Prolog: Ich wollte Ferris retten.
Ich lernte Ferris kennen, als ich meine erste Therapiestunde wahrnahm. Diese sollten mich nach meinem Unfall und dem daraus resultierenden Gedächtnisverlust wieder auf die richtige Spur in meinem Leben führen. Ein Leben, das mir gleichgültig geworden war.
Mein Dad hatte mich dem großen, ernst aussehenden Therapeuten übergeben, mir versichert, mich später wieder abzuholen und mich dann allein zurückgelassen.
Während ich auf den Beginn meiner Therapie wartete, im Wohnzimmer dieses Mannes sitzend, kam Ferris zu mir. Er schielte zurückhaltend herein, vom Türrahmen aus. Erst als er bemerkte, dass ich ihn entdeckt hatte, kam er ebenfalls in den Raum. Er stellte sich vor, fragte mich aus, aber ich konnte ihm nicht viel beantworten. Ich wusste, wie ich hieß, alles, was in den letzten sechs Monaten geschehen war. Doch alles davor war weg, wie von einem Schwarzen Loch verschluckt.
Ferris bekundete, mich zu beneiden, was ich nicht verstand. Für mich war das bis dahin ein schlimmes Schicksal gewesen, das dem Weltuntergang gleichkam. Für meine Welt war es schließlich auch das Ende gewesen.
Doch als ich Ferris' Blick sah, die Traurigkeit in seinen braunen Augen, die tiefer schien als das Meer, wusste ich, dass es noch schlimmere Schicksale geben konnte. Es linderte meinen Schmerz nicht, ich ergötzte mich nicht daran. Ich akzeptierte es einfach und relativierte damit anfangs meinen eigenen Zustand. Es konnte nicht so schlimm sein, seine Vergangenheit und vor allem einen Unfall zu vergessen, wenn man dafür vor jenem seelenzersetzenden Schmerz bewahrt blieb.
Über die weiteren Besuche bei diesem Therapeuten freundete ich mich mit Ferris an. Zumindest war ich der Überzeugung, in ihm einen Freund sehen zu können. Ich weiß nicht, als was er mich betrachtete, aber ich war froh darüber, dass er mich nicht aus seinem Leben ausschloss. Die Gespräche mit ihm waren der Grund, weswegen ich mich jede Woche auf die Therapie freute. Während diese mir vollkommen sinnlos erschien, waren die Gespräche mit Ferris und das Lächeln, mit dem er mich stets begrüßte, immer wieder angenehm. Er verstand mich wie niemand sonst. Er wusste, was Leid war und wie tief das Loch, in dem man sich ganz schnell wiederfinden konnte, und doch fand er immer wieder Zeit für einen Scherz, selbst wenn seine Stimme dabei einen frustrierten Unterton trug.
Doch ich bemerkte auch eine Veränderung in ihm: Die Traurigkeit schwand entgegen meiner Erwartung nicht, sie intensivierte sich, wurde zu einem wirbelnden Sog, der jegliches Leben mit sich nahm und nicht einmal Hoffnung zurückließ. Seine Augen waren tot.
Ferris hatte sich aufgegeben. Er war bereit, sofort zu sterben, nur der Therapeut stand seinem Entschluss noch im Weg, dafür war ich diesem dankbar.
Doch ich gab nicht auf. Ich konnte es nicht, schon gar nicht, wenn ich die Hoffnungslosigkeit in seinen Augen sah, die von seiner Vergangenheit herrührte. Ich versuchte nicht mehr, meine Erinnerung wiederzubekommen, was ohnehin ein aussichtsloses Unterfangen zu sein schien.
Stattdessen entbrannte ein Feuer in meinem Inneren. Eine Flamme, die nur aus einem einzigen Grund loderte: Ich wollte Ferris retten. Ich wollte ihm wieder Hoffnung schenken, alles zerstören, was ihm Schmerzen bereitete – und wenn es mich das Leben kosten sollte.