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Schmetterlingsprinz

von

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Die Zeremonie

Kapitel 2: Die Zeremonie

 

Eilig hastete ein Paar nackter Füße über den mit Magie gewärmten Steinboden. Ein blassviolettes Gewand schwang um die bleichen Beine und wehte im Wind, als die Person weiter auf der Suche durch die vielen Gänge des Schlosses hetzte. Eine Junge, an der Grenze zum Mann, rannte fast durch die Gänge auf der Suche nach seinem Bruder väterlicherseits. Die junge Fee war aufgeregt und jeder konnte ihm dies ansehen und sprang sofort aus dem Weg, als er drohte sie umzurennen. Keiner hatte Lust darauf von ihm angebrüllt zu werden, auch wenn es sein Fehler gewesen wäre. Die junge Fee war für sein Temperament bekannt und durch das lange, blonde Haar, das im richtigen Licht wie Gold schimmerte, war er gut zu erkennen.

 

Als junge Fee hatte er noch keine Flügel, weswegen er laufen musste, obwohl fliegen viel schneller gewesen wäre. Aber man musste eben nutzen was man zur Verfügung hatte und das waren für ihn seine Beine. Aber seine Flügel waren das, was ihn antrieb nach seinem Halbbruder zu suchen. Er konnte sich denken, wo er ihn finden konnte, also steuerte er dessen Lieblingsplatz im Garten an. Den Platz, den er eigentlich immer mit ihm aufgesucht und den die junge Fee seit Wochen nicht mehr besucht hatte, außer er wollte seinen Bruder finden. Seit sein älterer Bruder verlobt war, drehte sich alles nur noch um dessen Verlobten und die junge Fee kam deswegen zu kurz. Schon lange hatte er den Frieden des Gartens nicht mehr mit seinem Bruder genossen, Tee und Kuchen dort zu sich genommen oder einfach nur für die Schule gelernt. Die Einsamkeit war seitdem sein ständiger Begleiter, denn Freunde hatte er keine. Niemand kam wirklich mit seinem Charakter zurecht und er sah auch nicht ein wieso er sich ändern sollte. Er war einfach der, der er war und er wollte sich nicht verstellen und einfach nur so gemocht werden wie er war.

 

Doch nun gab es nichts, das ihn von seinem Bruder fernhalten konnte. Yuri Plisetsky war sauer und hatte seinem Bruder, Viktor Nikiforov, etwas Wichtiges zu sagen. Mittlerweile reichte es ihm so ignoriert zu werden, nur weil Viktor noch jemanden in sein Leben gelassen hatte. Yuri hielt ein Stück Pergament in seinen Händen, das er vor Wut zerknüllt hatte, es aber sicherlich nicht wegwerfen wollte. Irgendwann erreichte er den ruhigen Platz im Garten, der nur ihm und Viktor gehört hatte, aber der nun von einem weiteren Yuri aufgesucht wurde und den blonden Jungen verdrängt hatte. Gewollt oder nicht. Yuuri Katsuki war ihm ein Dorn im Auge und er machte dies jeden Tag klar, wenn sie sich über den Weg liefen. Was immer seltener wurde, da Yuri es einfach nicht mehr ertrug, so überflüssig geworden zu sein.

 

„Viktor!“, brüllte Yuri durch den Garten und schreckte einige Vögel auf, die in den nahestehenden Bäumen gesessen und ihr Lied gesungen hatten.

