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Der Saphir der Halbblüter

von

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„Daemon!“.

Ich drehe mich in die Richtung, aus der mich die Stimme gerufen hat. Denke aber nicht einmal im Traum daran, Mel loszulassen. Drehe lediglich den Kopf in die Richtung und presse ihren Körper noch enger an meinen, falls jemand auf die Idee kommen sollte uns zu trennen.

Der Wolf – oder inzwischen – Junge mit den smaragdgrünen Augen und dessen Name ich immer noch nicht kenne rennt auf uns zu. Hinter ihm, die drei gräulichen Wölfe mit dem weißen Bauch. Es sind die Ältesten.

Ich will etwas sagen, doch mein verzweifeltes Schluchzen lässt es nicht zu. Der schwarze Wolf ist aschfahl und es scheint so, als wäre ihm das Gesicht eingeschlafen. Mit zitternden Knien setzt er sich zu uns auf den Boden und legt entschuldigend, mitleidend seine Hand auf meine Schulter.

Ich wehre mich nicht dagegen, will es auch gar nicht. Ich verdanke ihm mein Leben. Genauso, wie ich es Mel zu verdanken habe. Nur mit dem Unterschied, dass Melody für mich gestorben ist.

 

„Ihr Herz schlägt nicht mehr...“, ist das einzige, was mir über die Lippen kommt. Zu mehr bin ich nicht im Stande und breche erneut in Tränen aus.

„Es tut uns leid...“, höre ich einen der Ältesten sagen, auch wenn ich nicht genau sagen kann, welcher es war, was mir aber auch egal ist. Denn nun sind auch sie nicht mehr im Stande ihr Leben zu retten.

Der schwarze Wolf schaut mich an, allerdings kann ich seinen Blick nicht richtig deuten. Er wirkt nachdenklich. Als ob er überlegen würde, aber das sagen soll, was ihm gerade im Kopf herumschwirrt.

„Daemon... ich glaube, es gibt noch einen Weg ihr Leben zu retten...“, sagt er vorsichtig und wendet seinen Blick an die Ältesten, die den Blick mit einer kalten, gefühllosen Miene erwidern.

„Was? Welchen? Was soll ich tun?“, frage ich aufgebracht. Es ist mir egal, was dafür nötig ist. Ich werde alles dafür tun.

„Du kennst das Gesetzt. Niemand erklärt sich für so etwas bereit“, sagt der älteste des Trios, immer noch an den schwarzen Wolf gerichtet.

„Welches Gesetzt? Worum geht es? Ich werde tun, was nötig ist“, mische ich mich ein, und habe ein klein wenig Hoffnung, doch noch einmal in ihre mausgrauen Augen sehen zu dürfen.

 

Der jüngste der Ältesten tritt einen Schritt auf mich zu und schaut mich an.

„Um ein Leben aus dem Totenreich zurück zu holen, ist ein anderes Opfer nötig. Wenn sie leben soll, muss jemand anderes sterben, um das Gleichgewicht der Erde wiederherzustellen“, erklärt er ruhig und schaut mich durch seine kristallblauen Augen an. Doch für mich besteht kein Zweifel.

„Dann werde ich an ihrer Stelle sterben“, sage ich ohne darüber nachzudenken.

„Das nützt nichts, Daemon. Sie liebt dich und du liebst sie. Wenn sie leben kann und du nicht, würde sie unglücklich sein und um dich trauern. Zudem würde sie es sich nie verzeihen, dass du ihretwegen gestorben wärst, nachdem sie deines rettete.“, unterbricht mich der schwarze Wolf.

Dummerweise hat er Recht. Aber ich kann ihren Tod auch nicht einfach so hinnehmen. Ich muss doch alles tun, um sie zu retten.

„Ich mach das... rettet Melodys Leben und nehmt meines“, fährt der schwarze Wolf fort und stellt sich aufrecht hin, mit dem Rücken zu mir und wendet sich somit an die Ältesten.

„Auf keinen Fall!“, versuche ich ihn aufzuhalten, doch er unterbricht mich.

