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Fallender Schnee

von

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Annäherung

„Wir wollten dieses Jahr alle bei uns feiern.“ Es ist einer dieser, in letzter Zeit so selten gewordenen Tage, an denen ich einfach mit meinem Kumpel zusammensitze. Eigentlich verbringen wir diese Zeit am liebsten im Freien. Bei dem starken Schneefall, der nicht nur die vergangenen Tage angehalten hat, sondern dies noch immer tut, bin ich aber ganz froh darüber, in Maliks warmen und trockenen Zimmer sitzen zu können. Umso weniger erfreut es mich nun, dass er mit einem solchen Thema beginnt.

„Wir?“ Bisher hat Amane jedes Jahr darauf bestanden, Heiligabend in der Wohnung zu verbringen, für den Fall, dass unsere Mutter doch nach Hause kommt. Dass sie nun also bei Malik feiern will, kann ich kaum glauben. Zudem befürchte ich, dass mit 'wir' auch Ryuji gemeint ist. Über die letzten Wochen hat er sich wie selbstverständlich in unsere Gruppe eingefügt. Nach unserer Vereinbarung habe ich ihn eigentlich längst rausschmeißen sollen. Auch wenn ich es ungern zugebe, er hat es irgendwie geschafft meinen Entschluss hinauszuzögern, so dass es nun schon fast zu spät ist. Verärgert grummel ich in mich hinein.
 

„Wir“, bestätigt Malik breit grinsend. Mir ist klar, dass er von sich aus nicht näher darauf eingehen wird.

„Amane will das?“ Dass das Mädchen mit diesem Plan zu tun hat, ist sehr wahrscheinlich, auch wenn ich es nicht wirklich glauben kann. Als könne er meine Gedanken lesen, wird Maliks Gesichtsausdruck ernster.

„Wann war eure Mutter das letzte Mal da?“ Ich zucke nur mit den Schultern. Wir sehen sie schon einige Male im Jahr, doch zu Weihnachten hat sie sich schon länger nicht mehr blicken lassen. „Scheinbar hat sie keine Lust mehr zu warten. Und eine lustige Feier unter Freunden ist allemal besser, als alleine Zuhause zu sitzen.“

Erneut zucke ich mit den Schultern. Malik hat schon Recht und wenn es für Amane okay ist, dann habe ich erst recht kein Problem damit. Würde es nach mir gehen, hätten wir bereits die letzten Jahre so verbracht. Nicht, weil ich so ein großer Freund von Weihnachten bin, sondern einfach, um Amane einen Gefallen damit zu tun.
 

„Miho?“, frage ich weiter.

„Müsstest du noch fragen. Ihre Eltern sind ja aber etwas streng.“ Davon, dass das Mädchen etwas mit dem Plan zu tun hat, bin ich aber auch nicht ausgegangen.

„Ryuji?“, grummel ich, was augenblicklich ein breites Grinsen zurück auf Maliks Lippen zaubert.

„Ist überaus begeistert von der Idee.“ Da ich mir das bereits gedacht habe, kann ich mir einen entsprechenden Gesichtsausdruck verkneifen. „Ihr versteht euch doch gut.“ Ich knurre nur. Eigentlich ist dies die perfekte Gelegenheit, meinem Kumpel mitzuteilen, dass ich Ryuji nicht weiter ertragen kann. Stattdessen aber fixiere ich den Jungen mit meinem Blick.

„Wieso wollt ihr ihn so unbedingt in unserer Gruppe haben?“ Unsere Gruppe funktioniert auch bestens ohne den Schwarzhaarigen. Doch er ist nicht einfach nur ein Freund Maliks, mit dem ich hin und wieder mal auskommen muss, sondern er hängt wirklich ständig bei uns herum, sogar öfter als Miho.

„Oh, weiß auch nicht.“ Ein kurzer Blick in Maliks lavendelfarbenen Augen genügt, um zu erkennen, dass dies nicht die Wahrheit ist. Ich werde das dumme Gefühl nicht los, dass es sehr wohl einen Grund dafür gibt. „Denk dann aber an die Geschenke“, wechselt er grinsend das Thema wieder zurück. „Auch für Ryuji.“ Maliks Grinsen wird so breit, dass mir ein humorloses Lachen über die Lippen kommt.

„Sicher nicht.“ Darauf kann er lange warten.
 

Wie erwartet, kann Miho Weihnachten nicht mit uns verbringen. Dafür wird sie mir heute mit der Geschenkauswahl helfen. Zumindest für Malik und Amane. Das Geschenk für das Mädchen muss ich später noch besorgen. Wirklich lästig.

