Zum Inhalt der Seite

Chrysalis

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Das letzte Mal, dass Tetsurou ein Spiel aus den Zuschauertribünen heraus angesehen hatte, fühlte sich an, als wäre es Ewigkeiten her. Gut, das stimmte überhaupt nicht, aber es war einfach ein immenser Unterschied, ob er als Teil eines Turniers die Zeit, in der er nicht selbst spielte, unter den Zuschauern verbrachte, oder ob er wirklich nur kam, um zuzusehen und nichts anderes zu tun.

Es war seltsam.

„Wären wir nicht zu spät gekommen, hätten wir noch mit ihnen reden können“, brummte Yaku unzufrieden. Er hing über dem Geländer, das sie von einem sicheren Sturz in die Notaufnahme trennte und hatte unzufrieden das Gesicht verzogen. Er sah aus wie ein schmollender Grundschüler – auch wenn Tetsurou sich hütete, das auch nur allzu laut zu denken. Yaku hatte einfach einen sechsten Sinn dafür, wenn jemand es wagte, seine Größe auch nur mental zu beleidigen.

„Ist nicht meine Schuld, dass die Bahn gesponnen hat“, gab er trocken zurück, „Sei froh, dass wir überhaupt pünktlich sind.“

Zur Antwort bekam er einen bösen Blick. Er hörte, wie Kai hinter ihnen lachte.

„Ihr verändert euch nie, oder?“

Obwohl der Gedanke schon einen etwas erbärmlichen Beigeschmack hatte, grinste Tetsurou nur. Ihm gefiel es. Sich nicht verändern. Gleichbleibende Freundschaft. Besser, als wenn sie sich auseinanderleben würden.

 

(Er dachte nicht an Daishou.)

 

Gedankenverloren sah er zu, wie Nekoma auf den Platz hinaustraten. Das Team, gegen das sie spielten, war letztes Jahr unglaublich schwach gewesen. Es dürfte also kein Problem sein, es zu schlagen. Insgesamt allerdings war das Losglück nicht auf ihrer Seite. Itachiyama in ihrem Block, und Fukuroudani im nächsten. Selbst wenn sie sich irgendwie an den Wieseln vorbeimogeln konnten, dann standen ihnen die Eulen in Richtung Finale im Weg.

Tetsurou hatte keine Ahnung, wie Itachiyama dieses Jahr draufwaren, allerdings standen die Chancen gut, dass sie nur noch stärker als im Vorjahr waren. Viel stärker. Sie hatten ihr Ass noch, und ehrlich, wieso sollte Sakusa auf einmal schlechter werden? Solange dieser unmenschliche Kerl dabei war, würde es abartig schwierig werden, an seinem Team vorbeizukommen.

Tetsurou war nicht der Einzige, dem es aufgefallen war; Yamamotos Schwester brütete schon seit sie angekommen war über dem Infoflyer, in dem die Spielreihenfolgen ebenfalls abgedruckt waren, immer wieder murmelte sie besorgt in sich hinein. Levs Schwester war bei ihr, und auch wenn sie nichts verstand, hörte sie aufmerksam zu und sah gebührend besorgt aus.

Ehrlich, es war deprimierend unfair. Wäre Tetsurou jetzt da unten bei dem Team, könnte er sich wenigstens einreden, dass sie eine Chance hatten, dass er Einfluss nehmen konnte auf den Ausgang des Spiels. Als objektiver Zuschauer war es schwieriger, sich in so einer Illusion zu zerstreuen. Und nicht einmal Bokuto war hier, um ihn abzulenken! Weil Fukuroudani in einer anderen Halle spielten, war er logischerweise entsprechend auch in einer anderen Halle unterwegs. Zwar hatte er sein Handy dabei, und er würde unter Garantie nicht zögern, es zu benutzen, aber das war einfach etwas anderes.

 

„Wir schaffen das.“

Yaku neben ihm richtete sich ruckartig aus seiner lümmelnden Position auf, nur um sich noch weiter über das Geländer zu lehnen.

„Hey! Wenn ihr verkackt, dann trete ich euch der Reihe nach in den Hintern!!!“ – „Yaku-San!“

Lev sah viel zu erfreut aus, wenn man die Drohung bedachte, die er gerade bekommen hatte. Insgesamt sah das Team zu erfreut aus, dafür, dass sie bedroht worden waren – es war gut. Sie brauchten etwas, um sich abzulenken vor der Bedrohung, die da vor ihnen lag. Wenn sie sich jetzt schon an Itachiyama aufhängten, dann würden sie am Ende noch verlieren, bevor sie das Team überhaupt erreichten.

Nekoma war nicht schwach. Tetsurou wollte sich zu gerne einreden, dass sie durchaus eine Chance hatten.

 

 
 

***

 

 

Die ersten Level waren ein leichtes Spiel. Kenma hatte nichts anderes erwartet, als er die Spielverteilung gesehen hatte. Aber natürlich musste die Sache einen Haken haben – sie hatten ihren Endboss schon nach der Hälfte des Storyverlaufs vor sich, etwas, das von vorn bis hinten unfair war. Itachiyama waren gut. Kenma hatte dieses Jahr zwar noch kein Spiel von ihnen gesehen, abgesehen von ein paar Aufzeichnungen, die Nekomata besorgt hatte, aber allein die kurzen Eindrücke hatten gereicht, um ihm deutlich zu machen, auf was für einem immensen Niveau das Team spielte.

