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Beauty and the Mermaid

von

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Ariel blickte nachdenklich auf das noch immer leere Pergament, das vor ihr auf dem Tisch lag. Jemand hatte ein Herz und die Buchstaben ,SW & F - Forever' in das Holz geritzt. Die Spuren sahen noch frisch aus und Ariel fragte sich, wann es der Bibliothekarin Madame Potts wohl auffallen würde. Wieder warf sie einen Blick auf das unbeschriebene Pergament. Wobei, ganz leer war es nun auch wieder nicht. In die obere rechte Ecke hatte sie ihren Namen geschrieben.

Doch abgesehen von diesen Worten war das Blatt immer noch leer. Sie seufzte schwer und ließ einen Blick über die Titel der Bücher gleiten, die sie sich herausgesucht hatte. 'Die Hexenverfolgung der Muggelwelt', 'Faszination Muggelwelt: Wie man ohne Magie überleben kann' und 'Die größten Gemeinsamkeiten zwischen der Muggel- und der Zaubererwelt' lauteten nur einige Titel. Nicht gerade hilfreich für ihren Aufsatz.

Manchmal hasste sie ihre Faulheit. Aber es war nun mal so viel interessanter gewesen mit ihren besten Freundinnen Jasmine und Esmeralda über das Quidditch-Feld zu jagen und für das in einer Woche anstehende finale Spiel gegen Gryffindor zu trainieren, statt sich um ihre Hausaufgaben zu kümmern. Dass Ariel sowieso die einzige von ihnen dreien war, die Muggelkunde als Fach gewählt hatte und sie aus diesem Grund auch die einzige war, die diesen Aufsatz schreiben musste, hatte sie dabei gekonnt verdrängt. Und wahrscheinlich hätte sie es auch weiter vergessen, wenn sie nicht zufällig mitbekommen hätte, wie sich die beiden Ravenclaws Kida und Pocahontas, zwei Hexen, mit denen sie eben jenes Fach zusammen hatte, über den Aufsatz unterhalten hatten. Panisch war ihr klar geworden, dass sie selbst noch kein einziges Wort geschrieben hatte. Und Abgabe war schon nächsten Montag.

"Entschuldige bitte?"

Überrascht blickte Ariel auf, als ein Schatten auf den Tisch fiel. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass jemand näher gekommen war. Doch nun stand vor ihr eine junge Frau, die leicht lächelnd zu ihr herunter sah. Ihr haselnussbraunes Haar hatte sie zu einem lockeren Zopf gebunden, welcher nun über ihre Schulter hing und dabei ihr Schulsprecherabzeichen leicht verdeckte. Als wäre sie bei etwas ertappt worden, rutschte Ariel tiefer in den Stuhl hinein.

Sie kannte die Hexe, die dort vor ihr stand. Sie war eine Ravenclaw und  Schulsprecherin. Arista, eine ihrer älteren Schwestern, die ebenfalls eine Ravenclaw war, hatte sich letztes Weihnachten über diesen Bücherwurm aufgeregt, dem so gut wie alle Zauberer aus ihrem Jahrgang hinterher sahen. Und als Ariel sie nun das erste Mal wirklich aus der Nähe betrachten konnte, verstand sie, was so besonders an ihr war. Denn Belle machte ihrem Namen wirklich alle Ehre.

Ihr Haar, das in braunen, leichten Locken um ihre Schulter hing und dabei ein freundlich blickendes Gesicht umrahmte, während ihre ebenfalls braunen Augen die jüngere Ariel mit offenem Blick ansahen - da war etwas an Belle, was sie besonders machte.

Ariel errötete, als ihr klar wurde, was sie soeben gedacht hatte.

"Hast du gehört, was ich gesagt habe?" Belles Stimme holte sie wieder zurück in die Realität. "Die Bibliothek schließt gleich."

"Was?" Überrascht sprang Ariel auf und blickte aus dem Fenster. Und tatsächlich, der Himmel färbte sich in sanfte orange und rosa Töne, während die Sonne langsam unterging. Und sie selbst hatte noch immer nicht mit dem Aufsatz aufgefangen.

