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Les indignes - die Würdelosen

von

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Ich erwache in einem kleinen, simpel eingerichteten, etwas heruntergekommenen Raum. Boden und Wände bestehen aus rauen Dielen aus Holz. Über mich beugt sich eine wunderschöne, blonde Frau in einem weiten, hellblauen Kleid, das besser zu einer Puppe passen würde, als an diesen tristen Ort. Ihre Augen sind genau so blau wie der Stoff in den sie gekleidet ist.

Wie seltsam. Ich kenne all diese Begriffe, aber an meine eigene Vergangenheit kann ich mich nicht erinnern. Nicht mal an meinen Namen.

Wer bin ich?

Die hübsche Frau sieht besorgt aus. Sie schiebt eine schlanke, blasse Hand unter meinen Kopf und hebt ihn leicht an. „Hier trink“, sie hält mir ein Glas Wasser unter die Nase, in dem eine sich langsam auflösende Tablette schwebt. Ich komme ihrer Nachforderung ohne zu überlegen nach und leere das Glas in einem Zug. Meine Kehle ist so trocken, als hätte ich seit Tagen kein Tropfen Wasser mehr getrunken. Ich versuche ein paar Worte zu sprechen, doch irgendwie will meine Stimme nicht so ganz. Die blonde Frau sieht mich mitleidig an.

„Es tut mir so leid, dass du hier bist“, flüstert sie hastig, „Aber ich kann es nicht ändern. Dein Name ist Solène, du bist eine Servante auf dem Anwesen der Duvals. Tu alles was sie dir sagen! Hinterfrage nichts! Gib keine Widerworte! Sitze die Strafen einfach aus! Sei froh, du wurdest Simon zugeteilt. Mit etwas Glück, lässt er die ersten paar Tage Güte walten. Sprich niemanden jemals direkt an! Auch mich nicht. Und sag ihnen bitte nicht, dass wir gesprochen haben! Bitte!“. Sie hat so schnell gesprochen, dass ich ihr kaum folgen konnte, doch die panische Angst und der Kummer in ihrem Blick klammern sich beklemmend um mein Herz. Mir wird ein wenig schlecht. Ich fange leicht an zu zittern.

„Komm, steh auf! Steh gerade! Geh durch die Tür da! Steh gerade, Mädchen!“, sie hilft mir vom Bett auf und schiebt mich auf eine Tür zu, die so eben in die Holzdielen eingelassen ist, dass ich sie nicht erkannt hätte, gäbe es die stumpfe, silberne Klinke nicht. Meine Beine fühlen sich zwar sehr schwach an, doch ich versuche mit festen Schritten zu laufen. Etwas sagt mir, dass ich keine Schwäche zeigen sollte. Ich öffne die Tür, schreite ängstlich durch sie hindurch und versuche, mir von meinen Gefühlen nichts anmerken zu lassen. Der Raum, den ich betrete ist groß und so edel eingerichtet, dass es mir den Atem verschlägt. Wo bin ich hier?

Die Wände sind hellblau gestrichen und mit goldenen Borten versehen. Die Möbel sind aus poliertem Mahagoni und die Sessel, die überall in dem Raum herumstehen und die selben Farbschemen aufweisen wie die Wände sehen so viel einladender und gemütlicher aus, als das Bett in dem ich eben noch lag. In der Mitte des Raumes sitzen drei Personen auf einer Chaiselongue. Zwei junge Männer, ein kleiner Junge. Ich trete näher an sie heran und versuche soviel wie möglich aus ihren Gesichtern und ihrer Körperhaltung herauszulesen. Ganz links, neben der Lehne sitzt ein Mann mit schwarzem, welligen Haar, das ihm wirr ins Gesicht fällt. Er hat einen ernsten, durchdringenden Blick, sitzt leicht nach vorn gebeugt und verfolgt jede meiner Bewegungen. Neben ihm sitzt ein Mann mit glatten, blonden Haaren. Sie wurden sauber zurückgegelt. Er sieht gelangweilt aus, hat eine Augenbraue leicht hochgezogen und sich auf seine Ellbogen gestützt um sich nach hinten lehnen zu können. Ich erkenne ein leichtes, beunruhigendes Lächeln auf seinen Lippen und nehme mir vor, diesen Menschen wenn möglich zu meiden. Ganz rechts sitzt das Kind und rutscht aufgeregt von einer Pobacke auf die andere. Es hat die gleichen schwarzen Locken und ein ähnliches Gesicht wie der erste Mann. Alle drei haben die gleichen, stechend-blauen Augen. Wie wunderschön sie alle sind. Sie sind in edle schwarze Hosen und weiße Hemden gekleidet, der junge Mann mit den schwarzen Haaren trägt dazu noch einen Sakko.

„Bleib da stehen!“, befiehlt er mir, als ich noch gute drei Meter von ihnen entfernt bin. Seine Stimme ist warm, tief, herrisch und kompromisslos. Sie flößt mir Respekt ein. Jedes Wort, das er sagt hallt dreifach in meinem Kopf wieder und ich gebe alles seine Befehle sofort auszuführen. Ich bleibe also abrupt stehen und straffe meinen Körper. Ich schaue ihm in die Augen. Es ist sehr schwer, seinem Blick standzuhalten, doch es erscheint mir wichtig.

„Simon ist sie das?“ fragt der Junge, „Sie ist sehr schön“. Ich versuche ein geschmeicheltes Lächeln zu unterdrücken, doch es fällt mir zu schwer.

„Ja, das ist sie. Und du hast recht, sie ist sehr schön. Aber sie hat offensichtlicherweise keine Ahnung davon, wie man sich seinem Herrn gegenüber benimmt“, die Wärme in der Stimme des schwarzhaarigen ist sehr viel prominenter, wenn er mit dem Jungen spricht als mit mir. Umso mehr zucke ich zusammen, als er sich wieder an mich wendet und mich in gebieterischem Ton anfährt: „Schau gefälligst nach unten, wenn wir in einem und demselben Raum sind! Überhaupt, schau immer nach unten wenn jemand aus meiner Familie anwesend ist! Du bist wertlos. Du solltest dich geehrt fühlen, dass wir dich hier aufnehmen, du Stück Dreck!“.

Mein Herz rast. Ich sehe im Augenwinkel, wie die schöne Blonde sich hinter mir vorbei schleicht und sich aus dem Zimmer stiehlt. Die jungen Männer müssen sie gesehen haben, doch sie ignorieren sie wissentlich. Der kleine Junge schaut ihr kurz nach.

„Entschuldige dich“ befiehlt mir dir Schwarzhaarige.

„Entschuldigung“

„Entschuldigung was?“

„Entschuldigung, dass ich dich angesehen habe...“, ich habe das Gefühl, nicht die richtigen Worte zu treffen. Und meine Angst davor, was passiert, wenn ich diese Menschen verärgere steigt. Ich weiß jetzt schon, dass ich hier irgendwie verschwinden muss. Ganz egal ob ich mich an meine Vergangenheit erinnere oder nicht, diese Menschen hier wollen mir nichts gutes.

Der schwarzhaarige Mann steht auf. Ich verfolge seine langsamen, aber selbstsicheren Schritte. Er bewegt sich wie eine Raubkatze. Er kommt so nah an mich heran, dass ich seinen Atem spüren kann, legt einen Finger unter mein Kinn und drückt mein Gesicht hoch. Ich erkenne keine Emotionen in seinen Augen und die Angst in mir schnürt mir die Kehle zu.

„Niemals, unter keinen Umständen, will ich je wieder von dir mit 'du' angesprochen werden. Hast du das verstanden?“, er spricht die Worte ruhig aus, doch ich komme nicht umher, die in ihnen liegende Drohung zu verstehen. Ich schaffe es nur ein Nicken als Antwort hervorzubringen.

„Wie bitte?“, mein Gegenüber sieht mich ernst an und die Drohung in seiner Stimme ist noch offensichtlicher.

„Ich habe verstanden... mein Herr“. Es ist seltsam, diese Worte auszusprechen. Ich fühle mich gedemütigt. Ich weiß nichts über mich selbst, doch ich weiß, dass das hier nicht zu mir passt. In mir rebelliert alles gegen diese Unterwürfigkeit, doch ich habe nur meinen eigenen Schutz im Sinn. Wozu sollte ich mich gegen diese Leute auflehnen, jetzt, in dieser Situation? Ich fühle mich schwach und ich weiß nicht wo ich bin. Ich kann mich kaum gegen zwei kräftige, junge Männer wehren.

Der Schwarzhaarige macht einen Schritt nach hinten und ich lasse meinen Blick dankbar gen Boden gleiten. Ich spüre, dass er mich mustert, aber ich traue mich nicht hochzuschauen und seinen Gesichtsausdruck zu überprüfen.

„Zwing sie doch mal dazu, das Kleid hochzuheben!“. Ich schrecke innerlich zusammen. Der Blonde saß bist jetzt nur ruhig auf der Chaiselongue, doch als seine Stimme durch den Raum peitscht weiß ich sofort zu wem sie gehört. Er klingt genau so bösartig und schadenfroh wie er aussieht.

Der Schwarzhaarige wendet sich ihm zu: „Adrien, verschwinde einfach. Und nimm bitte Christoph mit“.

Ich vernehme ein genervtes stöhnen, doch der blonde Mann erhebt sich, packt das Kind an der Hand und verlässt den Raum. Ich weiß nicht, oder ich beruhigt oder verängstigt sein soll jetzt allein mit meinem Gegenüber zu sein.

Er legt mir seinen Arm um die Schultern und führt mich zu einem riesigen Spiegel, der hinter mir steht. Ich wusste vorher nicht, wie ich aussehe und mein Spiegelbild kommt mir fremd vor. Ich bin nicht sehr groß, habe eine leicht gebräunte Haut, sodass der Schwarzhaarige regelrecht blass neben mir aussieht. Meine Haare und meine Augen sind dunkelbraun. Ich habe ein Puppengesicht und eine kräftige, aber schlanke Figur. Wie seltsam, dass ich mich so schwach fühle. Ich sehe gar nicht aus wie jemand, der schnell schwächelt. Ich trage ein schwarzes Kleid, es ist recht schlicht und fällt etwa bis zu meinen Knien. Es gefällt mir. Der schwarzhaarige Mann stellt sich hinter mich und bindet eine feingliedrige, silberne Kette um meinen Hals. Ein kleiner Anhänger hängt an ihr: ein Halbmond, an dessen oberen Spitze ein winziger, tropfenförmiger Rubin befestigt ist. Er dreht ihn um und auf der Rückseite des Halbmonds ist filigran eingraviert: Solène, Eigentum von Simon Duval. „Du darfst diese Kette niemals ablegen. Von diesem Moment an, bis zu dem Moment an dem du stirbst nicht. Du wirst mit ihr schlafen, dich mit ihr waschen, du wirst jede deiner Aufgaben vollbringen, während du diese Kette trägst und am Ende deines Lebens wirst du mit ihr bestattet werden. Sie ist das Wappen meiner Familie, und gleichzeitig das Zeichen dafür, dass du nur mir gehörst. Du bist eine Servante der Duvals und mir persönlich zugeteilt. Wenn ich dir etwas befehle, dann musst du diese Aufgabe sofort ausführen, ohne zu zögern. Hinterfrage nie etwas, das ich dir sage! Wenn dir jemand aus meiner Familie etwas befiehlt, dann musst du diese Aufgabe ebenfalls sofort ausführen, es sei denn du bist bereits dabei etwas für mich zu tun. Hinterfrage nie etwas, das meine Familie dir sagt! Wenn sie dich für etwas bestrafen wollen und du denkst es sei ungerechtfertigt, weil du meine Interessen über die ihren gestellt hast, dann sag es mir und ich werde mich darum kümmern. Sprich niemanden aus meiner Familie je direkt an. Sieh niemandem aus meiner Familie je in die Augen. Deine eigenen Interessen, sogar dein Wohlbefinden sind irrelevant. Für jedes Widerwort wirst du bestraft. Wenn du versuchst etwas zu stehlen, jemanden aus meiner Familie oder einen anderen Servant zu verletzen, ohne das letzteres dir befohlen wurde, oder wenn du versuchst das Anwesen ohne Erlaubnis zu verlassen bedeutet das den Tod für dich. Du wohnst in dem Raum, in dem du aufgewacht bist. Du wirst jeden Morgen um sieben Uhr aufstehen und dich waschen und anziehen. Ich entscheide was du trägst, ich werde es dir am Abend zuvor sagen. Du gehst Abends erst schlafen wenn ich es dir befehle. Deine Aufgaben werde ich dir im Laufe des Tages zukommen lassen. Jede Verfehlung zieht Konsequenzen nach sich und es liegt an mir, die Schwere deiner jeweiligen Bestrafungen festzulegen. Sprich mich und meine Familie nur mit 'Mein Herr' oder 'Meine Herrin' an und wenn du von uns sprichst verwende ebenfalls diese Worte. Hast du das Verstanden?“, ich erkenne im Spiegel wie Simons Blick abwartend auf mir liegt. Seine Worte waren fachlich und seine Stimme so emotionslos wie eh und je. Ich habe Angst um mein Leben. Ich will hier nicht bleiben! Ich muss hier weg! Doch welche Optionen habe ich im Moment?

Mit schwerem Herzen ringe ich mir ein Nicken ab. „Ich habe verstanden, mein Herr“.



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