Es gab keinen unbesiegbaren Endboss, keine Frage. Kenma glaubte nicht, dass sie zwingend verlieren würden, aber was sie vor sich hatten, war ein immenses Monster, das mindestens zwanzig Level mehr hatte als sie selbst, und das sie obendrein auf höchster Schwierigkeitsstufe bekämpften. Was sie brauchten, waren eine gute Taktik, schnelle Reflexe, makelloses Spiel und genug Glück, dass sie die Attacken des Gegners abwenden konnten – es waren One-Hit-Kills. Sie würden sich kaum davon erholen können, wenn Itachiyama erst richtig in Fahrt kam.

Der Plan war alles andere als wasserdicht, aber es war die beste Lösung, die Kenma überhaupt einfiel. Nach wenigen Spielminuten würden sie sich vermutlich zu einem Time-Out entschließen, würden ihre Pläne noch einmal überarbeiten und anpassen an die tatsächliche Feuerkraft, die ihnen entgegenschlug, aber für den Moment hatten sie nichts, woran sie sich festhalten konnten. Sie standen einem weitgehend unbekannten Ungetüm gegenüber, dessen Schwachstellen ihnen völlig fremd waren, und dessen Stärken sie auch nur erahnen konnten.

Sakusa. Natürlich.

Aber darüber hinaus… Das Team hatte sich tatsächlich seit dem letzten Jahr verändert. Die wenigen Drittklässler, die zur Startaufstellung gehört hatten, waren ersetzt worden durch Spieler, die Kenma gänzlich unbekannt waren. Einer von ihnen war ein Erstklässler. In einem Team wie Itachiyama so schnell Fuß zu fassen sagte beunruhigend viel über seine Fähigkeiten aus.

 

Als sie sich auf dem Spielfeld aufstellten, bereit, das Match zu beginnen, legte sich eine seltsame Ruhe über Kenmas aufgepeitschte Nerven. Jetzt war es ohnehin zu spät, um noch etwas ändern zu wollen. Keine Zeit mehr, um zu speichern. Er holte tief Luft.

 

Die Schlacht konnte beginnen.

 

Schon die ersten paar Minuten machten deutlich, wie immens groß der Kraftunterschied der beiden Teams war. Itachiyama waren übermächtig. Auf allen Ebenen. Nekoma hatte keinen einzigen Aspekt, in dem sie besser waren. Die Annahmen der Wiesel waren hervorragend, ihr Libero war eine absolute Pest, wurde nur noch schlimmer dadurch, wie groß er war – seine Reichweite machte ihn geradezu ultimativ gefährlich, und es erschien Kenma beinahe so, als wäre er überall und nirgendwo zugleich.

Er konnte nicht anders als erleichtert aufzuatmen, als der Junge mit dem breiten Grinsen und den auffallend buschigen Augenbrauen vom Spielfeld huschte.

Ohne Komori auf der gegnerischen Seite war es wirklich einfacher. Viele der Bälle, die er noch gehalten hatte, gingen nun durch die winzigen Lücken in der Verteidigung. Es reichte kaum, um aufzuholen, und in Führung würden sie so auch nicht gehen, aber noch war nichts verloren – es war erst der erste Satz. Es war völlig legitim, dass sie sich noch nicht akklimatisiert hatten.

Je mehr sie jetzt noch von ihren Gegnern sahen, desto besser. Desto leichter würde es Kenma fallen, eine Gegenstrategie zu entwickeln, um dieses Team zu kontern. Es war möglich. Es war immer möglich. Sie hatten schon gegen unzählige Teams gespielt, und vor allem auch gegen solche, die viel schlechter zu berechnen und vorherzusagen waren. Sie hatten gegen das völlig unvorhersehbare Karasuno gewonnen.

Sie konnten es schaffen.

So konzentriert, wie er auf das Spiel war, hörte Kenma kaum den Lärm von den Tribünen. Itachiyamas Cheerleading-Truppe war riesig und unmenschlich laut, trotzdem schafften sie es nicht, Nekomas Unterstützung völlig zu übertünchen. Manchmal, ganz selten, glaubte Kenma die vertraute Stimme von Yaku über allen Lärm hinweg brüllen zu hören. Einmal sah er, wie Lev sich zu ihm umdrehte. Er verpasste seinen Einsatz, und ein Ball, den er locker hätte blocken können, selbst mit seinen mickrigen Fähigkeiten, rauschte ungehindert an ihm vorbei.

Shibayama erwischte ihn zwar noch gerade so, aber die Annahme war so schlecht, dass der Ball einfach wieder übers Netz flog und sie kaum etwas damit gewonnen hatten. Schlussendlich kam der Ball doch wieder zurück – und diesmal prallte er auf dem Boden auf.

 

Es war nicht viel später, dass der erste Satz endete.

