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undone

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Undone
 

Kapitel 19
 

Szenario Nummer Eins:

Ich schmeiß meinen Lieblingsspiegel auf den Boden, nehm die Scherben und schlitz mir die Pulsadern auf. Natürlich senkrecht, nicht waagerecht. Wenn, dann sollte man keine halben Sachen machen. Und meinen Eltern hinterlasse ich einen Brief mit dem Inhalt „Mama, Papa, es tut mir leid, aber ich will einfach nicht mehr. In Liebe, Euer Sohn Takanori“. Das wäre zumindest eine Möglichkeit und dann hoffen, dass sie mich spät genug finden und eine Reanimation unmöglich ist.
 

Szenario Nummer Zwei:

Ich packe meinen Koffer und verlasse das Land. Natürlich in Richtung Amerika. Kou wird mein Flugticket zahlen und mich erstmal bei sich aufnehmen müssen. Meinen Stolz schmeiße ich natürlich über Bord. Den brauch ich dann nicht mehr. Und dann such ich mir am anderen Ende der Welt einen Job und bin weg vom Schuss. Bei meinem Glück werd ich bestimmt auf offener Straße erschossen. Man hört ja immer wieder wie lasch die Waffengesetze in Amerika sind. Aber ich müsste mich zumindest nicht mehr mit dem Scheiß hier herumärgern. Verlockende Aussicht.
 

Szenario Nummer Drei:

Ich mache Schluss mit Kloe. Natürlich, nachdem ich erst nochmal eine heiße Nummer mit ihm geschoben habe. Dann teile ich ihm mit, dass ich ein ganz kleines Licht in der Modeszene bin und ich keine Verwendung für eine Null-Acht-Fünfzehn-Beziehung mit einem Möchtegern-Rockstar habe. Ich bin schließlich kein Groupie. Des Weiteren widme ich mich aufmerksam meiner Karriere und steig doch in das Schuh-Business ein. Vielleicht ist alles gar nicht mal so beschissen, wie ich es mir vorstelle.
 

Szenario Nummer Vier:

Ich kündige meinen beschissenen Job und zieh wieder bei meinen Eltern ein. Die sind sicherlich total glücklich, wenn ich ins familiäre Nest zurückkehre. Anschließend werde ich mich um einen Bürojob kümmern. Irgendwas Langweiliges. Etwas, wo alles nach Schema F abgearbeitet wird und es nur Schwarz und Weiß gibt. Gar nicht erst Nachdenken über andere Möglichkeiten. Oder Saftschubse in irgend einer Bar oder einem Restaurant. Da suchen die doch andauernd irgendwelche Leute. Und um das Ganze zu toppen werde ich mich bei einer Heiratsvermittlung anmelden. Irgendwann muss man schließlich sesshaft werden.
 

Szenario Nummer Fünf:

Ich sage Akira, dass ich ihn scharf finde, mache ihm unmissverständlich klar, dass ich nicht nur eine Nummer mit ihm schieben will, ich mich ihm aber erst hingebe, wenn er wirklich mal mit mir einen Kaffee trinken war. Bekanntheitsgrad oder Geheimmission hin oder her. Und wenn das ordentlich lief, bin ich vielleicht sogar gewillt, mich doch mal zu einer Partie Golf überreden zu lassen. Oder gegebenenfalls einem Ausflug mit dem Motorrad. Für seinen Lover sprang man schließlich gern über seinen Schatten.
 

Szenario Nummer Sechs:

Ich überdenke meinen Wunsch nach einer Beziehung und sage allen Männern und Frauen ab. Ich werde Priester oder sowas. Na ja, oder lebe einfach so in Abstinenz. Man muss ja nicht gleich immer zur Mönchskutte greifen. Das würde sicherlich auch notgedrungen so gehen. … Nein, das wäre doof. Also, wenn, dann möchte ich doch lieber irgendwen haben. Irgendwann halt. Ob Besuche im Schrein und Beten auch schon genügen? Ich könnte auch ganz viele Glücksbringer im Tempel kaufen und die immer mit mir herumschleppen. Göttliche Fügung und das alles. Zwar nicht bewiesen, aber… … … Vergessen wir das. Alles Blödsinn.
 