„Doch! Wie gesagt, es nützt nichts, wenn du deines geben würdest. Außerdem... wäre es mir eine Ehre. Ich habe euch beiden viel angetan und verletzt. Habe dich beschuldigt ohne nachzudenken. Hätte dir beinahe das Leben genommen und Melody entführt. Ich will nicht einmal Vergebung dafür, denn das kann man nicht. Aber so kann ich vielleicht meine Fehler wieder gutmachen“, erklärt er leise, aber voller stolz. Ich bin beinahe gerührt von seinen Worten, doch sie überraschen mich so sehr, das sich nicht in der Lage bin zu antworten. Dann spiegelt sich auf seinen Lippen ein Lächeln wider.

„Und... vielleicht sehe ich ja dann meine Schwester wieder. Ihr habt euch zwei, aber hier habe ich niemanden mehr. So wäre ich wieder mit ihr vereint“, fügt er zu guter Letzt noch hinzu.

 

Inzwischen hatte er sich wieder neben mich gekniet und seine Hand an meine Schulter gelegt. Ich glaube, er weiß gar nicht, was er gerade für mich tut und wie viel mir das bedeutet.

Wenn er das wirklich tun würde, würde er mir damit das zweite Mal das Leben retten. Denn würde ich Melody verlieren, wüsste ich nicht, was ich tun würde. Ich bezweifle, dass ich in der Lage wäre, mein Leben selbstständig weiter zu leben, so dass es auch lebenswert wäre. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich mich Andrew je wieder anvertrauen würde, geschweige denn, ob ich je wieder mit ihm reden würde, wenn er Melody auf dem Gewissen hätte.

 

Apropo Andrew: An ihn hatte ich nicht einmal mehr gedacht. Vorsichtig, beinahe ein wenig unsicher wende ich meinen Blick an meinen Bruder. Doch er steht noch immer genauso da, wie zuvor. Die Hände krampfen sich um die Waffe und aus seinen Augen ist reinste Angst, Schuld und Verzweiflung herauszulesen. Der Rauch aus der Mündung der Pistole hat zwar nachgelassen, ist aber immer noch deutlich sichtbar. So viel Zeit kann also noch gar nicht vergangen sein. Dabei fühlte es sich an, als wären Stunden vergangen. Endliche, qualvolle Stunden.

Doch ich kann nichts sagen, da merke ich, wie die Ältesten einen Schritt auf mich zukommen und mich ein Stück von Melody trennen. Zuerst will ich protestieren, lasse es aber doch zu.

Sie liegt nun auf dem Rücken. Mitten im Gras. Erst jetzt fällt mir der tatsächliche Blutverlust auf und ich habe Angst, dass sie zu viel Blut verloren hat und man sie nicht mehr retten kann. Ich sitze an ihrer Rechten und halte ihre Hand. Mustere ihr Gesicht, hoffe so sehr, dass alles gut ausgeht.

 

Aufmerksam beobachte ich, was genau sie jetzt vor haben. Der Älteste des Trios verwandelt sich in einen Menschen, tritt einen Schritt vor, nur um sich dann neben Melody zu knien. Die anderen beiden machen es ihm nach, mit dem Unterschied, dass sie sich neben den schwarzen Wolf stellen und umrunden.

Der Älteste nimmt sein Amulett von seinem Hals und legt es über die Stelle, in der die Kugel Mel getroffen hat. Direkt auf ihr Herz. Die anderen beiden laufen um den Jungen mir den smaragdgrünen Augen herum, streichen dabei mit den Händen dauerhaft über Schulter und Schlüsselbein.

Auf einmal beginnen alle drei gleichzeitig irgendwelche Worte zu sprechen, die kein Mensch oder Halbblüter versteht. Vermutlich Latein oder irgendeine andere tote Sprache.

Die Stelle, in der die Kugel eingedrungen war, beginnt im selben Blauton aufzuleuchten, wie der Saphir. Wie durch Zauberhand verschließt sich die Wunde und nichts weiter als eine kleine Narbe bleibt übrig.

Ich kann kaum glauben, dass dies wirklich passiert. Noch immer traue ich mich nicht, den Gedanken vollkommen zu beenden, dass Mel jeden Moment aufwachen könnte. Ich habe zu große Angst davor, mir Hoffnungen zu machen und dann doch enttäuscht zu werden.

Ich kann meine Augen nicht von ihrem Gesicht lassen. Die ganze Zeit hoffe ich, dass sie ihre Augen öffnet und ich wieder die Chance habe, in diese zu blicken.