 

 
 

***

 

 

Nekoma hatten sich in der Pause zwischen den beiden Sätzen zusammengerottet. Tetsurou sah Kenma inmitten der kleinen Menschentraube stehen, das Team um ihn herum ganz still. Selbst solche unruhigen Persönlichkeiten wie Lev oder Inuoka rissen sich am Riemen.

„Kenma hat einen Plan, oder?“

Yaku stand immer noch neben ihm ans Geländer gelehnt. Seine Stimme kratzte kaum hörbar, wenn er sprach, eindeutig eine Quittung seiner lauten Anfeuerungsrufe. Tetsurou grinste vage und nickte.

„Es ist Zeit für den Gegenangriff.“ – „Ich hoffe es.“

Wirklich überzeugt sah Yaku nicht aus. Es lag nicht daran, dass er Kenma nicht vertraute. Tetsurou vermutete, dass es vielmehr damit zu tun hatte, dass er sich immer noch viel zu sehr über Levs Unzulänglichkeiten ärgerte. Er hatte wirklich seine Schwächen. Er war deutlich besser geworden, und inzwischen fand Tetsurou keinen Grund mehr, ihn in Grund und Boden zu kritisieren, aber nachdem er gerade in Yakus Paradedisziplin schwächelte, wunderte es ihn nicht im Geringsten, dass der kleine Libero sich immer noch viel zu sehr an allem aufhängte, was er tat.

Zugegeben, Tetsurou fand es liebenswert.

Es war auch eine Art, Zuneigung zu zeigen, nicht wahr?

 

Der Anpfiff des zweiten Satzes ließ seine Aufmerksamkeit zum Spiel zurückkehren. Man merkte beinahe augenblicklich, wie sich die Stimmung verändert hatte. Nekoma wirkten selbstbewusster als vorhin noch, bewegten sich noch gezielter, geplanter. Was auch immer genau Kenma sich ausgedacht hatte, es wurde schnell ersichtlich, dass es half. Sie bekamen weit mehr Schmetterbälle auf den Boden auf Itachiyamas Seite, auch wenn sie ihrerseits nicht wirklich mehr Bälle davon abhalten konnten, zu punkten.

Aber es wurde deutlich besser.

Ich wusste, du bist ein guter Captain.

Dass Nekoma vorne lagen und als erste zwanzig Punkte erreichten, hatte wohl kaum jemand erwartet. Yaku war inzwischen wirklich heiser, aber das hinderte ihn nicht daran, das Team weiter so lautstark anzufeuern, wie seine Stimmbänder es zuließen. Wahrscheinlich war nach diesem Spiel die Hälfte des Nekoma-Zuschauerblocks heiser. Tetsurou für seinen Teil schonte lieber seine Stimme und sah schweigender zu, rief nur gelegentlich etwas hinunter, wenn es seiner Meinung nach wirklich nötig war.

Schlussendlich reichte es.

Der zweite Satz ging an Nekoma, wenn auch nur knapp. Aber sie hatten es geschafft.

 

„Mein Herz“, krächzte Yaku mit einem hilflosen Lachen. Sein Kopf war vornüber auf seine auf dem Geländer verschränkten Arme gesackt. Tetsurou lachte amüsiert, klopfte ihm auf den kleinen Rücken.

„Frag mich mal. Ich ergraue hier vorzeitig bei so viel Stress!“ – „Macht dich auch nicht hässlicher.“ – „Hey!“

„…schaffen wir’s?“

Tetsurou seufzte tief. Er ließ die Hand müde auf Yakus Rücken liegen, solange der Pimpf nicht protestierte. Kenmas Strategie hatte funktioniert, aber je weiter der zweite Satz vorangeschritten war, desto mehr hatte man gemerkt, wie sich Erschöpfung einstellte. Nicht nur bei Nekoma, keine Frage, aber Itachiyama kamen noch weit besser damit aus. Nach den neuesten Entwicklungen stand der Ausgang des Matches schon fest. Er schüttelte vage den Kopf, klopfte noch einmal auf Yakus Rücken.

 

„Ich weiß es nicht.“

 

 
 

***

 

 

Eine Niederlage wurde nicht leichter, nur weil sie absehbar war. Zumindest für Yuuki war es so, und er kämpfte immer noch mit den Tränen, die bis vor wenigen Minuten frei über sein Gesicht gekullert waren, als er schließlich draußen in der Eingangshalle stand, ihnen gegenüber ihre alten Senpai, die der Reihe weg – nicht enttäuscht aussahen. Sie lächelten, ein bisschen müde, aber stolz.

„Ihr habt euch echt gut geschlagen gegen die Wiesel“, kommentierte Kuroo, wobei seine Lippen sich zu einem Grinsen verzogen. Er kratzte sich am Hinterkopf. Seine Frisur stand so wirr zu Berge, dass Yuuki vermutete, dass es nicht das erste Mal war.

„Und ihr habt doch noch eine Chance.“

Noch eine Chance. Yuuki schluckte hart. Die Vorrunden zur Frühlingsmeisterschaft würden kommen. Wenn sie noch etwas erreichen wollten in diesem Jahr, mit diesem Team, dann musste es dort sein. Es machte ihm Angst. Es hatte ihm schon im letzten Jahr Angst gemacht, und am Ende hatte er den Eindruck gehabt, dass sie bei allen Erfolgen einfach nicht weit genug gekommen waren, um ihren Senpai gerecht zu werden.