Szenario Nummer Sieben:

Hm… Vielleicht hilft so nen Glaubensding gar nicht. Besser ich schließe mich irgendeiner Satanssekte an. Teuflische Kräfte und so. Da lerne ich sicherlich zaubern und dann kann ich einen ordentlichen Liebestrank brauen und generell alle Leute um mich herum verhexen. Au ja, das wäre cool. Wobei, da gab es ja immer so komische Regeln mit Tieren opfern und dass alles, was man aussandte dreifach so schlimm zurück kam. Verdammt, also doch nicht den dummen Arbeitskollegen Eselsohren verpassen! Oh nein, noch schlimmer will ich meine Situation lieber nicht machen.
 

Szenario Nummer Acht:

Vielleicht denke ich auch ganz falsch und ich muss einfach nur genug Kerle probieren. Irgendwann wird schon der Richtige dabei sein. Man kauft ja generell nicht die Katze im Sack. Heißt, ich gehe Clubben bis zum Abwinken und vergnüge mich mit ein paar Kerlen, probiere sie aus und wenn es in der Kiste gut läuft, dann dürfen sie für eine Beziehung herhalten. Unter Umständen ist dann auch die ganze große Liebe dabei. Und wenn nicht, dann hatte ich wenigstens Sex…
 

Szenario Nummer Neun:

Ich geh mit Kloe aus, sage ihm, wie sehr ich ihn vermisst habe und entschuldige mich nochmals förmlich für das schreckliche Treffen mit Kou. Dann erkläre ich ihm, dass ich unsere Beziehung gern auf die nächste Stufe heben würde und erkundigte mich, ob er nicht mit mir zusammenziehen möchte. So würden wir uns öfters sehen und vielleicht klappte das ja wirklich, sodass ich ihm irgendwann anvertrauen kann, dass ich nicht der tolle Modefuzzi bin, für den er mich hält. Vielleicht reicht es dann auch aus, dass er nicht gleich schreiend unsere gemeinsamen vier Wände verlässt und er bleibt trotzdem bei mir.
 

Szenario Nummer Zehn:

Ich erkläre Akira, dass ich mich unsterblich in Koron verliebt habe und ohne ihn nicht weiterleben möchte. Ich werde ihn davon überzeugen, dass dieser Hund für meine Psyche und mein Seelenheil notwendig ist, bis er ihn mir freiwillig überlässt. Dann habe ich zwar noch immer einen blöden Job und keinen Lover, geschweige denn einen festen Freund, den ich über alles liebe, aber ich habe ein Baby, das ich umsorgen und verhätscheln kann. Das wäre traumhaft. Ich könnte ihm Kleidung kaufen und Schuhe. Nicht zu vergessen Leckerlies und immer mit ihm spazieren gehen und mein Baby allen zeigen und sie darauf aufmerksam machen, wie süß er doch ist.
 

Szenario Nummer Elf:

Ich werfe mich lebensmüde wieder Takeru an den Hals. Dann bitte ich ihn darum, seine Kontakte spielen zu lassen, damit ich wieder Zugang zu der versnobten Modewelt bekomme. Dort starte ich wiederum als Model durch und lasse einfach die Finger von dem Designen. Dann bin ich auch nicht mehr enttäuscht, wenn andauernd alles was ich mir ausgedacht habe, geändert und überarbeitet wird. Ich kann wie Kou durch die Welt jetten und lerne viele neue Leute kennen, sodass ich für eine Beziehung oder dergleichen gar keine Zeit hätte. Für Takeru dann natürlich auch nicht mehr…
 

Szenario Nummer Zwölf:

Ich beantrage Urlaub und gehe wirklich Kou besuchen. Die Einladung steht schließlich immer noch. Dort wird er keine Zeit für mich haben und ich muss meinen Urlaub mit seinem Computertypen verbringen. Wir sind uns auf Anhieb sympathisch und verbringen heiße Nächte miteinander oder kühlen uns am Tag am Strand im Wasser ab. Natürlich gibt es jeden Tag erfrischend kühles Eis für mich. Wenn mein Urlaub zu Ende ist, hängt er so sehr an mir, dass er mit mir zusammen zurück nach Tokio kommt… Oder mich einfach nicht wieder gehen lässt…
 

Szenario Nummer Dreizehn:

Ich schreibe ein Buch und nenne es „Die Leiden des jungen Takanori Matsumoto“. Selbstverständlich landet es auf Platz eins der nationalen Bestsellerlisten und ich reise durch das ganze Land, um es zu promoten. Ich halte Lesungen, gebe Autogramme und lass mich von meinen vorwiegend weiblichen Fans anhimmeln. Fangeschenke inklusive versteht sich von selbst. Der Modewelt kehre ich damit komplett den Rücken und widme mich einer Fantasiewelt nach der anderen.
 