 

Ich hatte nicht einmal bemerkt, wie ich die Luft angehalten habe. Erst, als mir der Luftmangel auffällt, atme ich erst einmal tief durch. Mein Herz rast so schnell, dass ich das Gefühl habe, es müsste jeden Moment explodieren.

Und dann öffnet sie tatsächlich ihre Augen. Das Grau leuchtet heller und funkelt mehr als je zuvor.

In mir breitet sich ein Gefühl von Glück aus, was sich nicht beschreiben lässt. So viele Gefühle treffen auf einmal zusammen, dass ich nicht in der Lage bin klar zu denken.

Meinen Tränen lasse ich freien Lauf und lächle sie überglücklich an. Sie wirkt noch etwas schwach, vermutlich durch den vielen Blutverlust, doch sie erwidert es.

Ich lege meine Hand an ihre Wange und küsse sie. Es ist ein besonderer Kuss. Ein Zeichen des Neuanfangs, ein Zeichen von Glück und ein Zeichen der Liebe. Es stecken so viele Emotionen in diesem einen Kuss, dass ich kaum realisiere, was um uns herum passiert. Jetzt, für diesen Moment, zählt einzig und allein dieser Kuss.

 

Als ich mich etwas widerwillig löse, sehe ich, wie auch ihr eine Träne, die Wange hinunter rinnt. Vorsichtig wische ihr diese mit dem Daumen weg und lächle sie einfach nur an.

„Ich hatte solche Angst...“, gebe ich leise zu und blicke ihr in die Augen. Sie scheint noch ein wenig benommen, kann vermutlich noch nicht ganz realisieren, was genau passiert und wie das alles möglich ist.

Ich will ihr die Frage beantworten, bis mir der schwarze Wolf wieder in den Sinn kommt. In mir macht sich ein mulmiges Gefühl breit, denn da Mel nun wieder am Leben ist, heißt es, dass das Gleichgewicht der Welt außer Kontrolle ist.

Ein wenig eingeschüchtert richte ich mich auf und blicke zu dem schwarzen Wolf, welcher noch immer von den anderen beiden Ältesten umrundet wird.

Auch er wird in saphirblaues Licht getaucht und umhüllt. Es weht ein leichter Wind. Aber er ist nicht unangenehm kalt, sondern eher wohlig warm, auch wenn dies nicht ganz mit der Frabe harmoniert, um umhüllt den Jungen voll und ganz. Einzelne Blätter haben sich in dem Strudel verfangen, welche mich am Arm streifen und ebenfalls ihre Runden um den Wolf ziehen.

 

Ich hatte damit gerechnet, ein verängstigendes Gesicht zu sehen, oder zumindest einen Hauch von Unsicherheit in seinen Augen lesen zu können. Doch nichts davon traf ein. Die Augen des schwarzen Wolfes strahlen Freude aus.

Ich will zu ihm, stehe sogar schon auf den Beinen. Ich habe irgendwie das dringende Bedürfnis ihn in den Arm zu nehmen, ihm zu danken. Doch ich erkenne bereits, wie sein Körper beginnt sich aufzulösen. Ich kann bereits durch ihn hindurchsehen, sehe die Menschen hinter ihm, die sich um uns versammelt haben, was mir bis dahin noch nicht einmal aufgefallen war.

Fast ein wenig hilflos betrachte ich ihn, wie er sich Stück für Stück auflöst, während die Ältesten immer weiter um hindurch laufen, wodurch unser Blickkontakt immer und immer wieder unterbrochen wird. Doch sein Lächeln gibt mir das Gefühl keine Angst haben zu müssen. Er wirkt fast ein wenig glücklich mit seiner Entscheidung und gibt mir auch Gewissheit, dass er keine Schmerzen hat. So kann er wenigstens friedlich sterben.

Mit meinen Lippen forme ich ein „Danke“, es ist das einzige, was mir im Moment einfällt. Von ihm folgt nur noch ein kleines Nicken, mit einem dazu passendem, aufrichtigem Grinsen.

Ich will ihn nach seinem Namen fragen, doch bevor ich ihm die Frage stellen kann, löst sich einen Moment später sein Körper vollkommen in Luft auf und eine Art Geist in Wolfsform – in seiner Wolfsform – erscheint. Es ist nur eine Art Standbild, als ob auch sein Wolfsein sich von der Erde verabschieden müsste. Sein Ebenbild erscheint im blauen Licht und als dieses verschwindet, ist ein letztes Heulen – sein Heulen – zu hören.