 

Yuri verengte wütend seine Augen als er seinen Bruder sah, wie er Katsuki fast verschlingen wollte und sich einen Dreck um den Dazugekommenen scherte. Aber zumindest hatte Katsuki so viel Anstand die Fee mit dem langen, silbernen Haar wegzudrücken und wurde rot. Yuri fragte sich eh, was sein Bruder an Katsuki fand. Im Gegensatz zu den meisten Feen, sah er einfach nur langweilig aus, mit seinen kurzen schwarzen Haaren und den braunen Augen. Selbst seine Flügel waren in Yuris Auge nichts Besonderes. Das mitternachtsdunkle Blau seiner Mottenflügel war zwar schon selten, aber Yuri wollte nichts Besonderes in ihnen sehen. Immerhin war Katsuki auch nur zur Hälfte eine Fee, weswegen ihm ein spezieller Glanz fehlte, den Vollblütler hatte. Es war eh ein Wunder, dass er als Halbblut im Palast leben durfte. Aber als Prinz hatte Viktor ihren Vater überzeugen können, Katsuki hier leben zu lassen. Immerhin schien Viktor der Einzige zu sein, der etwas in seinem Verlobten sah, was den meisten anderen Feen entging. Viktor mit seinem langen, silbernen Haar, den blauen Augen und den eisblauen Liebellenflügeln war schon optisch ein Kontrast zu der Halbfee.

 

„Viktor!“, schrie Yuri noch einmal und diesmal reagierte sein Halbbruder auf ihn und sah ihn an, als wäre er nicht gerade dabei gewesen im Garten mit seinem Verlobten intim zu werden.

 

„Yuri! Wie schön dich zu sehen!“, meinte er fröhlich und zog Katsuki an sich, der vor Scham etwas Abstand zwischen sie beiden bringen wollte.

 

„Wo warst du heute?!“, fragte Yuri, auch wenn er deutlich sehen konnte, wo sich sein Bruder rumgetrieben hatte.

 

„Na hier. Wieso?“, wollte Viktor wissen und legte den Kopf etwas zur Seite.

 

„Hast du vergessen was heute war?“ Yuri sah seinen Bruder mit seinen grünen Augen an und wenn er gewollt hätte, hätte er ihn mit seinem Blick verwünschen können.

 

„Heute? War etwas Besonderes?“ Katsuki sog erschrocken die Luft ein, als ihm einzufallen schien was gewesen war und wollte Viktor sagen, was er vergessen hatte. Ihm war ganz und gar nicht der Schmerz entgangen, der in einem Sekundenbruchteil in den grünen Augen der noch flügellosen Fee zu sehen gewesen war, ehe Wut das Grün wieder überschattete.

 

„Heute war meine Abschlussprüfung!“, schrie Yuri wieder und hielt das Stück Pergament vor Viktors Nase. „Du hast versprochen bei der Zeremonie anwesend zu sein!“

 

„Oh.“ Mehr sagte Viktor nicht, als er das Pergament in die Hand nahm und versuchte es glatt zu streichen. Er hatte die Übergabe der Diplome tatsächlich vergessen.

 

„Tut mir leid, kleiner Bruder! Aber Glückwunsch zum Bestehen! Jetzt dauerte es icht mehr lange und du darfst fliegen!“ jubelte Viktor und strahlte seinen Bruder an. Katsuki zupfte an seiner Robe, da er ihm etwas sagen wollte. Immerhin hatte die Halbfee mehr Hirn als sein Bruder, der ganz und gar nicht zu kapieren schien, worum es eigentlich ging.

 

Yuri sah seinen Bruder sprachlos an. Ihm entging wirklich, worum es eigentlich ging und vor Wut fehlten Yuri einfach nur die Worte. Er öffnete und schloss seinen Mund und sah dabei aus wie ein Fisch. Hätte er irgendetwas in der Hand gehabt, das er hätte werfen können, dann hätte das Etwas Bekanntschaft mit Viktors Kopf gemacht.

 

„Darum geht es doch gar nicht! Aaaargh!“, machte Yuri seiner Wut Ausdruck und Viktor hatte danach den Schneid doch etwas schuldig auszuschauen.

 

„Weißt du denn zumindest was Morgen ist?“, hackte Yuri nach und versuchte seinen Frust herunterzuschlucken. Mit einem stechenden Blick Richtung Katsuki bedeutete er ihm seinen Mund zu halten und Viktor selbst überlegen zu lassen.

 

„Ähm…“ Das sagte Yuri mehr als tausend Worte es tun könnten.