Szenario Nummer Vierzehn:

Ich ertränke meinen aufkeimenden Frust ein erneutes Mal in Alkohol. Anschließend logge ich mich nach langer Zeit mal wieder auf einem einschlägigen Onlineportal ein, mache dort ein heißes Schnittchen klar, treffe mich mit ihm, lasse mich flach legen oder nagel ihn selbst und dann geht es zurück in den Alltag. Genug Aufregung für das erste halbe Jahr. Man sollte sich nicht zu viele Ausschweifungen leisten und bodenständig bleiben.
 

Szenario Nummer Fünfzehn:

Ich entscheide mich dafür, mich doch mal wieder bei meinem Psychiater blicken zu lassen, erkläre ihr, dass die Welt schrecklich, grausam und gemein ist und ich doch wieder meine Antidepressiva haben möchte, damit ich die Dummheit der Menschen und überhaupt deren Anwesenheit ertragen kann, da es mir einfach unmöglich scheint, mit den Geistern meiner Vergangenheit endlich abzuschließen. Mit den kleinen Glücksbringern sieht die Welt dann gleich nicht mehr so grau aus, auch wenn sich an meiner Situation nichts geändert hat.
 

Szenario Nummer Sechzehn:

Ich gehe einfach ins Kino und schaue mir einen sinnlosen Film an, um mich von diesen dummen Gedanken und dem aufkeimenden Selbstmitleid abzulenken. Dabei stopfe ich mir massig Nachos mit Käsedipp in die Schute und schlürfe Coke.
 

Jaha, Träumen kann ich!!!
 

Szenario Nummer Siebzehn:

Ich nehme die Situation wie ein Mann und ertrage meinen Alltag! Ohne weiter darüber nachzudenken! Vielleicht ist einfach nicht die Zeit für Veränderungen und etwas Ruhe wäre nicht schlecht nach all dem Chaos, das dieses Jahr bereits für mich bereitgehalten hat.
 

Takanori seufzte kellertief. Es war wie immer. Er wünschte sich Veränderung, dennoch war er nicht in der Lage, irgendeinen Kompromiss zu finden, der seine Sehnsüchte abdeckten konnte. Das war doch doof. Aber an einer Baustelle sollte er wirklich mal anfangen. Akira, Urlaub, Job, Sex, Kloe? Es gab so viele ungare Dinge in seinem Leben und nichts schien perfekt zu passen. Nix schien überhaupt zusammenzupassen und er balancierte über sein Drahtseil, bis er wirklich runterfiel.

Doch das Beste in solchen Zeiten der Unsicherheit war es, sich auf das zu berufen, was man hatte. Das hatte ihm seine Mutter gelehrt und Mami hatte schließlich immer Recht. Nicht selten sah man, dass man doch ein Stück Glück für sich gepachtet hatte, wenn man die Situation doch einmal ordentlich und nüchtern betrachtete. In seinem Falle vor allem nüchtern. Die letzten Tage und Wochen waren echt nicht leicht für seine Leber gewesen, wo er doch sonst gar nicht trank.

Seine Entscheidung fiel auf: Kloe. Es war mal wieder Zeit, sich um seinen Freund zu kümmern. So gab sich Takanori einen Ruck und lud Kloe zu einem Abendessen in einem Restaurant ein. Natürlich erst nachdem er die Tourdaten der Band seines sogenannten festen Freundes abgecheckt hatte. Er wollte auf Nummer sicher gehen, dass auch nichts dazwischen kam, wenn er einen Versuch unternehmen wollte, seine Beziehung endlich in das rechte Licht zu rücken. Taka wollte Kloe ernsthaft eine Chance geben. Möglicherweise konnte er endlich mal nach vorn sehen. Es war einfach nicht an der Zeit mit dem Kopf in den Wolken zu stecken. Die Zeit des Spielens war vorbei. Lieber nicht zu hoch pokern, um am Ende alles zu verlieren.
 

