Zum Inhalt der Seite

Kalendertage

Der Tag, an ...
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

18 - Der Tag, an dem ich zweifelte

Freud und Leid lagen eng beieinander. Das mochte nur eine dumme Redewendung sein, doch holte sie einen immer wieder im Alltag ein. Gerade hatten wir alle noch gelacht, wie Yuuki seinen ersten Wettkampfsieg eingefahren hatte und zur Aufnahmeprüfung zugelassen wurde. Stolz fischte er den Brief vom Hokagebüro aus der Post. Fast hätte er vor Aufregung den gesamten Brief zerrissen, als er mit seinen Fingern den Umschlag öffnen wollte. Es war nur ein Standardbrief mit formellen Textbausteinen, wo man in einige Lücken im Text auf Strichen Anrede und Namen notierte. Darunter der offizielle Hokagestempel. Das war's. Eher unpersönlich, doch bei der Masse an Briefen wohl für Kakashi nicht anders machbar. Yuuki aber war es gleich. Er fuchtelte mit dem Schreiben freudig in der Luft und tanzte durch die ganze Wohnung. Beinahe hätte er Kakashis PostIt-Nachricht übersehen, dessen Klebestreifen den Freudentanz nicht aushielt und zwischen Flur und Wohnzimmer zu Boden segelte.

„Dienstagabend auf Trainingsplatz 4? Kakashi“, teilte der neongrüne Zettel mit, den ich seufzend auflas und mit dem Magneten an den Kühlschrank heftete.

Da waren schon sehr viele Zettel an unserer Kühlschranktür und so raffte ich mich endlich einmal auf, die Zettelwirtschaft gründlich auszumisten. Längst veraltete Stundenpläne, Arzttermine, Einkaufsgutscheine und sonstiger Papierkram, der schon längst sein Ablaufdatum überschritten hatte, wanderte in den Papierkorb. Nun prankte da neben Yuukis aktueller Stundenplan nur noch zwei Notizen mit Terminen, eine Handvoll Telefonnummer, die man nicht vergessen sollte, und Kakashis knallfarbiger PostIt. Den würde Yuuki sicherlich nicht übersehen, geschweige denn vergessen. Ich wusste bereits, worum es auf dem Trainingsplatz ging. Kakashi würde meinem Sohn schonend beibiegen müssen, dass er nicht ewig und ständig als Ausbilder zur Verfügung stehen könnte. Das ließ sein Amt als Hokage zeitlich einfach nicht zu. Es blieb abzuwarten, wie Yuuki diese bittere Pille schlucken würde.

Ich lächelte, als ich Kakashis Handschrift sah und augenblicklich an ihn denken musste. Es war ein herrlicher Morgen. Auch wenn es nun schon Herbst war und die Nächte länger wurden, konnte die morgendliche Dunkelheit dort draußen vor den Fenstern meine gute Stimmung nicht verderben. Dachte ich zumindest. Yuuki hatte gerade die Wohnung verlassen. Ich hörte noch seine Fußtritte auf der Treppe poltern. Ich wollte nur noch die restliche Post sichten und ebenfalls hinab ins Büro gehen, als ich zusammenzuckte. Ein Brief aus dem Erd-Reich? Als hätte ich eine böse Vorahnung gehabt, gefror mein Lächeln. Ich öffnete hastig den Umschlag und faltete ein hochoffizelles Schreiben der Hauptverwaltung auseinander. Schnell überflogen meine Augen die Zeilen. Nüchtern wurde mir offenbart, dass man keine Einigung mit dem Feudalherren des Feuer-Reiches in Bezug auf die Sicherheit des Kontors, die Steuererhebung und die Einfuhrzölle erzielen konnte. Zum Jahresende würde der Kontorstandort in Konohagakure geschlossen werden. Man würde mit mir persönlich bereden wollen, welchen Posten es nun für mich irgendwo anders auf der Welt gäbe. Eventuell stünde sogar ein ganz neues Aufgabengebiet zur Debatte. Interessante Bereiche und attraktive Bezahlung. Man wollte das Negative für mich äußerst positiv verpacken und mir schmackhaft machen. Die verlockenden Anwerbeversprechen zwischen den Zeilen erreichten mich nicht. Ein Besprechungstermin im November folgte in dem Schreiben, doch er verschwamm vor meinen Augen, die sich längst mit Tränen füllten. Nein! Ich wollte nicht weg auf Konoha. Ich wollte hierbleiben. Ich war doch hier mittlerweile zuhause! Natürlich konnte ich bleiben, aber wovon sollte ich ohne Arbeitsstelle unseren Unterhalt bestreiten? Und es wäre nicht nur die Arbeitsstelle, sondern auch diese Wohnung für uns passe. In einem Heulkrampf versunken, vergrub ich meinen Kopf in meinem Armen auf der Tischplatte.