Nun hat er Melodys Platz im Himmel eingenommen.

 

„Daemon..? Was ist passiert..?“, fragt Melody vorsichtig.

Ich drehe mich zu ihr um und sehe, wie sie versucht sich aufzurichten.

Ich beuge mich zu ihr hinunter und helfe ihr beim aufstehen. Noch immer ist sie ziemlich wackelig auf den Beinen, weshalb ich den Arm um sie gelegt lasse, damit sie sich an mir abstützen kann. Doch glaube ich nicht, dass jetzt der richtige Moment ist, um ihr alles zu erklären, weshalb ich nur in Kurzfassung das wichtigste anreiße, ihr aber erkläre, dass ich ihr später noch alles genauer erzählen werde.

 

„Andrew!“.

Plötzlich werde ich aus meinen Gedanken gerissen und mein Blick, der eben noch auf Mel gerichtet war, schellt erst zu meinem Bruder, dann zu der Stimme, die nach ihm gerufen hat. Sie gehört dem ältesten des Trios.

Erst jetzt, nachdem sich das ganze Drama etwas gelegt hat, fällt mir auf, dass sich das gesamte Dorf um uns herum versammelt hat. Wie lange sie wohl schon da stehen?

Beinahe automatisch halte ich nach Tick und Trick Ausschau, doch ich kann sie nirgendwo erkennen. In mir macht sich leichte Panik breit. Hoffentlich ist ihnen nichts passiert und sie machen keine Dummheiten, wegen ihrem Bruder.

Von den Menschen ist keine Spur mehr zu sehen. Lediglich mein Bruder ist der letzte, der von ihnen übrig geblieben ist. Die Wölfe der benachbarten Rudel stehen ebenfalls um uns herum, sind ebenfalls mit Blut besudelt. Ich habe den Kampf und die Flucht der Feinden nicht einmal mehr mitbekommen.

Ich war einfach nur auf Melody fixiert.

 

„Andrew, was du getan hast, war Verrat“, beginnt der Älteste.

„Deinetwegen sind Freunde und Verwandte gestorben. Du hast dem Staat unsere Geheimnisse anvertraut. Es wird für uns nie wieder möglich sein, ein Leben ohne Beobachtung und Kontrolle des Staates leben zu können. Wir müssen ab sofort ständig mit neuen Gefahren rechnen, müssen immer auf der Hut sein.

Schlimmer ist jedoch, dass du nicht nur dich selbst, sondern auch deine Familie und uns alle in Gefahr gebracht hast. Du hast uns verraten und unser Geheimnis an die Öffentlichkeit verkauft. In früheren Zeiten lautete das Urteil bei Verrat: Todesstrafe“.

Mir bleibt für einen Moment das Herz stehen. Der Älteste blick erst zu mir, dann zu seinen Brüdern, die kurz zwei Worte miteinander wechseln.

„Wir sind uns jedoch einig, es bei einer Verbannung zu belassen. Deine Abreise muss sofort stattfinden. Solltest du zurückkehren, werden wir auf die alten Methoden zurückgreifen müssen“.

 

Ich höre schweigend zu, habe den Blick inzwischen zu Boden gesenkt. Am liebsten würde ich dagegen protestieren, doch ich habe nicht das Recht dazu. Es ist nun mal wahr. Andrew ist Schuld an unserem Unglück und da kann ich nichts daran ändern. Unser Schutz steht an erster Stelle, steht teilweise sogar über der Familie. Man muss die Konsequenzen für seine Fehler tragen können.

Melodys Griff um meinen Arm festigt sich. Ich wende meinen Blick zu ihr und bemerke, wie sie mich besorgt anschaut. Doch ich gebe ihr zu verstehen, dass es mir gut geht. Jedoch weiß ich nicht genau, ob es gelogen ist, oder nicht.

Auf der einen Seite ist Andrew mein Bruder, Zwillingsbruder. Er ist meine Familie und der letzte, der noch übrig ist.

Auf der anderen Seite hat er mich verraten und angelogen. Hat mir die drei Jahre nach dem Unfall etwas vorgelogen, meine Freundin verheimlicht und ihr ebenfalls Lügengeschichten erzählt. Nicht zu vergessen, sein Rudel und somit unsere Sicherheit an den Staat verraten.