******
 

Der stupide Alltag war es, der Takanori wieder auf den Boden der Tatsachen zurück brachte. Aber nicht nur das, auch sein inneres Gleichgewicht schien wiedergekehrt zu sein. Durch den Stress auf der Arbeit hatte er keine Möglichkeit, seine Gedanken großartig schweifen zu lassen. Akira hatte sich nicht wieder bei ihm gemeldet und er selbst wollte nicht. Der Typ war schließlich eh nur auf bestimmte Zeit hier und würde sich dann wieder verpissen. Noch dazu saß das Angel-Golf-Drama nach wie vor tief. Kloe hingegen lebte hier, war greifbar, hatte keine merkwürdigen Hobbies (von denen er wusste) und war sein Date für Mittwochabend.

Takanori hatte sich nach der Arbeit zu Hause umgezogen und das Notwendigste in seine Umhängetasche gepackt. Es sollte einfach nur ein netter Abend werden, nicht mehr. Alles konnte, nichts muss. So ging er jedenfalls ran.

Taka verließ den Wohnkomplex und sah zum Himmel. Es zog sich ganz schön zu. Sicherlich würde es bald auch anfangen zu regnen. Dennoch schlug er den Weg zur Bahnstation ein, blieb aber abrupt stehen, als er das Bellen eines Hundes hörte. An der Tonlage konnte man schon hören, dass es sich um ein kleines Exemplar handeln musste. So wandte er sich um, sah dann aber doch nur eine Frau, die einen Schirm aufspannte, da bereits jetzt vereinzelt Tropfen fielen. Zu ihren Füßen sprang ein schwarzer Hund aufgeregt von rechts nach links und wartete auf Frauchen. Irgendwie war er enttäuscht und von dieser Gefühlsregung regelrecht überrascht. Da hatte er sich gerade wohl selbst ertappt. Mit einem leichten Lächeln auf dem Lippen und einem dazugehörigen Kopfschütteln setzte er seinen Weg nun schnelleren Schrittes fort. Nass werden wollte er nicht. Sonst wäre das Haarestylen heute Morgen umsonst gewesen. Für seine Kollegen hatte er sich sicherlich nicht so aufgebrezelt. Trotzdem kam er um einen weiteren kurzen Halt an seinem Stamm-Getränkeautomaten nicht drum herum. Der Tag im Atelier hatte ihn geschlaucht und andauernd musste er herumrennen, um neue Stoffproben heranzuschaffen. Da konnte er etwas Koffeinzuschuss vor seinem Treffen mit Kloe gut gebrauchen. Er langte in seine Hosentasche und suchte nach dem entsprechenden Kleingeld. Routiniert fiel kurz darauf seine Dose mit heißen Kaffee in die Ausgabe, aus der er sie heraus angelte. Sie war angenehm warm. Genau das Richtige bei diesem doofen Wetter. Doch da er trotzdem in Eile war, nahm er seinen Laufschritt direkt wieder auf. Sofort aber blieb er stehen, als es hinter ihm schepperte. Er wandte sich um und sah, dass wohl eine leere Dose aus dem überfüllten Mülleimer gefallen war. Augenscheinlich war er mit seiner Tasche an diesen gekommen und die Dose rausgefallen. Unglücklich. Kurzzeitig wägte er ab zwischen bürgerlicher Pflicht und dem Drang wenigstens pünktlich bei seinem Date anzukommen. Letzteres siegte und er stürmte noch schneller in die Bahnstation.
 

******
 

Die Eile, die Takanori an den Tag gelegt hatte, war letztendlich total unnötig. Kloe kam mal wieder zu spät und er stand unter dem Vordach des Burger-Restaurants, in dem sie essen wollten. Zwar nicht seine erste Wahl, aber er wusste, dass sein Freund den Fraß hier gut fand und er würde sicherlich auch irgendwas auf der Speisekarte finden, das er runter bekam. Aber eigentlich gingen Burger ja immer. Wenn das Hackfleisch nur mal richtig gewürzt wäre.

Suchend sah er sich wiederum um. Natürlich wusste er nicht, aus welcher Richtung sein Freund kommen würde. Noch dazu sah er eh nur ein Meer aus Regenschirmen, da es mittlerweile richtig zu regnen angefangen hatte.

Taka fröstelte etwas und rieb sich über die Oberarme. Ob er versetzt wurde? Irgendwie beschlich ihn ein merkwürdiges Gefühl. Er hielt inne und versuchte durch den Regen zur anderen Straßenseite zu blicken. Leider verhinderten der fallende Regen und das Gegenlicht der Straßenlampen genau dies. Dennoch verengte er seine Augen, um vielleicht doch noch etwas ausspähen zu können. Doch schon im nächsten Moment zuckte er zusammen, da jemand seine Hand auf seinen Unterarm legte.

