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Wenn das Leben stillsteht...

von

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Der Vertrag

Seto Kaiba starrte den Pfleger an. Irgendwo in seinem Unterbewusstsein rührte sich etwas. Seine Stirn legte sich in Falten. Er kannte diesen Mann, doch ihm wollte einfach nicht einfallen woher. Also nahm er die ihm dargebotene Hand und drückte sie kurz, aber kraftvoll. Der Mediziner wandte sich wieder an den Krankenpfleger „Seto Kaiba brauche ich Ihnen ja wohl nicht vorstellen“ er nickte bedächtig.

Er konnte am Gesicht des blonden Krankenpflegers sehen, dass auch er in seiner Erinnerung kramte, Seto nicht gleich einordnen konnte. Doch es dauerte nur einige Sekunden, bis er seine Erinnerung wiedergefunden hatte und sich sein Gesicht erhellte. „Natürlich!“ der Krankenpfleger tippte sich mit dem Finger gegen die Schläfe. „Wie könnte ich den großen Seto Kaiba vergessen? Wir waren gemeinsam in der Schule“
 

Es durchfuhr Seto wie einen heißen Blitz. „Joey Wheeler“ er nickte resignierend. Das Schicksal schien ihm auch jeden erdenklichen Streich zu spielen. Der Arzt räusperte sich kurz. „Nun, ich lasse Sie dann mal alleine, Sie haben jede Menge Details zu besprechen“ damit verschwand er aus dem Zimmer.
 

Joey ließ sich auf einen Sessel nahe Setos Bett fallen und legte die Beine auf die Bettdecke des Firmenchefs. „Das ich ausgerechnet dich hier treffe“ begann er zu plappern, doch eine unwirsche Bewegung von Setos Hand brachte ihn zum Verstummen. „Wir gehen eine Geschäftsbeziehung ein“ sagte der Firmenchef und bemühte sich, so viel Kälte in seine Stimme zu legen, wie nur möglich. „Und genauso professionell sollten wir uns dabei verhalten“ er seufzte. Jeden anderen hätte er sicher binnen ein paar Wochen aus seinem Job geekelt, aber er wusste aus eigener Erfahrung, dass Joey sich in solche Dinge verbiss und dann nur schwer loszuwerden war. Es erschien ihm lächerlich, den Blondschopf nicht sofort erkannt zu haben, mit einem Schlag war seine Schulzeit so präsent, als wäre sie erst einige Tage her, nicht beinahe zehn Jahre. Innerlich lachte der Firmenchef auf. Bei den Worten verlässlich und erfahren hätte er als letztes an jemanden wie Wheeler gedacht.
 

Joey nahm die Beine von Kaibas Bett und stellte sie am Boden ab, dann lehnte er sich vor, stützte sich mit den Ellbogen ab. Er lehnte sich Kaiba entgegen, achtete jedoch darauf, einen gewissen Abstand einzuhalten. „Maße dir nicht an, zu glauben, dass ich nicht professionell wäre. Es ist viel Zeit vergangen und ich habe mich dieser Arbeit mit Leib und Seele verschrieben. Also wag‘ es ja nicht, dir ein Urteil über mich zu bilden, ehe du mit mir gearbeitet hast.“ damit ließ sich der Blonde zurück auf den Sessel fallen und verschränkte die Arme vor der Brust.
 

Für einen Moment schnürte es Seto die Luft ab. Einerseits weil es jemand wagte, so mit ihm zu sprechen, andererseits, weil er einen kurzen Moment vor sich selbst eingestehen musste, dass er vielleicht jemanden brauchte, der ihn einen Teil des Weges führte. Er fühlte sich, als hätte er etwas Eiskaltes viel zu schnell getrunken und nun lag es ihm schwer im Magen.

In seinem Kopf fuhren die Gedanken Achterbahn. Sollte er sich wirklich von Wheeler betreuen lassen? Er konnte auch auf einen anderen Pfleger bestehen, doch das würde wieder lange Diskussionen nach sich ziehen und dem fühlte er sich im Moment einfach nicht gewachsen.

Vielleicht war eine Gefahr die man kannte besser als sich in etwas Unbekanntes zu stürzen? Immerhin wusste der Firmenchef nur zu gut, wie man Wheeler auf die Palme bringen konnte, in ihm glomm das Gefühl auf, den Pfleger auch nach all den Jahren in- und auswendig zu kennen.

Seto glaubte nicht, dass Menschen sich änderten. Ein Esel, den man in einen Anzug steckte, würde trotzdem ein Esel bleiben, völlig egal, wie elegant er aussah.

Seine Gedanken überschlugen sich, er musste eine Entscheidung treffen.

