Zum Inhalt der Seite

Pretty Boy

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Teil 14- Watanabe-Ehrenfamilienmitglied

Pretty Boy

 

Teil 14- Watanabe-Ehrenfamilienmitglied

 

Das Auge meines Vaters beginnt erneut zu zucken, als ich Susu zum Esstisch führe. Dabei ist er für seine Verhältnisse sogar keusch gekleidet. Er trägt eine helle lachsfarbene enge Capri-Shorts, ausgelatschte Stoffschuhe und ein eng anliegendes weißes Knopfhemd mit kurzen Ärmeln, von dem nur die oberen zwei Knöpfe auf sind. Das seine Tattoos durch den dünnen hellen Stoff zu sehen sind und die Nippel Piercings sich abzeichnen macht es nicht ganz so keusch. Seine Haare sind zu einem Dutt gebunden, aus dem ein paar seidig glatte Strähnen wippen bei jeder seiner Bewegungen, andere jedoch verschwitzt an seiner Schläfe kleben, so wie sein Hemd an ihm. Hoffentlich ist diese Hitzewelle bald vorbei.

Meiner kleinen Schwester steht am deutlichsten ins Gesicht geschrieben was sie von ihm hält. Sie rümpft die Nase und ihr kleines Hirn rattert. So jemanden wie ihn sieht man nicht alle Tage, auch wenn auf Japans Straßen so manch anderes frei herum läuft. Sie versucht sicher in ihrer Kinderlogik ihn in eine ihrer Schubladen zu stecken und scheitert kläglich, denn Susu ist einmalig.

Er verbeugt sich förmlich zur Begrüßung.

„Nein!“, keucht meine Mutter entsetzt, nach dem ich Susu allen offiziell vorstellte. „Dich hätte ich im Leben nicht auf der Straße wieder erkannt.“ Sie zieht ihn in eine feste Umarmung, doch es dauert nur eine weitere Sekunde bis ihr Glucken Instinkt anspringt und sie ihn auf ihren Platz drückt. „Herrje Junge, du bestehst ja nur noch aus Haut und Knochen. Setzt dich, ich mach dir was von dem Curry warm.“ Er widerspricht nicht und lehnt sich belustigt schnaufend zurück. Susu weiß aus meinen Epischen Erzählungen, dass Wiederworte nichts bringen sobald die Bärenmutter geweckt ist und ich finde, es tut ihm ganz gut mal verhätschelt zu werden.

Ohne ein Wort der Vorwarnung zieht ihn Hina für eine Umarmung herüber, dass er fast vom Stuhl fällt und ihm ein peinlich hohes quieken entweicht. „Du hast zu lange gebraucht um wieder her zu kommen. Du bist ein Schwuler nach meinem Geschmack. Bei dir erkennt jeder auf den ersten Blick das du vom andern Ufer bist. Wir sollten mal shoppen gehen.“

Ein dreckiges Grinsen legt sich auf Susus Lippen. „Oh Süße, shoppen ist wirklich keine meiner Stärken.“ Alarmiert schrecke ich auf und sitze Kerzengrade auf meinem Stuhl. Oh bitte, bitte Susu, benimm dich, es ist ein Kind anwesend. Er scheint mein Inneres flehen zu hören und zwinkert mir zu. Was mich jedoch nicht beruhigt. Heißt das jetzt er lässt es oder er sieht das hier als Chance um Spaß zu haben?

Ihm wird das versprochene Curry aufgetischt und Mum tätschelt noch mal seine Schultern bevor sie sich aus Mangel an Stühlen auf Dads Schoß setzt. Wir mussten schon zwei Stühle vom Dachboden holen.

Ich merke wie mein Sitznachbar sich zu mir herüber lehnt, um mir etwas zu zuflüstern. „Es ist als würde dein verschollener Bruder nach Hause kommen.“

„Das liegt daran, dass ich ein Watanabe-Ehrenfamilienmitglied bin, aufgrund unser gemeinsamen Vergangenheit.“, erwidert Susu süffisant grinsend auf Shibas Bemerkung, der ertappt zusammen zuckt. „Wenn ihr so oft umarmt werdet wie ich, gehört ihr auch dazu.“

Dad räuspert sich um sich Gehör zu verschaffen, als auf Susus Bemerkung Mum und Hina kicherten. „Wie kommt es, dass ich dich nicht kenne?“

Susus blick trifft mich und er hält ihn als er meinem Dad antwortet. „Weil Misaki meinen Trost nicht brauchte, wenn sie mal in der Stadt waren.“ Dad wirkt verwirrt und öffnet seinen Mund um etwas zu erwidern, schließt ihn jedoch wieder. Eins zu Null für Susu.

„Was macht denn dein Studium?“, wirft Hina in die aufkommende Stille ein.

Er übt eine wegwerfende Bewegung mit der Hand aus. „Das ist schon lange vorbei.“

„Susu hat jetzt seinen Doktor in Psychologie mit summa cum laude.“, verkünde ich stolz.

Dad stutzt sichtbar. „Bist du nicht zu jung für einen Doktortitel?“

„Sind sie nicht zu heiß für einen Familienvater?“ Wieder ist Dad sprachlos und nicht nur das, er ist tatsächlich errötet. Zwei zu Null für Susu.

Ich löse die verkrampfte Umklammerung meiner Finger um meine Lieblings Tasse und schlage sie vor mein Gesicht. „Susu!“

„Was?“, empört er sich. „Jetzt weiß ich, warum du ihn mir all die Jahre nicht vorstellen wolltest. Du hattest angst ich mach ihn an und holy shit, du hattest so was von recht.“

Mum schlingt ihre Arme um Dad und streichelt ihn beruhigend über den Kopf, wie bei einem kleinen Jungen. „Tut mir leid mein Lieber, dieser Hengst wurde gezähmt.“

Susus grinsen wird breit. „Oh Liebes, sie sind keine Konkurrenz, wenn ich es darauf anlege.“

 

An diesen Abend wurde viel gelacht. Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wann wir zuletzt einen solch ausgelassenen Abend hatten. Die Gespräche blieben oberflächlich. Susu, Haruno und Hina haben die Unterhaltung dominiert. Einer hatte immer seinen Senf dazu beitragen wollen. Als Dad auftaute nach Susus harmlosen Flirt und warm mit ihm wurde, gab es ein Duell der Brains. Doktor gegen Doktor an unserem Esstisch. Eine Epische Schlacht. Ich konnte ihnen schnell nicht mehr folgen als sie mit Kafka und Freud anfingen. Das ging den anderen aber ebenso. Als die Diskussion hitzig wurde und Susus Vokabular nicht mehr so blumig war, verließ Mum mit Miyu das Zimmer. Sobald Mum weg war, hat Susu meinen Dad am Oberschenkel begrapscht damit er aufhörte zu diskutieren. Aber vielleicht hatte er nur geplant Mum zu vertreiben, um ihn begrapschen zu können. Böser Gedanke! Ganz böser Gedanke! Allerdings waren wir uns alle einig, dass wir Mum nichts davon erzählen werden. Wecke nie einen schlafenden Bären.