Wie würde es dieses Jahr sein? Würden sie weit genug kommen? Konnten sie überhaupt weit genug kommen, um ihren Schulabschließern einen würdigen Abgang zu ermöglichen? Was war mit nächstem Jahr? Yuuki konnte sich gar nicht vorstellen, wie er sich fühlen würde, wenn die Zeit ihm so sehr im Nacken saß. Sie hatten nicht mehr endlos viele Chancen, etwas zu erreichen. Er sah, dass es Taketora belastete; er war auch immer noch kurz davor, wieder in Tränen auszubrechen. Fukunaga war unlesbar, genau wie Kenma, aber trotzdem war es nur wahrscheinlich, dass sie sich beide auch ihre eigenen Gedanken zum Thema machten.

Nächstes Jahr würden das Yuukis Gedanken sein. Und Sous. Und Levs.

Es war so angsteinflößend, dass ihm übel wurde.

 

„Nächstes Mal werden wir besser abschneiden!“, versprach Lev großspurig. Er grinste. Vor ein paar Minuten hatte er nicht gegrinst. Yuuki fand es immer gruselig, wenn Lev nicht grinste, nicht fröhlich war, und er war froh, dass das Grinsen zurück war, auch wenn es schwach wirkte im Gegensatz zu sonst. Er hoffte, dass es sich wieder auf dem Weg der Besserung befand und nicht gleich erneut in sich zusammenstürzte.

„Komm jetzt nicht wieder mit deiner Ass-Rede“, blaffte Yaku. Er klang so böse, dass Yuuki erschrocken zusammenzuckte – er brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, dass es nur daran lag, dass er heiser war. Die Erkenntnis zauberte ihm nun selbst ein flüchtiges Lächeln auf die Lippen. Es war beruhigend, zu wissen, dass sie ihre ehemaligen Teamkollegen immer noch hinter sich stehen hatten.

„Aber Yaku-San! Genau darum geht es. Beim nächsten Mal bin ich das Ass, und dann werden wir gewinnen.“

Lev grinste, unbeirrbar. Das Gesprächsthema schien ihm zu helfen, seine gute Laune wieder zu finden. Und nicht nur ihm.

„Du wirst kein Ass, solange ich noch hier bin, Bohnenstange!“, zeterte Taketora wie auf Kommando los. Sou lachte. Yuuki lachte, weil er so erleichtert war, und weil er so erleichtert war, fielen die Tränen einfach, die er bisher zurückgehalten hatte. So war es besser.

„Wenn du Ass wirst, fress ich einen Besen!“ – „Yaku-San, das ist gemein von dir!“

Lev klang aber nicht so, als würde es ihn wirklich stören. Als Yuuki zu ihm aufsah, sah er, wie sich gerade ein zufriedenes Grinsen auf Levs Gesicht bildete, als sei ihm eine wunderbar gute Idee gekommen.

„Yaku-San! Gehst du mit mir aus, wenn ich das Ass werde?!“ – „NEIN!“

 

Alle lachten über Levs bedröppeltes Gesicht. Es tat Yuuki zwar leid, aber er konnte selbst nicht  mit dem Kichern aufhören. Lev würde das schaffen. Er glaubte fest daran, dass Lev seine Chancen hatte. Sei das nun, Yakus Freund zu werden, oder Ass. Beides. Vielleicht nicht von heute auf morgen, aber es würde passieren!

Yuuki würde ihm helfen, wo er konnte. Sou auch. Er sah seinen Freund grinsend an, bekam ein breites Grinsen zur Antwort. So abgelenkt bemerkte er gar nicht, wie Kenma vortrat, reagierte erst auf seinen Captain, als der sich leise räusperte.

 

„Ich höre auf.“

 

 
 

***

 

 

Bokuto hörte und hörte das Plappern nicht auf. Tetsurou hatte Mühe, seiner Geschichte zu folgen, während er Fukuroudanis glorreiche Siege in den buntesten Farben neu erzählte. Nicht einmal den Sieg über Nohebi konnte er so recht würdigen, weil er in Gedanken meilenweit entfernt war.

Eigentlich war die Ansage nicht unerwartet gekommen, trotzdem hatte sie Tetsurou getroffen wie einen Schlag ins Gesicht.

Er hatte niemals wirklich damit gerechnet, dass Kenma so früh mit dem Volleyballspielen aufhören würde. Ein völlig unrealistischer Teil von ihm hatte sogar erwartet, dass Kenma nach der High School weitermachen würde, egal, auf welche Uni es ihn am Ende verschlug.

Es war natürlich zur Diskussion geworden. Tetsurou hatte Kenma mit zur Seite genommen und mit ihm geredet, geredet, und noch mehr geredet. Und geredet. Zwischendurch hatte er den Eindruck gehabt, Kenma hörte ihm überhaupt nicht zu, schlicht, weil er sich längst entschieden hatte, dass es für ihn vorbei war. Letzten Endes hatte Tetsurou ihn hinter sich gelassen mit der Mahnung, dass Kenma es sich noch einmal überlegen solle, zumindest die Sommertrainingscamps abwarten sollte, bevor er irgendeine endgültige Entscheidung traf.