Schließlich sog Seto tief Luft ein und nickte ernst. „In Ordnung, ich bin bereit dir eine Chance zu gewähren.“ Was konnte schon passieren? „Aber ich warne dich“ fuhr er beinahe drohend fort. „Das wird ein Spiel nach meinen Regeln und ich dulde weder Amateure, noch Fehler.“
 

Joey grinste. „Immer noch ganz der Alte, was?“ insgeheim freute er sich darüber, hatte er doch die Wortduelle mit dem Firmenchef stets heimlich genossen, bewundert, wie er ihm auf ruhige, eloquente Weise Kontra geben konnte. „Lass uns zum Geschäftlichen kommen“ der Krankenpfleger nickte ebenfalls.
 

Die Geschäftsdetails waren schnell geklärt, immerhin verdiente Seto sein Brot mit derlei Angelegenheiten, knallharte Fakten waren seine Welt. Doch er kam nicht umhin insgeheim zu bewundern, wie reif und erwachsen Wheeler in diesen zehn Jahren geworden war. Sicher blitzte ab und an die alte Sturheit und Respektlosigkeit auf, die Seto stets auf die Palme gebracht hatte. Immerhin war er es gewohnt, dass die Leute vor ihm einknickten. Wheeler dagegen hatte sich ihm immer entgegengestellt.

Doch der Firmenchef musste auch die besonnene Art anerkennen, mit der Wheeler verhandelte, das Glitzern in seinen Augen, weil er das, was er tat liebte. Alles an ihm drückte bedingungsloses Engagement aus, als brenne ein tiefes Feuer in ihm. Für die Dauer von ein paar Sekunden hatte Seto das Gefühl, dass ihn das Feuer auch erreichen konnte, einen Teil seines Seins aufwärmen, er sah das Licht durch die Schatten seiner Seele bluten.

Doch der Moment war so schnell vergangen, wie er gekommen war und dem Firmenchef kam die Dunkelheit in sich noch ein wenig kälter vor.

Wheeler erhob sich nun. „In Ordnung, das wäre nun alles geklärt“ er nickte Seto zu. „Freie Kost und Logis, zwei freie Abende die Woche und die volle Kostenübernahme durch die Kaiba Corporation.“ Er streckte dem Firmenchef die Hand entgegen. Seto überlegte einen Moment, ob er sie wegschlagen sollte, doch dieses Verhalten kam ihm pubertär vor. Außerdem musste er sich eingestehen, dass Wheeler ihn beinahe ein wenig beeindruckt hatte. Also ergriff er die ihm dargebotene Hand und schüttelte sie kurz.

Er hätte eine harte, schwielige Hand erwartet, die vom vielen Arbeiten gezeichnet war, doch stattdessen war die Haut des Krankenpflegers angenehm weich. Schnell ließ Seto wieder los, fast als hätte er sich verbrannt.
 

Wheeler schien es nicht zu bemerken oder es gut zu verbergen. „Dann werde ich mal Ihre Abreise organisieren, Boss“ er lachte unbekümmert, drehte sich auf den Absätzen um und verließ das Krankenzimmer, nicht ohne Seto über die Schulter noch einmal zuzuwinken.
 

Der Firmenchef blieb alleine in dem düsteren Zimmer zurück, das nur vom kalten Licht der Neonröhren erhellt wurde. Auch dazu hatte Wheeler nichts gesagt, sich nicht anmerken lassen, dass es wohl sonderbar war, wenn man am helllichten Tag alleine mit zugezogenen Rolläden in einem Raum lag.

In Gedanken ließ Seto die Verhandlung noch einmal Revue passieren, jedes Wort hatte sich in sein Gehirn eingebrannt.

Vor seinem inneren Auge zog alles noch einmal vorbei, doch im Nachhinein konnte der Firmenchef nicht mehr feststellen, was ihn gerade eben noch beeindruckt hatte. Was hatte dieses Gefühl in ihm nur ausgelöst? Beeindruckt von Wheeler? In welcher verrückten Welt sollte es so etwas geben?

Seto keuchte auf, als es ihm wie Schuppen von den Augen fiel. Es war nicht etwas, das Wheeler gesagt oder getan hatte, dass ihm so imponierte, es war viel mehr das, was er nicht getan hatte.

Wheeler hatte ihn nicht mitleidig angesehen, er hatte weder sein Beileid ausgedrückt, noch hatte er Seto gefragt, wie es ihm ging.

Er hatte den Firmenchef einfach wie einen normalen Menschen behandelt, nicht wie einen bedauernswerten Krüppel, dem man nicht das Geringste zumuten konnte, weil man erwartete, dass er sofort unter dem Druck zerbrach wie eine fragile Glasfigur.
 