Nachdem ich mich beruhigt hatte und die geröteten Augen wieder getrocknet waren, verkroch ich mich ins Büro und ordnete meine Gedanken. Ich überlegt mir einen Schlachtplan. Nicht nur für mich, sondern auch für meine Mitarbeiter. Die würden ja nun in wenigen Wochen arbeitslos werden. Das war eine ganz bittere Angelegenheit. Wie sollte ich dass nur der Belegschaft ohne einen Sturm der Entrüstung verkaufen können? Vermutlich war so etwas gar nicht möglich. Also betrat ich die Höhle des Löwen und teilte allen mit, dass es am kommenden Tage eine Notfallbetriebsversammlung geben würde. Alle hätten ausnahmslos zu erscheinen. Ohne Wenn und Aber. Meine Vorzimmerdame hatte bereits alle Briefe bearbeitet und in Umschläge eingetütet. Traurig und missmutig zugleich nahm ich den Schwung Briefe an mich und machte mich auf. Ein Spaziergang an der frischen Luft würde mir guttun, die Kopf frei blasen und die Nerven beruhigen.

Es war heute sehr herbstlich. Ein kühler Wind wehte mir um die vor Schnupfen triefende Nase und rupfte die letzten, welken Blätter von den Bäumen. Gelegentlich schauerte es kurz, aber kräftig. Dann aber riss wieder die Wolkendecke auf und die Sonne spiegelte sich in den Pfützen auf der Straße. Auf der Serpentinenstraße hielt ich inne und verlor mich in den dicken schweren Wolken. Sie zogen hektisch vorbei, zerfetzten sich und setzten sich sogleich wieder selbst zu immer neuen Gebilden zusammen. In meiner schlechten Stimmung hätte ich noch ewig in die Wolken schauen und Figuren finden können, doch in der Ferne wurde es schon wieder schwarz. Die nächste Regenfront jagte vom Winde getrieben auf Konoha zu. Wenn ich die Brief noch trockenen Fußes zur Post bringen wollte, so musste ich mich sputen. Ich schaffte es pünktlich und streifte noch etwas durch die kleinen Gassen Alt-Konohas. In einem Teehaus gönnte ich mir eine fruchtige Teemischung, die den sonnigen Namen „Wohlfühloase“ trug. Er vertrieb zwar nicht meine Sorgen, wärmte aber für den Moment Hände, Gaumen und Seele. Nach der geleerten Tasse zog ich unschlüssig weiter. Ich hatte nicht das Bedürfnis, mich wieder hinter den Schreibtisch zu verziehen. In meinem Kopf tobte es ebenso durcheinander, wie der Wind durch die Straßen Konohas pfiff. Ich brauchte Trost. Natürlich war es blöde von mir zu glauben, Kakashi wäre zuhause. Sicherlich hockte der ebenso an seinem Schreibtisch wie ich es um diese Zeit auch tun müsste. Trotzdem sehnte ich mich nach ihm und seiner Nähe. Seiner ruhigen Stimme. Seiner schützenden Umarmung. Zu gerne würde ich jetzt zu ihm gehen, doch das ginge auf gar keinen Fall. Ich konnte unmöglich bei ihm im Büro auftauchen und ihm vor all seinen Leuten die Hucke voll heulen. Das war ein absolutes No-Go. Und ihm sicherlich dazu noch oberpeinlich.