Wie gern würde ich ihm verzeihen. Am liebsten würde ich ihm in den Arm nehmen, sagen, dass wir das vergessen und von vorn anfangen. Aber das kann ich nicht. Jetzt noch nicht. Vielleicht irgendwann mal. Wenn sich das Drama gelegt hat, wieder normaler Alltag eingekehrt ist.

Möglicherweise bin ich dann bereit, meinen Bruder aufzusuchen und alles in Ruhe noch einmal mit ihm zu besprechen. Auch in der Lage, ihm zu vergeben. Aber jetzt im Moment, kann ich das einfach noch nicht.

 

Mit einem leisen krachen lässt mein Bruder das Gewehr fallen. Ich richte meinen Blick auf ihn. Seine Augen zeigen Verzweiflung und Reue. Aber auch Verständnis. Für wenige Sekunden schauen wir uns einfach nur an. Wir müssen beide nichts sagen. Wir wissen beide, was der jeweils andere denkt.

Ihm scheint die Sonne in den Rücken, so dass beinahe nur eine schwarze Silhouette zu erkennen ist. Ich erkenne, wie er mit seiner Hand das Amulett umgreift, was uns beide noch miteinander verbindet. Ich besitze schließlich das selbe. Im Farbenspiel des Sonnenuntergangs verwandelt er sich in einen Wolf, kehrt dem Dorf den Rücken zu, bis er schließlich in Richtung Horizont verschwindet.

 

Melodys Hand verknotet sich mit meiner und ich schenke ihr ein kleines Lächeln. Allerdings bereitet mir noch eine Sache Bachschmerzen. Ohne ein Wort zu sagen, ziehe ich sie mit mir mit. Zielsicher laufe ich zu Track. Ich bin mir sicher, dass ich die beiden dort finden werde. Wir treten aus dem Tor und finden das bereits erwartete Blutbad vor. Ich brauche nur wenige Sekunden, um Tick und Trick tatsächlich bei ihrem Bruder vorzufinden.

Es bricht mir das Herz ihr Winseln zu hören und zu sehen, wie sie immer und immer wieder den toten Körper ihres Bruders anstupsen und hoffen, er würde sich doch noch bewegen.

Natürlich gäbe es auch hier die Möglichkeit das Verfahren anzuwenden, was auch bei Mel angewendet wurde. Doch wird es keine Freiwilligen geben, die ihr Leben geben werden.

Langsam gehe ich auf sie zu und knie mich zu ihnen. Melody bleibt vorerst ein paar Schritte zurück.

Sanft Streiche ich ihnen durch das Fell und nehme sie in den Arm. Ich weiß nur zu gut, wie sie sich fühlen. Mir ging es nicht anders, als Mel tot vor mir lag.

Ich versuche ihnen Mut zuzusprechen, sie zu trösten. Aber ich weiß, dass es nichts nützen wird und beide die Zeit brauchen werden, um zu trauern.

Ich blicke noch einmal auf Track. Die schneeweiße Blume, welche ich zuvor auf seinen Körper gelegt hatte, ist inzwischen blutrot. Ich wische mir eine Träne weg, lasse die beiden dann alleine und gehe wieder zu Melody. Ich will ihnen die Zeit geben, die sie brauchen. Sie nicht drängen und auch nicht, dass sie Tränen unterdrücken, nur weil ich bei ihnen sitze.

 

Inzwischen ist es mitten in der Nacht. Wir haben uns zuerst um die Verstorbenen gekümmert, bevor wir das Dorf geräumt haben. Das gesamte Dorf – zumindest die, die übrig geblieben sind - haben sich um ein großes Feuer versammelt. Unter der Feuerstelle ist die Grube, in welchen die Toten geborgen worden sind. Es war ein trauriges Spektakel. Es wurde kaum ein Wort gesprochen. Nur das Weinen, Winseln und Aufheulen der Halbblüter hat man gehört, während sie vor dem Grab standen und Blumen, besondere Gegenstände oder etwas anderes, was sie emotional mit verstorbenen Freunden und Verwandten verbinden. Alle hatten sich in einer Reihe aufgestellt, um nach und nach seine letzten Worte an diejenigen zu richten, welche demjenigen wichtig war.

Unheimlich ist jedoch der Gedanke, dass jeder einzelne von uns mindestens einen Halbblüter kannte, der in dieser Grube liegt, wenn nicht mehrere.

