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Throughout the Year

One-Shot Sammlung
von

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01. Sein Lächeln

Ino fiel es nicht leicht das Zittern ihrer Unterlippe zu unterdrücken und um nicht nervös mit ihren Händen herumzuspielen, hatte sie diese vor ihrer Brust verschränkt. Das wirkte zumindest so als wäre sie sich ihrer Sache sehr sicher, obwohl dem ganz und gar nicht so war.

Ihr Blick hatte die Stelle über Sais Nasenwurzel gesucht, um ihm das Gefühl zu geben, sie würde ihm direkt in die Augen schauen, zu was sie im Moment allerdings nicht fähig war.

Allein in seiner Nähe zu sein, schmerzte sie und ihr Herz zog sich verräterisch zusammen, als sie unweigerlich an die vergangenen Tage, Wochen und Monate denken musste, die vielleicht bald nur noch eine tragische Erinnerung sein würden.

All die Tage und Nächte, die Berührungen, Küsse und Gespräche. Es tat weh, nur an die Möglichkeit zu denken, es könne heute enden - obwohl das nicht einmal feststand.

Und dennoch war sie kurz davor einen Rückzieher zu machen, weil allein die Chance, dass es eventuell in ein paar Minuten vorbei sein konnte, ihren Puls in die Höhe schnellen ließ und ihre Handflächen schwitzig wurden.

Wie gern würde sie die Gefühle ignorieren und so tun, als wäre das zwischen ihr und ihm nur eine lockere Bettgeschichte, etwas Spaß, wenn der Unistress zu groß wurde oder man einfach ein bisschen körperliche Nähe benötigte.

Aber das wäre nichts anderes als feige.

Und eine Ino Yamanaka war kein Feigling - ganz und gar nicht!

Anders als andere Frauen rühmte sie sich damit, sich nicht von einem Mann unterbuttern zu lassen, ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu ignorieren, nur damit sie ihn nicht verlor.

Also musste sie ihr Vorhaben nun auch in die Tat umsetzten. Alles andere wäre Verrat an sich selbst und würde sie gegenüber ihrer Freunde als Lügnerin kennzeichnen.

Deswegen räusperte sie sich einmal und fokussierte ihren Blick ein wenig mehr auf seine Nasenwurzel.

"Ino? Alles gut?" Sais Stimme riss sie fast aus ihrer Konzentration und brachte ihren Entschluss gewaltig ins Wanken, obwohl es gerade einmal drei Wörter gewesen waren.

Aber sie wünschte sich augenblicklich ihm in die Arme zu springen, fest zu umarmen und ihm ihren inneren Zwiespalt zu erklären.

Er konnte so wunderbar zuhören und auch wenn er selten (brauchbare) Lösungsvorschläge brachte, kam sie selbst am Ende ihrer Monologe zu einer Entscheidung, die sie ohne dieses Gespräch niemals hätte treffen können.

Nur bei diesem Thema konnte er ihr nicht helfen, dieses Problem löste sich nicht auf, indem er ihr einfach zuhörte. Schließlich war er der Grund ihrer Schwierigkeiten und das bedeutete, er musste aktiv daran mitarbeiten oder sie würde die Reißleine ziehen. Denn auf eine halbherzige Beziehung, nur, weil er sie nicht verletzten wollte oder dachte, Zustimmung sei ein Grundprinzip des sozialen Lebens, konnte sie auch wieder verzichten.

Egal, wie schmerzhaft es werden würde.

"Ja ... also ... wir müssen reden."

"Tun wir doch gerade", erwiderte er leichthin.

Es war schon süß, wie er so offensichtliche Floskeln nicht kannte und alles zu wörtlich nahm. Süß ... und anstrengend.

"Das stimmt. Aber ... also ich würde gern über unsere Beziehung sprechen", antwortete sie und atmete tief ein und aus, um sich zu beruhigen.

Sai nickte knapp.

Ino hingegen verließ dadurch der Mut. Sie wusste nicht wie sie diese Reaktion deuten sollte, verriet seine Haltung und Mimik doch sonst nichts darüber, ob er verstand oder nicht und wie er sich gerade fühlte.

Es half auch nicht, dass sie nun hier standen, in mitten seines Ateliers, mit all seinen begonnen Bildern, den leeren Leinwänden und Farbtöpfen, unter dem künstlichen Licht der Neonlampen.