„Willst du für Malik schon wieder ein Buch kaufen?“ Unsicher schaut mich Miho an, als ich in dem Buchladen vor dem selben Regal stehen bleibe, aus dem ich damals das Kochbuch für meinen Kumpel gezogen habe.

„Ja?“ Unsicher lasse ich meine Hand wieder sinken. Genau aus diesem Grund habe ich das Mädchen mit in die Stadt genommen.

„Du kannst ihm doch nicht immer das gleiche schenken.“ Nachdenklich lässt sie kurz ihren Blick über mich schweifen, während ich auf einen besseren Vorschlag warte. „Wie wäre es mit... etwas persönlichem?“ Fragend erwidere ich ihren Blick. „Etwas, was eben nicht nur von materiellem Wert ist, vielleicht etwas Selbstgemachtes.“ Zweifelnd hebe ich eine Augenbraue. Traut mir das Mädchen ernsthaft ein solches Geschenk zu?

„Soll ich ihm ein Kochbuch basteln?“ Der verzweifelte Blick, den mir Miho zuwirft, macht mir deutlich, dass es nicht das ist, worauf sie hinausgewollt hat.

„Wenn ich dir sage, was du machen sollst, dann verliert sich der Sinn dahinter. Wenn du aber wissen willst, was ich holen würde, dann sind das neue Farben.“ Malik ist ein angehender Künstler, deswegen geht er auch auf eine andere Schule als ich.
 

Und so stehen wir nur wenige Minuten danach in einem anderen Laden, in dem es eben diese Farben gibt, die Malik braucht.

„Was?“ Das entsetzt klingende Wort rutscht mir aus Versehen heraus, als ich den Preis für eine einzige Farbflasche sehe. Mihos fragender Blick klärt sich sogleich, als ich weiter rede. „Das sind doch Wucherpreise.“ Nie im Leben kauft jemand für diesen Preis Farbe.

„Es ist eben eine spezielle Farbe. Außerdem wird sich Malik dann umso mehr darüber freuen.“

„Mein Sparschwein hingegen gar nicht“, murre ich, von Mihos Lächeln immerhin etwas beruhigt. Trotzdem überdenke ich sogleich die Anzahl der Tuben, die ich für meinen Kumpel habe kaufen wollen. Letztendlich hole ich ein Set von sechs Farbflaschen, wofür schon mehr Geld drauf geht, als ich für beide Geschenke zusammen eingeplant habe. Dabei steht Amanes Geschenk noch offen.
 

Genau dieses suchen wir gerade in einem Schuhladen. Ich verstehe beim besten Willen nicht, warum meine Schwester noch mehr Schuhe braucht. Sie hat schon so viele, da wird es nicht mal ein besonderes Geschenk, wie ich es habe für Malik machen sollen.

Allerdings kennt Miho das Mädchen in dieser Hinsicht besser, so dass ich ihr einfach mal vertraue.

„Und was genau suchen wir?“ Immer mal wieder einen Blick über die Vielzahl Schuhe schweifen lassend, folge ich meiner Freundin durch den Laden.

„Sie will schon seit einer ganzen Weile ein ganz bestimmtes Paar, aber es ist ziemlich... Teuer.“ Ihr gesenkter Blick bei diesem Geständnis verrät mir, dass es ihr unangenehm ist. Fast schon resigniert reagiere ich darauf, dass mein Geldbeutel noch mehr leiden wird.

Noch weniger als bei Maliks Farben verstehe ich, wie dieses einfache Paar Schuhe so viel kosten kann, es unterscheidet sich nicht mal besonders von Amanes anderen Schuhe, die scheinbar wesentlich günstiger sind. Aber wenn ich meiner Schwester damit ein besonderes Geschenk mache, dann soll sie sie bekommen, ansonsten gebe ich ja kaum Geld aus.

„Danke für deine Hilfe“, bedanke ich mich, kaum dass wir den Schuhladen wieder verlassen haben. Ich bin mehr als froh, dass ich diesen Einkauf so schnell hinter mich gebracht habe und nun nur noch ein Geschenk brauche.
 

„Gerne. Aber willst du nicht noch etwas für Ryuji holen?“ Miho weiß zwar, dass ich den Jungen anfangs nicht mochte, aber nicht, dass das immer noch der Fall ist. Ich habe ihr nichts davon erzählt, das mein momentanes Verhalten Ryuji gegenüber nur auf einer Abmachung beruht, die letztendlich darauf hinausläuft, dass er aus unserer Gruppe fliegt.