Er hoffte, dass irgendetwas oder –jemand Kenma umstimmen konnte.

Er ahnte, dass seine Hoffnung ziemlich vergebens war.

 

„Bro? Hey, du ignorierst mich!!!“ – „Was?“

Tetsurou sah mit einem verlegenen, schiefen Grinsen auf. Er lachte, kratzte sich am Hinterkopf.

„Sorry, sorry~ Ich war grad damit beschäftigt, Akaashis Schönheit zu bewundern!“

Weder lachte Bokuto, noch verlor er sich in einer lauten Lobeshymne an seinen ehemaligen Zuspieler. Er sah Tetsurou nur stirnrunzelnd an, ehrlich besorgt. Es war ermüdend, dass Bokuto ausgerechnet dann unglaublich scharfsinnig wurde, wenn man es nicht gebrauchen konnte.

„Was ist los?“

Mit einem Seufzen lehnte Tetsurou sich über das Geländer, um dem starrenden Eulenblick ausweichen zu können. Das Spiel, das gerade unter ihnen stattfand, nahm er kaum wahr.

„Kenma sagt, er hört auf.“ – „WAS?!“

„Ja. Er war ja noch nie so der große Sportfan, aber irgendwie… bin ich trotzdem davon ausgegangen, dass er weitermacht bis zum Schluss.“

Er lachte kläglich auf, fühlte sich unglaublich dämlich mit der ganzen Sache. Konnte es ihm nicht egal sein? Es war Kenmas Leben! Aber es war Tetsurous (ehemaliges) Team, um das es hier ging, und so, wie er das sah, hatte gerade niemand außer Kenma die Kompetenzen, der Captain zu sein. Ganz unabhängig von allen anderen Argumenten, Kenma würde das Team gewissermaßen ans Messer liefern, wenn er wirklich schon aufhörte. Nekoma würde drastisch an Zusammenhalt verlieren. Nicht für immer, aber für den Rest des Jahres, und wer konnte schon abschätzen, wie die Langzeitfolgen davon aussehen würden?

„Du musst ihn überzeugen, nicht aufzuhören!“ – „Hab ich versucht. Scheitert.“ – „Dann muss das jemand anders tun!!!“

Es gab niemanden. Tetsurou seufzte, schüttelte den Kopf.

„Gibt’s nicht.“

„Der Chibi?“

„Kenma sagt, sie haben seit Wochen nicht mehr geschrieben.“

Es hatte zweifelsohne mit Karasunos Niederlage zu tun. Er wusste nicht, ob Kenma Hinata ignorierte, oder ob Hinata einfach nicht mehr schrieb, aus welchen Gründen auch immer. In jedem Fall herrschte Funkstille zwischen den beiden. Es war auch Tetsurous erster Gedanke gewesen. Hinata, warum auch immer, war unglaublich gut darin, den unbeweglichen Kenma zu bewegen. Aber das war eine völlig vergebene Hoffnung.

 

„Du solltest es dem Chibi trotzdem sagen.“

„Und das bringt was?“

„Na, dann kann er mit Kenma reden, wenn er will! Oder glaubst du, Kenma erzählt es ihm sowieso?“

Tetsurou glaubte es nicht. Er glaubte aber auch nicht, dass es noch einen Unterschied machte. Vielleicht war er auch einfach nur zu pessimistisch. Auf der anderen Seite war es eine Hoffnung, also… Versuchen.

 

„Warte kurz, ich schreib Sawamura, dass ich die Nummer vom Chibi brauche.“

 

 
 

***

 

 

Das Halbfinale ging an Itachiyama. Es erstaunte Keiji nicht, dass sie verloren hatten. Es frustrierte ihn, ganz ohne Diskussion, aber es wunderte ihn nicht. Sie hatten noch nie gegen Itachiyama gewonnen, und wahrscheinlich würde es noch lange dauern – bis zum nächsten Jahr –, bis sie dieses Ziel erreichten. Trotzdem war er enttäuscht, genau, wie der Rest des Teams enttäuscht war.

Es gab zwar keinen Bokuto unter ihnen, der in einen Emo-Modus verfallen konnte, aber die spindknallenden Aggressionsbewältigungen von Kurowa waren auch nicht wenig anstrengend. Minamishima war noch stiller als sonst. Shima seufzte in einer Tour. Immer wieder gesellte Onaga sich zu ihm, um ebenfalls schwer zu seufzen. Während man im Gegenzug dazu Marei überhaupt nicht ansah, was in ihm vorging, war Nishiame durchweg am Plappern und versuchte, irgendetwas positives an der Sache zu finden – sie hatten sich gut gehalten, sie hatten zumindest einen Satz gewonnen, sie hatten viel dabei gelernt, sie würden noch stärker werden bis zu ihrer nächsten Begegnung, sie konnten immer noch gewinnen. Er spulte es wieder und wieder unablässig ab wie eine CD, die einen Kratzer hatte.

Zumindest solange, bis Kurowa wütend von der Bank aufsprang, auf der er gesessen hatte.

„Halt endlich deine verdammte Schnauze, du zwangsoptimistischer Vollidiot! Mach die Augen auf! Niemand hier will dein Gewäsch hören!“

Keiji sah, wie einige Gesichter sich abwandten, irgendwo zwischen peinlich berührt und ertappt. Nishiame bekam den Wink mit dem Zaunpfahl; er war still für den Rest der Zeit, obwohl er aussah, als würde er sehr schwer daran knabbern.

 

Im Eingangsbereich der Sporthalle wartete Bokuto auf sie. Er hatte Kuroo im Schlepptau, wie eigentlich immer. Die Enttäuschung war so deutlich auf sein Gesicht geschrieben, dass es Keijis Herz krampfen ließ.

„Bokuto-San.“

„Akaashi…“

Kein Emo-Modus. Noch nicht? Keiji konnte es gerade nicht abschätzen. Er hatte Bokuto noch nie so gesehen. So ehrlich, aufrichtig und kompromisslos enttäuscht. Er sah aus, als hätte man ihm etwas weggenommen, das ihm unglaublich wichtig war, ihm etwas anderes Großes dafür versprochen und am Ende überhaupt nichts abgeliefert. Verraten war ein passendes Wort dafür.

Er sah verraten aus.

„Wenn du was zu sagen hast, dann spuck’s aus“, zischte Kurowa eisig. Er trat vor, bis er sich vor Bokuto aufbauen konnte. Obwohl er bedeutend größer und breiter war, schaffte Bokuto es in diesem Moment, wie der kleinere von beiden auszusehen. Es war kein Anblick, an den Keiji sich gewöhnen wollte. Unwillig presste er die Lippen zusammen, machte sich dazu bereit, Kurowa zurückzuziehen, wenn es nötig wurde.

„Ihr habt verloren.“ – „Bist nicht grade helle, huh? Das weiß ich selber!“

„Aber ihr habt so viel trainiert.“

Bokuto klang hilflos. Überfordert. Verwirrt. Langsam begann Keiji zu begreifen, und es machte überhaupt nichts besser. Er fing Kuroos Blick auf, der ein wenig hilflos die Schultern hob. Er sah aus, als wäre ihm die ganze Sache furchtbar unangenehm, und er sah aus, als hätte er obendrauf auch seine eigene Portion Sorgen.

 

„Und das ist ja so sehr ein Argument“, höhnte Kurowa frostig, „Glaubst du denn, die anderen Teams trainieren gar nicht?! Krieg dich wieder ein! Du hast kein Recht, auch nur einen Mucks zu sagen! Du hast’s doch selbst nie geschafft, gegen das Scheißteam zu gewinnen, du Versager!“

Es war genug.

Keiji trat vor, packte Kurowa grob an der Schulter und zog ihn zurück. Der Junge funkelte ihn an, als wollte er ihn mit Blicken erdolchen, dann riss er sich grob aus Keijis Griff los.

„Ihr seid doch genauso gestört wie der Typ“, spuckte er noch abfällig aus, ehe er davonstapfte. Nishiame rief ihm hilflos hinterher, aber nicht einmal er war gerade noch motiviert, ihm nachzulaufen. Keiji war der Unruhestifter völlig egal für den Moment.

„Bokuto-San–“

Bokuto sah ihn an, immer noch verständnislos, immer noch verraten. Es war, als wäre alles, was Kurowa gesagt hatte, an ihm abgeprallt, weil eine andere Sache ihn viel mehr belastete. Er streckte die Hände aus. Keiji ergriff sie instinktiv.

 

„Akaashi, wieso hast du so viel trainiert, wenn es keinen Unterschied macht? Wir haben uns fast gar nicht mehr gesehen…!“

 

Für nichts.

Keijis Mundwinkel zuckten. Er presste angestrengt die Lippen aufeinander. Es stimmte nicht. Das Team war stärker geworden. Bedeutend stärker. Aber Itachiyama waren schon immer auf einem deutlich höheren Level gewesen. In gewissem Maße waren Bokutos Unterstellungen unfair.

Aber Keiji verstand sie. Er hatte all die Zeit trainiert, trainiert, und Bokuto versetzt, und das Resultat daraus war, dass sie keinen Schritt weiter als sonst gekommen waren. Es würde so weitergehen. Wochenenden voller Training, keine Zeit für spontane Treffen, und das, obwohl sie in der gleichen Stadt wohnten. Konnte er es denn deshalb ändern? Er konnte nicht kontrollieren, wie lange Yamiji seine Strafen durchzog. Er konnte nicht für das ganze Team bestimmen, was gut für sie war, nur weil er selbst Bedürfnisse hatte, die sich womöglich mit den Teaminteressen bissen.

Und, was schlussendlich das wichtigste Argument von allen war: Bokuto würde enttäuscht sein, wenn er wirklich etwas änderte. Für Bokuto stand Volleyball über allem. Wenn Keiji den Sport schleifen ließ, und er es irgendwann realisierte, würde er bitter enttäuscht sein. Keiji wollte das nicht.

Keiji wollte nicht, dass Bokuto ihn jemals ansah und feststellte, dass Keiji zu schlecht geworden war, um mit ihm mitzuhalten. Er wollte im nächsten Jahr wieder an Bokutos Seite spielen, Teil des Vereins werden, den Bokuto sich ausgesucht hatte, kaum, dass er die High School beendet hatte. Er konnte das nicht, wenn er jetzt nicht sein Bestes gab. Er würde Bokuto nicht einmal mehr ins Gesicht sehen können, wenn er es nicht tat.

Er atmete langsam ein. Schloss für einen Moment die Augen.

„Akaashi…?“

Als er wieder aufsah, lag eine Vorsicht in Bokutos Blick, die ihn glauben ließ, dass sein Freund ausnahmsweise einmal mehr verstand, als es Keiji lieb gewesen wäre. Er drückte die großen, rauen Hände, die seine eigenen hielten, kurz, ehe er sie Bokuto sanft, aber bestimmt entzog.

 

„Es tut mir Leid, Bokuto-San.“

 

 
 

***

 

 

Nachdem sein Team abgezogen war, wollte Bokuto alleine sein. Tetsurou ließ ihm seinen Willen, vor allem, weil er das Gefühl hatte, gerade auch nur alles schlimmer machen zu können. Es war, als wäre der ganze, beschissene Tag verflucht. Erst Nekoma. Dann Fukuroudani.

„Und was kommt als nächstes?“

 

Er hätte nicht fragen sollen. Er hätte einfach nicht fragen sollen, dann wäre er vielleicht nicht in ausgerechnet Daishou von allen Menschen hineingelaufen. Der Kerl sah ihn angewidert an, hob die Augenbrauen. Tetsurou ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen.

„Haben sie mit deinen Schlangen nicht schon vor ewig den Boden gewischt? Was machst du denn noch hier?“ – „Die Frage könnte ich zurückgeben…“

Er schüttelte den Kopf; er sah aus, wie Tetsurou sich fühlte – nicht glücklich. Auf eine seltsame Art fühlte Tetsurou sich ihm gerade abartig verbunden. Es war widerlich, und es war definitiv der einzige Grund, weshalb er völlig gedankenlos herausplatzte:

„Willst du was trinken gehen?“

Daishou sah ihn an, als hätte er gerade verkündet, dass der Mars aus Tomatenmark bestand und der Mond aus Käse. Und Pluto war übrigens kein Zwergplanet, sondern nur ein Cartoonhund.

 

Die Einladung nahm er trotzdem an.

 

Zehn Minuten später saßen sie in einem Café unweit der Sporthalle. Daishou hatte irgendeine Form von Kaffee bestellt, während Tetsurou an einer klebrig süßen Cola nippte. Eigentlich mochte er die Pampe nicht besonders, aber gerade stand ihm der Sinn nach Zucker. Es war still. Er beobachtete, wie schlanke Finger den Löffel durch die Kaffeetasse rühren ließen, beobachtete die Ringe, die sich im warmen Licht des Ladens spiegelten. Jetzt, wo sie hier saßen, wusste er gar nicht, was er überhaupt sagen sollte. Es war nicht, als hätte er Daishou allzu viel zu sagen. Der ihm offensichtlich auch nicht, sonst würde er schließlich sprechen.

Eigentlich war die Stille aber auch gar nicht übel. Nachdenklich griff Tetsurou nach seinem Handy, warf einen prüfenden Blick darauf. Er hatte es für die Zeit des Turnieres lautlos geschaltet, weil er nicht riskieren wollte, irgendjemanden damit zu belästigen. Er stellte die Lautstärke wieder hoch. Eine neue Nachricht hatte er nicht. Sawamura hatte ihm die Nummer vom Chibi tatsächlich gegeben, und Tetsurou hatte ihm eine sehr wortkarge Nachricht über Kenmas Ausstieg geschrieben. Er hatte keine Antwort bekommen. Er wusste nicht, ob der Winzling ihn eiskalt ignorierte, oder ob er die Nachricht noch nicht gelesen hatte.

Als er wieder aufblickte, lag Daishous Blick in einer Art nichtssagender Resignation auf ihm.

„Ich warte auf eine Nachricht“, erklärte Tetsurou patzig, ehe er das Handy weglegte und stattdessen nach seiner Cola griff. Als müsste er sich vor dem Kerl überhaupt rechtfertigen! Daishou verdrehte die Augen.

„Ich weiß, ich weiß. Kozume ist dein Leben.“ – „Es geht nicht–“

Natürlich ging es um Kenma. Wieso versuchte er überhaupt, Daishou etwas anderes weiszumachen? Es war doch eh egal. Seufzend trank er einen Schluck des Süßgetränks, stellte das Glas dann zurück. Wischte über das Kondenswasser an der Außenseite.

 

„Er hat gesagt, dass er aufhört.“

 

Er wusste nicht, was er für eine Reaktion von seinem Gegenüber erwartete. Erst einmal reagierte Daishou gar nicht allerdings. Rührte in seinem Kaffee, als wäre das das Wichtigste der Welt, legte schließlich den Löffel penibel zur Seite. Sah erst dann wieder zu Tetsurou auf, die Augenbrauen hochgezogen. Unwillkürlich blieb Tetsurous Blick an den Piercings an Daishous Lippe hängen. Er sah, wie er den Mund zum Sprechen öffnete.

„Und? Deshalb geht deine Welt unter? Lass den Jungen seine eigenen Entscheidungen treffen. Du bist nicht sein Babysitter.“ – „Ich bin sein Freund!“, protestierte er empört. Daishou schien das überhaupt nicht als Argument zu nehmen und zuckte nur mit den Schultern. Er sah gelangweilt aus, wie er das Kinn auf die Hand stützte. Als würde er Tetsurous inneren Tumult überhaupt nicht begreifen – oder unglaublich lächerlich finden.

„Wirklich? Dann solltest du dich wie ein guter Freund benehmen, und ihn seinen Weg gehen lassen. Wieso willst du überhaupt, dass Kozume weitermacht?“

Tetsurou hob die Schultern, unsicher, was zu antworten. Es gehörte dazu. Für ihn gehörten Kenma und Volleyball zusammen, genauso, wie er und Kenma zusammengehörten. Es war Zeit ihrer Freundschaft etwas gewesen, das sie unfehlbar miteinander verband. Ein roter Faden. Eine Tradition. Eine Gemeinsamkeit in einem Leben der Unterschiede. Daishou seufzte, schüttelte den Kopf.

„Du vergraulst auf kurz oder lang all deine Freunde, oder? Entweder zu wenig oder zu viel Aufmerksamkeit, aber du kennst kein Mittelmaß, Tetsurou.“

Er öffnete den Mund, um zu protestieren, aber Daishou brachte ihn mit einer Geste zum Schweigen.

„Weißt du, es ist mir egal. Vergraul Kozume, wenn es dich glücklich macht. Aber ganz ehrlich? Der Junge tut mir Leid. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand sich wohl damit fühlen kann, so von dir bemuttert zu werden. Du lässt ihn doch keinen Schritt alleine machen. Und wenn er kein Volleyball mehr spielen will. Ist das deine Sache? Ist das dein Leben? Hast du Angst, dass er keinen Bock mehr auf dich hat, sobald ihr keine gemeinsamen Interessen mehr habt? Bist du echt so arm, dass du glaubst, Freundschaft kann nur bestehen, wenn man irgendetwas Offensichtliches hat, das einen verbindet?“, er schnaubte, schüttelte den Kopf, „Sei kein Baby und werd endlich erwachsen. Kozume braucht keinen Babysitter. Finde dich schon mal mit dem Gedanken ab, dass er irgendwann jemanden findet, der ihm wichtiger ist als du.“

 

Tetsurou war sprachlos. Es war weniger deshalb, weil Daishous Worte tatsächlich in gewissem Maße dem Nagel auf den Kopf trafen, sondern vielmehr, weil er völlig fassungslos darüber war, dass der Kerl überhaupt so viel vernünftigen Menschenverstand hatte. Da war kein spöttelndes Schlangengrinsen, kein unterschwelliger Streit und Hass, stattdessen wirkte Daishou zur Abwechslung einmal… menschlich.

Er konnte es nicht fassen.

„Was zur Hölle ist mit dir passiert?“

Die Frage platzte aus ihm heraus, ehe er es hätte verhindern können. Daishou lächelte milde, freundlich, aber ohne jeden Funken Wärme. Es war ein grausames Lächeln.

„Du wärest der letzte, dem ich davon erzähle, Tetsurou. Es interessiert dich doch am Ende überhaupt nicht.“

Er hatte eindeutig etwas Falsches gesagt. Daishou widmete sich seinem Kaffee, jeden empörten Protest komplett ignorierend. Er schwieg Tetsurou aus. Nach dem dritten Versuch, ein Gespräch zu beginnen, gab Tetsurou frustriert auf und ließ ihm sein Schweigen, bis ihre Getränke leer waren und sie nach dem Bezahlen – Tetsurou zahlte, immerhin war der Scheiß seine Idee gewesen – das Café verließen. Kaum draußen angekommen, machten sie sich daran, getrennte Wege zu gehen.

„Danke für den Kaffee“, sagte Daishou beinahe sanft. Es klang oberflächlich; eine hohle Floskel. Tetsurou zuckte nur mit den Schultern, „Nichts zu danken“, erwiderte er genauso nichtssagend. Es war sein seltsam beklemmendes Gefühl, hier zu stehen und sich schlussendlich doch wieder nichts von Substanz zu sagen zu haben.

„Man sieht sich.“

Zwangsweise, fügte Daishous kurzer Blick Tetsurous Worten hinzu. Er rückte die Tasche auf seiner Schulter zurecht, brachte Tetsurous Blick damit einmal mehr dazu, an den Ringen an seiner Hand hängen zu bleiben. Einen langen Moment herrschte Stille zwischen ihnen.
 

„Ich habe das übrigens ernst gemeint. Für die lächerliche Farce letztens schuldest du mir mindestens zwei Essen.“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück