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Eine Welt - Zwei Pole

Und wir dazwischen
von

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Farnkraut

Valentin sieht mich ertappt und geschockt an. Da habe ich wohl dem Nagel auf den Kopf getroffen. Ich tippe mit meinen Fingern ungeduldig auf der Tischplatte herum. „I-Ich weiß nicht, was du meinst!“, verteidigt sich Valentin erneut. Ich gebe ein abfälliges Geräusch von mir. Dass er sogar jetzt, wo ich ihn direkt darauf anspreche, noch sagt, er wisse nicht, wovon ich rede und mir somit mitten ins Gesicht lügt, ist wirklich die Höhe! „Tu nicht so unschuldig, Valentin! Ich habe euch beide gesehen! Vor ein paar Tagen, im Café! Weißt du, ich habe nichts gesagt, weil ich gehofft habe, dass du es mir von dir aus erzählst. Es tut nämlich sehr viel mehr weh, wenn man es hinten rum erfährt. Du kannst mir einfach sagen, wenn du Schluss machen willst. Ich weiß ja, dass du nicht schwul bist. Und ich wohl nur eine Ausnahme für dich bin. Aber anstatt heimlich irgendwas am Laufen zu haben, solltest du das Rückgrat besitzen, es mir zu sagen.“ Ich sehe ihn direkt an, aber er weicht meinem Blick aus.

„Ich bin kein Kind, Valentin. Und ich bin auch nicht dumm. Was mich wirklich verletzt hat, ist die Tatsache, dass du mich nur noch anlügst. Natürlich wäre ich traurig über eine Trennung, aber damit käme ich nach ein paar Wochen oder Monaten klar. Aber sowas hier, das ist echt das Letzte.“ War das jetzt gemein? Eigentlich ist es doch mein Recht, das zu sagen, oder nicht? Ich bin mir selber nicht mehr so sicher. Valentins Wangen sind rot. Schämt er sich für sein Verhalten? Die Frage wird mir wenige Sekunden später beantwortet, als auf einmal Tränen aus seinen Augen fallen. Nein, er schämt sich nicht, er versucht lediglich, seinen Heulkrampf zurückzuhalten. Damit bin ich nun wirklich überfordert.

„W-Warum weinst du jetzt?!“, frage ich daher nach. „Du bist doch derjenige, der mich nicht liebt! Sollte ich da nicht weinen?“ Aber nein, ich bin mal wieder der starke und vernünftige. Wie ich mich selber einfach ankotze!

Valentin schluchzt auf und schüttelt wild mit dem Kopf. „Du bist ein Arschloch! Und ein Idiot!“ Ich verstehe nur Bahnhof. „Wieso bin ich denn jetzt wieder das Arschloch?!“, keife ich ein wenig lauter, als geplant. „Weil du mir Sachen vorwirfst, die gar nicht stimmen! Idiot!“, schimpft er weiter mit mir. Ich verstehe es nicht so wirklich, wenn ich ehrlich bin. „Man, verdammt Valentin! Dann rede endlich mal mit mir! Was soll ich denn von heimlichen Treffen in einem Café mit irgendeiner dahergelaufenen Tusse denken?! Sag es mir! Du verheimlichst mir Dinge, lügst mich darüber an, wo du dich aufhältst und lässt mich ständig sitzen. Wie soll ich mich dabei fühlen? Was denkst du?!“

Valentin heult jetzt noch mehr. Ich kratze mich am Kopf. Was soll das Ganze?! „Du verstehst das alles total falsch! Du Arschloch!“ Kann er noch was anderes, als mit mir zu schimpfen? „Wenn du mir endlich verrätst, was Sache ist, dann nehme ich dich in den Arm und tröste dich, ok? Und dann schimpfe ich auch sicher nicht mehr mit dir. Egal, was du mir jetzt sagst.“ Valentin sieht verheult auf und scheint zu überlegen, ehe er nickt. „O-Ok. Aber nicht lachen!“ Ich runzele mit der Stirn. Sehe ich etwa aus, als wäre mir zum Lachen zu Mute? Ich verspreche ihm, dass ich nicht lachen werde und Valentin holt Luft, um mir zu erklären, was die letzte Zeit so vor sich ging.

„D-Das Mädchen, das du so nett als ‚Tusse‘ bezeichnest“ – wenn er wissen würde, was ich noch so über sie gesagt habe – „ist eine sehr alte Freundin von mir. Ich kenne sie noch aus Kindertagen. S-Sie ist zwei Jahre älter als ich und hat schon ziemlich viel Erfahrung in Sachen Männer.“ Valentin nuschelt die Worte so vor sich hin und ich muss mich wirklich anstrengen, um alles zu verstehen. „Wir sind doch jetzt seit einem halben Jahr zusammen und… da wollte ich… dich überraschen.“ Was? Wir sind seit einem halben Jahr zusammen? Ich denke kurz nach. Stimmt. Morgen auf den Tag genau. „Also habe ich Jessi darum gebeten, mir zu helfen. Ich wollte von ihr wissen, wie man… also… na ja… ähm…“ Es scheint ihm schwer zu fallen, mit der Sprache herauszurücken. „Wie man was, Valentin?“ Was hat er mit ihr besprochen? Was hat sie mit der Überraschung zu tun? „Wie man Männer verführt.“ Valentin wird mit jedem Wort leiser und meine Augen werden größer. Wie man Männer verführt? Was hatte er denn bitte geplant?!