„Nein“, grummel ich nur. Zu gerne würde ich ihr meine Gedanken anvertrauen, aber ich befürchte, dass Amane dann allzu schnell Wind davon bekommt.

„Bist du dir sicher?“ Mit in Falten gelegter Stirn mustert mich meine Freundin. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass er dir etwas schenken wird.“ Das bezweifle ich, und wenn doch, so ist Ryuji selbst schuld.

„Ich weiß ja nicht mal, was er mag.“ Und das stimmt sogar. Miho bedenkt mich nur kurz mit einem nachdenklichen Blick, sagt dann aber nichts weiter dazu. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie weiß, dass ich Ryuji nach wie vor nicht sonderlich leiden kann.

Danach fahren wir zu dem Mädchen nach Hause, wo ich in aller Ruhe die beiden Geschenke einpacke.
 

Für Mihos Geschenk muss ich glücklicherweise nicht noch einmal in die Stadt, die so kurz vor Weihnachten hoffnungslos überlaufen ist. Es war Amanes Idee, die uns so gut gefiel, dass wir nun zu dritt in Maliks Wohnzimmer sitzen und die einzelnen Bilder durchgehen, die Amane in der Stadt hat drucken lassen. Sie will ein Album voller Erinnerungen an die letzten Monate, die Miho mit uns verbracht hat, machen. Das wird nicht nur ein Geschenk, das selbstgemacht und daher von mehr als nur materiellem Wert ist, ich bin mir zudem ziemlich sicher, dass sich Miho darüber freuen wird.

„Bakura, mach du die Seite.“ Mit dieser kurzen Aufforderung schiebt mir Amane das Buch hin, von dem bereits die ersten Seiten mit Bildern und Texten gefüllt sind.

„Du kannst das doch viel besser, ich werde es nur versauen.“ Natürlich will ich, dass Miho ein möglichst schönes Geschenk bekommt, was sicherlich nicht der Fall sein wird, wenn ich nun in das Buch kritzel.

„Es geht doch nicht darum, wie toll es am Ende aussieht, sondern um den Willen dahinter.“ Sie hat leicht reden, ist sie immerhin fast genauso kreativ wie Malik. Trotzdem mache ich mich zögerlich an das Gestalten der nächsten Seiten, was mir nach einer Weile nicht mehr ganz so schwer fällt.
 

Heiligabend kommt schneller als gedacht. Zusammen mit Maliks Geschwistern sitzen wir alle in deren Wohnzimmer und es ist nicht das erste Mal an diesem Abend, dass ich mir Miho herbeiwünsche. Natürlich mag ich bis auf Ryuji alle Anwesenden, trotzdem würde mich das Mädchen noch eher von dem Schwarzhaarigen ablenken. Dieser legt gerade eine Menge Geschenke unter den bunt geschmückten Tannenbaum, wobei ich ihn missmutig beobachte. Es sind mehr als fünf Geschenke und ich frage mich, ob er mir ernsthaft etwas schenken will. Spätestens als er sich umdreht und mir ein breites Grinsen schenkt, wende ich meinen Blick ab.

„Willst du deine Geschenke behalten?“, zieht mich Amane auf, als ich auch danach keinerlei Anstalten mache, die zwei Päckchen für Malik und Amane ebenfalls unter den Baum zu legen.

Mit einem lautlosen Seufzen komme ich ihrer Aufforderung nach. Das Mädchen sitzt bereits unter dem Baum und verteilt seine Geschenke, die ebenfalls sehr zahlreich ausfallen. Allerdings sind die zwei Geschenke für Maliks Geschwister von uns beiden, auch wenn ich mich letztendlich nur an den Kosten beteiligt habe.
 

Nicht sonderlich erpicht darauf, die Geschenke für mich auszupacken, lasse ich mich zurück aufs Sofa fallen. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was man mir schenken könnte, auch wenn ich aus Erfahrung weiß, dass sie stets eine gute Wahl treffen. Trotzdem macht mich diese Ungewissheit unruhig.

„Lasst uns zuerst etwas singen“, schlägt Amane freudestrahlend vor. Auch wenn ich so etwas beim besten Willen nicht brauch, weiß ich, wie sehr meine Schwester diese Rituale liebt. Da keiner etwas gegen diesen Vorschlag zu haben scheint, sind wir nur kurz danach tatsächlich Weihnachtslieder am singen. Spätestens als Ishizu noch eine Dose selbstgebackener Plätzchen herumreicht, komme ich in so etwas wie Weihnachtsstimmung. Ein Gefühl, das mir die vergangenen Jahre über ferngeblieben ist.

Kaum haben wir mit dem letzten Lied geendet, hängen Amane und Ryuji bereits unter dem Weihnachtsbaum. So erwachsen meine Schwester auch wirken mag, gerade kommt eindeutig das Kind in ihr durch. Ryuji hingegen scheint ganz wild darauf zu sein, Malik einige seiner Geschenke zu reichen, so dass dieser nicht vom Sofa aufstehen muss. Wohl das Mindeste, was er als Entschädigung für den gebrochenen Fuß, der noch immer in einen Gips gepackt ist, tun kann.
 

Gleichzeitig beginnen sich auch die Anderen ihren Geschenken zu widmen, was für ein einheitliches Rascheln sorgt.

„Das hier ist für dich.“ Ich kann gar nicht so schnell reagieren, wie sich der Schwarzhaarige zu mir umdreht, in seinen Händen ein größeres, flaches Geschenk. Ungläubig starre ich das Päckchen an, ohne mich zu regen. Ist das sein Ernst? Und am wichtigsten, soll ich es annehmen? Seinem nervösen Blick, der an Ryuji äußerst ungewohnt aussieht, zu urteilen, scheint er sich auch keinen üblen Scherz mit mir erlauben zu wollen.

„Ich habe nichts für dich“, gebe ich zögerlich von mir. Immerhin habe ich ihm bewusst nichts geholt und will es auch nach wie vor nicht. Trotzdem fühle ich mich nun dank der gelösten Stimmung etwas schuldig.

„Ach, mach dir keinen Kopf.“ Mit einem Mal weicht sämtliche Nervosität aus dem Gesicht des Jungen und macht einem breiten Grinsen platz. Fast schon etwas übermütig drückt er mir das schlicht eingepackte Geschenk in die Hände. „Ich werde darauf zurückkommen.“ Ehe ich etwas auf diese beunruhigenden Worte erwidern kann, hat sich Ryuji wieder zu dem Baum umgewandt.

Missmutig richtet sich mein Blick auf das nicht allzu schwere Etwas auf meinem Schoß. Am liebsten würde ich es einfach zur Seite legen und mich meinen anderen Geschenken und vor allen den Reaktionen von Amane und Malik auf deren Geschenke widmen. Letztendlich siegte aber die Neugier.
 

Wenn ich mal eines von Maliks Gemälden sehe, bin ich stets davon fasziniert, wie er mit ein paar Farben ein solches Kunstwerk schaffen kann. Kaum anders ist es jetzt, als ich eine gerahmte Leinwand auspacke. Das Bild ist in keinster Weise mit dem zu vergleichen, was Malik malt. Nicht nur, weil Ryuji einen anderen Stil hat, sondern vor allem, weil er andere Farben verwendet hat, als die, die mein Kumpel üblicherweise benutzt.

Auf dem Bild kann ich neben mir auch noch Miho, Malik und Amane wiederfinden, wie wir durch eine verschneite Landschaft gehen. Ich bin mehr als beeindruckt davon, wie er uns alle so realistisch auf die Leinwand gebracht hat, ohne dass zumindest ich Model für ihn gestanden habe.

Nachdem ich das Bild für gefühlte Minuten angestarrt habe, huscht mein Blick unweigerlich zu Ryuji, der gerade scheinbar das Geschenk von Amane auspackt. Soll ich ihm jetzt auch noch dafür danken? Am liebsten würde ich das nicht, doch so ungern ich es auch zugebe, sein Geschenk ist einfach nur toll.

Ich warte erst einmal ab, bis alle ihre Geschenke ausgepackt haben. Amane springt mich geradezu an, als sie ihre neuen Schuhe auspackt.

„Danke, danke, danke! Woher wusstest du, dass ich die wollte?“ So aufgedreht glücklich habe ich meine Schwester schon lange nicht mehr erlebt. Ich komme nicht einmal zum Antworten. „Es ist einfach großartig, ich danke dir.“
 

Malik bedankt sich ebenfalls bei mir, wenn auch nicht ganz so stürmisch wie Amane. Schließlich packe ich auch noch meine Geschenke aus. Von Amane bekomme ich einen Schal, von dem sie vermutlich genau weiß, dass ich ihn niemals anziehen werden, sowie eine neue Hose, mit der sie mir schon eher einen Gefallen tut. Malik schenkt mir wie fast jedes Jahr eines seiner bemerkenswert schönen Bilder. Auf diesem ist ein weißer Tiger abgebildet, der durch einen dichten, sehr grünen Dschungel streift. Ich weiß zwar nicht, wie er zu diesem Anlass auf ein solches Motiv gekommen ist, doch es gefällt mir sehr gut. Bei meinem Kumpel und meiner Schwester kann ich mich problemlos bedanken, doch zu Ryuji schaue ich nicht einmal.