Ich hatte zwar in den letzten Jahren nicht viel Kontakt zu dem Dorf, dennoch ist es beunruhigend, dass auch ich zwei der Gefallenen kannte. Als ich an der Grube stand, richteten sich meine Worte an Track. Wie ich ihn kennengelernt hatte, was für Zeiten wir durchgemacht haben, welch sich auf die Übungsstunden, die Prüfung und der Vergabe des Amuletts beziehen.

Aber meine meisten Worte und Gedanken gingen an den schwarzen Wolf, der noch nicht einmal in dieser Grube lag, sondern direkt seinen Platz im Himmel eingenommen hatte. Still dankte ich ihm. Sage die Worte, dich ihm gern persönlich gesagt hätte, bevor er vor meinen Augen verschwand. Zu gern hätte ich seinen Namen gewusst. Natürlich, ich könnte jemand anderen fragen, aber ich wollte es nicht. Es würde mir nicht das Gefühl geben, dass ich ihn persönlich kenne. Ich kenne ihn unter dem Namen 'schwarzer Wolf' oder als den 'Jungen mit den smaragdgrünen Augen'. Ein stiller, namensloser Held, der mir das Leben rettete. Eine gewisse Anonymität verleiht es ihm, wenn ich seinen Namen nicht weiß. Aber irgendwie passt es ja auch. Denn den Namen seines Schutzengels kennt man ja auch nicht.

 

Als ich meine Worte zu Ende gedacht hatte, musste ich leicht lächeln. Ich bin mir fast sicher, wenn wir uns später einmal in einem anderem Leben kennenlernen werden, könnten wir gute Freunde werde.

Ich schau zu Melody, die am anderen Ende des Feuers steht und mich beobachtet. Sie stand ebenfalls vor der Grube, ist aber logischerweise schon vor einigen Sekunden, wenn nicht Minuten – ich weiß nicht, wie lange ich davor stand – weiter gelaufen, um auf mich zu warten. Sie schenkt mir ein fürsorgliches Lächeln und wendet ihren Blick nicht ab, bis ich schließlich bei ihr bin, um mich neben sie zu stellen.

 

Inzwischen ist es stockdunkel und wir stehen alle versammelt um das Feuer und starren in die Flamme. Es werden Lieder angestimmt. Zur Eröffnung ein einziges Totenlied, um jeden einzelnen zu ehren. Doch zuletzt waren es hauptsächlich Lieder über Mut, Tapferkeit und Loyalität. Wir feiern die Kraft und den unglaublichen Kampfgeist, den jeder einzelne an den Tag gelegt hat und feiern diejenigen, die aufrichtig in den Kampf gestiegen sind, um ihresgleichen zu verteidigen. Wir ehren sie mit Respekt und Dankbarkeit. Denn nichts auf der Welt, kann ein Leben ersetzen. Und das wollen wir deutlich machen.

 

Es ist beinahe ein Mechanismus. Blind, ohne sie anzusehen, greife ich nach Melodys Hand und um schließe sie mit meiner. Ohne zu zögern erwidert sie meinen Griff, bis sich unsere Finger verknoten. Jetzt erst blicke ich zu ihr, sodass ich ihr direkt in die Augen sehen kann, welche durch das Feuer jedoch einen Orangeschimmer haben. Wir schenken uns beide ein kleines Lächeln. Wir wissen beide, was es zu bedeuten hat. Es ist nicht nur, ein Händchenhalten, weil die Stimmung einen Hauch von Romantik ausstrahlt, oder weil die Situation so emotional ist. Es ist ein Händchenhalten und ein Lächeln für das Leben. Auf ein neues Leben. Auf ein besseres und ehrliches Leben. Ein Leben in Zweisamkeit und als Paar. Zusammen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Sundy
2017-07-08T20:54:47+00:00 08.07.2017 22:54
Jetzt bleibt fpro mich immernoch die Frage offen wo die Welpen hinkommen. Ob er sie zu sich nimmt oder ob sie bei den Leuten aus dem Dorf bleiben.
Antwort von:  FanFicFreak98
19.07.2017 12:51
Hey ^^
So jetzt einmal DANKE, dass du immer mitgefiebert und ein Review dagelassen hast! Ich hab mich immer sehr gefreut :3
Ich dachte, ich bedanke mich am Ende einmal richtig, bevor ich jedes Mal das Selbe antworte.
LG FanFicFreak98^^


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