesig, dass es wirklich so überraschend kam, wie erhofft.
Aber ja, Gabriel hat im Moment einiges durchzustehen und ich bin froh, dass ihr das Kätzchen wiedergefunden habt. Ich habe mich da von der Angst anleiten lassen, die ich hatte, als mir mal mein Hamster abgehauen ist und da mussten wir nur in der Wohnung suchen. Aber die Angst, dass er ein Kabel anknabbert oder so, war echt...das wünsche ich keinem.
ich muss zugeben, dass ich selbst etwas überrascht war wie heftig Gabriel darauf reagiert, allerdings...kann ich es auch verstehen und ein Teil liegt wirklich daran, dass Sophie nicht ehrlich mit ihm war und ihn so belogen und benutzt hat. Wenn sie ihn darauf angesprochen hätte, dann hätte er definitiv anders reagiert.
Vielen Dank für deinen tollen Kommentar! Bin sehr begeistert, dass es dir so gut gefallen hat und ich hoffe das nächste am Sonntag gefällt ebenfalls ;3


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