Natürlich konnte sie den Aufsatz im Gemeinschaftsraum weiterschreiben. Aber dort würde sie zu vieles ablenken. Aus diesem Grund war sie ja überhaupt in die Bibliothek gegangen. Hier konnte sie sich in aller Ruhe ihrem Aufsatz widmen... Hier hätte sie sich ihrem Aufsatz widmen können...

"Also, ich... Kann ich nicht hier bleiben?" Sie erschrak und blickte Belle entschuldigend an. Sie wollte nicht so fordernd klingen. Vor allem nicht gegenüber der Schulsprecherin, die ihr nun bestimmt eine Handvoll Hauspunkte abziehen würde.

"Nun, weshalb denn?" Belle sah sie neugierig an.

"Ehrlich gesagt, ist da dieser Aufsatz, den ich bis Montag fertig kriegen muss. Und ich hab ehrlich gesagt noch kein einziges Wort geschrieben."

Ariel biss sich nervös auf ihre Unterlippe. Bestimmt würde Belle nun so etwas sagen wie, dass sie sicher lang genug Zeit für diesen Aufsatz gehabt hätte und es nun ihr Problem wäre, wenn sie den Text nicht rechtzeitig fertig kriegen würde. "Für welches Fach denn? Und welches Thema?"

Doch mit diesen Fragen hätte Ariel unter keinen Umständen gerechnet. Und doch waren sie gerade aus Belles Mund gekommen. Die junge Hexe Ariel starrte sie erstaunt an. Vielleicht war diese Belle doch nicht so schlimm, wie ihre Schwester immer behauptete?

"Muggelkunde. Wir sollen uns einem Märchen oder einer Legende aus der Muggelwelt widmen und darüber einen Vortrag halten!"

"Muggelkunde?" Belle wirkte überrascht

"Ich weiß, ich weiß! Es ist merkwürdig für eine Slytherin dieses Fach belegt zu haben. Vor allem für ein Reinblut für mich. Aber ich finde die Muggelwelt einfach so faszinierend. Sie leben ihr ganzes Leben ohne Magie und sind uns doch in so vielen Dingen überlegen und haben ihre eigenen Lösungen gefunden um ihre Probleme zu bewältigen. Oder hast du schon mal einen Besen gesehen, der mehrere Zauberer und Hexen von einem Ort zum anderen fliegen kann? Und ich rede hier jetzt nicht von zwei oder auch drei Hexen, ich rede von ganz vielen... zwanzig, dreißig Personen, wenn nicht sogar mehr! Muggel haben einen riesigen Besen aus Metall gebaut mit Flügeln, der sie über den ganzen Ozean bringen kann!"

"Flugzeug!"

Überrascht blickte Ariel Belle an. Sie hatte zu viel geredet, bemerkte sie. Wahrscheinlich hatte sie Belle damit nur gelangweilt und von wichtigeren Dingen abgehalten...

"Dieser Metallbesen von dem du redest, das Ding nennt sich Flugzeug!", erklärte Belle ihr nun. Ariel dachte kurz nach und nickte dann aufgeregt. Genau so hatte Professor Sebastian das Teil genannt.

"Woher weißt du das?" Ariel blickte sie fragend an.

"Ich ... ich bin selbst muggelstämmig!", entgegnete Belle zögernd.

"Das heißt, du weißt also alles über die Muggelwelt?" Ariel strahlte sie überglücklich an. "Oh, bitte. Du musst mir helfen... also, nur wenn es dir nichts ausmacht... Aber wahrscheinlich hast du schon genug zu tun, oder? Immerhin stehen doch bald die UTZ an..." Ariel verstummte, als sie bemerkte, dass sie die andere wieder mit einem Redeschwall überhäufte und sah sie nervös an. "Es tut mir Leid, aber ich kann nicht!"

Wie zu erwarten. Und trotzdem tat es Ariel weh, als Belle ihr diese Absage erteilte. Wie dumm von ihr zu denken, dass Belle ihr tatsächlich helfen würde. Die Schulsprecherin war bestimmt mit anderen Dingen beschäftigt.