Irritiert blickte er zu dem Mann, der samt tropfendem Schirm neben ihm zum Stehen gekommen war.

„Hey. Tut mir leid, dass es etwas später geworden ist. Der Regen hat mich überrascht und ich hab mir erst noch einen Schirm gekauft.“

Takanori schüttelte seinen Kopf. Doch nicht versetzt worden. Das machte ihm Mut.

„Schon in Ordnung. Ich freu mich, dass du Zeit für mich hast. Gehen wir rein? Ich hoffe, wir müssen jetzt nicht noch auf einen Tisch warten“, erwiderte er und hielt seiner Begleitung die Tür auf. Das gab vielleicht ein merkwürdiges Bild ab, da Kloe ihn bei Weitem überragte, aber heute wollte er sich ordentlich reinhängen. Immerhin hatte er die Kou-Katastrophe wieder gut zu machen.

Wenig später saßen sie an einem Tisch. Zwar nicht so abgelegen, wie er es sich gewünscht hätte, aber aufgrund des Wetters waren mehr Leute in die Restaurants gestürmt, als für gewöhnlich. Da konnte man nicht wählerisch sein.

„Bestell dir ruhig, was du möchtest“, bot Taka mit einem Lächeln auf den Lippen an. Seine Aufmerksamkeit galt im ersten Moment erstmal der Karte des Restaurants. Kurz angebunden hatte er sich aber für ein Menü entschieden und klappte die Karte wieder zu. Das war eben der unkomplizierte Weg und so konnte er die Zeit nutzen, um seine Verabredung ordentlich anzusehen. Waren seine Haare das letzte Mal auch schon so kurz gewesen? Mies, wenn man seinen Partner nicht einmal mehr ordentlich ansah und ihn wirklich nur für das Bett benötigte. Irgendwie fühlte er sich schlecht deswegen. Dabei war Kloe wirklich hübsch anzusehen. Diese langen Wimpern, die seine dunklen Augen umrahmten, hatten wirklich etwas. Wie mies war es, dass ihm solche Sachen bisher nie aufgefallen waren? Viel mehr spielte es eine Rolle, wie er ihn aufgeilen konnte, damit sie…

Die Bedienung sah wohl nicht, dass er sich gerade mit seinem schlechten Gewissen auseinander setzte und trat zu ihnen an den Tisch. Mit einem Nicken ließ Takanori seiner Begleitung den Vortritt bei der Bestellung. Auch bei Kloe sollte es eines der Menüs sein. Die Getränkewahl war ebenso schnell getroffen und sie zum Glück wieder allein, obwohl die Geräuschkulisse hier sehr einnehmend war.

Ein Lächeln sagt mehr als tausend Worte. In seinem Fall wohl nicht, denn Kloe sah ihn nur fragend an. Daher kratzte er sich etwas verlegen an der Wange.

„Nun, wie läuft es so mit dir und der Band?“, erkundigte sich Takanori. Vielleicht war es gar nicht so verkehrt erstmal nach der Arbeit zu fragen. Wobei das Stutzen seines Gegenübers wohl verriet, dass der mit seiner Themenwahl nicht so glücklich war.

„Wir arbeiten an unserer neuen Single. Die soll im April rauskommen. Aktuell bemühen wir uns um ein Studio für die Aufnahmen und das Management versucht Termine abzuklären für Fantreffen.“ Es folgte regelrecht schon ein gleichgültiges Schulterzucken. Taka nickte verstehend.

„Das wird bestimmt total super.“ Was sollte er auch sagen? Viel Ahnung von dem Ganzen hatte er nun wirklich nicht. Das Meiste kannte er nur aus den Erzählungen des anderen.

„Bestimmt. Es folgt dann sicherlich auch wieder eine Tour durch ganz Japan. Mal rauskommen ist auch nicht schlecht.“

„Oh? Schon bald?“, erkundigte sich der Designer, wurde aber von der Bedienung unterbrochen, die ihnen ihre Getränke brachte. Doch Kloe ließ sich davon nicht beirren.

„Das kann ich noch nicht sagen. Das Management entscheidet das je nach Halle. Da laufen erstmal Anfragen, ob was frei ist. Aber allein schon wegen der Promotion für die Single werden sie sich einen straffen Zeitplan ausdenken.“

„Dann bist du wieder sehr beschäftigt, hn?“ Takanori versuchte wenigstens einen liebevollen Tonfall anzuschneiden, der jedoch nicht auf fruchtbaren Boden traf.