In Seto machte sich eine eigenartige Ruhe breit, zum ersten Mal seit dem Unfall hatte er das Gefühl, wieder fast frei atmen zu können. Bald würde er wieder zuhause sein. Daheim würde die Wut in seinem Bauch sich zügeln lassen, die schreckliche dünne Stimme, die ihm immer wieder trostlose Dinge ins Ohr flüsterte würde verstummen und er konnte endlich wieder ein normales Leben führen.

Gut, er würde zuerst dieses blonde Kindermädchen loswerden müssen, das man ihm auf den Hals gehetzt hatte, aber er hatte schon früher Menschen vergrault, das war nichts Neues für den Firmenchef.

Und dann konnte er endlich wieder seine Ruhe genießen, mit seiner Arbeit fortfahren und das alles hier vergessen, es einfach hinter sich lassen und nicht mehr daran denken.
 

Sein Blick fiel auf seine nutzlosen Beine und wieder befiel ihn diese Schwere, in seiner Brust schien sich alles zusammenzuziehen, drohte ihn einzuschließen und zu ersticken.

Wenn man am Rande des Wahnsinns stand war es vielleicht sogar ganz gut, wenn man den letzten Schritt nicht gehen konnte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich hab gesehen, dass ich 2 Favoriten habe :D
Das hat mich wahnsinnig gefreut, ich hoffe, ihr genießt meine Geschichte genauso, wie ich es genieße sie zu schreiben :)
Über Kommis freue ich mich auch immer sehr, wer also Lust hat mir einen zu hinterlassen, ist herzlich eingeladen :-)

GlG
eure Nebelglas Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Onlyknow3
2016-11-28T17:51:55+00:00 28.11.2016 18:51
Seto wird sich wie immer die Zähne an Joey ausbeissen, das wissen wir ja. Und wenn Joey sich so sehr verändert hat das Seto ihn beinahe nicht wieder erkannte hat er sich sicher noch andere qualitäten angeeignet, außer den umgang mit Behinderten. Es würde mich nicht wundern, wenn Seto am ende froh ist das Joey bei ihm ist.
Weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Antwort von:  Seelenschatten
28.11.2016 19:02
Ich bin gespannt, wie die nächsten 2 Kapitel gefallen :)
An Kapitel 6 schreibe ich gerade ein bisschen :-)

Danke für deine Kommis! Freu mich über jeden einzelnen :-)
Von:  Moonlight_shadow
2016-11-26T15:42:05+00:00 26.11.2016 16:42
Großes Kompliment an dich! Deine FF gefällt mir bis jetzt sehr gut. Sehr spannend und gut zu lesen. Schön finde ich auch wie du einen kleinen Einblick in Setos derzeitigen psychischen Zustand gibst wie ich finde. Weiter so.
Antwort von:  Seelenschatten
26.11.2016 17:43
Vielen Dank *ganz rot werd* :-)
Freut mich sehr, wenn es dir gefällt.

Vielleicht kann ich sogar heute noch Kapitel 4 hochladen, im Moment bin ich so beflügelt :-)
Von: AomaSade
2016-11-26T13:32:28+00:00 26.11.2016 14:32
Hallo Seelenschatten,

mir gefällt deine Fanfiktion. Schöner Schreibstil, interessante Geschichte und vor allem - erwachsene Charaktere. Ich mag Seto und Joey lieber, wenn sie etwas älter und reifer sind und sich nicht mehr wie pubertierende Jungs verhalten. Bin sehr gespannt wie es weitergeht. Du hast ein schweres Thema angesprochen - Leben mit Behinderung. Wird Seto damit klarkommen oder nimmt er den Kaiba-Weg und hält alle, die ihm helfen wollen auf Abstand?

Liebe Grüße
AomaSade
Antwort von:  Seelenschatten
26.11.2016 15:30
Ich danke dir für deinen Review :)
Ich bin auch ein Fan von erwachsenen Charakteren, es zeigt einfach viel mehr Möglichkeiten auf.
Seto als hilflosen Menschen darzustellen ist oft überhaupt nicht einfach, sein Inneres und seine Handlungen/Kommentare divergieren sehr stark. Aber genau das reizt mich. Joey in den Rollstuhl zu verfrachten wäre sicher einfacher gewesen, aber ich finde nicht so reizvoll :)
Jemanden wie Seto in die Rolle des hilfebedürftigen Protagonisten zu stecken ist für mich ein spannendes Experiment.

Ich freue mich sehr über deinen Kommentar, vielen Dank :)
Es ist schön zu wissen, dass die eigene Geschichte gelesen wird.

lG Seelenschatten


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