 

„Morgen ist die Zeremonie der Flügel! Ich bekomme meine Markierungen! Da wirst du doch anwesend sein und mich nicht schon wieder vergessen?“, erinnerte er seinen Bruder und stichelte etwas an seiner Vergesslichkeit, in der Hoffnung ihm ein schlechtes Gewissen zu machen.

 

Die Zeremonie der Flügel war um einiges wichtiger, als die Übergabe der Diplome. Jede Jungfee bekam nach Bestehen der Abschlussprüfungen ihre Markierungen auf den Rücken, der die Flügel dazu veranlasste, innerhalb des nächsten Jahres zu wachsen. Die Flügel konnten auch ohne die Markierungen wachsen, doch dies dauerte viel länger als mit. Katsuki war das lebende Beispiel. Als Halbfee hatte er nie das Recht gehabt im Schloss zu studieren und somit die Prüfungen abschließen zu können. Und so hatte er nie die Markierungen erhalten und seine Flügel waren nun knapp zwei Jahre alt. Seit die Technik der Markierungen jedoch entwickelt worden war, hatte man die Zeremonie der Flügel eingeführt und jüngere Feen konnten ihre Flügel erhalten. Die Markierungen beschleunigten das Wachsen der Flügel, aber es hing immer noch individuell von der Fee ab. Es konnte Tage oder gar Monate dauern, aber nie länger als ein Jahr. Nur die wenigsten Feen beherrschten diese Magie, da sie sehr schwer zu erlernen war. Diese Zeremonie war deswegen schnell das Wichtigste für die Jüngeren geworden und Yuri war keine Ausnahme.

 

„Die Markierungen! Na klar werde ich da sein! Versprochen!“, trällerte Viktor gut gelaunt.

 

„So wie du versprochen hast heute anwesend zu sein?“, stocherte Yuri zurück und Viktor hüstelte etwas ertappt.

 

„Ich glaube dir erst, wenn du morgen da bist oder wieder einfach nur daran denkst den Halbelfen zu betten“, zischte Yuri etwas verbittert.

 

Diesmal versteckte er seine Verbitterung nicht hinter seinem Zorn sondern zeigte sie ganz offen, was Viktor etwas stoppte. Man sah dem älteren Bruder an, dass er etwas sagen wollte, doch Yuri ließ ihm nicht die Chance, sondern nahm sein Diplom wieder an sich und wandte sich um, um zu gehen. Bevor er den Garten ganz verließ, fiel ihm noch etwas ein und er drehte sich wieder um. Sein Blick galt nun Katsuki, der etwas zusammenzuckte.

 

„Such dir einen eigenen Platz im Garten. Der hier gehört Viktor und mir. Du hast hier nichts verloren.“  Danach war er verschwunden und ließ einen nachdenklichen und einen verwirrten Erwachsenen zurück.

 

„Was meint er damit, Yuuri?“

 

 

 

 

In seinem Zimmer legte Yuri sein Diplom sorgfältig auf seinen Schreibtisch, der von Büchern nur so überquoll. Die Knicke im Pergament waren noch immer zu sehen, was ihn nun bereuen ließ, es so zerknittert zu haben. Er versuchte es selbst noch einmal glatt zu streichen. Wenn seine ehemaligen Lehrer dies sehen würden, dann würden sie nur wieder mit ihm schimpfen. Und vor einigen hatte er sogar vielleicht Respekt. Als das Glattstreichen nichts half, fiel sein Blick auf den Stapel Bücher. Dicke, schwere Bücher. Er würde es mal damit versuchen, das Pergament unter dem Gewicht glatt zu kriegen und wenn das nichts half, würde er seine Magie einsetzen.

 

Als das Pergament unter dicken, schweren Büchern begraben war, sah es schon etwas ordentlicher auf dem Schreibtisch aus und Yuri wandte sich seinem Bett zu, um sich müde drauf zu werfen. Doch kurz vor einem herzhaften Sprung hielt er inne. Das Gewand für die anstehende Zeremonie war auf sein Zimmer gebracht worden und mit glänzenden Augen ging er darauf zu. Er glitt mit seinen Fingern über den sehr feinen Stoff und hielt ihn hoch. Das Grün des Stoffes, war genau das Grün seiner Augen und die Gewänder der anderen Feen würden ebenfalls deren Augen widerspiegeln. Die Rückenpartie des Gewandes war frei, damit sein Rücken nackt blieb und so die Markierungen sichtbarer sein würden. Ab dem nächsten Tag würde seine Garderobe immer Rückenfrei sein, da er jeden Tag mit seinen Flügeln rechnen konnte, und wenn sie wuchsen, würden sie seine Kleidung nicht zerreißen. Wenn sie dann da sind, dann konnte er seine Garderobe wieder etwas geschlossener tragen, außer er riskierte den Verlust eines Gewandes.

 

Yuri bewunderte das leichte Gewand noch eine Weile bevor er es sorgfältig an seine Schranktür hing, damit es nicht knitterte. Für die Zeremonie wollte er alles perfekt haben. Er überlegte sich schon länger wie er sich frisieren sollte. Am besten etwas, das seinen Rücken freihielt, als musste er seine langen Haare hochstecken. Vielleicht fragte er seine Halbschwester Mila Babicheva, ob sie ihm half. Sie war auch die Einzige seiner Geschwister gewesen, die für die Abschlussprüfung anwesend gewesen war. Dabei wäre Viktor ihm wichtiger gewesen, da sie sich dann doch etwas näherstanden. Oder gestanden haben.

 

Er hatte dank seines Vaters – der verliebt in die Liebe war – einige Halbgeschwister. Viktor war der älteste Sohn des Königs und würde irgendwann einmal den Thron einnehmen und Yuri war der jüngste Sohn. Nach ihm war kein weiteres Kind des Königs mehr geboren worden. Nach dem Tod seiner Mutter hatte der König keine weitere Frau mehr gewollt und es ging das Gerücht rum, dass er Yuris Mutter wirklich geliebt hatte und sie so oder so die Letzte Frau für ihn gewesen wäre. Dadurch wurde Yuri etwas vom König favorisiert und seine Geschwister hatten ihn schon als kleines Kind gemieden. Ausser Viktor. Er hatte sich seines jüngsten Bruders angenommen und sich nach dem Tod der Mutter um ihn gekümmert, als der König zu sehr in Trauer gewesen war. Viktor hatte Yuri einmal gebeichtet, dass Yuris Mutter, die Frau war, die Viktor am meisten von seinen Stiefmüttern gemocht hatte. Nach Viktor ließen sich dann nur noch seine Halbschwester Mila und sein anderer Halbbruder Georgi Popovic auf das jüngste Mitglied ihrer Familie ein. Aber mit ihnen was das Verhältnis nicht so eng wie mit Viktor.

 

Yuri hoffte wirklich, dass sein Bruder diesmal sein Versprechen halten würde. In den letzten Monaten hatte er so viele gebrochen, dass er eigentlich nicht mehr hoffen sollte, um nicht noch mehr von ihm verletzt zu werden und doch konnte er nicht anders. Er hatte seinen Grund, weswegen er Katsuki hasste.

 

„Idiot“, schimpfte er sich selbst aus, als er sich endlich auf sein Bett fallen ließ.

 

Er griff nach seinem Kissen und drückte es haltsuchend an sich und versuchte nicht weiter über seine Einsamkeit nachzudenken. Irgendwann kam sein Kater in sein Zimmer und kuschelte sich an ihn. Als Yuri ihn am Kinn kraulte, konnte man das Schnurren im ganzen Zimmer hören und ein kleines, seltenes Lächeln schlich sich auf Yuris Gesicht.

 

„Du wirst immer bei mir bleiben, nicht wahr? Potya?“, fragte er das Tier und bekam nur ein Schnurren zur Antwort, das er als ‚Ja‘ deutete.

 

Der Kater war ein Geschenk von seinem Großvater gewesen, der sich bis heute weigerte im Schloss zu leben, besonders als seine Tochter verstarb. Wäre Viktor nicht gewesen, dann hätte Yuri seinen Vater angebettelt, ihn zu seinem Großvater zu geben, damit er nicht mehr die kalte Schulter und die ganzen Gemeinheiten seiner Halbgeschwister ertragen musste. Aber dank Viktor brauchte er dem alten Mann nicht zur Last zu fallen, der lieber im Wald – weit weg von der Sicherheit des Schlosses - lebte und ihm den Kater geschenkt hatte, damit Yuri etwas von ihm bei sich haben konnte.

 

Nach einigen Stunden machte sich Yuri bettfertig und kuschelte sich unter seine Decke. Das Abendessen hatte er ausfallen lassen, da er Viktor und dessen Verlobten nicht sehen wollte, und die Köchin hatte ihm sein Essen aufs Zimmer schicken lassen. Da Yuri sich als einziger der Prinzen fürs Kochen interessierte, fand man ihn manchmal in der Küche wo er der Köchin zuschaute, und die ältere Frau hatte den Jungen schnell in ihr Herz geschlossen, auch wenn er laut werden konnte und oft vor sich her schimpfte. Deswegen fiel ihr immer auf, wenn ihr Lieblingsprinz bei den Familienessen fehlte und sorgte dafür, dass er immer etwas im Magen hatte. Die anderen Prinzen und Prinzessinnen wurden von ihr ignoriert außer ihr kam zu Ohren, dass sie krank waren. Manchmal bekam er sogar extra Dessert zugesteckt, von dem niemand wusste. Als Dank war Yuri zu der Köchin weniger gemein als zu anderen.

 

Eingekuschelt in sein Bett überkam die junge Fee langsam die Müdigkeit und mit einer Handbewegung losch er die Lichter in seinem Zimmer. Magie konnte schon praktisch sein, wenn man zu müde war, um noch einmal aufzustehen. Oft tat er dies nicht, da er als er noch Schüler war, seine Energie nicht sinnlos verwenden wollte und er für bestimmte Zaubereien sehr viel brauchte. Potya kuschelte sich für die Nacht wieder an sein Herrchen und bald schliefen die beiden gemeinsam ein.

 

 

 

Der nächste Morgen verging hektisch und wie im Flug. Yuri war sehr früh auf den Beinen und bereitete sich auf die bevorstehende Zeremonie vor und als er nur noch seine Haare hochstecken musste, ging er zum Zimmer seiner Halbschwester und jagte sie aus ihrem Bett. Natürlich zeterte sie einige Minuten lang, doch als sie sah, wie aufgeregt ihr Bruder war, half sie ihm mit den Haaren. Yuri beschwerte sich zwar immer, dass sie zu brutal mit seinen Haaren umging, aber insgeheim liebte er es, wenn sie oder besonders Viktor früher daran herumzupfte und ihn frisierten. Jedoch waren diese Momente mit Viktor seltener geworden und Mila hatte nicht so oft Lust, sich um die goldenen Haare zu kümmern. Das frisieren beruhigte Yuri etwas und er blieb eine Weile bei seiner Schwester und zankte ein wenig mit ihr bis es Zeit zur Zeremonie war.

 

Yuri versammelte sich mit den anderen Jungfeen im Hof des Schlosses, wo bereits seine nun ehemaligen Lehrer standen. Sein Vater, der König, war ebenfalls anwesend und redete mit dem Zeremonienmeister und Lilia Baranovskaya. Lilia war die Fee, die die Kunst der Markierung beherrschte und sie an diesem Tage durchführen würde. Sie war ebenfalls eine Lehrerin und die strengste von allen gewesen. Sie drillte ihre Schüler immer wieder auf Perfektion und Yuri war trotz ihrer Nörgeleien ihr Lieblingsschüler gewesen. Ihr gegenüber wagte er es nicht so oft respektlos zu werden und sie war es von allen Lehrern, die den jungen Prinzen am Besten im Griff hatte.

 

Yuris Mitschüler unterhielten sich aufgeregt untereinander und verglichen ihre Roben miteinander. Da jeder eine andere Farbe hatte, waren sie alle zusammen ein bunter Haufen; farbenprächtiger als es ein Regenbogen jemals sein konnte. Yuri unterhielt sich mit keinem von ihnen. Von Anfang an wurde er von ihnen gemieden und beneidet wegen seines Talentes in allen Fächern. Aber Yuri war es immer egal gewesen. Er hatte seinen Bruder gehabt. Jenen Bruder, den er nun unter den Zuschauern suchte. Es kamen immer viele Feen zur Zeremonie zusammen, um zu beobachten wie die Jungfeen einen Schritt weiter ins Erwachsenwerden taten. Doch der silberne Schopf seines Bruders war nirgends zu sehen. Der junge Prinz biss sich nervös auf die Lippen und hoffte, darauf, dass er ihn nur nicht sah und dass sein Bruder aber anwesend war und zusehen würde. Er hoffte es wirklich sehr, doch sein Verstand sagte ihm, dass Viktor es wieder einmal vergessen hatte oder ihn schlichtweg nicht interessierte.

 

In der Menge konnte er Mila und Georgi sehen, die ihn ansahen und anlächelten. Yuri zog wie immer ein böses Gesicht, doch er war insgeheim froh, dass zumindest sie anwesend waren. Da sein Großvater so weit weg lebte, konnte er nicht anwesend sein, aber Yuri hatte vor seinen Vater zu fragen, ob er den alten Mann besuchen gehen könnte. Er wollte sich noch weiterumsehen, als der König um die Aufmerksamkeit aller bat und dem Zeremonienmeister dann das Wort überließ. Yuri richtete mit den anderen Jungfeen seine Aufmerksamkeit auf ihn oder versuchte es zumindest. Er bekam nicht wirklich mit was die alte Fee sagte, doch er stellte sich mit den anderen Schülern brav auf, als die Markierungen vollzogen wurden. Die Markierungen sahen bei jedem unterschiedlich aus und je näher sein Moment rückte, desto aufgeregter wurde Yuri.

 

Als Lilia endlich vor ihm stand lächelte sie ihn doch tatsächlich an und Yuri konnte nicht anders als zurückzulächeln. Er drehte ihr den nackten Rücken zu und sie legte ihre langen Finger auf die freie Stelle. Sofort spürte er die Magie, die durch ihre Fingerspitzen auf ich überging. Er hörte wie sie die Magieformel flüsterte und wie die Magie seinen Rücken berührte. Sie wurde heiß auf seiner Haut als sich die Markierungen praktisch einbrannten, doch wie seine Vorgänger hielt er die Hitze aus, da sie nicht wehtat. Ehe er sich versah war die Prozedur auch schon vorüber und er hörte wie Lilia ihm ein ‚Wunderschön‘ zuflüsterte, was ihn mit Stolz erfüllte. Die alte Fee vergab selten Komplimente und jedes einzelne das man von ihr bekam, war sehr ehrlich und wertvoll.

 

Yuri drehte sich wieder um und lächelte Lilia mit roten Wangen an. Sie nickte ihm zu ehe sie sich der nächsten Fee widmete. Wie die anderen musste Yuri weiterhin in der Reihe stehen bleiben, bis sie am Ende vom Zeremonienmeister entlassen wurden. Die jungen Feen, die ihre Markierungen bereits erhalten hatte, wurden sichtlich ungeduldig und auch Yuri konnte es kaum erwarten in sein Zimmer zu rennen und sich dort in dem großen Spiegeln zu bewundern. Er nutzte den Moment während die letzten verzaubert wurden, um sich abermals nach Viktor umzusehen, doch nichts. Er stand noch nicht einmal bei ihrem Vater wo er als ältester Sohn als Einziger stehen durfte, während dieser und ähnlichen Zeremonien. Enttäuscht und verletzt senkte er seinen Kopf und starrte auf seine nackten Füße. Er hatte wirklich gedacht, dass Viktor zumindest für dieses wichtige Ereignis anwesend sein würde. Doch bald machte Wut seiner Enttäuschung Platz und man konnte sie in seinen Augen lodern sehen, wenn man ihm nahe genug war.

 

Als die letzte Jungfee ihre Markierungen erhalten hat, trat Lilia zufrieden zurück und machte dem Zeremonienmeister Platz. Der alte Mann streckte die Hände aus und sah mit einem Lächeln auf die jungen Feen hinab und sah so aus als würde er jede einzelne umarmen wollen. Doch er blieb wo er war und sprach zu den jungen Feen.

 

„Meine lieben Feen! Somit ist dieser Schritt in eurem jungen Leben auch erreicht. Ihr steht nun auf der Schwelle zum Erwachsensein. Nicht mehr lange und euch werden eure Flügel wachsen. Es kann in einer Woche schon so weit sein. Oder aber spätestens in einem Jahr. Doch es ändert nichts daran, dass sich euch neue Wege eröffnen. Ich werde nicht mehr große Reden schwingen. Ich weiß wie ungeduldig ihr seid und eure Markierungen sehen und präsentieren wollt. Ich will euch nur noch eins mit auf den Weg geben. Wählt ihn weise und bereut nichts. Und passt immer auf euch auf!“

 

Mit diesen Worten endete die glücklicherweise kurze Rede und die jungen Feen wurden zu ihren Familien entlassen. Yuri wollte am liebsten jemand bestimmten in den Hintern treten gehen, doch sein Vater kam mit einem stolzen Lächeln auf ihn zu und auch Mila und Georgi wollten das jüngste Mitglied in ihre Arme schließen. Yuri ließ es zu, da er wusste, dass er so schneller verschwinden konnte. Die drei bewunderten seine Markierungen und Mila schwor, dass er schöne Flügel bekommen würde. Er wusste, dass sie ihn nur aufmuntern wollte, da sie ihn sonst geneckt hätte. Worte der Bewunderung und des Stolzes sprach sein Vater und irgendwie tat es ihm gut sie zu hören. Er rang sich ein kleines Lächeln ab und versuchte seinen Vater daran zu hindern ein riesiges Fest zu seinen Ehren zu geben. Yuri mochte große Feste nicht und er verhandelte mit seinem Vater, dass er ein Fest veranstalten könnte, wenn seine Flügel wachsen würden. Doch sein Vater liess sich nicht davon abbringen zumindest ein Essen mit der gesamten Familie zu organisieren. Yuri hätte lieber darauf verzichtet, da der Großteil ihn nicht mochte und es ein unangenehmes Essen werden würde. Yuri wusste jetzt schon, dass er Unwohlsein vortäuschen würde und seine beiden anwesenden Geschwister wussten es auch.

 

Irgendwann konnte er sich von ihnen lösen und er ergriff sofort die Flucht in Richtung seines Zimmers. Er wollte sich die Markierungen ansehen ehe er sich umziehen und sie verdecken würde. Er hatte noch mit jemand Bestimmten ein Hühnchen zu rupfen und ihm wäre nicht gestattet, die Markierungen nachträglich zu sehen. Yuri bewunderte eine Weile die Verschnörkelungen auf seinem Rücken und musste feststellen, dass sie wirklich schön waren. Er hatte die Markierungen anderer Feen erhaschen können, doch keine war so schön wie seine. Zumindest in seinen Augen. Als er sich endlich satt gesehen hatte, zog er sich um und verdeckte mit einem seiner liebsten Gewänder seinen Rücken. Danach schritt er aus seinem Zimmer und ging durch die Gänge auf Viktors Zimmer zu. Hoffentlich hatte er eine gute Ausrede.

 

 



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