Leider ist es jetzt Zeit für Haruno und Shiba zu gehen. Der Host Club ruft und die unglücklichen verschmähten Mädels wollen ihr Glück bei dem sexy Traumprinzen persönlich versuchen. Der Abend war so schön, dass ich sie am liebsten gar nicht gehen lassen würde. Ich bin Erwachsen genug um zu wissen, dass sie gehen müssen, aber das Kind in mir will sich an ihre Beine klammern, heulen und nicht gehen lassen.

„Du ziehst heute Abend also noch mit Subaru los?“, fragt mich Haruno. Wir stehen in der Tür und der Abschied ist unausweichlich. Ich bin Erwachsen. Ich kann mich zusammenreißen. Ich nicke kaum und brumme leise. „Übertreib es aber nicht wieder.“ Er holt sein Handy hervor und Tippt etwas ein, worauf meins einen Ton von sich gibt. „Wenn etwas ist komm zu uns. Die Adresse habe ich dir geschickt. Wir sind nicht weit von der Meile entfernt, du brauchst nicht mal die Bahn nehmen. Lass dich nicht blöd anquatschen und geh mit keinem mit, der dir kleine Häschen zeigen will.“, spottet er belustigt.

„Und wenn es kleine Kätzchen sind?“ Ich kann ein verärgertes schnaufen nicht unterdrücken. Dabei verärgert es mich nicht, dass er mit mir redet wie mit einem Kind, schließlich reiße ich mich zusammen um wenigstens erwachsen zu wirken, sonst würde der Abschied ganz andere Ausmaße annehmen. Heulen. Beinklammern. Das volle Programm. Es verärgert mich, dass sie gehen müssen um mit Mädchen zu flirten, damit sie ihre Rechnungen bezahlen können.

Seine warme raue Hand legt sich sacht auf meine Wange und ich schmiege mein Gesicht hinein. Mehr. Ich brauche mehr davon. „Hey, sieh mich an.“ Genau das habe ich versucht zu vermeiden. Ich sehe es kommen, dass ich mich nicht zurückhalten kann sobald ich in dieses hinreißende lächeln sehe und seine verführerische neue Frisur, die danach verlangt das ich meine Finger darin versenke. „Misaki, bitte.“, ertönt erneut seine Stimme.

Der wohlige Schauer in mir, den seine sanfte Stimme auslöst, lässt mich schwächeln. „Geh nicht.“, höre ich mich sagen. Auf meiner Lippe kauend sehe ich von unten zu ihr auf.

Seine Augen weiten sich überrascht, während er sich mit der anderen Hand an die Brust fasst. Doch die Überraschung weicht einem glücklichen lächeln, mit zarter Rötung auf seinen Wangen. „Wow.“, haucht er.

„Was?“, runzle ich die Stirn.

Er schüttelt lächelnd den Kopf. „Nichts. Vergiss mich nicht, wenn dich ein heißer schwuler Adonis anmacht.“

„Der wird mir gar nicht erst auffallen.“ Weil ich die ganze Zeit nur an euch denken werde.

Die Antwort scheint ihm zu gefallen. Er lächelt zufrieden und seine Hand tätschelt erneut meine Wange. „Dann bis Montag. Ich wünsche dir viel Spaß bei eurem Familien Ausflug.“ Ehe ich´s mich versehe lehnt er sich vor und seine Lippen treffen meine Wange.

Ein gedämpftes quieken entweicht meinen zusammengepressten Lippen. Schwankend stütze ich mich am Türrahmen ab. „Was war das denn?“

„Deine Schwester guckt zu, deshalb nur die Wange.“, zwinkert er mir zu.

Abrupt drehe ich mich um und sehe tatsächlich meine Schwester neben meinem Vater, die uns zu sehen und grinsen wie zwei Honigkuchenpferde auf Speed. Verdammt. Gestern hatte ich ihnen noch hoch und heilig geschworen zwischen uns läuft nichts und nun das. Mit einer verscheuchenden Handbewegung wende ich mich wieder Haruno zu. „Okay, wird Zeit das du gehst. Kusch kusch.“, quietsche ich nervös in Tönen die bald nur noch Hunde wahrnehmen können. Lächelnd weicht er zurück und bringt mehr Distanz zwischen uns. Ein draußen, wo ist der Andere?

Mich suchend umsehend entdecke ich Shiba schnell mit Susu auf der anderen Seite der Treppe, nahe Wohnzimmer. Sie tippen beide auf ihren Handys herum und reden miteinander. „Hey Takeo, reiß dich los.“, ruft sein Freund vom Garten aus. Er wirft uns einen kurzen Blick zu, sagt noch ein paar Worte zu Susu und nun fällt mir die Kinnlade durch den Boden bis zum Erdkern als ich sehe wie die beiden zum Abschied einen fist bump ausüben.

„Was war das denn?“ Fassungslos starre ich ihm nach als er sich an mir vorbei drängt.

Er hält kurz inne und wirft einen Blick zurück. „Ich verstehe was du an ihm magst.“ Shiba zuckt gekonnt mit den Schultern und brummt weiter. „Melde dich wenn du wieder zu Hause bist, damit wir uns keine Gedanken machen müssen.“ Ich nicke ihm zu und verabschiede beide mit einem mulmigen Gefühl im Bauch.

„Na komm Schatz, Zeit für dein Party Outfit.“

Pfeilschnell drehe ich mich zu ihm um. „Was war das mit dir und Shiba?“ Die Nachbarhunde beginnen zu jaulen.

Er mustert mich zunächst mit leicht verengten Augen, doch dann kommt sein typisches Susu grinsen zurück, dass aus einer Mischung von 'Ich weiß was du denkst', einen perversen touch und Belustigung besteht. „Kein Grund zur Eifersucht Schatz. Ich nehme dir dein Spielzeug nicht weg.“

Trotzig verziehe ich den Mund. Ja, mir ist klar das er nichts unternimmt was mich verletzen würde, egal um was es dabei geht, aber das schließt nicht aus das Shiba Interesse an ihm haben könnte. Was mich nervöser werden lässt als gut für mich ist. „Was wollte er von dir?“

„Reden.“

„Das habe ich gesehen und langfristig gesehen?“

„Reden.“

„Wie jetzt?“, wundere ich mich.