„Sag mal.“ Gerade in diesem Augenblick lässt sich Amane neben mich aufs Sofa fallen. Ich ahne sofort, dass sie etwas im Schilde führt. „Ryuji hat dir doch etwas geschenkt, oder?“ Als Antwort gebe ich lediglich ein leises Grummeln von mir. „Darf ich es sehen?“

„Du kennst es doch eh schon“, entgegne ich in der Annahme, dass Ryuji es den Anderen breits längst gezeigt hat. Sofort zieht Amane einen Schmollmund.

„Gar nicht. Er wollte uns nicht einmal die Skizzen zeigen.“ Ich mustere sie nur durchdringend. Selbst wenn es so ist, will ich gerade niemandem das Bild zeigen. Nicht um gemein zu sein, sondern einfach, weil sie mir dann nur noch mehr ins Gewissen reden würden, als ich es sowieso schon tue. „Er meinte, du sollst der Erste sein, der es neben ihm sieht.“ Das kann ich nun aber wirklich nicht glauben.

„Später“, wimmle ich sie grob ab. Zum Glück lässt sie aber von mir ab und bohrt nicht weiter nach.
 

„Wie wärs, wenn wir etwas spielen?“, fragt Ryuji in die Runde und scheint damit zumindest bei Ishizu und Rishid auf Anklang zu stoßen.

„Ich dachte, wir könnten einen Film schauen.“ Dieses Aussage Amanes wundert mich nicht so sehr, immerhin ist es das, was wir die letzten Jahre an Weihnachten gemacht haben.

„Was denn für einen Film?“, mischt sich nun auch Malik ein.

„Keine Ahnung. Ich dachte an einen Horrorfilm oder so.“

„An Weihnachten?“ Ishizu scheint doch sehr überrascht. „Wie wäre es, wenn wir erst einmal etwas spielen? Danach können wir immer noch weiter schauen.“ Sonderlich begeistert ist sie von dieser Idee wohl wirklich nicht, was mir wiederum ein leichtes Grinsen auf die Lippen zaubert.

Schließlich entscheiden wir uns für 'Wer bin ich', wobei mir ziemlich egal ist, was wir spielen, solange ich mich erst einmal nicht mit Ryuji auseinandersetzen muss.

Das Spiel ist sogar recht lustig, vor allem da ich meine Person, nämlich niemanden anderes als mich selbst, schon ziemlich am Anfang errate und somit den anderen in Ruhe dabei zuschauen kann, wie sie verzweifelt immer abwegiger werdende Fragen zu ihrer Person stellen.

Schließlich endet aber auch dieses Spiel, wonach sich Ishizu, die wirklich müde zu sein scheint, für diesen Abend verabschiedet. Dies wiederum bedeutet, dass wir nun einen Horrorfilm schauen.
 

Ich nutze die kurze Ruhe, die während der Vorbereitung entsteht, um Ryuji zur Seite zu ziehen. Ich hatte nun wirklich genug Zeit zum nachdenken und so unangenehm der Junge auch sein mag, für sein Geschenk muss ich ihm einfach danken.

„Ryuji. Danke für das Bild, es gefällt mir wirklich sehr.“ Zuerst scheint Ryuji total überrumpelt, was mir viel mehr gefällt, als das überdimensionale Lächeln, das sich nur wenige Augenblicke später auf seinem Gesicht ausbreitet.

„Das freut mich.“ Er scheint nicht nur glücklich, sondern auch erleichtert über meine Worte zu sein, was mich doch etwas wundert. So habe ich den Jungen nun wirklich nicht eingeschätzt, aber heute wirkt er sowieso etwas merkwürdig.

Zwar spreche ich nicht viel mehr mit ihm, trotzdem habe ich für den restlichen Abend ein seltsam flaues Gefühl in meiner Magengegend, woran auch der Horrorfilm nichts ändern kann. Es dauert eine ganze Weile, bis ich auf dem Sofa, das für diese Nacht mein Bett sein wird, einschlafen kann.



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