„Sie hat mir den Rat gegeben, dich zum Baden einzuladen. Es hat mich so unglaublich viel Überwindung gekostet, dich das zu fragen und dich dann auch noch zu küssen, aber du bist ja einfach wieder rausgegangen. Als ich ihr das erzählt habe, hat sie eine neue Idee gehabt. Also habe ich mir das Frühstück ausgedacht. Und da warst du dann plötzlich so ernst. Die Massage sollte dir helfen, dich zu entspannen und ich wollte mich dir etwas… annähern.“ So langsam glaube ich dahinterzukommen, worauf Valentin hinauswill.

„D-Das sollten alles Dinge sein, die dich verführen. Und die dich auf die Idee bringen, mich…“ Er räuspert sich. Sein Blick hat sich mittlerweile auf den Tisch geheftet und sogar seine Ohren sind knallrot angelaufen. Der arme Kleine. „U-Und morgen wollte ich dann richtig die Initiative ergreifen. Deswegen habe ich mich immer mit ihr getroffen. Weil sie doch weiß, wie das alles geht. Und d-dann wollte ich dich… also… dazu bringen… mit mir…“ Ich muss lächeln. Ich kann einfach gar nicht anders reagieren. Lachen werde ich aber sicher nicht. Das ist wirklich mit das romantischste, das je jemand für mich getan hat.

„Es tut mir leid“, meine ich leise und fahre mir durch meine Haare. „Ich glaube ich habe einfach zu vorschnell gehandelt. Und ich hätte dich direkt fragen sollen, wer sie ist und warum du mich anlügst. Ich war eigentlich was das angeht nicht besser als du. Ich verspreche dir auch, dass das nicht nochmal vorkommt. Aber du musst auch verstehen, dass ich dachte, dass sie deine Affäre ist. Ihr wart so vertraut miteinander und du hast mit ihr so viel geredet. Das tust du sonst nicht.“ Ich knabbere ein wenig auf meiner Lippe herum.

Valentin nickt kurz. „Schon ok. Aber wann hast du uns denn gesehen?“ Mir rutscht ein wenig das Herz in die Hose und nun ist es an mir, rot zu werden. „I-Ich hatte halt so meine Vermutungen und deswegen bin ich dir gefolgt. Und habe mich dann auf der anderen Straßenseite versteckt. Dann habe ich euch im Café beobachtet. Bitte halte mich jetzt nicht für irre. Ich war nur so verdammt eifersüchtig.“ Valentin kichert leicht los und streicht sich über die Augen. Wenigstens weint er nicht mehr. Er sieht mich ernst an. „Wie kommst du darauf, dass ich dich betrügen würde? Das kränkt mich schon ein bisschen.“ Um diese Frage zu beantworten, muss ich wirklich nicht lange überlegen. „Weil du es mir noch nie gesagt hast.“

Valentin sieht mich verwirrt an. „Was habe ich noch nie gesagt?“

„Na, das!“

„Was das? Rede bitte mit verständlichen Worten!“

Ich seufze. „Du hast mir noch nie gesagt, dass du mich liebst, Valentin. Da kommen einem nach so langer Zeit schon irgendwann die Zweifel. Ich kann bei dir ja nicht einfach so davon ausgehen, dass du schwul bist. Und dass du nicht irgendwelchen Mädchen hinterher schaust. Du siehst gut aus und kannst sogar manchmal nett sein. Vermutlich könntest du jede haben, warum solltest du dich also für mich entscheiden? Da brauche ich eben manchmal Bestätigung!“ War ja wohl immer noch besser, als nach dem Sex zu fragen, ob man gut war.

Valentin wird erneut rot. Oh man, der Junge ist zu süß für diese Welt. Am liebsten würde ich den ganzen Kram jetzt vergessen, zu ihm gehen, ihn küssen und auf dem Tisch nehmen! Aber diese versauten Gedanken sind momentan leider noch nicht angebracht. „D-Das… ich kann nicht… also…“ Valentin beißt sich auf die Zunge. Er scheint nicht so wirklich zu wissen, was er jetzt sagen soll. „Für mich ist das nicht so einfach!“, stellt er fest. „Ich habe noch nie jemandem diese Worte gesagt. Und sie haben so eine große Bedeutung! Ich habe Angst, dass ich ihnen nicht gerecht werden kann. Und wenn man das einmal sagt, dann kann man es nicht mehr zurücknehmen!“ Der Kleine macht sich wirklich zu viele Gedanken in Sachen Liebe. „Aber Valentin, es macht deinen Partner glücklich, wenn du ihm sagst, dass du ihn liebst. Auch wenn es nur für den Moment ist. Auch wenn es nach drei Monaten vorbei ist. Wenn es die Wahrheit ist, dann ist das in dem Fall das Wichtigste. Und ich liebe dich und hoffe, dass du mich auch irgendwann so sehr liebst, dass du die Worte erwidern kannst. Und bis dahin…“ Ich erhebe mich und gehe um den Tisch herum auf Valentin zu. Ich gebe ihm einen Kuss und schlinge meine Arme um ihn. Er ist warm und seine Wangen noch immer leicht nass von den Tränen. Seine Lippen schmecken leicht salzig. Aber sie schmecken nach ihm. Lächelnd löse ich mich wieder und sehe ihn an. „Bis dahin werde ich dich so oft küssen und mit dir schlafen, dass du an nichts Anderes mehr denken kannst. Und dann verliebst du dich so heimlich in mich, dass du es gar nicht merken wirst!“ Ich grinse, er murrt leise auf. „Idiot!“ Ich bin mir nicht sicher, worauf genau das Idiot bezogen ist, aber ich nehme es so hin. „Wir sind beide Idioten!“, protestiere ich dennoch um der Wahrheit willen. Valentin seufzt leise.

„Aber dir ist klar, dass ich jetzt darauf warten werde, dass du mich verführst? Hast du deswegen auch die Wohnung geputzt, eingekauft und gekocht? Willst du etwa meinen kleinen Diener mimen? Das kannst du ziemlich gut~“, schnurre ich ihm entgegen. Für Bettgeflüster ist Valentin scheinbar jedoch leider immer noch nicht zu haben. Er knurrt leise und gibt mir einen Klaps gegen den Hinterkopf. „Lass das, ich wollte nur nett sein!“ Ich muss lachen. Wir haben beide das Problem, dass wir nicht gut mit Worten umgehen können und vielleicht sollten wir mal daran arbeiten. Es ist alles viel einfacher, wenn man einfach über die Probleme redet. Das sollten wir spätestens jetzt festgestellt haben. Aber ich bin mir sicher, dass sich das noch ziemlich oft wiederholen wird.

„Darf ich dich jetzt trotzdem vernaschen?“, frage ich nach. „Wenigstens nach dem Essen? Versöhnungssex ist doch einer der Besten~“ Valentin sieht mich nur böse an und ich hebe beschwichtigend die Arme. „Ist ja gut!“ Ich setze mich wieder und wir essen in Ruhe auf. Allerdings kann ich spüre, dass Valentin mich immer wieder ansieht und diese Art von Spannung in der Luft hängt. Wir wollen es doch beide! Und wenn ich etwas will, dann hole ich es mir auch. Schließlich sind Valentin und ich eigentlich nur dadurch ein Paar geworden.

Als wir beide mit Essen fertig sind und alles in der Spüle steht, drehe ich mich zu Valentin um.

„Jetzt?“, frage ich nach.

„Jetzt“, antwortet er und lässt sich lächelnd in meine Arme fallen.
 

Valentin ist ein Dummkopf.

Aber er versucht alles, um mich glücklich zu machen und ich liebe ihn.

In meinen Augen ist das das Wichtigste, was ich wissen muss. Bis auf die eine kleine Ungewissheit, die mir wohl noch länger erhalten bleiben wird.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  tenshi_90
2017-02-23T08:51:17+00:00 23.02.2017 09:51
Ach die beiden sind so niedlich... =)

Immerhin haben Sie es geschafft, sich mal auszusprechen und zu versöhnen :)

Bin gespannt wies jetzt mit den beiden Turteltauben weitergehen wird ^^
Antwort von:  Chibi-Neko-Chan
23.02.2017 13:21
Es freut mich, dass du die beiden so magst. <3333
Sie sind meine beiden dummen Bebis. <3 naw

Danke für dein Kommi!!! <3
Von:  YumeKahoko
2017-02-22T22:31:53+00:00 22.02.2017 23:31
AWWWWWW*ZUCKERSCHOCK*
Das ist so süß!!!!
Endlich haben sie sich ausgesprochen und ich hatte doch irgendwie Recht mit meiner These XP
Valentin hat sich Rat geholt um ihn zu ihrem Halbjahres Tag zu überraschen!
Immerhin ist jetzt irgendwie alles wieder gut nur das ich liebe dich Problem bleibt, aber wenn man es noch nie gesagt hat kann ich verstehen warum Val vorsichtig ist.
Aber Teo hat recht sie sind beide Idioten die lernen müssen miteinander zu reden XD
Ich hoffe das war noch nicht der Schluss! Ich bleibe jedenfalls weiter dran ;*

LG Yume-chan
Antwort von:  Chibi-Neko-Chan
23.02.2017 13:20
Jaaaa du hattest recht :PPP hahahaha
Und Val ist und bleibt einfach ein Weichei in Sachen Liebe. XD Das wird sich so schnell wohl nicht ändern. Ach ja, meine Bebis <3
Es kommt noch ein Kapitel und ein Epilog. Dann war es das erst einmal mit den beiden und dafür folgt der zweite Teil von If I Die Young. ;)

Liebe Grüße und vielen Dank!!! <3


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