"Jedenfalls nicht heute. Es ist spät, die Bibliothek schließt gleich und ich habe noch einiges zu erledigen. Was hältst du also davon, wenn wir uns morgen treffen und ich helfe dir bei deinem Aufsatz? Ich habe zufälligerweise ein paar Muggelmärchen in meiner Sammlung und könnte..."

Weiter kam Belle nicht, denn Ariel war nun aufgesprungen und hatte sich der älteren Hexe um den Hals geschmissen.

"Oh, ich danke - danke - danke dir! Du rettest mir gerade wirklich das Leben! Oh, danke, danke, danke!"

 

♡◇♡

 

Es war Samstag und obwohl Ariel am Wochenende liebend gerne bis zum späten Mittag schlief, war sie dieses Mal eine der ersten, die wach war. Mit Belle hatte sie ausgemacht, dass sie sich in ihrem Studienzimmer - ein Privileg, dass den beiden Schulsprechern zustand - treffen würde, sobald sie beide gefrühstückt hatten. Nur wer wusste schon, wann Belle überhaupt aufstand. Vielleicht wäre es praktischer, wenn das Frühstück einfach zu ihr kam, überlegte die junge Hexe Ariel. Gesagt, getan. Entschlossen sprang sie auf  und schlich sich leise in das angrenzende Badezimmer der Slytherinhexen. Niemand war so früh hier und weil sie vermutete, dass Belle vielleicht selbst noch schlafen würde, erlaubte sich Ariel etwas länger zu duschen. Schließlich aber stellte sie den Wasserhahn aus und wickelte ihr rosafarbenes Handtuch um ihren Körper.

Gerade, als sie sich ihr Haar bürstete, öffnete sich die Tür. Eine junge Hexe betrat das Bad und blickte sich um, im ihrer Hand hielt sie Duschzeug und zwei kleine Handtücher. Als sie Ariel entdeckte, schnalzte sie missbilligend mit der Zunge und warf ihr dunkelbraunes Haar über ihre Schulter.

"Und ich dachte, man könnte mal in Ruhe duschen ohne einem rothaarigen Clown zu begegnen!", meinte sie abwertend.

Bewahr Ruhe, Ariel, ermahnte sie sich. Das letzte Mal, als sie auf Vanessas Sticheleien eingegangen war, hatte sie danach Stunden damit verbringen müssen, die Pokale im Pokalzimmer zu polieren. Und das ganz ohne Magie.

"Bist du jetzt endlich stumm geworden? Ein Glück! Dann muss sich Eric ja nicht mehr dein Geheule anhören, dass du ihn zurück haben willst!"

Das war zu viel des Guten. Wütend schnappte sich Ariel ihren Zauberstab, den sie auf dem Rand des Waschbeckens abgelegt hatte, wirbelte herum und trat entschlossen einige Schritte nach vorne, während die Spitze auf Vanessa gerichtet war.

"Hör mir mal ganz genau zu, du widerliche verlogene Krake... Ich renne Eric nicht hinterher! Was soll ich mit einem Typen, der lieber mit der Nächstbesten in die Kiste springt, anstatt seiner Freundin Verständnis entgegenzubringen? Mir ist absolut egal, was zwischen dir und ihm abgeht. Und wenn er glaubt, dass er mit jemandem wie dir glücklicher ist, dann ist das nicht mein Problem!"