„Gehört eben zum Job. Ich muss Geld verdienen.“

Wenigstens eine etwas freundlichere Antwort hätte er sich gewünscht, aber anscheinend herrschte nach wie vor Eiszeit. Ob es an dem Treffen mit Kou lag?

„Verständlich. Geht uns allen so. Dabei hatte ich gehofft, dass wir uns vielleicht in nächster Zeit wieder öfters treffen könnten?“ Takanori schnitt das Thema eher vorsichtig an. Mal sehen, wie Kloe darauf reagierte. Aber der wich seinem Blick vollends aus und schon kam die Kellnerin mit ihrer Bestellung zu ihrem Tisch zurück. Ihr schenkte Kloe gleich mehr Aufmerksamkeit und bedankte sich. Das war ernüchternd. Ob Kloe ihn wohl abservieren wollte? Aber dafür hätte auch eine Nachricht aufs Handy genügt. Ach Mann, er wusste doch auch nicht, woran er bei ihm war.

„Sieht gut aus, hn?“, meinte Kloe und Taka nickte einfach aus Reflex.

„Dann lass es dir schmecken…“, sagte er aus reiner Höflichkeit. Sein Hunger war irgendwie verflogen, zusammen mit seiner Hoffnung bei Kloe doch noch einen Fuß zwischen die Tür zu bekommen. Dabei hatte er sich heute Morgen auf dem Weg zur Arbeit ihr Treffen schon in den buntesten Farben ausgemalt. Aber die Realität war genau so grau wie das Wetter draußen.

„So, dein Freund aus Amerika ist wieder weg?“, begann der Musiker aber seinerseits nun ein Gespräch. Den Unterton in Kloes Stimme konnte Taka nicht deuten. Genau so war es für ihn schleierhaft, warum die Themenwahl ausgerechnet auf Kouyou fiel.

„Ja, ist er. Strikter Terminplan und so. Da bleibt nie viel Zeit.“ Taka biss sich auf die Unterlippe. Schlechtes Gewissen ahoi!

„Sorry nochmal für euer Aufeinandertreffen.“ Das musste wohl nochmal gesagt werden. Wann auch, wenn er es nicht jetzt gleich abhakte? Die Situation war schließlich einfach nur unangenehm für alle Beteiligten. Na ja, zumindest für sie. Kou sah das alles ja immer ein bisschen anders.

„Hm. Hättest sagen können, dass du Besuch hast“, brachte es Kloe auf den Punkt. Der schuldbewusste Blick war wenigstens ein Anfang.

„Ich weiß. Ich dachte nicht, dass er gerade dann wiederkommt, wenn wir… wir… na ja…“ Kloe war schließlich dabei gewesen. Da musste er das nicht nochmal wiederholen und die Peinlichkeit auffrischen. War so schon schlimm genug.

„Bist du denn sauer?“, wollte Taka dann aber doch vorsichtig wissen.

„Schon.“

Takanori verzog sein Gesicht. Gerade das, was er nicht hören wollte. Verdenken konnte er es dem anderen aber nicht mal. Er wäre wohl genau so vor den Kopf gestoßen und würde sich sonst was denken.

Und er hatte sich auch noch so bemerkenswert genau in diese Position verfrachtet, in der er zu Kreuze kriechen musste, obwohl er nicht grundlegend diese Sache verbockt hatte. Trotzdem standen alle Fakten nun gegen ihn und ein Freispruch war nicht mehr möglich. Fraglich wie er aus dieser Sache mit einem blauen Auge davonkam.

„Kann ich etwas tun, um das zu ändern?“ Damit lieferte er sich aus. Das hatte er so im Gefühl.

„Da bin ich mir noch nicht so sicher.“ Kloe widmete sich seinem Essen und vermied es weiterhin, seine Begleitung anzusehen. Dennoch hatte Takanori das Gefühl von Blicken regelrecht durchlöchert zu werden. Sicherlich nagte das schlechte Gewissen an ihm.

„Ich wollte das vor dir wirklich nicht verheimlichen. Kou ist hetero. Also falls du diesbezüglich Bedenken hast. Er wusste auch nicht mal, dass ich Männern zugetan bin. Da ist nichts gelaufen“, beteuerte der Designer nochmals und starrte nun sein Essen an. Es nicht zu essen war auch keine Lösung seines Problems, doch irgendwie bekam er nichts runter, ehe diese Sache vom Tisch war.

„Du hättest es mir trotzdem sagen können. Das hätte uns einiges erspart. Das muss ich alles erstmal sacken lassen“, machte Kloe seine Position klar.

Irgendwie war das verständlich, dennoch hatte Takanori nun das Gefühl, dem anderen etwas schuldig zu sein. Das mochte er nicht.

„Ich mach’s wieder gut.“ Diese Beteuerung kam wohl ein wenig zu schnell.

„Wie?“

Taka legte seine Gabel zur Seite und blies die Luft aus seinen Lungen. Und da hatte er die Pistole auf der Brust.

„Das… Das weiß ich noch nicht. Aber ich lass mir was einfallen.“

„Hm, ich weiß nicht so recht. Du machst dir das schon ziemlich einfach. Erst meldest du dich gar nicht, dann…“ Kloe hörte auf zu reden, da deutlich das Surren eines Mobile Phones zu vernehmen war. Natürlich kam das von Taka, dem das nun auch bewusst wurde. Hektisch kramte er daher sein Handy heraus. Der schuldbewusste Blick war inklusive.

„Ich mach’s aus. Das war unbedacht von mir!“, entschuldigte sich Takanori und entsperrte den Bildschirm. Da aber sah er die Vorschau der Nachricht, die er bekommen hatte. So viel zu seinem Vorhaben das Gerät auszuschalten.

„Oh! Eh, das ist geschäftlich. Ganz kurz nur.“ Die Entschuldigung hinkte, aber er hatte gerade die Daten von Takerus Party bekommen und musste diese umgehend an Akira weiterleiten. Dann war wenigstens das erstmal safe. Noch mehr Baustellen brauchte er definitiv nicht. Trotzdem war das Timing mal wieder besonders bescheuert gewählt. Irgendwer in diesem Universum war sowas von gegen ihn. Als wäre die Situation nicht eh schon anstrengend genug.

Kloe hingegen futterte weiter und konnte wiederkehrendes Augenrollen nicht vermeiden. Schließlich dauerte es eine Weile, bis seine Verabredung seine geschäftlichen Sachen geklärt und das Handy weggesteckt hatte.

„Entschuldige. Ich glaube, wir sind unterbrochen worden. Du wolltest gerade etwas sagen“, versuchte Takanori wenigstens ihr Gespräch wieder in Gang zu bringen. Er sah jedoch die Felle wegschwimmen. Das waren solche Gelegenheiten, denen man nur noch hinterher winken konnte. Dabei war Kloe drauf und dran gewesen ihm zu sagen, was ihm störte.

„Ja, wollte ich. Ist aber nicht so wichtig.“ Den Unterton konnte man problemlos aus Kloes Worten herausfiltern. Er war gekränkt. Schlimmer als jede Frau. Das war mies. Ganz dünnes Eis, wie Taka vermutete.

„Ich weiß, es läuft aktuell nicht so gut zwischen uns.“ Welche Einsicht. Das sah schließlich ein Blinder.

„ Aber ich möchte das wirklich ändern. Daher…. Daher hatte ich auch gefragt, ob wir uns nicht öfters sehen sollten? Ich würde mich wirklich freuen, wenn wir das geregelt bekämen“, versuchte der Designer nochmals sein Glück. Schließlich hatte er sich das schon überlegt. Und die Entscheidung war schließlich auf ein „go“ für Kloe gefallen.

„Hm, du hast mich ganz schön vernachlässigt. Ich dachte, du hast gar keinen Bock mehr auf mich“, räumte der schwarzhaarige Musiker schließlich ein. Es war wohl das erste Mal an diesem Abend, dass er Takanori in die Augen sah. Der aber empfand das als direkten Angriff.

„Tut mir wirklich leid. Ich weiß, ich bin ein scheiß Freund. Ich versuch das zu ändern. Ich werde mir mehr Zeit für dich nehmen und dann bin ich mir sicher, dass wir das wieder hinbekommen.“ Hoffte er. Im Grunde hatte er keinen Plan, wie man eine richtige Beziehung führte. Nüchtern betrachtet hing er derbe in den Seilen. Alles was er aktuell anfasste war zum Scheitern verurteilt. Jedenfalls kam ihm das so vor. Das mit Kloe wollte er nun nicht auch noch verbocken.

„Okay, versuchen wir es“, lenkte Kloe nach einer Denkpause schließlich ein und Takanori fiel ein Stein vom Herzen. Erst jetzt bemerkte er, wie verkrampft er doch gewesen war. Das hatte sich nicht nur an der Verweigerung der Nahrungsaufnahme angedeutet. Auch seine Körperhaltung war alles andere als selbstbewusst gewesen.

„Sollen… wir nachher dann vielleicht in ein Hotel gehen? Dort stört uns niemand“, schlug der kleine Blonde unmittelbar vor. Klang vielleicht abgedroschen, aber etwas Nähe würde ihnen sicherlich gut tun.

„Diesmal nicht. Ich muss morgen 10 Uhr bei einem Termin sein. Aber ein anderes Mal gerne“, wurde sein Vorschlag abgewiesen. Trotzdem nickte Taka. Arbeit ging eben vor. Er musste ja auch pünktlich auf der Matte stehen. Nur seinen Kollegen war es egal, wenn er Augenringe bis zu den Ellenbogen hatte.

„Verstehe. Das holen wir dann ein anderes Mal nach. Alles gut.“

„Sicher. Aber wie läuft es bei dir auf Arbeit eigentlich?“, wollte der Musiker nun auch von seiner Begleitung wissen.

Takanori verzog seine Lippen etwas. Back to Business. Und nicht zu vergessen zurück zu den Lügen. „Recht gut. Es ist viel zu tun.” Um nicht zu viel reden zu müssen, entschied sich Takanori nun auch dafür, sich auf das Essen zu stürzen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Goesha
2018-03-04T21:43:32+00:00 04.03.2018 22:43
Taka Taka Taka... was soll man dazu noch sagen?
Fantasie hat er ja. Wobei ich mir so gedacht hatte, Satananhänger ist doch auch ein Glauben... hmmm... XD
Aber das er nun doch sein Glück nochmal bei Kloe sucht, ich weiß nicht. Ich hatte das Gefühl gehabt, dass Kloe nicht wirklich Bock auf Ruki hatte aber nun stellt es sich doch anders da.
Ich wäre für Nummer 10 gewesen, wenn ich Ruki gewesen wäre. Dann hat er wenigstens Koron und alles drum herum ist nur noch halb so schlimm. Und Koron kann auch nicht weg oder fremd gehen! ^^"
Antwort von:  Daisuke_Andou
05.03.2018 02:15
Ich weiß gar nicht, was du meinst? Taka-chan is eben unique ^^°
Ich glaube aber, dass er sich irgendwann keine großartigen Gedanken mehr über die Qualität seiner Ausschweifungen gemacht hat. ^^ Und Glaube ist ja doch eher mit ner ordentlichen Religion verbunden. Also wenn man auch bedenkt, was da in Japan so assoziiert wird ^^ Letztendlich hat er sich ja doch dagegen entschieden XD
Werden wir ja dann sehen, ob das nochmal was wird mit Kloe ^^v
Ich kann ja Stimmen sammeln wer für welche Zukunft ist. ^.~ Also ein Strich für Koron >DD
Antwort von:  Goesha
05.03.2018 02:28
Das sowieso. Komischer Vogel eben. XD
Hmm... es gibt auch die Religion des fliegenden Sphagettimonsters. Daran glauben tatsache viele Leute. Jetzt die Frage, ab wann ist die Religion eine ordentliche? Und warum ist an Satan zu glauben keine? (Immerhin steckt im vorhergehenden Satz schon "glauben") Aber nur mal so, musst nicht drauf antworten, dass wird sonst zu einer nie enden wollenden Diskussion. XD
Jo, Koron! XD
Antwort von:  Daisuke_Andou
05.03.2018 03:39
Lass ihn! er ist liebenswert >.<
Hätte ich das mal früher gewusst XD Dann hätte ich das eingebaut >D Aber nee, ich muss mir da keine Gedanken machen. Ist eben ne andere Mentalität mit Naturgeistern und co XD Letztendlich siehst du das glaube ich einfach zu eng. Taka fantasiert ja nur über mögliche Dinge. Seine Auffassung von Glaube ist dann halt schon eher damit verbunden als Mönch zu leben. Aber das schließt er ja eher für sich aus. Und dann kommt eben der nächste fixe Gedanke etc... Geht ja nur um seine Auffassung der Dinge und nicht, wie das allgemeingültig gewertet wird.


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