Sie hatte an nichts anderes denken können, als die möglichen Gesprächsbeginne, Erklärungen und Antworten, die darauf folgen konnten. Das Umfeld hatte sie komplett ausgeblendet und bereute dieses Versäumnis nun.

Hier hatten sie sich kennengelernt, zum ersten Mal geküsst, sich stundenlang einfach nur unterhalten und so viele wundervolle Stunden miteinander verbracht. Und trotzdem hatte sie noch immer das Gefühl, ihn eigentlich gar nicht wirklich zu kennen.

Sie musste sich unbedingt zusammenreißen und es endlich hinter sich bringen, bevor sie sich in den wundervollen Erinnerungen verlor und dieses Gespräch weiter nach hinten schob, um hier und jetzt wieder mit ihm zu schlafen.

Sie konnte das schaffen!

"Sai ... ich ...", begann Ino langsam, "ich kann das so nicht mehr", schloss sie mit selbstsicherem Ton ihren Satz ab und fasste dadurch Mut. Mut, den sie momentan dringender als den Sauerstoff in ihrem Blut benötigte.

Sie gab Sai nicht einmal die Möglichkeit auf diesen Satz einzugehen, aus Angst, dass er etwas tun oder sagen könnte, was ihr Vorhaben derart ins Schwanken bringen würde, dass sie nach der nächstbesten, dummen Ausrede suchen und ihm diese nonchalant auftischen würde.

Also sprach sie schnell weiter: "Versteh mich bitte nicht falsch. Ich finde die Zeit mit dir wunderbar, es macht Spaß und ich war schon lange nicht mehr so glücklich mit einer anderen Person. Aber genau das ist das Problem. Es, also du, wir ... ich bin glücklich und", sie schluckte schwer, "ich will mehr. Also von dir ... ich meine für uns ... das Ganze hier ist ..." Jetzt fing sie an herumzudrucksen, verdammt.

Sie ballte ihre Hände, die nach wie vor auf ihren Oberarmen lagen, zu Fäusten und atmete tief durch.

Nun war sie schon so weit gekommen, ein Rückzieher kam nicht länger in Frage.

"Ich wäre gern wirklich mit dir zusammen. Was ... was sagst du?"

Ino merkte er jetzt, dass ihr Herz dreimal so schnell schlug wie sonst und auch, wie fest ihre Fingernägel sich in die Handinnenflächen bohrten, aber sie ignorierte diese Reaktionen ihres Körpers und hielt unbewusst die Luft an, während sie auf eine Antwort von ihm wartete.

"Ja, natürlich Ino", sagte er nach ein paar Sekunden, die ihr schier endlos vorgekommen waren, mit einem Lächeln.

Es dauerte noch einmal einige Augenblicke, bevor sie begriff.

Er lächelte.

Dieses schrecklich kalte Lächeln, dass er immer aufsetzte, wenn er das Gefühl hatte, er müsse nun freundlich schauen, ohne tieferes Interesse zu zeigen.

Ino wusste was er ihr damit sagen wollte; da half auch seine Antwort nicht, denn diese bedeutete im Vergleich zu seiner Mimik rein gar nichts.

Ihre Arme fielen links und rechts neben ihren Körper nach unten und sie biss sich schlussendlich doch auf ihre Unterlippe, weil es nicht länger möglich war ihr Zittern durch reine Willenskraft zu unterdrücken.

"Gut", brachte sie fester heraus als gedacht und zum ersten Mal suchten ihre Augen wirklich die seinen.

"Dann sollten wir das hier jetzt beenden."

Irritiert zogen sich seine Augenbrauen zusammen, doch Ino war nicht dazu in der Lage ihm zu erklären, warum sie so handelte. Denn das hätte mehr als den letzten Rest Standhaftigkeit bedeutet, den sie noch in sich spürte.

Außerdem konnte es ihm wohl nicht sonderlich weh tun, es nicht zu verstehen, wenn er nur mit diesem Lächeln hatte antworten können.

Oder?
 

~*~
 

Sobald Ino bei ihrer besten Freundin in der Wohnung angekommen war, kam ihr das ganze Gespräch wie ein komischer Traum vor.

Sie hatte die Szene auf der Fahrt wieder und wieder in ihrem Kopf abgespielt, die Sätze nacheinander analysiert und versucht sich ganz genau zu erinnern, wie er wann geschaut hatte. Wie sein Körper auf welches ihrer Worte reagiert hatte und ob sie nicht vielleicht doch nur aus reiner Angst zu viel oder zu wenig in ihn hineininterpretiert hatte. Er war ein komplexer Mensch, einige der Dinge, die bei anderen ganz eindeutig waren, konnten bei ihm etwas komplett anderes bedeuten und vielleicht hatte er seine Worte doch emotional so gemeint, wie er sie gesagt hatte ...

Und an diesem Punkt sah sie jedes Mal sein Lächeln vor ihrem inneren Auge und sie spürte wie Tränen versuchten sich ihren Weg nach oben zu bahnen. Aber sie hatte im Bus nicht weinen wollen und als sie schließlich ausgestiegen war, ihre Beine sich wie Gummi anfühlten und ihr Kopf gewaltig pochte, fühlte sich die letzte Stunde nicht mehr real an, sondern wie ein urkomischer Albtraum - wie auch immer das zusammenpassen sollte.

Nun saß sie aber hier, auf dem gemütlichsten, kleinen Sofa, das es wohl gab und hielt eine warme Tasse Tee in ihren Händen, während sie gedankenverloren auf den schwarzen Bildschirm des alten Fernsehers starrte und versuchte nicht ihre Umrisse darin zu erkennen.

Sakura Haruno, Medizinstudentin im fünften Semester und ihre beste Freundin seit Kindertagen (mit zwischenzeitlichen Ausnahmen), saß neben ihr und las in einem ihrer dicken Fachbücher, das auf dem Wohnzimmertisch vor ihnen aufgeschlagen war, während sie sich immer wieder Notizen auf einem Block machte, den sie auf ihrem Schoss abgelegt hatte.

Für Menschen von außen war das sicher eine seltsame Szenerie, aber Ino war froh darüber, dass sie nicht sprechen musste, weil sie Angst hatte, am Ende doch in Tränen auszubrechen und sie wollte wegen ihm nicht weinen. Zumindest nicht jetzt.

Vielleicht später, wenn sie allein in ihrem Bett lag und die Welt um sich herum ausblenden konnte. Niemand da war, der sich in der Pflicht sah sie zutrösten, sobald sie den ersten Schluchzer nicht mehr zurückhalten konnte.

Aber für den Moment brauchte sie keinen Trost, sie wollte in Selbstmitleid baden und nicht alleine sein. Und genau das gab ihr Sakura gerade, während sie selbst ganz in ihren Gedanken vertieft war.

Ino wollte nicht an das vorangegangene Gespräch denken, aber die einzig anderen Bilder, auf die ihr dummer Kopf sich konzentrieren konnte, waren all die Momente, die sie mit Sai verband.

Angefangen mit der blöden Annonce, die in der Uni an den schwarzen Brettern gehangen hatte, in der ein Kunststudent nach einem Aktmodell gesucht hatte.

Ino mochte ihren Körper, sie sah sich selbst ganz gern im Spiegel an und wusste immer genau was sie tragen sollte, um ihre Figur gut in Szene zu setzten, aber ohne diese Anzeige, wäre sie wohl nie auf die Idee gekommen, sich für Geld vor jemandem nackt auszuziehen.

Und auch danach hatte sie es eigentlich nicht vorgehabt, aber nachdem sie drei Wochen lang immer wieder an einem der schwarzen Bretter den Zettel hatte hängen sehen, hatte ihre Neugier gesiegt.

Das war das Schlimmste. Dieser Anfang.

Aber wie hätte sie auch ahnen können, dass daraus eine Affäre entstehen würde? Und aus dieser Liebe? Dumme, einfältige, unerwiderte Liebe.

Ino wünschte sich in diesem Moment ihren Kopf einfach gegen den Couchtisch vor sich schlagen zu können, um die Erinnerung an ihren ersten Blickkontakt mit Sai vergessen zu können, das Gefühl ihrer ersten Berührung, als er sie auf dem Holztisch richtig positioniert hatte, aber das ging nicht.

Natürlich nicht.

Also trank sie einen Schluck ihres nun kalten Tees und stellte diesen schließlich auf der Glasplatte vor sich ab und lehnte sich zurück - Augen geschlossen und mit einem schrecklichen Pochen in ihrem Kopf.

Ihr Magen begann plötzlich laut zu knurren und Sakura sah von ihren Lernunterlagen auf.

"Soll ich dir ein Sandwich machen? Mehr kann ich dir leider momentan nicht anbieten", fragte sie und auch, wenn ihr Ton locker klang, sah Ino, die sich sofort aufrecht hingesetzt hatte und nun zu ihrer besten Freundin blickte, das Mitgefühl in deren Augen.

Sie wollte den Mund öffnen und verneinen (nach 16 Uhr aß sie keine Kohlenhydrate mehr), aber mittlerweile hatte sich ein Kloß in ihrem Hals gebildet, den sie nicht hinunterschlucken konnte. Es würde nur ein komischer Laut ihre Kehle verlassen und dafür sorgen, dass sie begann hemmungslos zu weinen.

Weshalb sie sich lieber darauf beschränkte mit dem Kopf zu schütteln und wieder vor sich hin auf den schwarzen Bildschirm zu starren.

"Du kannst gern den Fernseher anmachen, wenn du sowieso schon in die Richtung schaust", schlug Sakura schließlich vor und reichte Ino die schwarze Fernbedienung, während sie bereits wieder in ihr Buch vertieft war - oder zumindest so tat.

Ino nahm sie ihr ab, legte sie aber nur auf die Lehne des roten Sofas und nahm schließlich wieder ihre Tasse Tee zwischen die Hände. Vielleicht würde irgendeine blöde Pseudo-Doku sie wirklich ablenken, aber dumme Menschen konnte sie gerade wirklich nicht ertragen. Vor allem nicht, weil sie sich gerade selbst wie einer fühlte.

"Vergiss nicht, ich hab dir schon vor Wochen gesagt, dass du das klären sollst", erklärte Sakura unvermittelt, während sie sich ausgiebig streckte und riss Ino so aus ihren Gedanken.

"Ich habe es doch getan, oder nicht? Dich möchte ich mal in dieser Situation erleben", erwiderte sie bissig, ohne weiter darüber nachzudenken und spürte Wut in sich aufkeimen.

Seltsamerweise verschwanden dadurch einige Gewichte, die ihr Herz bis gerade noch nach unten gezogen hatten plötzlich. Es fühlte sich nicht wirklich leichter an, aber zumindest auch nicht mehr länger so schwer. Jedenfalls für den Augenblick.

"Anders als du, bekomme ich meinem Mund nämlich wenigstens auf, um der Person, mit der ich zusammen sein will, genau das zu sagen", sprach sie weiter.

Sakura sah sie kurz mit einem bösen Blick an, bevor sich ein zufriedenes Lächeln auf ihre Lippen schlich.

"Gehts dir jetzt besser?"

Ino blinzelte, bevor ihre Augen sich überrascht weiteten. Sie stieß laut und empört die Luft aus und drehte ihren Kopf demonstrativ in die andere Richtung.

Dumme Kuh.
 

~*~
 

In den folgenden Tagen lag Ino die meiste Zeit über in ihrem Bett und stand nur auf, wenn sie auf die Toilette musste oder aber der Hunger so beißend wurde, dass sie die Schmerzen in ihrem Magen nicht mehr aushielt und er sogar mehr weh tat als ihr kaputtes Herz.

Sakura kam sie jeden Tag nach ihren Vorlesungen besuchen, um mit ihr zu reden oder zu schweigen.

Meistens setzte sie sich auf dem Boden vor Inos Bett und lehnte sich mit dem Rücken an das Gestell, während Ino sich auf den Bauch drehte und ein Stück nach unten rutschte, sodass ihre Köpfe fast auf der gleichen Höhe waren.

Das waren die schönen Momente an diesen Tagen, aber sie konnte nicht von ihrer besten Freundin erwarten ständig bei ihr zu bleiben, also schickte sie Sakura jeden Abend nachhause.

Anschließend lag Ino lange wach und starrte auf die Decke, manchmal weinte sie, manchmal nicht und hin und wieder schaute sie auf ihr Handy, um zu sehen, ob sie vielleicht doch etwas wichtiges verpasst hatte, obwohl ihr im Moment kaum etwas wirklich wichtig erschien.

Wann immer sie Sais Namen las, der sie mittlerweile schon sieben Mal versucht hatte anzurufen und ihr einige Nachrichten geschickt hatte, verkrampfte sich ihr Magen und sie war versucht zu antworten, ihn zurückzurufen, um seine Stimme zu hören und vielleicht doch noch einmal mit ihm über alles zu reden. Vielleicht benahm sie sich ja wirklich zu melodramatisch.

Aber dann musste sie wieder an sein Lächeln denken, an seine Antwort und mit einem Seufzen, das von Tag zu Tag leiser wurde, legte sie ihr Handy mit dem Display nach unten wieder zurück auf ihr Nachtkästchen.

Sie begann dann sich ein Stück weit für ihre emotionale Reaktion auf ihr Gespräch zu hassen und verfluchte laut und leise den Tag, an dem sie auf seine Aktmodellannonce geantwortet hatte. Mittlerweile kam sie sich deshalb so schrecklich dumm vor und dennoch musste sie bei der Erinnerung an ihre erste Begegnung und dem Gefühl des kalten Holz' auf ihrem nackten Körper lächeln. Wofür sie sich schließlich dann erneut begann zu hassen und am Ende immer in einen unruhigen Schlaf verfiel.
 

~*~
 

Das Klingeln ihrer Türglocke weckte Ino eines Morgens und mürrisch öffnete sie ihre Augen. Durch die zugezogenen Vorhänge sah sie, dass die Sonne bereits seit einer Weile aufgegangen war, aber noch nicht weit genug oben stand, um bis zu ihrem Kopf zu gelangen. Also musste es eindeutig noch zu früh sein.

Bevor sie überlegen konnte, den unangekündigten Gast zu ignorieren (Sakura besaß einen Schlüssel, also konnte sie es schon einmal nicht sein), drückte der Unbekannte erneut auf den kleinen, weißen Knopf neben ihrer Eingangstür.

Kurz darauf noch einmal, weil Ino weiterhin im Bett lag, in der Hoffnung, dass es der Postbote war, der am Ende zu einem ihrer Nachbarn ging, um das Paket dort erst einmal abzugeben.

Doch entweder war es ein sehr penetranter Postbote oder jemand anderes, denn mittlerweile war das Klingeln ein durchgängiges Schrillen. Fluchend erhob sich Ino von ihrem Bett, ignorierte die wahrscheinlich vollkommen durcheinander geratenen Haare und ihre rot unterlaufenen Augen.

Mit schweren Schritten ging sie zur Tür und riss diese auf, um der Person im Gang gewaltig ihre Meinung zu geigen. Was, wie ihr gerade auffiel, eine unglaublich gute Sache wäre, um endlich etwas von ihrer schlechten Laune los zu werden - Sakura umging das bei ihren Gesprächen leider viel zu geschickt und versuchte sie auch nicht mehr sie absichtlich auf die Palme zu bringen.

"Ich war verunsichert", erklärte Sai kaum war die Tür komplett offen. Ino öffnete ihren Mund, noch immer bereit los zuschreien, schloss ihn aber gleich wieder.

Wow, er hatte ihr noch nicht einmal Zeit gegeben, zu realisieren, dass er vor ihr stand - von einem 'Guten Morgen' ganz zu schweigen.

Sie konnte nicht anders und musterte ihn von oben bis unten, während sie in ihrem leergefegten Gehirn nach einer passenden Antwort suchte.

Seine sonst so glatten Haare standen ihm verwirrt vom Kopf ab, er hatte dunkle Ringe unter den Augen, sein Oberteil war zerknittert und außerdem hielt er eine rote Mappe in seinen Händen. So seltsam sein Auftreten auch war, auf dieser blieb ihr Blick am Längsten hängen, bevor ihr Kopf wieder in eine gerade Position wanderte und sie schließlich in sein Gesicht sah.

Es war so, als hätte er sich seit seinem Satz keinen Millimeter bewegt, er fixierte sie nur mit seinem Blick und Ino musste unweigerlich schlucken.

"Hier."

Erneut war er schneller als sie denken konnte.

Irritiert blickte Ino auf die rote Mappe, die er ihr nun entgegenhielt und nach ein paar Sekunden der Verwunderung, nahm sie ihm diese ab.