Vanessa blickte sie fassungslos an. Ariel grinste und ohne auf ein weiteres Wort zu warten, drehte sie sich wieder um, schnappte sich ihre Sachen und stolzierte aus dem Gemeinschaftsbad. Schwer atmend und stolz auf sich selbst eilte sie in den Schlafsaal zurück. Noch immer schliefen alle, sodass Ariel auf Zehenspitzen zu ihrem Bett schlich. Dabei kam sie an Esmeraldas Bett vorbei und entdeckte, dass diese nicht alleine dort drin lag. Eng umschlungen lagen ihre beiden besten Freundinnen dort. Der Anblick der beiden ließ Ariel beflügelt lächeln. Sie war so glücklich mit ihnen befreundet zu sein. Und obwohl Jasmine und Esmeralda nun schon seit mehreren Wochen ein Paar waren, hatte Ariel nie das Gefühl gehabt, das fünfte Rad am Wagen zu sein. Die beiden nahmen sie auf jedes ihrer Dates mit, zum 100-tägigen Jubiläum hatten beide ihr etwas schenken wollen - manchmal hatte Ariel das Gefühl sie würde zu dieser Beziehung dazugehören. Dass Jasmine auch noch oft genug behauptete, sie wäre sowohl mit Esmeralda als auch mit Ariel zusammen, machte es allerdings nicht einfacher. Obwohl sie das Verhalten ihrer beiden Freundinnen schon ziemlich süß fand, musste sie gestehen.
 

"Und wenn ich mich wieder in jemanden verliebe? Mit dem ich zusammen sein will?"

"Das kannst du doch auch, Undine. Du bist nur immer noch mit uns beiden zusammen."

"Und wenn ihr euch mal trennt? Wem soll ich dann treu bleiben?"

"Dann schnappen wir uns einfach eine Schere und schneiden dich entzwei!"

Und dann hatten sie sich auf Ariel gestürzt und sie durchgekitzelt.
 

Ariel streckte sich gähnend und legte ihre Sachen auf dem Bett ab, dass noch immer ungemacht dort stand. Nun, das hatte auch noch bis nachher Zeit. Schließlich war sie verabredet.

 

 Sie machte sich auf den Weg in die Große Halle. Obwohl es immer noch früh war, saßen schon einzelne Schüler an den Tischen und frühstückten. Ariel schnappte sich einen Teller und befüllte diesen mit einigen Leckereien, die sie entdeckte. Gebratener Speck, Muffins, Rührei, Croissants. Zum Schluss schnappte sie sich noch einen Krug gefüllt mit frisch gepresstem Kürbissaft, wirkte noch einen Zauber, dass ihr der Saft nicht aus Versehen überschwappte, und machte sich dann auf den Weg zu Belles Studienzimmer.

Belle hatte ihr gestern Abend noch erklärt,  dass ihr Studienzimmer im Turm auf der Ostseite lag, genau neben dem der Ravenclaws. Eine Brücke verband die beiden Türme miteinander. Zwar hatten die Schulsprecher ein Privileg auf ein eigenes Zimmer und Gerüchten zufolge auch ein eigenes Bad, doch auch sie mussten in den Gemeinschaftsschlafsälen nächtigen. Auf dem Weg die Wendeltreppe nach oben bemerkte Ariel, dass der Mond immer noch am Himmel zu sehen war. Ein wirklich strahlend schöner Vollmond. Sie erinnerte sich daran, wie sie im vierten Jahr das Thema Werwölfe im Unterricht behandelt hatten. Was war das wohl für ein Gefühl, sich vor dem Vollmond so sehr zu fürchten?

Vor der Tür blieb sie stehen und klopfte dann gegen das Holz. "Belle? Ich weiß nicht, ob du schon da bist, aber ich hab uns Frühstück mitgebracht!"

Keine Antwort. Sie klopfte noch mal gegen die Tür, dieses Mal kräftiger. Immer noch keine Antwort. Anscheinend war die Schulsprecherin nicht anwesend. Ariel seufzte laut und wollte gerade gehen, als sich die Tür schließlich doch öffnete und Belle ihren Kopf herausstreckte.

Die junge Hexe sah schrecklich aus. Belle hatte tiefe Augenringe, ihre Haare waren strähnig und ihr Blick wirkte nervös, beinahe ängstlich. Sie machte keinen guten Eindruck auf Ariel.

"Alles in Ordnung?", fragte sie besorgt nach. "Du siehst ziemlich fertig aus!" Belle blickte hungrig auf das Essen, dass Ariel mitgebracht hatte und schnupperte dann kurz.

"Ist das Schinken?", fragte sie neugierig und Ariel nickte kurz. "Gib mir fünf Minuten und ich lasse dich rein. Wenn ich arbeite, kann ich ziemlich ... unordentlich sein!"

"Kein Problem!", meinte sie lächelnd und die Tür wurde wieder zugemacht.

Nach wenigen Minuten öffnete Belle wieder die Tür und sah Ariel freundlich an. Ihre Haare waren wieder ordentlich, doch noch immer trug sie dicke Augenringe im Gesicht.

"Bist du sicher, dass ich nicht später wiederkommen soll?"

"Das geht schon in Ordnung!", meinte Belle bestimmt und griff nach dem Teller. "Außerdem haben wir beide doch sicher Hunger. Also, was hältst du davon, wenn wir zusammen frühstücken und ich dir etwas von den Muggelmärchen erzähle?"

Zögernd betrat Ariel das Zimmer der älteren Hexe. Die Möbel und Gardinen waren in dem typischen Blau der Ravenclaws ausgestattet. Um den Holztisch standen zwei Paar Stühle und im Kamin brannte ein Feuer, dass den Raum wärmte.

Doch was Ariels Aufmerksamkeit auf sich zog, war die linke Seite, die komplett von Bücherregalen bedeckt wurde. Sie hatte noch nie so viele Bücher auf einmal gesehen. Neugierig trat sie näher und las neugierig die Titel.

Alice im Wunderland, Stolz und Vorurteil, Der Zauberer von Oz... Titel, die sie in Muggelkunde besprochen hatten und die Ariel selbst lesen wollte. Aber auch ihr unbekannte Titel wie Das Lied von Eis und Feuer. Ihr Blick fiel auf zwei Bücher, die die Titel 'Ritus' und 'Sanctum' trugen. Daneben einige Sachbücher. Ein kurzes Überfliegen verriet Ariel, dass diese Bücher sich alle um das Thema Werwölfe drehten. Sie hätte nie gedacht, dass Muggel sich so sehr dafür interessieren würden.

"Ich schreibe einen Aufsatz über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Lykanthropie zu den Legenden der Muggelwelt und der Zaubererwelt." Belle war neben sie getreten und sah sie mit ernsten Augen an. "Wollen wir frühstücken?"

Ariel blickte zu dem Tisch, auf den Belle in der Zwischenzeit Geschirr und Besteck gestellt hatte. Und sie hatte die ganze Zeit auf das Bücherregal gestarrt. Was war sie nur für ein schrecklicher Gast?

"Du bist hier Gast, also mach dir keine Gedanken darüber. Schließlich habe ich dich doch eingeladen. Und du hast schon genug damit getan, dass du überhaupt extra Essen für uns beide mitgebracht hast." Belle lächelte und erfreut erwiderte Ariel dieses. Es freute sie, die junge Hexe so lächeln zu sehen. Sie setzte sich auf einen der Stühle und Belle nahm ihr gegenüber auf der anderen Seite Platz. Sie griff nach dem Krug Orangensaft und schüttete ihnen beiden ein Glas voll ein. Dabei rutschte ihr Ärmel leicht nach oben und Ariel konnte eine verblasste und dennoch deutliche Narbe auf der Unterseite ihres Armes erkennen. Belle bemerkte nicht, dass Ariel diese alte Verletzung entdeckt hatte und sie entschied sich dazu sie nicht darauf anzusprechen. Es ging sie schließlich nichts an.

Und außerdem hatten sie interessantere Gesprächsthemen. Obwohl Ariel nun schon seit sechs Jahren die Hogwarts Schule für Hexerei und Zauberei besuchte, hatte sie viel zu selten mit Muggelstämmigen Kontakt. In Slytherin gab es keine, nur einige Halbblüter, die aber zum größten Teil auf der Seite der magischen Familie aufwuchsen. Die anderen hatte sie zwar versucht über die Welt der nichtmagischen Menschen auszuquetschen, doch die meisten fanden es befremdlich, dass sich ausgerechnet eine Reinblüterin für die Welt der Muggel interessierte und mieden sie lieber. Und auch wenn sie den Unterricht bei Professor Sebastian liebte, es waren nun mal Berichte eines Zauberers, der über Muggel erzählte. Es war etwas vollkommen anderes jemanden zu treffen, der bei Muggeln aufgewachsen war und nie damit gerechnet hätte, dass es tatsächlich so etwas wie Magie gab.

"Wie war das eigentlich damals, als du erfahren hast, dass du eine Hexe bist?", fragte Ariel neugierig nach. "Ich meine, dass muss doch mega aufregend gewesen sein zu erfahren, dass Magie wirklich existiert und dass man damit so viel anstellen kann. Ihr erfahrt das doch bevor die Schulzeit hier anfängt."

"Ich war sieben", meinte Belle ruhig und nahm dann einen Schluck aus ihrem Becher.

Ariel blickte sie fragend an. Professor Sebastian hatte ihnen doch damals erzählt, dass Muggelstämmige an ihrem zehnten oder elften Geburtstag davon in Kenntnis gesetzt wurden, dass sie magische Kräfte besaßen. Ariel war ihr Leben lang mit Magie aufgewachsen. Wie das wohl war, wenn man feststellte, dass man in der Lage war zu zaubern? Und vor allem, warum hatte Belle so früh davon erfahren?

"Nahe dem Dorf,  in dem ich aufgewachsen bin, steht ein altes Herrenhaus. Der Sohn dieser Familie ist verwöhnt und launisch, und die meisten Kinder im Dorf haben ihn gemieden... abgesehen von mir. Ich war überzeugt davon, dass in ihm etwas Gutes steckte, also hab ich versucht mich mit ihm anzufreunden."

"Das klingt wirklich nett von dir. Und dann hast du erfahren, dass er ein Zauberer ist?", riet Ariel, doch Belle schüttelte den Kopf.

"Es war Weihnachten. Seine Eltern waren auf Geschäftsreise und deshalb hatten wir ihn eingeladen, bei uns das Fest zu verbringen. Doch es wurde später und später und Adam tauchte einfach nicht auf. Als ich mich auf den Weg zu ihm machte, traf ich jedoch nur seinen Hauslehrer Monsieur Cogsworth an. Adam hatte das Haus verlassen, also machten sich Monsieur Cogsworth und sein Freund Lumiere auf die Suche nach ihm..." Belle verstummte und blickte mit traurigem Blick vor sich hin, sodass Ariel nicht anders konnte, als sich nach vorne zu beugen und ihre Hand auf die von Belle zu legen.

"Es ist schon okay!" Sanft drückte Ariel ihre Hand und sah sie aufmunternd an. "Du musst nicht weiter reden, wenn es dir zu schwer fällt."

"Nein, es ist schon in Ordnung. Wenige Stunden später kehrten die beiden schließlich zurück. Adam war von einem Wolf angegriffen wurden. Er hat es überlebt, allerdings war er danach nie mehr derselbe..."

"Wie hast du es erfahren?"

"Ich habe mitgekriegt, wie die beiden sich über Adam unterhalten haben. Sie redeten darüber, wie sie es seinen Eltern erklären wollten. Adam würde nun nie wieder normal sein. Also bin ich zu ihnen und habe ihnen erklären wollen, dass mit Adam alles in Ordnung ist. Und dabei war ich so wütend, dass ich das erste Mal gezaubert habe und das ganze Geschirr im Schrank habe explodieren lassen. Und da haben Cogsworth und Lumiere mir erzählt, dass sie Zauberer sind. Und ich eine Hexe."

"Wow! War es aufregend? Ich bin sicher, dass du und Adam danach viel Zeit miteinander verbracht hast!"

Doch Belle schüttelte den Kopf. "Adam stieß mich von sich. Er wollte mich nicht mehr sehen und vergrub sich im seinem Zimmer. Ich habe versucht für ihn da zu sein, aber irgendwann hatte ich einfach keine Kraft mehr dazu. Was bringt es mir, Jahre vor einer verschlossenen Tür zu verbringen? Ich wollte Adam helfen, aber irgendwann habe ich gemerkt, dass es besser ist, loszulassen... Tut mir Leid, Ariel. Wir waren eigentlich hier, damit ich dir etwas über Muggelmärchen erzählen kann und dann musst du dir so etwas Uninteressantes anhören!" Belle blickte sie entschuldigend an.

"Es war nicht uninteressant!", meinte Ariel jedoch entschlossen. "Außerdem habe ich doch danach gefragt. Weil es mich interessiert hat!"

"Du bist wirklich eine außergewöhnliche Hexe", entgegnete Belle schmunzelnd. "Was bringt ein Reinblut dazu, sich so sehr für die Welt zu interessieren, aus der ich stamme? Eine Welt, in der keine Wunder möglich sind. Erzähl mir, was hat dich dazu getrieben?"

"Ich bin die Jüngste von insgesamt sieben Töchtern. Meine Eltern wollten immer einen Sohn haben, doch nachdem ich geboren wurde, machten meine Eltern einige Jahre später eine Schiffsreise. Mutter hatte Vater dazu gedrängt. Allerdings ist das Schiff gekentert und mein Vater hat es nur geschafft, mich zu retten."

"Das... Das tut mir Leid, Ariel. Es ist hart seine Mutter zu verlieren!"

"Ich bin darüber hinweg gekommen. Vater allerdings... Er nahm es nicht so gut auf. Er verbot uns jeglichen Kontakt zur Muggelwelt... und ich wollte das nicht hinnehmen. Denn wie kann eine Welt ohne Magie, die so wundervolle Dinge erschafft, böse sein?"

"Du hast also rebelliert?"

"Ja, so kann man es wohl nennen. Ich weiß nicht, woher dieses Interesse für die Muggelwelt kommt. Aber wenn ich mir ansehe, dass Muggel für die gleiche Arbeit, die wir in Sekunden erledigen können, oftmals Stunden brauchen und doch ... es steckt so viel Liebe in ihrer Arbeit." Ariel verstummte, als sie bemerkte, dass Belle sie schmunzelnd ansah und errötete. "Tut mir Leid. Das hört sich wahrscheinlich bescheuert an. Dass sich ein Reinblut so sehr für Muggel interessiert..."

"Ganz im Gegenteil!" Belle schüttelte bestimmt den Kopf. "Es macht dich einzigartig, Ariel."

Sie stand auf und ging zu ihrem Bücherregal, um nach nur wenigen Sekunden mit einem Buch in der Hand zurückzukommen. Sie schlug das Buch auf und Ariel konnte den Titel des Buches lesen.

H. C. Andersen - Gesammelte Märchen

Schließlich fand Belle wonach sie gesucht hatte und legte das aufgeschlagene Buch verkehrt herum auf den Tisch, sodass Ariel die Kapitelüberschrift lesen konnte.

"Die kleine Meerjungfrau erzählt die Geschichte von einer jungen Nixe, die sich für die Welt der Menschen interessiert. Ich denke, dass ist ein Märchen, dass dir gefallen könnte!"


Nachwort zu diesem Kapitel:
Kapitel 1 des Wettbewerbs. Ich wollte unbedingt ein Hogwarts AU schreiben. Arielle mit ihrer Liebe für fremdartige Dinge hat mich doch leicht an Arthur Weasley erinnert und so wollte ich aus ihr eine Reinblüterin machen, die sich für Muggelkram interessiert. Bei Belle hatte ich lange Zeit überlegt, ob ich aus ihr nicht einen Werwolf mache, bin dann allerdings zu dem Schluss gekommen, dass sich Adam aka das Biest besser dafür eignet.
Ich hoffe, es hat Spaß gemacht! Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2017-05-01T15:17:35+00:00 01.05.2017 17:17
Eine wirklich interessante Idee, die Geschichte nach Hogwarts zu verlegen. Arielle und Belle passen von ihren Charakteren auch perfekt in diese Umgebung. Arielle neugierig und interessiert sich für all die Dinge, die bei den "normalen" Hexern und Zauberern wohl eher nebensächlich sind. Belle, klug und voller Wissen.
Ich bin gespannt wie es weitergeht.
Antwort von:  CharleyQueens
03.05.2017 04:55
Danke dir. ^^


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