„Na ja, wir haben uns doch über mein Studium unterhalten und er möchte gerne mit mit reden.“

„Er will...“, setzte ich an und öffne ein paar Mal meinen Mund ohne Worte zu finden. „Sagst du mir über was ihr euch unterhaltet?“

„Natürlich nicht.“, grinst er mich fies an.

 

Während wir in meinem Zimmer ein Outfit suchen, bringe ich Susu auf den neusten Stand, erzähle ihm von Montag an jede Kleinigkeit. Die Aussprache mit meinen Eltern. Miyus Erpressungsversuche. Die nervigen Mädchen an meiner Schule. Den quatsch mit den Kendo Club. Das Nickerchen auf dem Dach. Den geplanten Familien Ausflug dieses Wochenende, für den ich das Date mit Haruno verschieben musste. Und nun wurde er erst so richtig neugierig. Und verdammt, er zog mir wirklich alles aus der Nase.

Susu zieht ein Kleidungsstück nach dem anderen aus meinen Kleiderschrank und befindet es als nicht sexy genug. „Dafür das Mister Oberhottie was von dir will, schwebst du nicht gerade in den Spähren.“ Wieder fliegt ein Teil knapp an meinem Kopf vorbei. „Scheiß auf die Auswanderer kacke und seine Zukunftsträume. Das kann er immer noch machen wenn er dir das Hirn raus gevögelt hat.“ Das nächste Teil landet in meinem Gesicht. „Fuck, Misaki. Niemand, auf dieser beschissenen Welt, fickt den Mann seiner Träume beim ersten mal und lebt mit ihm glücklich bis ans Lebensende. Mit Glück bekommst du den Mann deiner feuchten Träume fürs erste mal. Und ich finde, egal für wen du dich entscheidest, beide sind mehr als fuckabel.“ Prüfend hält er eins der Shirts an mich ran und rümpft missmutig die Nase. „Dein wahres Problem ist, dass du keine Klamotten hast die schreien “Fick mich, hier und jetzt“, außer der Schulmädchen Uniform.“

„Das schreit die gar nicht!“ Ich weiß jedenfalls was das glühen meiner Wangen schreit. Abwehrend wedle ich mit den Händen, worauf er das Shirt davon wirft. Mein Zimmer gleicht einem Mode Schlachthof. Ich sehe es kommen, dass Susu all die alten Teile in den Fleischwolf wirft. „Moment, Moment. Was meinst du mit 'egal für wen ich mich entscheide'? Haruno hat Interesse, von Shiba habe ich gar nicht gesagt.“

„Schätzchen, für dich mag es normal sein sich zu umarmen, aber nicht für verkappte verklemmte Japaner. Wenn der nichts von dir will, lebe ich ein Jahr abstinent, weil dann definitiv mein Schwulenradar kaputt ist. Apropos Umarmen, denkst du ich bekomme deinen Vater dazu mich zu knuddeln?“

„Sicher nicht, denn hast du vorerst ziemlich verschreckt,“, stichle ich grinsend. „Lass dir lieber schon mal was einfallen wie du dein Hintern zu kriegst. Keuschheitsgürtel sind meines Wissens nach aus der Mode.“

„Ich weiß was noch aus der Mode ist.“ Demonstrativ augenrollend steht er in dem Chaos. „Wir schauen mal was deine Schwester hat.“

„Was?!“

 

 

Susu hält die Speisekarte der super hippen Ramen Bar in der Hand und wedelt sich damit Luft zu, während wir auf einen freien Tisch warten. „Auf was hast du Bock?“

Nervös zupfe ich das ärmellose weiße Shirt länger, auf dem ein gigantisches kitschiges Einhorn prangt, um diese verdammten Jeans-Shorts zu verstecken, die gerade so meine Arschbacken bedecken. Jedes mal wenn ich ziehe rutscht die Jeansweste von meinen Schultern. Die Sachen meiner Schwester sind mir wie immer zu groß. Die Shorts ist meine, oder besser war sie, bevor Susu die Schere zückte. „Warum, verdammt noch mal, lass ich mich von dir hierzu überreden? Ich habe schon acht Kniffe in meinen Hintern gezählt. Du hast die Hose mit Absicht so kurz geschnitten damit du meinen Arsch sehen kannst, gib es zu.“ Ich ernte ein breites dreckiges grinsen als Antwort.

Endlich wird ein Tisch frei an den wir geführt werden. „Lass uns erst mal was essen. Die Nudeln gehen auf deinen Arsch.“

„Ich hoffe, dass meinst du nicht wörtlich. Ein paar Kerle hier sehen so aus als ob sie es wirklich tun wollen.“, krächze ich nervös und tipple vorsichtig hinter ihm her. Heute erkenne ich sofort die vielen Blicke die ich oder besser mein Arsch ernte, gerade weil ich gezielt darauf bedacht bin das ihn keiner sieht.

„Ich habe das nicht nur für mich gemacht.“ Er setzt sich an den vierer Tisch und ich ihm gegenüber. „Mein vorrangiges Ziel ist es, dir merkbar zu machen was für ein enormes Sexappeal du hast. Dein Arsch ist mein Bonus.“

Ich würde gern behaupten, ich fühle mich wie Rotkäppchen vorm großen bösen Wolf in Großmutterverkleidung. Es hat aber mehr etwas vom tauchen mit den weißen Haien und zu wenig Gitterstäben an meinem Käfig die mich schützen. Denn auch hier umschwimmen sie mich hungrig, zeigen mir ihre Zähne und ich wette, der ein oder andere denkt darüber nach zu zubeißen. „Deinen Anflug von Mutter Teresa kauf ich dir nicht ab, du hast genauso gierig auf meinen Arsch gestarrt wie die anderen.“

Ein belustigtes lachen höre ich von meinem gegenüber. „Weil ich noch keine Bräunungsstreifen entdeckt habe. Entweder hattest du ein sehr knappes Badehöschen oder du schlimmer Junge warst gerne mal nackt auf dem Brett.“ Ich verkrieche mich hinter der laminierten Speisekarte und entkomme so einem Moment seinem durchdringenden Blicken.

Der Kellner kommt mit unseren Getränken, die wir am Eingang bereits bestellten. „Hey mein Hübscher. Ist Kai heute da?“

Der junge Schönling, mit der senfgelben Schürze, lächelt uns selbstbewusst an und macht eine kreisende Bewegung mit dem Finger. „Ja, der rennt hier irgendwo herum.“ Er nimmt noch die Bestellung auf und geht, während Susus Blick an seinem Hintern haften bleibt, bevor er sich suchend umsieht.

„Wer ist Kai?“, frage ich interessiert und nippe an meiner Cola.

„Ach, nur ein geiler alter Sack den ich regelmäßiger Treffe und ihm gehört der Laden. Wenn er da ist müssen wir so oder so nichts Zahlen.“

„Ist er dein fester Freund?“ Meine Stimme klingt irgendwo zwischen Skepsis und staunen. Doch er lacht mich aus.

„So einen Scheiß tu ich mir nicht an. Er ist nur mein Freifahrtschein auf gratis Nudeln.“ Er redet mit mir während er sich weiter umsieht. „Eigentlich ist diese ganze Partnerschafts Sache gegen die Natur. Der einzige Sinn und Zweck ist es seine Gene möglichst großzügig und schnell zu verbreiten und seine Nachkommenschaft zu sichern, bevor man den Löffel abgibt. Der Mensch ist auch nur ein Tier, dass-Oh shit!“, keucht er abrupt und versinkt halb unter dem Tisch.

Instinktiv folge ich seiner Bewegung und flüstere ihm zu, dass er mich in dieser lauten Umgebung gerade so noch hören kann. „Was ist denn? Ein verschmähter Ex-Liebhaber? Die Yakuza? Oh, lass es bitte nicht meine Schwester sein.“

„Schlimmer.“, zischt er. „Mein Stalker.“

„Was?“, krächze ich heiser. „Wer? Wo? Will er dir was antun?“ Ich rutsche noch tiefer unter den Tisch und sehe mich hektisch um wer in frage kommen könnte. Ich sehe genug Zähne zeigende Haie um mein eigenes SeaWorld zu eröffnen, aber keinen mit wahnsinnigen Blick oder irgendwelche Horrorfilm Killer Masken. Nur ein Irre gewordenes Pärchen in Partnerlook, mit weiß, orange, schwarz gestreiften Shirts. Falls ihn noch wer sucht, da ist Nemo.

Susu zeigt in die Richtung hinter sich. „Der Riese, der jeden mindestens einen Kopf überragt. Mit diesen verträumten Herzchen Blick.“

Verwirrt lege ich die Stirn in Falten und versuche heraus zu finden was er mir damit sagen will, als ich besagten Stalker erblicke. Himmel. Der Typ ist echt ein Riese. Im ersten Moment ein ziemlicher Schrecken. Etwa zwischen eins achtzig bis eins neunzig Meter groß. Er ist nie und nimmer nur Japaner. Seine Augen haben eine schöne Mandel Form, aber der Rest wirkt fremd. Er schaut tatsächlich in unsere Richtung und ich bleibe fasziniert an ihm heften. Je länger ich ihn ansehe, desto schüchterner und unbeholfener wirkt der Große. Die meisten machen einen großzügigen Bogen um ihn, was ich wiederum ziemlich traurig finde. Auf den ersten Blick jagt er einen vielleicht Angst ein, aber auf den zweiten sieht man, dass das etwas ist, das er auf keinen Fall möchte. „Weißt du warum er dir folgt?“

Ich höre zuerst ein grummeln von ihm bevor er Antwortet. „Ist schon ein bis zwei Monate her. Ich war besoffen und hab mit ihm rumgeknutscht, weil ich darauf spekuliert habe das an ihm alles so groß ist. Aber als ich merkte, dass der Typ von nichts eine Ahnung hat, habe ich mir einen anderen genommen. Seit da an begegnet der mir ständig und schmachtet mich so ekelerregend verliebt an. Ich lass die Finger von Jungfrauen. Genau aus diesem Grund.“ Er ist also alles andere als gefährlich. Jedenfalls nach meiner Definition von Gefahr. Nach Susus Logik ließe sich das bestreiten.

Ich weiß nicht welche Kurzschlussreaktion in meinem Hirn dafür verantwortlich ist, aber ich springe spontan auf und winke ihn zu uns. Der junge Mann erstrahlt förmlich als er meine Geste sieht, schaut sich aber unsicher um, ob ich wirklich ihn meine. Oh mein Gott. Er ist so süß. Ich mag ihn jetzt schon. Zögerlich kommt er auf uns zu und ich ernte einen harten tritt gegen das Knie von meinem fluchenden Freund. Mit schmerzverzerrtem Gesicht begrüße ich ihn. Toller erster Eindruck, danke Susu. „Hey, ich bin Misaki Watanabe und meinen Freund Subaru Tsuba kennst du scheinbar schon?“, ächze ich und reibe mein Knie.

Er verbeugt sich ein wenig zu tief. Er spielt nervös mit seinen Fingern während er sich vorstellt. „Ähm... ja, Hallo... Ich heiße Masuyo Yamada. Und ja... ähm... Ich kenne Tsuba von der Uni.“

„Scheiße, wie lange folgst du mir den schon?“, keucht Susu erschrocken.

Stutzig wende ich mich meinem Freund zu. „Ich dachte, ihr kennt euch aus einer Bar.“

Verlegen kratzt sich Yamada an der Nase. „Du erkennst mich doch wieder? Damit hatte ich nicht gerechnet, du warst ziemlich voll.“

„Du kennst ihn also aus der Uni? Dann bist du auch Psychologe?“, frage ich ehrlich interessiert und deute ihn an sich zu setzen auf den Stuhl neben Susu, wofür ich noch einen Tritt kassiere.

Unsicher sieht er Susu an und scheint eine Erlaubnis abzuwarten, doch Susu lässt sich damit Zeit. Mustert ihn abschätzend und dann sieht er in mein freudestrahlendes Gesicht und stöhnt ergeben. Nach einem kaum sichtbaren Nicken erst setzt sich Yamada langsam und vorsichtig hin, um den bissigen Hund neben ihn nicht aufzuscheuchen.

„Also?“, erinnere ich ihn an meine Frage.

„Äh... ja...“ Er wirft einen schnellen Blick neben sich. Der Wachhund ruht und nimmt einen tiefen Schluck seines Biers. Erleichtert lächelt er mich an und seine Augen leuchten vor Freude. „Ich stehe kurz vor meiner Bachelor Arbeit. Ich studiere aber Neurobiologie. Psychologie habe ich allerdings als Zusatzfach gewählt, weil mich das Menschliche Gehirn in allen Fassetten interessiert. Aber ich bin nicht besonders gut darin. Ein Hirn aufzuschneiden oder Hirnströme zu Messen ist deutlich leichter als es zu ergründen.“ Er plappert ziemlich schnell und selbst der Mann im Mond könnte noch erkennen wie wahnsinnig nervös er ist. „Tsuba hatte gerade seinen Master gemacht, als ich mit dem Studium anfing. Er fiel mir auf, weil er ausnahmslos Platz eins der Bestenliste anführte. Das hat mich sehr beeindruckt.“

„Susu ist ein Genie, er hat sogar einige Klassen übersprungen. Er kann dir sicher Nachhilfe geben.“ BÄM! Morgen ist mein Knie grün und blau. Ich kassiere noch ein paar giftige Blicke. Aber um nichts auf dieser Welt verpasse ich diese Chance. Sollte der Große wirklich mehr als sexuelles Interesse an Susu haben, könnte ihn das von der Straße holen. Hinderlich ist nur, dass er absolut nicht sein Typ ist. Susu mag ältere Männer. Dominantere. Yamada ist ja noch schüchterner als ich. Aber seine Augen verraten ihn. Er hat tatsächlich Herzchen in seinem Blick. Was aus Susus Sicht leider noch ein Minuspunkt ist, für mich aber ein dicker Pluspunkt.