Ihre Finger zitterten, während sie langsam das Band löste und den Deckel hob.

Es befand sich nur ein einziges Stück Papier darin, auf dem mit Bleistift etwas gemalt worden war. Ino starrte auf die Augen der Person, dessen Porträt darauf abgezeichnet worden war.

Sie starrte in ihre eigenen Augen.

"Ich hab das gemalt, bevor du wegen meiner Annonce bei mir vorbei gekommen bist. Ich war fasziniert von der Symmetrie deines Gesichts und musste es einfach auf Papier festhalten. Naruto erzählte mir im Nachhinein, dass das wohl auf manche Menschen einen falschen Eindruck machen könnte, darum habe ich es dir nicht erzählt. Aber ich dachte, dass du es jetzt sehen solltest."

Ino nickte nur und blickte sich noch immer selbst an. Wie hatte er es nur geschafft gemalten Augen solches Leben einzuhauchen? Eins, dass sie in ihrem eigenen Spiegelbild momentan nicht einmal finden konnte?

"Und seit du dich bei mir vorgestellt hast, um für mich Modell zu stehen, wusste ich, dass du meine Muse bist. Du musst wissen, ich hatte früher nie daran geglaubt, dass es so etwas wirklich geben könnte, aber deine Ausstrahlung ist ...", er stockte und flüsterte gedankenverloren etwas vor sich hin, bevor sein Blick sich wieder klärte und er Ino erneut fixierte, die es noch immer nicht geschafft hatte, aufzusehen, "für mich wie eine Droge, die durch meine Venen schießt?", schloss er mehr fragend als feststellend ab.

"Wo hast du das denn her?", fragte sie und endlich konnte sie sich aus ihrer Starre lösen und ihn direkt anschauen.

"Das stand in einem Buch über Liebe. War das schlecht?" Er wirkte wirklich verunsichert und Ino bei diesen Worten schlecht.

"Sai, ich ...", begann sie, doch er unterbrach sie einfach.

"Shikamaru meinte, ich hätte dir eine andere Antwort geben sollen. Ich dachte wirklich das 'ja' würde reichen, aber anscheinend habe ich dir einen Eindruck vermittelt, der irreführend war. Ich verstehe zwar nicht ganz wieso und Shikamaru konnte es mir auch nicht wirklich erklären, aber Ino ich möchte wirklich mit dir zusammen sein."

Sie widerstand dem Drang, ihm augenblicklich um den Hals zu fallen, auch wenn sich bereits Tränen in ihren Augen sammelten, weil es das Schönste war, was jemals jemand zu ihr gesagt hatte. Es war unglaublich kitschig und sie fühlte sich nur so von Emotionen überschwemmt, aber genau das war es, was er hatte sagen müssen.

Und dennoch ...

"Es war dein Lächeln", brachte sie schließlich heraus, in einem kläglichen Versuch mit fester Stimme zu sprechen. "Dieses Lächeln, dass du immer dann aufsetzt, wenn du ein gewisses Desinteresse empfindest oder etwas denkst, dass du lieber nicht laut aussprechen solltest. Ich habe es schon so oft in Aktion erlebt und hatte solche Angst, irgendwann selbst einmal der Grund zu sein, dass ... dass ..." Die Tränen begannen nun unaufhaltsam über ihre Wangen zu laufen und ein unschöner Schluchzer entwich ihr.

Sai schloss die Mappe in ihren Händen, nahm sie ihr ab und umarmte sie anschließend.

Diese Geste sorgte gleichzeitig dafür, dass sie nur noch hemmungsloser weinen musste und gleichzeitig begann zu lachen.

Nur Sai konnte in einer solchen Situation noch daran denken, eins seiner Kunstwerke zuvor in Sicherheit zu bringen.

Ino wusste nicht, wie lange sie so dastanden, aber irgendwann waren all ihre Tränen aufgebraucht und sie lehnte sich in seinen Armen ein Stück zurück, um ihm in die Augen schauen zu können.

"Danke", flüsterte sie. "Danke, dass du mir das gesagt hast."

Sie verstand noch nicht alles, was er ihr gerade eröffnet hatte, aber zumindest, dass dieses kühle, distanzierte Lächeln noch zu mehr da war als angenommen.

Es diente als Eigenschutz.

Er setzte es auf, wenn er nicht weiter wusste oder sich überfordert fühlte.

Und wenn sie nicht so egoistisch gewesen wäre und Angst vor seiner Reaktion gehabt hätte, davor, dass er sie genau so ansehen würde, wie er es schließlich getan hatte, wenn auch aus einem komplett anderen Grund, hätte sie nicht nur sich selbst unnötige Schmerzen ersparen können.

"Es tut mir leid."

Sai schüttelte kaum merklich den Kopf, legte seine Hand an ihre Wange und küsste sie.

Die Kante der Mappe drückte Ino in den Rücken, aber das war ihr ehrlich gesagt im Moment scheißegal. Sie genoss den Kuss einfach.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Oh mein Gott.
Ganz zufrieden bin ich natürlich nicht damit, das Ende ist furchtbar schmalzig und ich glaube ich bin etwas ins OoC gerutscht (bei allen), aber ich bin gerade einfach nur froh, es noch rechtzeitig geschafft zu haben.
Meine liebsteChatNoir ich hoffe sehr, dass dir die Umsetzung im Großen und Ganzen gefällt und du ein bisschen Spaß am Lesen hattest. Rechtschreibfehler und so werden die Tage auf jeden Fall noch ausgemerzt. Versprochen!

Liebe Grüße! Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  ChatNoir
2017-08-01T19:23:08+00:00 01.08.2017 21:23
Speisiii~ <3

Ehrlich, ich fand sie Toll. Vielleicht hat sie mir auch sehr gefallen, weil sie für mich war.
Na, ich kann schwer sagen, ob sie zu Ooc war, habe seit langem kein Naruto mehr gelesen.
Ich fand es hat alles gut gepasst und das Ende fand ich sogar noch sehr süß, wie Sai noch um seine Beziehung mit Ino gekämpft hat. Beim den Spruch mit der Droge musste ich schmuzlen und das er es noch von einem Buch hat. Typisch Sai eben. XD

Ich habe mich sehr gefreut, dass du meine beknackte Idee mit dem Nacktmodel umgesetzt hast und
ich mag dein Schreibstill. <3

In alles liebe deine Nori/Tsuba ;)
Antwort von:  Goetterspeise
08.08.2017 16:19
Tsubaaaa ~
meine verspätete Antwort:
Es freut mich so sehr, dass dir die Geschichte gefällt, zumal sie noch dringend überarbeitet werden muss ;_; Aber schön, dass nicht irgendwelche krassen Fehler aufgetaucht sind und ja das mit den Drogen und dem Buch fand ich selber ganz lustig. :D Und deine Idee war nicht beknackt :O Die Vorgaben waren toll und sehr passend zu den beiden <3

:3
Von:  SarahSunshine
2017-08-01T13:17:19+00:00 01.08.2017 15:17
Aww das ist wirklich super kitschig und sehr sehr süß *^*

Ich muss sagen noch mehr als die Beziehung zwischen Ino und Sai hat mir die Beziehung von Ino und Sakura gefallen.

Die Art wie Ino mit ihren Gefühlen und der Reaktion von Sai umgegangen ist fand ich super nachvollziehbar und die Art wie Sai dann reagiert hat war auch irgendwie passend und süß - Ich mochte es vor allem dass er mit Naruto und mit Shikamaru geredet hat :D

Nur das Ende kam mir sehr offen vor. Dennoch ein gelungener Start wie ich finde :)
Antwort von:  Goetterspeise
08.08.2017 16:17
haha, ja XD
Als Leser hätte ich wohl weggeklickt, aber zum Schreiben wars toll :D
Ino und Sakura sind aber auch einfach zwei tolle Freundinnen. Zumal sie in meiner nächsten Geschichte schon wieder auftauchen. lol XD Und es freut mich, dass dir die Beziehungen gefallen haben :3
Und ich dachte mir halt, wenn er sagt, er habe es von Shikamaru und Naruto würde er nicht vollkommen OoC rüber kommen. XD Weil Sai ist so schwer zu schreiben DX
Inwieweit denn sehr offen? Fand es eigentlich recht rund. Sie wollen zusammen sein und küssen sich. Kannst mir das auf Twitter ja noch mal erklären. :)


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