Ein Obststand hielt mich kurzum von meinen schweren Gedanken ab. Die leuchtend roten Äpfel sprangen mir gerade zu ins Auge und wollten unbedingt gekauft werden. Also nahm ich eine Tüte davon. Einen der Äpfel aß ich noch an Ort und Stelle. Er war herrlich süß und saftig. Unbewusst hatten mich meine Füße in eine Gasse weitergetragen, die ich neulich erst kennenlernen durfte. Ja, am anderen Ende müsste doch Kakashis Wohnung sein. Wissentlich, ihn definitiv nicht dort anzutreffen, ging ich dennoch die Gasse entlang. Wenn man schon hier war, so konnte man sich den Weg noch einmal gut im Gedächtnis abspeichern. Ich besaß zwar einen Orientierungssinn, doch war dieser nicht sonderlich gut ausgeprägt. Ich musste eine Strecke mehrmals passiert haben, um sie gut zu kennen.

Weit sollte ich nicht kommen, denn schon aus der Entfernung wurde ich Opfer einer Szene, die ich so in meinen kühnsten Träumen nicht für möglich gehalten hätte. Vor seiner Haustür stand Kakashi mit dem Rücken zu mir. Es war kein Zweifel daran, denn immerhin war es seine Haustür, und die hellen Haare standen unverwechselbar in alle Himmelrichtungen. Kakashi war wohl einer der wenigen Shinobi auf der Welt, die man einfach nicht verwechseln konnte. Doch das war es nicht, was mich so schockierte. Ein kleines Kind war auf seinem Arm, hatte beide Hände fest um seinen Hals geschlungen und sich eng an ihn geschmiegt. Es war das Mädchen mit den grauen Rattenschwänzen. Genau jenes, welches in der Arena den Tornado in Gang gesetzt hatte. Und um die ganze Szene noch zu krönen, stand ihm dicht gegenüber die Frau, welche ich in der Arena als Sensei des Mädchens zugeordnet hatte. Der Wind zerriss die Stimmen. Es war mir nicht möglich, den Inhalt des Gesprächs mitzubekommen, doch die Körpersprache der beiden erzählte wahre Romane. Sie stritten sich. Und es ging wohl nicht darum, ob es das Mädchen auf die Akademie geschafft hatte oder nicht. Oh nein! Der Gesichtsausdruck der Frau spuckte Gift und Galle. Ihr hübschen Augen waren zu wütenden Schlitzen verengt, ihre Mine versteinert. Was auch immer sie Kakashi an den Kopf schmiss, es musste übelst sein und setzte Kakashi schwer zu. Und Kakashi gab ihr wohl ebenso Kontra. Der Wind weht die langen wallenden und dunklen Haare der Frau ins Gesicht. Sie strich die Strähnen weg, wandte ihren Blick einen Moment von Kakashi ab und verstummte. Nach nur einer Sekunde funkelte sich mich hämisch an, dass ich erschrocken die Tüte mit den Äpfeln auf den Boden fallen ließ. Ich nahm das Pollern und Kollern weder war, noch bückte ich mich nach dem Obst. Ich war zur Salzsäule erstarrt. Unfähig, mich von dieser Tatsache vor meinen eigenen Augen abwenden zu können. Das durfte doch alles nicht wahr sein. Kakashi, sag mir, dass es nicht das ist, wonach es aussieht! Als mich die Frau ins Visier genommen hatte, war es Kakashi nicht entgangen, dass er in dem Augenblick nicht mehr Streitmittelpunkt war. Er drehte sich mit dem Mädchen auf dem Arm zu mir, um den Grund der Streitunterbrechung zu klären und sah mich. Völlig überrumpelt riss er die Augen entsetzt auf. Keineswegs hatte er mich als Zeuge vor seinem Hause erwartet. Die Frau nutzte ihr Chance, schnappte sich von einem überforderten Kakashi das Kind und war vom Erdboden verschwunden. So, wie es Shinobis für gewöhnlich zu tun pflegten.

Ich hatte keine Ahnung, wie das Szenario dort in der Gasse endete, denn meine Schockstarre war in dem Wimpernschlag verschwunden, als sich unsere Blicke trafen. Da drehte ich mich um und stapfte mit strengem Schritt davon. Und als ich mich außer Sichtweite wähnte, war ich sogar ein paar Meter gelaufen, um den Stress in meinem Körper abzubauen. Genauso gut hätte ich auf sämtlich umherigen Gegenstände liebend gern eingeschlagen. Meine Äpfel vergaß ich. Ich glaubte, Kakashi rief meinen Namen, doch ich registrierte es nicht, denn ich wollte nicht. Der schicksalshafte Schlag in der Gasse tat weh. Er tat so sehr weh. Dumme, dumme Sherenina. Bist einem Ninja komplett auf den Leim gegangen. Bist verarscht, verraten und verkauft worden. Es passt nun endlich jedes Puzzleteil zusammen. Hokage-sama hatte bereits Frau und Kind. Ich war ausschließlich benutzt worden, um an Yuuki heranzukommen. Und das auf einem ganz billigen Niveau! Die liebeshungrige Mutter um den Finger gewickelt und das vaterlose Kind für die Streitkräfte einkassiert. Boah, wie hatte ich mich nur so täuschen lassen können? Da passte es doch, dass Kakashi dazumal sofort die Akte von meinem Ex angefordert hatte, um die Sachlage abzuchecken. Der wusste vermutlich schon bei unserer ersten Begegnung mehr über mich, als ich jemals über mich selbst.

Der Wolkenbruch öffnete alle Schleusen. Regentropfen mischten sich mit Tränentropfen. Auf einer abgelegenen Parkbank fand ich Zuflucht und ließ mich einregnen. In meinem Kopf galoppierte es. Eine Wut wie brennendes Feuer fraß sich durch die Hirnwindungen. Kakashi! Und dann dieses Erschleichen von Vertrauen …! So ein Arschloch! Kein Wunder, dass der so zurückhaltend war, wenn wir uns so nahe waren. Oft hätte er die Gelegenheit gehabt, mir an die Wäsche zu gehen, tat er aber nicht. Vermutlich war ich ihm doch viel zu dumm und zu hässlich. Ich war also doch nur eine stumpfe Mission wie unzählige andere Missionen und keine wahre Liebe. Was hatte ich mir selbst eigentlich eingebildet? Dass er sich in so eine Normalsterbliche wie mich verlieben würde? So gewöhnlich und durchschnittlich und unansehnlich wie ich war. Da war es mir sogar scheißegal, dass er die Mission selbst ausgeführt und sich selbst dafür hergegeben hatte. Hätte er ja auch jeden anderen schicken können. Immerhin hatte er einen riesigen Aufwand betrieben, mich total zu blamieren. Ich fühlte mich so missbraucht und dreckig. Wie ein benutzter und weggeworfener Einweg-Kaffeebecher.

Irgendwann erhob ich mich und schlurfte schweren Schrittes nach Hause. Ich hinterließ eine Wasserspur auf der Treppe und schmiss die nassen Sachen so wie sie waren in den nächsten Wäschekorb. Getrocknet und geföhnt wechselte ich zur Küche, setzte Kaffee auf und verharrte an der Küchenzeile. Mein Blick blieb an dem neongrünen PostIt! hängen. Sauer rupfte ich es von der Kühlschranktür. Nichts sollte mich an Kakashi erinnern. Später würde ich Yuuki einfach anlügen, der Zettel wäre beim Einräumen des Kühlschranks von der Tür gesegelt und wie schon unzählige Zettel vor ihm und unter den Küchenschränken verschwunden. Das war glaubhaft und kam häufig bei uns vor. Yuuki, was sollte ich ihm bloß sagen? Den hatte Kakashi längst clever auf seine Seite gezogen. Würde ich meinem Sohn ein Treffen verbieten, dann würde er heimlich dorthin laufen. Ich hatte mein Kind an Hokage-sama verloren. Langsam rutschte ich an den Küchenschränken nach unten und hockte auf dem Fußboden. Ich heulte wie ein Schlosshund. Arbeit weg, Wohnung weg, große Liebe weg! Was für ein Scheißtag!

Die Kaffeemaschine blubberte mit den prasselnden Regentropfen auf der Fensterscheibe um die Wette. An solch einem Tage konnte man sich eigentlich nur noch einen Strick nehmen und aufhängen. Mittlerweile hatte ich für meinen Liebeskummer keine Tränen mehr, sondern schluchzte nur noch mit Rotzfahnen in der Nase vor mich her. Ich war so mit mir selbst beschäftigt, dass ich das leise Schieben der Fensterscheibe nicht hörte. Elegant wie eh und je hockte Kakashi nur eine Sekunde später auf der Arbeitsplatte der Küchenzeile, zog die nassen Schuhe aus und glitt lautlos auf den Küchenfußboden. Meine Augen verfolgten seine Bewegungen, wie mein Fenster wieder geschlossen und die die verloren geglaubten Äpfel auf meinem Küchentisch abgestellt wurden. Er erhaschte den Inhalt des Briefes, der die Schließung des Kontors prophezeite, sagte dazu aber nichts. Dann ging er vor mir in die Hocke und sah mich mit seinen dunklen Augen an, in die ich mich schon wieder zu verlieren drohte. Seine Maske gab nichts von seinem Gesicht preis. Doch ich kannte es und so ergänzte mein Hirn die untere Gesichtshälfte ganz automatisch. Die schmale Nase, die leicht geschwungenen Lippen und den Leberflecke am Kinn. Da war nichts aus seinem Gesicht zu lesen. Und die Maske half ihm dabei. Das absolut perfekte Pokerface. Es musste immer noch regnen, denn es tropfte aus seinen Haaren, die selbst durch die Nässe noch strubbelig waren, und perlte von seiner Weste. Obwohl wir uns so nahe waren und uns schon viel näher gekommen waren, schien er so unendlich unantastbar und fern. Unsere unterschiedlichen Lebenswelten schienen sich wieder voneinander zu trennen.

Wir sprachen lange nichts miteinander. Die Stille knisterte in der Luft. Sie war unerträglich. Wir suchten wohl beide dir richtigen Worte, um es nicht eskalieren zu lassen. Doch mir fielen gerade nur Hasstiraden ein, die böse wie die Hölle und zerschneidend wie ein Katana wären. Kakashi entschied sich wohl innerlich dafür, dass Angriff die beste Verteidigung wäre.

„Es ist so, wie es aussah. Das Kind ist meins, aber mit dessen Mutter hab ich außer Stress nichts mehr zu tun. Wir waren noch nicht mal richtig zusammen gewesen.“

Klar, knapp und frei heraus. Völlig sachlich und emotionslos. Da war wieder kein einziger Anhaltspunkt in seiner Mimik auszumachen, ob es ihn bewegte oder nicht. Wie stand er heute noch zu dieser Sache? Und ich? Ich gab mich meinen Emotionen total hin. Es klang doch so einfach und logisch. Jeder schleppte eine Vergangenheit mit sich herum und hatte Leichen im Keller. Wo war der Haken an der Sache, dass ich es in Kakashis Falle nicht einfach akzeptieren konnte? Vielleicht lag es bloß daran, dass mein Tag so bescheuert begonnen hatte mit dem Brief von der Kontorleitung aus dem Erd-Reich, dass es so ein unglaublich trübes Wetter war und dass ich zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war. Und vielleicht lag es auch daran, dass ich so gut wie gar nichts über Kakashi und seine Vergangenheit wusste. Absolut nichts.

Ich registrierte nicht lobend, dass Kakashi sich Gedanken über mich gemacht hatte und sogar zu mir gekommen war, um das Problem aus der Welt zu schaffen. Im Moment war ich nur auf Krawall gebürstet und legte ihm alles nur erdenkliche negativ aus. Es wäre einerlei gewesen, was auch immer er mir jetzt erzählt hätte. Also musste auch das folgen, was dann bei mir immer folgte: Meine Kodderschnauze hatte freie Bahn.

„Wann hättest du mir so was erzählt?“, versprühte ich Giftpfeile.

„Wenn es sich gepasst hätte.“

„Aha...“ giftete ich weiter, tat tödlichst in der Seele verletzt und legte noch eine Schippe obenauf.

„... und wie viele Ableger rennen da von dir so durchs Dorf?“

Kakashi zog erstaunt die Augenbrauen hoch.

„Wie viele Ableger? Ich weiß ja nicht, was du da hineininterpretierst und wo nun dieses schlechte Bild von mir herkommt...“

Ich schnitt ihm ungeniert das Wort ab. Es brüllte aus mir heraus, ohne dass ich es wollte:

„Du hast mich die ganze Zeit nur verarscht! Du wolltest nur Yuuki haben und sonst gar nichts! Ich bin dir doch scheißegal!“

Dicke Tränen rannen schon wieder über meine Wanken. Doch auch Kakashi konnte austeilen, wie ich es noch nie erlebt hatte. Zwar brauchte der nicht zu brüllen, wie ich es tat, doch der scharfe Ton in seiner sehr ernsten Stimme fuhr durch mich wie ein Schwert, dass ich zitternd zusammenzuckte.

„Jetzt mach aber mal einen Punkt, Sherenina! Ich hab dich nicht eine Sekunde verarscht. Und um das mal klarzustellen: Ich betreibe hier den ganzen Aufwand nur, weil DU mir wichtig bist. Soviel Aufwand habe ich noch für irgend eine Frau betrieben wie für dich! Ich gehöre nicht zu der Sorte, die sich quer durch die Betten vögelt.“

Wieder war da diese ätzende Stille. Ich musste so wütend schauen, wie die Mutter von Kakashis Tochter vorhin in der Gasse. Ich strafte ihn mit Missachtung, indem ich gar nichts sagte, sondern nur wie eine Medusa schaute.

„So, wo ist denn nun dein vorlautes Mundwerk?“, hakte er eisern nach.

Seine Stimme war nur noch hart klingend. Seine Augen hatten sich verändert. Kleine schwarze Pupillen durchdrangen mich eiskalt, fast todbringend. Ich bekam Angst, versuchte es aber zu verbergen. So hatte ich ihn wahrlich noch nie erlebt.

„Wir können keine normale Beziehung führen, so wie du es dir vielleicht ausmalst. Ich bin für die nächsten Jahre noch beruflich mit dem ganzen Dorf verheiratet und habe meine Gründe, weshalb ich nicht beziehungstauglich bin. Und...“, er dachte einen Moment nach. „... ich brauche mehr Zeit, wenn das wirklich was ernstes werden soll mit uns beiden. Wenn du das nicht akzeptieren kannst, dann lass es bleiben. Hier und jetzt!“

Damit stand er auf und stützte sich mit den Händen auf die Küchenzeile. Sein Blick verlor sich in den Wassertropfen auf der Fensterscheibe. Es waren wieder klare Worte. Nun war ich doch perplex, wie viel Seelenstriptease er hatte in die wenigen Worte verpacken können. Nie hätte ich geglaubt, dass es ihn so aufwühlte. Genauso wie es in mir wühlte.

„Ich weiß nicht, ob ich das akzeptieren kann...“ murmelte ich verwirrt.

„Dann lass es bleiben!“

Wütend stemmte er sich weg, schwang sich in seine Stiefel und war schon in der nächsten Sekunde oben in dem geöffneten Fenster.

„Ich dachte echt, du wärst anders ...“, waren seine einzigen Abschiedsworte.

Kein Blick zurück. Nichts. Nur das wütende Zuschieben des Fensters, dass es drohte, aus dem Rahmen zu springen. Erst das Zuknallen des Fensters legte einen Schalter in meinem Kopf um, der mir schimpfend mitteilte, was ich eben in meiner großen Dummheit zerstört hatte.

Dumme, dumme Sherenina! Da hatte ich wohl das leckerste und begehrteste Stück Fleisch von ganz Konoha auf meinem Teller serviert bekommen. Und was tat die dumme Sherenina in ihrem falschen Stolz voller Egoismus? Sie schmiss das Stück Fleisch in die Mülltonne.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  emymoritz
2017-05-21T18:46:44+00:00 21.05.2017 20:46
Ohhh nein Bitte nicht so darf es nicht enden
Antwort von:  sakemaki
21.05.2017 20:48
Keine Sorge, wir haben erst Halbzeit bei der Geschichte. ;-)


Zurück