„Vielleicht solltest du nicht mehr so oft hier her kommen und stattdessen lernen. Denkst du ich bemerke das nicht, dass du mir folgst?“

Ertappt senkt er den Blick und spielt erneut nervös mit seinen Fingern. „Ähm... na ja...“ Er wird unterbrochen als der Kellner unser Essen bringt.

„Du hast ja noch gar nichts bestellt Yamada. Was möchtest du denn essen? Ich lade dich ein.“, frage ich nervös. Ich muss versuchen ihn solange wie möglich hier zu behalten, vielleicht weckt er ja doch noch auf irgendeine Art Susus Interesse.

Er fährt sich mit einer Hand durch sein kurzes dunkles Haar, dass nun wie ein gepflügter Acker aussieht und hochstehende Hügel bildet, in den bahnen in denen die Finger lang fuhren. Verlegen schaut er von unten zu mir auf. „Ich... Ich würde mich gerne dafür bedanken, dass ich mich zu euch setzen durfte. Lass mich bitte bezahlen.“

Noch während ich meinen Mund öffne, um zu widersprechen, beugt sich Susu vor. „Hey Hübscher, bring mir den großen Sake und die zwei Jungfrauen hier kriegen noch eine Cola. Für den Kleinen die Nummer sechs. Und wenn du schnell bist gibt es noch ein hübsches Trinkgeld.“ Der Kellner zwinkert Susu wissend zu und geht schnell zum Tresen zurück. Er lehnt sich wieder zurück und beginnt mit neutraler Mine seine Augen über Yamada wandern zu lassen, was uns beide ziemlich nervös werden lässt. „Was ist denn dein Problem mit der Psychologie?“ Auch seine Stimme verrät nichts über sein vorhaben. Will er ihm jetzt wirklich Nachhilfe geben oder nur verarschen? Unsicher schaue ich zwischen den beiden hin und her.

Der Kleine lächelt Susu unsicher an und beginnt erneut seine Fingerkuppen nach einander aufeinander zu Tippen. „Na ja... alles wo es um Fakten oder Studien geht ist kein Problem, aber Personen bezogene Analysen oder gar Sozialpsychologie ist ein riesen Fragezeichen für mich.“

Susu nickt wissend und reibt sich nachdenklich das Kinn. „Behalte immer im Hinterkopf, dass der Mensch ein triebgesteuertes Tier ist. Jedes Handeln hat einen Ursprung der ergründet werden muss, um den Kern des Problems zu finden. Der stärkste Trieb ist die Selbsterhaltung und der Trieb nach Macht. Dazu zählt auch der drang nach Anerkennung, Dominanz über andere, mit anderen Worten...“ Er nimmt sein Bier und schaut ihn direkt an. „Sex.“ Yamada schluckt hart, während Susu sein Bier in einem Zug leert. „Du kannst eine Menge über einen Menschen herausfinden, wenn du ihn fickst.“ Spielerisch gleiten seine Finger über den Rand seines Glases und lässt es singen. Das typische Susu lächeln legt sich auf seine Züge und ich wage es einen Funken Hoffnung zu verspüre. „Selbstverständlich brauchst du das richtige Gespür um selbst kleinste Zeichen zu lesen. So etwas erlernt man nicht einfach so und schon gar nicht, wenn man schüchtern in der Ecke steht und sich verkriecht. Ich gebe dir einen Rat, darfst gerne Mitschreiben.“ Er beugt sich dicht zu ihm. Sehr, sehr dicht. Und ich sehe wie Yamada in seiner nähe verkrampft. „Lass. Es.“ Schwungvoll wirft er sich in seinen Stuhl zurück und verschränkt die Arme vor der Brust. „Das ist nicht deine Welt. Du denkst zu logisch. Bleib bei deiner Neurobiologie und deinen Fakten und Daten. Auch solche Wissenschaftler braucht die Welt, das ist keine Schande.“

„Nein.“, erwidert er tapfer und streckt sich zu voller Größe aus, was vor allem mich ziemlich klein werden lässt. Da ist sie wieder, seine Wirkung auf andere, die einem im ersten Augenblick mit angst erfüllt wenn man ihn sieht, weswegen jeder einen großen Bogen um ihn machte. „Ich gebe nicht auf, denn was ich noch gut kann, außer Daten zu entschlüsseln, ist hartnäckig sein. Ich habe ein Ziel vor Augen das ich erreichen will und das werde ich auch.“ Mit großen Augen sieht Susu seinen Sitznachbarn an. Ihm steht sogar ein wenig der Mund offen. Na gut, mir auch. Wer hätte schon mit dieser Reaktion gerechnet? Eine Wandlung vom Mauerblümchen zu Caesar in einem Wimpernschlag. Als ihm bewusst wird wie er auf uns wirkt, sinkt er wieder verlegen in sich zusammen und schweigt.

Der Kellner kommt nun mit dem Rest der Bestellung. Erst als er uns verlässt ergreife ich nun das Wort. Susus Lieblings Thema könnte die Situation vielleicht noch retten. „Bist du wirklich noch Jungfrau Yamada?“

Deutlich sichtbar färben sich seine Wangen rot. Gut, dass ist kein Thema über das man mit Fremden spricht, aber komm schön Kleiner, lass mich nicht die ganze Arbeit allein machen. Schief lächelt er mich an und gibt einen zustimmenden Laut von sich. „Genau genommen ja. Ich habe es jedenfalls noch nicht bis zum Ende durchgezogen. Das was dem am nächsten kommt, wäre mein Erlebnis mit dem Glory Hole.“

„Was ist das?“, wundere ich mich.

Susu prustet. „Kann ich dir gern zeigen. In der Bar nebenan haben sie eins.“

„In einer Bar?“, abgeneigt rümpfe ich die Nase. „Ich kann auch googeln.“

Sein grinsen wird breiter. „Ich hätte noch ein paar andere Begriffe für dich. Deep throat, Bareback, Fisting.“

„Bondage.“, wirft Yamada ein.

Lachend greift sich Susu den Sake. „Die ruhigsten sind immer die Versautesten.“ Großzügig gießt er ihn in sein Bierglas und etwas in das kleine Schälchen, dass er Yamada zuschiebt. Nervös greift er schnell danach und sie stoßen an. Schwer gelingt es mir ein erfreutes quieken zu unterdrücken. „Also Kleiner, Top oder Button?“

Er keucht ein wenig überrumpelt auf und sieht sich kurz um bevor er leise Antwortet. „Ähm... ich... Ich bin da nicht so festgelegt...“ Angetan kaut Susu auf seiner Unterlippe und lässt erneut seine Augen über ihn wandern. Diesmal nicht so neutral. Ein wenig Mut schöpfend fragt er zurück. „Was war das Verrückteste was du je getan hast?“

Susu schaut mit einem sanften lächeln zu mir herüber. „Den da unter meine Fittiche zu nehmen.“ Sein Blick ruht auf mir, bis er sich besinnt und räuspernd der Nudelsuppe zuwendet. „Und eine Jungfrau um die ich mich kümmere reicht mir. Bin doch keine perverse Organisation für Jungfrauen in geilen Nöten. Das hier ist das letzte mal, dass wir beieinander sitzen. Also nutze die Zeit in Zukunft und lerne wenn du so hohe Ziele hast, statt mir hinterher zu dackeln.“

Eine Weile essen wir schweigend, bis Susus Handy anfängt zu läuten. Ein Blick auf das Display lässt die Farbe in seinem Gesicht entweichen. „Sorry, da muss ich ran gehen.“

Unruhig sehe ich ihm nach, als er zum Telefonieren den Laden verlässt und frage mich, wer auf dieser Welt lässt Susu so erbleichen? „Hey Yamada.“ Geknickt hebt er seinen Blick und zwingt sich ein lächeln auf. Oh man. Ich will ihn in eine dicke Decke rollen und knuddeln. „Schnell. Gib mir deine Handynummer. Ich halt dich auf den laufenden. Ich mag dich und hoffe sehr, dass du ihn doch noch rumkriegst.“ Ich halte ihm beide gedrückte Daumen hoch und grinse breit. Zuerst überrascht, erwidert er mein lächeln dann aber. Wir tauschen Nummern und ich gebe ihm auch noch Susus.

Dieser ist zu schnell wieder bei uns und wirkt gehetzt. „Hey Schatz, wir müssen los.“

„Alles in Ordnung?“, fragen wir gleichermaßen besorgt.

Er schenkt seinem Kleinen nur einen kurzen Blick. „Erzähle ich dir draußen. Komm bitte.“, drängelt er. Kommentarlos lässt er Yamada sitzen und verschwindet wieder nach draußen.

Und wie ich eben so bin drücke ich ihm eine Umarmung zum Abschied auf, die ihn versteifen lässt, es aber hin nimmt. Soll er sich schon mal daran gewöhnen. Wenn mein Plan klappt ist er schließlich auch bald ein Watanabe-Ehrenfamilienmitglied. Mein T-Shirt lang ziehend folge ich Susu raus und sehe ihn auf seinem Handy herumtippen. „Also?“, frage ich erwartungsvoll.

„Ich bring dich kurz zu deinen Freunden. Dauert vielleicht eine Stunde, dann hol ich dich wieder ab.“

Fragend lege ich meinen Kopf schief und ziehe die Augenbrauen hoch. „Warum?“

Unruhig tippt er weiter. „Ich hab...“ Er seufzt. „Da ist ein Typ. Den treffe ich ab und an mal. Er zahlt mir einen Haufen Geld für die Treffen. Davon kann ich gut einen Monat Leben. Ich kann mich aber nur mit ihm treffen wenn er das verlangt. Es tut mir leid Misaki. Wir wollten einen lustigen Abend haben und nun das. Aber ich muss zu ihm. Ich brauch das Geld.“

Ich zwinge mir ein lächeln auf, aber so wie Susu mich ansieht merkt er das es nicht ernst gemeint ist. Ich meine, ich kann es verstehen, aber ich kann es auch nicht verstehen. Susu braucht das Geld, aber auf diese Art? Er ist so viel mehr Wert. Gott, dass muss unbedingt klappen mit ihm und dem kleinen Yamada. „Schon gut. Dann sehe ich die beiden wenigstens noch mal. Bis Montag dauert es noch so furchtbar lange.“

Ein belustigter Ton entweicht seinen Lippen. „Dich hat es ganz schön erwischt.“

Erschrocken sehe ich mich um und ziehe das T-Shirt lang. „Was hat mich erwischt? Ist da so ein Perverser mit Kamera?“

„Tu mir einen gefallen.“, sanft lächelt er mich an und nimmt mich in den Arm. Ich bekomme sogar einen Kuss auf die Schläfe gedrückt. „Google die Wörter nicht. Google gar nichts. Lass dich überraschen und behalte deine erfrischende Naivität. Genau so liebe ich dich Misaki. Glaub mir, ich brauche dich mindestens genau so sehr wie du mich.“

„Ich liebe dich auch Susu.“

 

Staunend starre ich die Anzeige über dem Eingang des Host Clubs an, auf dem die Fotos der Host zu sehen sind, die deutlich übertrieben gephotoshopt wurden. Außer Harunos, der sieht wirklich so umwerfend aus.

„Ich ruf dich an wenn ich wieder hier bin.“, bestätigt er mir noch mal während wir uns dem angsteinflößendem Türsteher nähern.

Breit baut er sich vor uns auf und ich mutiere zu einer winzigen Maus. „Nur für Frauen.“, grunzt er uns an.

Susu erhebt ergebend die Hände und grinst breit. „Schon gut Kumpel. Wollte meine Freundin nur sicher her bringen.“ Susu wendet sich mir zu und tätschelt mir die Schultern. „Bis später Süße. Viel Spaß.“

Unsicher sehe ich den knapp behaarten großen Mann an und schaffe es nicht mich zu rühren. „Was ist Kleine? Die Jungs warten auf dich.“, sagt er monoton. Den Satz sagt er wohl öfter. Starr und steif ruckle ich an ihm vorbei und schaue zu Susu zurück, der sich lachend davon macht.

Mir schlägt das Herz bis zum Hals, als ich in den Eingang trete, an dem mich freie Host begrüßen. Freundlich winke ich ab und gehe tiefer hinein. Ich fasse es nicht. Ich bin drin. In einen Laden nur für Frauen.

 

Staunend sehe ich mich um. Gigantische Kronleuchter aus Glas hängen über großen kreisrunden dunklen Tischen, um die sich bequem gepolsterte dunkelrote Sitzbänke reihen, hinter denen wiederum Sichtschutze auf Augenhöhe angebracht sind, damit die jungen Frauen sich unbeobachtet fühlen und es klappt. Im ersten Moment kann ich niemanden sehen, erst als ich an einigen vorbei laufe, sehe ich kleine bis größere Gruppen von Frauen mit einem oder mehr Host die dazwischen sitzen. Die Tische voll von Gläsern und Finger Food. Die Stimmung ist an jedem Tisch ausgelassen und ich höre viel Gelächter. Der dunkle samtig schimmernde Boden sieht gepflegt aus und die Wände, sowohl der Sichtschutz, waren mit grau silbernen Damast Muster Tapeten veredelt und alles hier schreit nach edel, geschmackvoll und wahnsinnig Teuer. Ich fühle mich einfach nur fehl am Platz mit meiner zerschnittenen Shorts und dem zu großen T-Shirt, mit dem kitschigen Einhorn. Ich passe hier genau so wenig hin, wie ein Haar in der Suppe.

Unwohl grabe ich meine Finger in den Saum des T-Shirts. Und dann sehe ich ihn und alles andere ist unwichtig. Mein Herz setzt einen Schlag aus und je näher ich komme desto mehr galoppiert es in mir, dass es klingt wie ein Pferderennen nach dem Startschuss.

An einen langen dunklen Tresen, an den eine handvoll Frauen sitzen und er einen gewaltig großen Spiegel im Rücken hat, sehe ich ihn sowohl von vorn, als auch von hinten. Ein langärmliges Knopfhemd mit schmaler schwarzer Krawatte, farblich passender Weste, einem weißen Einstecktuch und einer engen schwarzen Stoffhose macht seine Arbeitskleidung aus. Nur noch ein Jackett und er sieht aus wie der perfekte Bräutigam. Die Haare lässig zurück gestylt, dass seine wunderschönen panthergleichen Augen für jeden sichtbar sind. Ich verharre und sauge diesen Anblick in mir auf. Er richtet gerade ein Tablett mit verschiedenen Cocktails an. Beim schütteln des Shakers tänzelt ihn eine einzelne dünne Haarsträhne vor den Augen. Sein Hemd spannt sich beim schütteln um seine Arme und zum ersten Mal fällt mir auf, wie groß der Umfang seiner Oberarme ist. Ich schlucke schwer und zwinge mich ruhig zu atmen während ich die letzten Schritte überwinde. „Willkommen Madame, was darf es sein?“ Er klingt genau wie der Türsteher.

„Ich glaube nicht, dass ich mir hier irgendetwas leisten kann.“, feixe ich unsicher.

Stutzig sieht er auf und erstarrt augenblicklich. Sein Mund steht einen Spaltbreit offen, als seine Augen bis zu einem gewissen Grad über mich gleiten. „Shiba?“ Hektisch blinzelnd hebt er seinen Blick. „W-was machst du hier? Ist was passiert?“

Ich setze mich auf einen der Barhocker und schaue in die Runde. „Nein, alles gut. Mommy hat ein Sexdate und nun habt ihr die Aufsichtspflicht.“

„Er lässt dich einfach sitzen?“ Er wirkt fast geschockt.

Schnell hebe ich abwehrend die Hände. „Nein, nein, nein. Er hat mich sicher her gebracht und holt mich gleich wieder ab wenn er fertig ist. Ist eine Ausnahme. Ist auch nicht schlimm, nur schade, dass ich meine neue Bekanntschaft nicht weiter vertiefen konnte.“

Ungläubig starrt er mich an und lässt den Shaker sinken. „Du hast jemanden kennen gelernt?“

„Ja.“, bestätige ich euphorisch. „Er ist super niedlich und Susu nennt ihn Kleiner. Wenn du ihn siehst wirst du darüber lachen.“

„Ihr trefft euch wieder?“

„Ich hoffe es doch. Es passt so gut zu Susu. Er ist meine, im wahrsten sinne des Wortes, große Hoffnung auf Susus Rettung.“

Sein Gesicht versinkt in seiner Hand und ein ächzendes stöhnen ertönt. „Für... ihn...“

So liebenswürdig wie ich kann klimpere ich mit den Wimpern und zieh ein Schnütchen, dass das kleine Mädchen in mir blass vor Neid wird. „Was soll ich denn mit einem Kerl, wenn ich Holde Maid bereits zwei hinreißende Ritter habe die mich beschützen?“ Ich glaube Susus verhalten färbt langsam auf mich ab. Er senkt seinen Blick, aber ich sehe ihn dennoch. Mein Herz reitet Rodeo, als ich sehe wie rot er wird. Diesmal kann er sich nicht hinter seinem Zottelponny verstecken und ich muss zugeben, dass mir das ziemlich gut gefällt.

„Möchtest du etwas trinken?“, nuschelt er verlegen.

„Nein, lieber nicht.“, meine ich und werfe einen Blick auf die Preise. Allein für ein Glas Wasser hier, bekomme ich in der Hippen Ramen Bar die XXL Suppe.

Er stellt mir ein Glas hin und gießt Ginger Ale ein. „Geht aufs Haus.“ Schmunzelnd drehe ich das kalte Glas in meiner Hand und bedanke mich. „Ist dir kalt? Ich habe noch ein Ersatzhemd im Spind.“ Kalt ist mir nicht, aber es wäre erleichternd dieses kitschige Einhorn verstecken zu können und zumindest im Ansatz, dass ich hier nichts zu suchen habe. So nicke ich ihm zu und er sputet sich. Schnell ist er wieder bei mir und hält mir das weiße Knopfhemd hin, dass ich nur noch hinein steigen muss.

Ich springe auf und schlüpfe hinein. Im Spiegel sehe ich Shiba, wie er leicht gebeugt an mir hinab stiert. „Schaust du mir gerade auf den Arsch?“

Ruckartig richtet er sich wieder auf. „Ich mach dann mal weiter. Viel zu tun.“, redet er sich raus mit rauer Stimme und erneut hochrotem Kopf. Hinter dem Tresen beginnt er wieder die Flaschen zu wirbeln. „Wie ist der Typ so mit den du Subaru verkuppeln willst?“ Wissend grinse ich vor mich hin. Pure Ablenkung. Doch ich erzähle ihm begeistert von Masuyo Yamada dem angehenden Neurobiologen und meinem Funken Hoffnung der noch nicht erlöschen ist.

 

Shiba hat viel zu tun, dennoch hört er zu und stellt sogar Fragen. Ich staune, dass er das alles schafft. Er ist nicht der einzige Barkeeper, aber der Laden ist mittlerweile richtig voll und sie sind alle am wirbeln.

Ich kann es nicht lassen und schaue immer wieder in diesen riesigen Spiegel hinter Shiba, der mir einen tollen blick auf seinen Hintern bietet. Hey, Auge um Auge, Arsch um Arsch. Er hat auch geguckt. Die schwarze Stoffhose umspannt seinen Hintern immer so lecker wenn er sich bückt um eine Flasche unter dem Tresen hervor zu ziehen. Er ist nicht rund und prall, hat aber diese schöne kantige Form die zu seinen Hüften passt. Ich wette er hat Grübchen auf seinen Arschbacken. Ich ertappe mich immer häufiger dabei mir vorzustellen wie er nackt aussieht. Bei den Gedanken wie sein Körper geformt sein muss, bei dem ganzen Sport den er treibt, werde ich schon wieder ganz kribbelig.

Doch nach zwei Stunden klingelt endlich mein Handy und erlöst mich aus dieser wundervollen Hölle. Ich gebe Shiba sein Hemd zurück, verabschiede mich hastig und beim raus gehen, werfe ich einen vorsichtigen Blick zurück und ertappe ihn dabei wie seine Augen auf meinen Hintern haften.

 

Gut gelaunt trete ich aus dem Laden heraus auf die Straße. Die schwüle Hitze ist einer lauen Sommernacht gewichen. Der Türsteher verabschiedet mich mit einem monotonen Spruch, von dem er sicher in seinen Albträumen verfolgt wird und erreiche Susu der mit dem Rücken zu mir steht und auf seinem Handy herum tippt. „Du hast dem Kleinen meine Nummer gegeben.“ Das war definitiv eine Feststellung, keine Frage. Der hat sich aber schnell gemeldet.

„Ups,... sorry.“, erwidere ich nicht ganz ernst gemeint und grinse.

Brummelig steckt er das Handy weg. „Ich verzeihe dir.“, gibt er gehässig von sich. „Aber lass das in Zukunft. Meine Nummer kriegt nicht jeder.“ Sein blick bleibt gesenkt als er nervös seine Sachen richtet. „Wie war es im Reich der Heten?“

„Teuer, protzig und äußerst appetitlich.“, kicher ich in Erinnerung an des Panthers Hintern. „Haruno habe ich nicht gesehen, der war sicher umringt von all den Mädels die er in der Schule nicht an sich heran lässt. Aber ich hatte viel Spaß mit Shiba.“ Aufgekratzt klatsche ich in die Hände. „Also, wollen wir deinen Kleinen suchen und zusammen durch die Szene schlendern?“

„Du kannst ja gerne seinen Yoda spielen, aber ich will ihn nicht sehen.“

„Ach komm, er ist doch total niedlich. Und Hey, wenn ich Yoda bin, bist du-“ Stutzig bleibt mein Blick an ihm haften. „Alles okay?“, frage ich unsicher. Er hat mich noch nicht einmal angegrinst, geschweige überhaupt mal angesehen.

„Bisschen müde. Wie wäre es mit Tanzen? Da werde ich sicher munter.“ Wieder dreht er sich von mir ab.

Angespannt vibrieren meine Nervenenden, dass selbst mein inneres rotes Lämpchen sich meldet. „Hey, schau mich mal an.“

„Lass uns los. Die vielen Heten machen mich ganz nervös.“, ächzt er genervt.

„Verdammt Susu!“, werde ich lauter und ziehe ihm ruppig am Arm und erstarre. „Was zum... Scheiße Susu... War das der Typ mit dem du dich getroffen hast?“ Ich hebe sein Kinn, bis ihm das Licht der Straßenbeleuchtung ins Gesicht fällt und erkenne das volle Ausmaß. Sein linkes Auge ist komplett zugeschwollen. Eine unschöne Verfärbung beginnt sich auf der anderen Seite auf seinem angeschwollenen Wangenknochen zu bilden. Unter seiner Nase und am Mundwinkel kleben noch bröckelige Blutreste. Sein Hals. „Sind das Würgemale?“, keuche ich überfordert. Er entzieht sich meiner Berührung. „Wer war das? Wie heißt der Typ? Wir gehen sofort zur Polizei.“

„Lass gut sein. Gehen wir lieber ein trinken. Ich brauch ein Bier. Ich lade dich ein.“

„Scheiße, von dem Geld will ich keinen Yen. Wie kannst du nur so etwas mit dir machen lassen? Wer ist der Bastard?“

„Das geht dich nichts an.“, schreit er ungehalten und bringt mich ins taumeln.

Das rauschen in meinen Ohren lässt mich einen Moment taub zurück. Ich weiß nicht ob mein Blut noch in mir fließt, ich weiß nicht ob ich überhaupt noch atme, ob ich tatsächlich gerade hier stehe. Es ist als hätte er mir den Boden unter den Füßen weggerissen. „Es geht mich nichts an?“, echoe ich entsetzt. „Wie kannst du das sagen? Wir sind Freunde. Verdammt, du sagst selbst du bist ein Watanabe-Ehrenfamilienmitglied. Ich sage dir alles.“

„Aber du musst nicht alles über mich wissen. Jetzt komm. Ich will hier weg.“

„Fick dich!“

Ruckhaft hebt er seinen Blick und sieht mich überrascht an mit seinem zerdellten Gesicht. „Hey, komm. Ist doch halb so wild. Tut nicht mal weh.“, versucht er mich zu beruhigen mit einem schiefen lächeln und streichelt über meinen Arm.

Ich schlage sie weg. „Fass mich nicht an.“, krächze ich mit zitternder Stimme. Mein Hals schnürt mir die Luft ab, dass mir schwindelig wird. Tränen brennen in meinen Augen. Ich muss hier weg. Ich ertrage seine Anwesenheit nicht länger. Wackelig weiche ich die ersten Schritte zurück.

Panik spiegelt sich in seinen Augen wieder. Vorsichtig reicht er mir eine Hand, als würde er mich vor dem Sturz in den Abgrund bewahren wollen, aber ich stürze bereits. „Hey, ganz ruhig Schatz.“ Hastig überlegt er jedes weitere Wort. „Wie wäre es, ...wenn wir diesen... äh... Yamada suchen und tanzen gehen? Er zappelt sicher wie ein Fisch auf dem trockenen. Würde dir das gefallen?“ Nervös versucht er sich an einem lächeln.

Ich sehe auf seine Hand und auf die tiefen Striemen um seine Handgelenke. Eiskalt steigt die Galle in mir auf und ein würgen überkommt mich. Geh weg! Kommentarlos wende ich mich ab von ihm und eile zurück in den Host Club.

„Misaki!“, höre ich ihn hektisch hinter mir rufen. Ich drehe mich nicht um.

„Hey, nur für Frauen.“, mault ihn der Türsteher an.

„Verpiss dich!“, faucht er zurück. „Misaki, bitte. Lass uns reden.“

Ich verschwinde im inneren des Clubs und höre nichts mehr von draußen. Meine Beine geben unter mir nach und ich breche auf meinen Knien zusammen. Tränen laufen über meine Wangen und ein schluchzen lässt meinen Körper erbeben.

Zu spät Susu, du hast mehr als genug gesagt.

 

Ende von Teil 14



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück