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Die Rose von Ferelden

Die Geschichte der Heldin von Thedas
von

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Von einer wütenden Sucherin und vergangene Tagen

Die warmen Strahlen der Sonne wecken mich am folgenden Morgen auf. Lächelnd stehe ich auf und denke an den vergangenen Abend. Ich hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit. Nicht, dass es mich nicht freuen würde. Ganz im Gegenteil. Umso glücklicher stimmt es mich, dass es so gekommen ist. Ein Lied summend mache ich mich auf den Weg in den Hof. Mal schauen, was heute alles so ansteht.
 

„Guten Morgen, Mylady“, grüßt mich Anders in der Haupthalle. „Guten Morgen, Anders“, grüße ich ihn zurück. „Ihr habt aber gute Laune. Ihr strahlt ja heller als die Sonne“, merkt er schmunzelnd an. „Nun, ich habe auch allen Grund dazu“, meine ich dazu nur, ehe ich wieder meines Weges gehe. Mein Heiler blickt mir kopfschüttelnd nach. Kurz vor der Flügeltüre nach draußen, bemerke ich, dass etwas heute morgen anders ist als sonst. Von der Seite kommt kein morgendlicher Gruß wie sonst. Als sich meine Augen dorthin richten, erblicke ich nur eine leere Stelle. Kein Varric. Komisch, vielleicht hat er ja auch einfach nur verschlafen.
 

Im Innenhof begegne ich dann Vivienne: „Guten Morgen, Lady Inquisitor.“ „Guten Morgen, Vivienne. Wie geht es Euch?“, entgegne ich höflich. „Ganz hervorragend. Und Euch?“, erkundigt sie sich. „Es könnte nicht besser sein“, ein Lächeln ziert meine Lippen. „Das merkt man Euch an, meine Verehrteste. Ihr habt sicher viel zu tun. Ich will Euch nicht länger aufhalten. Nur... falls Ihr die Gelegenheit dazu habt, seht doch bitte mal nach diesem Tumult in der Waffenkammer nach. Im besten Falle ist es eine streunende Katze, den Geräuschen nach zu urteilen, jedoch eher etwas, das wie eine Schlägerei klingt“, bittet die Verzauberin mich. „Natürlich, ich kümmere mich darum“, dann mache ich mich ohne Umschweife auf zur Waffenkammer. Nicht, dass sich dort wirklich jemand prügelt.
 

Drinnen bietet sich mir ein erschreckendes Bild: Cassandra, höchst wütend, jagt Varric quer durch die Kammer, welcher verzweifelt nach einem Ausweg sucht. An einem Tisch kommen die Zwei zum stehen. Zornig funkelt Cassandra den Zwerg an: „Ihr wusstet die ganze Zeit über, wo er steckt! Ihr habt es mir absichtlich verschwiegen! Von wegen: Ich weiß es nicht!“ „Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht, Sucherin! Ich habe Euch alles erzählt, was ich für wichtig hielt“, rechtfertig sich der Armbrustschütze. Die Hand der Sucherin erhebt sich zum Schlag, als ich eingreife: „Jetzt ist aber Schluss! Was ist hier überhaupt los?“ Auf den Zügen des Zwerges zeichnet sich Erleichterung ab: „Mädchen, ich war noch nie so froh dich zu sehen.“ „Was habt Ihr nur für schlechte Manieren? So könnt Ihr nicht mit dem Inquisitor reden!“, fährt Cassandra ihn wieder an. „Cassandra, es reicht! Ich verlange auf der Stelle zu erfahren, warum ihr euch hier die Köpfe einschlagt“, falle ich ihr in die Anschuldigungen. „Dieser Schuft, dieser niederträchtige Lügner wusste die gesamte Zeit über, wo sich der Champion aufgehalten hat! Die ganze Zeit! Er hätte ihn schon viel früher zu uns bringen können! Wenn Hawke bei dem Konklave dabei gewesen wäre, wäre die Göttliche vielleicht nicht gestorben! Wir hätten vieles verhindern können!“, schreit die Sucherin erbost. „Wenn, wäre, hätte, vielleicht! Habt Ihr mal daran gedacht, dass er dort genauso gut hätte sterben können. Ich habe nur meinen Freund beschützt“, verteidigt sich Varric.
 

„Cassandra, ich muss Varric diesbezüglich leider zustimmen. Garett wäre in großer Gefahr gewesen, wenn er bei dem Konklave anwesend gewesen wäre. Ich kann nachvollziehen, dass er ihn dieser Gefahr nicht aussetzen wollte“, erkläre ich. „Ihr unterstützt ihn dabei auch noch? Er hat uns diesbezüglich angelogen und hat uns wichtige Informationen vorenthalten. Wer weiß, wann noch“, schimpft sie weiter. „Ich habe Euch nie angelogen, Sucherin. Ich habe Euch stets alles erzählt, was ich zum jeweiligem Zeitpunkt für wichtig hielt“, geht Varric auf ihren Vorwurf ein. Cassandra will gerade zu einer Reihe an Beschimpfungen ansetzen, als ich ihr scharf ins Wort falle: „Ich sagte: SCHLUSS!“ „Wenn ich mich nicht irre, sollte mal auf seine Vorgesetzte hören“, Garetts Stimme erklingt und der Grund für diesen Streit tritt neben mich. „Was genau habt Ihr Euch davon erhofft, mich zu finden, Cassandra?“ „Einen Anführer für die Inquisition“, gibt die Angesprochene kleinlaut zu. „Ich führe niemanden mehr an. Auf diesem Posten habe ich jämmerlich versagt. Ohne Aveline oder Leyla wäre ich als Champion kläglich gescheitert, beziehungsweise hätte ich nie diesen Titel verliehen bekommen. Ihr habt die beste Anführerin, die ich kenne oder aber mir vorstellen kann. Die Strategin und General der königlichen Truppen von Ferelden. Es gibt niemanden, der diesen Posten besser ausführen könnte als sie. Selbst wenn Ihr ihn mir angeboten hättet, ich hätte ihn nie angenommen. Das ist nichts, wofür ich geeignet wäre“, antwortet Hawke. Mit großen Augen sieht Cassandra ihn an, doch dieser wendet sich ab und führt Varric nach draußen. Sein Blick gibt mir zu verstehen, dass ich die Sucherin beruhigen soll, bevor diese ein zweites Mal auf den Zwerg losgeht.
 

Die Tür fällt hinter ihnen zu. Unsicher mustert Cassandra den Boden zu ihren Füßen: „Bitte verzeiht meine unangemessenen Worte, Lady Inquisitor. Ich hätte das nicht sagen sollen.“ „Cassandra, seht mich an“, ein Seufzen entrinnt meiner Kehle. Vorsichtig begegnet sie meinem Blick. „Es gibt nichts, wofür Ihr Euch bei mir entschuldigen müsstet. Ihr tatet, was Ihr für das Richtige gehalten habt. Eure Auffassung nach war Hawke die richtige Person als Oberhaupt der Inquisition. Das ist in Ordnung. Und was Varrics Verhalten angeht: Wie gesagt kann ich ihn verstehen und muss ihm zustimmen. An seiner Stelle hätte ich wohl ähnlich gehandelt“, erkläre ich ihr. „Wusstet Ihr ebenfalls wo sich der Champion aufhält“, fragt sie zaghaft nach. „Ungefähr ja. Garett und ich standen in einem losem Briefkontakt zueinander, nachdem ich Kirkwall verlassen hatte“, gebe ich zu. „Ich bitte Euch, Euer Verhalten Varric gegenüber zu überdenken und Euch bei Ihm zu entschuldigen. Ihr habt beide einen Fehler begangen und ich werde mit ihm noch über diese Sache sprechen. Allerdings wünsche ich solche Auseinandersetzungen in Zukunft nicht mehr. Sollte es Probleme geben, die man nicht in einem Gespräch beilegen kann, könnt Ihr jederzeit zu mir kommen und mit mir darüber sprechen. Ein auf eigene Faust losziehen und zur Rede stellen billige ich kein zweites Mal. Es schürt nur Misstrauen zwischen uns und das ist das letzte, was wir in diesen Zeit gebrauchen können“, verdeutliche ich der Sucherin. Sie nickt als Zeichen, dass meine Worte angekommen sind. Ich gehe auf die Türe zu: „Ich wünsche Euch noch einen schönen Tag, Cassandra.“ „Einen Moment noch. Ich... es stimmt. Anfangs habe ich wirklich geglaubt, dass die Inquisition Hawke als Anführer braucht, aber dann habe ich Euch kennengelernt. Ich habe Euch kämpfen gesehen. Ich habe gesehen, wie ihr diejenigen zur Rechenschaft gezogen habt, die Unschuldige getötet haben. Von Anfang an, nachdem ich Euch das erste Mal kämpfen sah, habe ich Euch respektiert. Ihr seit eine hervorragende Kämpferin. Heute weiß ich, dass Ihr Eurer Stellung als Inquisitor mehr als würdig seit und ich vertraue Euch“, sprudelt es aus ihr heraus. „Ich danke Euch für Euer Vertrauen“, dann verlasse ich die Waffenkammer. Sie hat sich beruhigt. Das bedeutet, dass Varric nichtmehr zu fürchten braucht, umgebracht zu werden.
 

Zuerst will ich zurück in die Haupthalle gehen, um mit dem Zwerg zu sprechen, doch dann entscheide ich mich für einen Spaziergang über die Wehrgänge. In der Nähe von Cullens Turm bleibe ich stehen und starre auf die Landschaft hinaus. Meine Gedanken schweifen ab, kehren zurück zu der Zeit, wo mein ganzes Leben begann sich für immer zu verändern: Die Zeit der fünften Verderbnis.
 

Flashback:

Fünf Jahre zuvor im Lager nahe des Brecilian Waldes
 

Tahri und ich hatten uns für die erste Nachtwache gemeldet, da wir etwas unter vier Augen ohne neugierige Ohren besprechen wollten. Eine Nachtwache war da immer die beste Idee. Als alle anderen schlafen gegangen waren, setzen wir uns ans Feuer. „Weißt du, Leyla, ich habe nachgedacht. Über deinen Bruder und mich“, beginnt die Dalish. „Ihr seit süß zusammen“, meine ich. Es ist schön zu sehen, dass zwischen all dem Schrecken und Tod etwas so reines wie Liebe entstehen kann. Leliana und ich haben stundenlang darüber gerätselt, ob die beiden ein Paar sind oder nicht, bis Tahri es schließlich zu bunt geworden ist und sie uns die heiß begehrte Antwort gab. „Da magst du recht haben, aber ich sehe keine Zukunft für uns“, wehmütig geht ihr Blick in die Flammen. „Warum?“, ihre Aussage überrascht mich. „Bei dem Landthing werden wir euren Erbanspruch durchsetzen. Alistair wird König werden. Das Volk wird keine Elfe als Königen akzeptieren. Sie würden mich für eine Hure halte, die ihm sein Bett warm hält“, kommt ihre bittere Antwort, „außerdem müssen wir immer noch einen Erzdämon besiegen. Alistair und ich sind die Einzigen, die das können. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass das einfach sein soll.“ Ihr Blick durchbohrt mich. Sie weiß, dass ich im Orden aufgewachsen bin und ein nahezu umfassendes Wissen über die Wächter besitze. Leise seufzend komme ich ihrer stummen Aufforderung nach: „Nur ein Grauer Wächter kann einen Erzdämon töten, aber er zahlt dafür einen sehr hohen Preis: Sein eigenes Leben für das Ende der Verderbnis.“ „Siehst du! Einer von uns muss sterben. Und das werde ich sein“, beschließt sie. „Was? Tahri, ich bin mir sicher, dass es einen Weg gibt, wie wir das verhindern können. Einen Weg, wie ihr beide überleben könnt“, widerspreche ich ihr. „Nein, Leyla. Ich will es so. Ich will nicht eines Tages dem Ruf ausgeliefert sein. Und vor allem will ich nicht sehen, wie er eine andere zur Frau nimmt. Das würde ich nicht verkraften“, entgegnet sie. „Er würde damit nicht klar kommen“, murmle ich. Ich kenne meinen Bruder. Ich weiß, wie sehr er sie liebt. Sie ist sein Leben. „Doch mit dir an seiner Seite wird er das schaffen. Ich werde ohne hin nicht als seine Geliebte sterben. Ich werde mich kurz vor dem Landthing von ihm trennen. Du musst dann vor den Adligen euren Anspruch durchsetzen. Aber ich weiß, dass du das schaffen wirst. Du kannst leidenschaftliche Reden halten und so andere dazu bringen, dir zu folgen. Und dann, wenn das geschafft und Logain entmachtet und für seine Taten bestraft ist, vereint ihr beiden Ferelden unter euch und wir ziehen in die letzte Schlacht. Die letzte Schlacht, in der ich sterben werde“, berichtet mir die Elfe von ihrem Plan. „Bist du dir damit sicher, Tahri? Willst du das wirklich machen?“, zweifelnd sehe ich sie an. „Ja, ich bin mir sicher. Leyla, Ferelden braucht einen König. Dein Bruder muss sein Erbe antreten. Du weißt das. Es braucht keinen Tyrann wie Logain, sondern einen Mann wie Alistair. Und er braucht dich als Beraterin an seiner Seite. Ihr beide müsst für Ferelden überleben und es dann wieder aufbauen. Und du weißt das. Deshalb rede ich mit dir darüber. Du bist mir nicht nur eine enge Freundin, sondern auch unsere Strategin. Als diese weißt du, was zu tuen ist, um das Land zu retten. Ich zähle auf dich“, ernst hält sie meinen Blick fest. Sie sieht meine stumme Zustimmung zu ihrem Plan. Sie weiß, dass ich tuen werde, was getan werden muss. Denn sonst ist nicht nur Ferelden sondern ganz Thedas verloren.
 

Zeitsprung: Im Kommandantenzelt wenige Stunden vor der letzten Schlacht

„Gut, wie sieht unser Plan aus?“, Arl Eamon sieht zu Tahri herüber. Diese nickt mir zu. Ihrer Aufforderung folgend trete ich vor und erkläre unsere Strategie: „Tahri wird gemeinsam mit Alistair, Sten und Wynne sich ungefähr hier versteckt halten. Ohgren führt die Einheiten der Zwerge bei einem Frontalangriff auf unseren Feind an. Eure Leute, Arl Eamon, werden gemeinsam mit den anderen Menschen und den Magiern aus einem Hinterhalt heraus einen Angriff starten, sobald sich unser Gegner völlig auf die Zwerge konzentriert. Dann fallen die Elfen unter meiner Führung in die Flanke des Feindes. So stiften wir eine Menge Chaos, haben den Überraschungsmoment auf unserer Seite und nehmen so unserem Feind seine zahlenmäßige Überlegenheit. In eben jenem Chaos schleicht sich der Trupp von Tahri am Rande des Schlachtfeldes entlang zum Turm des Erzdämons. Dort können wir ihnen zwar nicht mehr helfen, aber wenn wir sie lange genug beschäftigen, verschaffen wir ihnen die benötigte Zeit. Alle Männer und Frauen sind komplett gerüstet, so wenig freie Körperstellen wie möglich. Die Tränke des Zirkels werden uns eine Zeit lang schützen, aber dieser Schutz wehrt nicht ewig. Wir müssen schnell und präzise Zuschlagen, damit uns der Übergriff gelingt.“ „Das ist Wahnsinn!“, kommt es von Bann Teagan. „Das ist der Plan meiner Strategin, an welchem sie fünf verdammte Tage hing. Wir haben keine Zeit, einen neuen auszutüfteln, außer wir wollen alle sterben. Ich sage, dass wir es so machen, wie von ihr vorgeschlagen“, bestimmt Tahri. „Es mag sich wie Wahnsinn anhören, aber tuen das nicht alle großen Pläne? Ich sage, wir machen es so“, stimmt der Hauptmann der Zwerge zu. Auch die anderen stimmen nun nachdenklich zu. „Wer genau bringt die Leute dort draußen dazu, das mitzumachen? So leidenschaftlich Ihr auch reden könnt, Lady Theirin, und so sehr Ihr auch an Eure Großmutter erinnert, diese Seelen dort draußen werden Euch wohl für bekloppt erklären“, meint der Oberverzauberer. „Das überlasst mir. Die Leute werden folgen“, entgegne ich. Mein Bruder begegnet meinem entschlossenem Blick. Dann drehe ich mich um und verlasse das Zelt. Die anderen folgen mir. Im Lager blicken die Soldaten zu uns auf. Ich trete vor und dann, dann mache ich etwas, was ich seit drei Jahren nicht mehr getan habe. Ich singe:
 

„Shadows fall and hope has fled,

Steal your heart, the dawn will come.

The night is long and the path is dark.

Look to the sky for one day soon, the dawn will come.
 

The shepherd's lost and his home is far,

Keep to the stars, the dawn will come.

The night is long and the path is dark.

Look to the sky for one day soon, the dawn will come.
 

Bare your blade and rise ist high,

Stand your ground, the dawn will come.

The night ist long and the path is dark.

Look to the sky for one day soon, the dawn will come.“
 

Im Lager ist es still geworden. Ruhig gelten alle Augen mir. Dann ziehe ich das Kurzschwert an meiner Hüfte: „Für den Frieden! Für Ferelden! Für euren König!“ und hebe die Klinge gen Himmel. Zustimmend heben die Männer und Frauen ihre Waffen in die Luft und antworten: „Für den König! Für Ferelden!“ Ernst wandert mein Blick über die Menge. Die nahende Schlacht werden wir gewinnen.
 

Zeitsprung: Nach der Schlacht

Eine gewaltige Explosion erschüttert den Turm des Erzdämons. Ohgren ist mit den Zwergen schon vor einer Weile auf uns gestoßen und sie halfen mit, die Plätze davor zu sichern. „Ist es vorbei?“, fragt der Zwerg. Die Reste der Armee der Dunklen Brut fliehen mit einem panischem Kreischen. „Sollen wir Ihnen nach?“, will einer wissen. „Nein, sichert den Platz hier ab! Lasst sie fliehen!“, befehle ich. Dann drehe ich mich zum Turm um, stürme in seinem Inneren die Stufen hinauf. Zevran folgt mir.
 

Oben angekommen bietet sich uns ein Bild der Zerstörung. Überall liegen Leichen der Dunkeln Brut herum. Im hinteren Bereich liegt der leblose Körper eines Drachens, ein Schwert steckt in seinem Haupt. Das magische Runenschwert von König Maric, meinem Vater. In diesem Moment weiß ich, dass es vorbei ist. Dass die Verderbnis beendet wurde. Wynne und Sten stehen in der Nähe, blicken uns trauervoll entgegen. Ich gehe an ihnen vorbei und entdecke meinen Bruder. Er sitzt auf dem Boden, seine Schultern beben und sein Schluchzen zerreißt als einziges die Stille. In seinen Armen liegt Tahri, ihre Augen friedlich geschlossen. „Mache ihn zu einem würdigen König“, klingen ihre Worte in meinen Ohren nach. Vor meinem inneren Auge sehe ich ihren Abschied von mir: Sie umarmte mich und flüsterte leise: „Danke für alles, Leyla. Du warst mir eine treue Freundin. Ich hoffe, dass du mit der Liebe deines Lebens bis in alle Ewigkeiten zusammen sein kannst. Ich wünsche es mir für dich.“ Eine einzelne Träne rinnt über meine Wange. Nein! Ich darf jetzt nicht weinen! Ich muss stark sein. Auf den Hacken mache ich kehrt. Wenig später schreite ich aus dem Turm und verkünde: „Wir haben gesiegt! Die Verderbnis ist vorüber!“
 

In den kommenden Wochen ist mein Bruder ruhig und in sich gekehrt. Er vernachlässigt seine Pflichten als König von Ferelden, ertränkt seine Trauer im Alkohol. Ich kann und will mir das nicht länger ansehen. An den Wachen vorbei betrete ich sein Schlafgemach. Alistair sitzt in einem Sessel vor dem Kamin, eine Flasche billigen Schnaps in der linken Hand. Wütend nehme ich diese an mich: „Hör gefälligst auf damit!“ „Warum? Nennen mir einen, nur einen guten Grund dazu!“, fordert er. „Weil da draußen ein ganzes Land auf dich wartet! Aber nein, das interessiert den werten Herren ja nicht. Trete ihr Opfer ruhig mit Füßen! Aber das hier, ist es nicht wofür sie gestorben ist!“, dabei deute ich auf sein miserables Aussehen und den ganzen Alkohol, „Es ist wirklich gut, dass sie nicht mitansehen muss, was aus dir geworden ist!“ „Ach ja? Ich war doch nur ein Zeitvertreib, ein Spiel für sie“, grollt er. Klatsch. Meine linke Hand trifft seine rechte Wange: „Sag das noch einmal und ich schwöre dir, ich werde dich windelweich prügeln“, drohe ich. Verblüfft sieht er zu mir auf, dabei hält er sich seine schmerzende Wange. „Ich bin für einige Tage in Highever zu Besuch bei Terryn Cousland. Mach also gefälligst deine Arbeit, denn ob es dir jetzt passt oder nicht: DU bist der KÖNIG!“, damit wende ich mich ab.

Flashback – Ende
 

Nach diesem Tag, nach dieser Auseinandersetzung war unser Verhältnis anders. Alistair nahm endlich seine Pflichten als König wahr, aber er veränderte sich auch, distanzierte sich immer mehr von mir. Wobei, vielleicht war auch ich diejenige, die sich distanziert hat. Ich konnte es einfach nicht länger ertragen, zusehen, wie er sich selbst langsam tötete. Auch wenn wir nie darüber gesprochen haben, glaube ich, dass er mich hasst. Denn in Wahrheit gab er die ganze Zeit über mir die Schuld an Tahris Tod. Es war ja schließlich mein Plan, den wir verfolgt haben. Diesen stummen Vorwurf habe ich oft in seinen Augen gesehen. Vielleicht ist es ja besser, wenn er mich hasst. Tahri. Alistair hat ja keine Ahnung, wie sehr mich ihr Tod getroffen hat. Zu wissen, dass sie diese Schlacht nicht überleben wollte, war furchtbar für mich. Sie hat alles geopfert und sich mit ihrer letzten Tat über unser ganzes Sein erhoben. Selbstlos, um diejenigen zu beschützen, die sie liebt und die ihr am Herzen liegen, hat sie ihr Leben gegeben. Nicht um Thedas zu beschützen. Nicht für Ferelden hat sie die Verderbnis beendet. Nicht weil es das richtige war. Nicht weil es getan werden musste. Sondern weil sie so ihre Freunde beschützen konnte. Weil sie so Alistairs Tod verhindern konnte. In Wirklichkeit hat sie die Verderbnis für ihre Freunde beendet. Sie war diejenige, die gelitten hat. Denn sie wusste, dass es für sie und meinen Bruder keine Zukunft gab.
 

Langsam werde ich mir der Tränen gewahr, die über meine Wangen rinnen. All die Zeit habe ich nicht geweint. Nicht aus Trauer. Nicht weil der Schmerz, über jene, die ich in meinem Leben alle schon verloren habe, so übermächtig wurde. Kell, Julien, Nicolas, Cailan, Duncan und Tahri. Alle sind sie gestorben. Doch das schlimme daran ist, dass jeder von ihnen starb, weil er mich beschützen wollte. Tahri wollte zwar nicht nur mich, sondern auch ihre anderen Gefährten beschützen, aber trotzdem. Und jetzt, Jahre später, holt mich meine Trauer ein.
 

Eine warme Hand auf meiner Schulter reißt mich aus meinen Gedanken. Mit verweinten Augen und tränenverschleiertem Blick sehe ich auf. Cullen mustert mich besorgt aus seinen warmen Augen. Sanft aber bestimmt führt er mich in sein Arbeitszimmer. Dort steuert auf seinen Stuhl an, lässt sich auf ihm nieder und zieht mich auf seinen Schoss. Seine Arme legen sich um meinen Körper und drücken mich sanft an ihn. Ohne zu zögern kuschle ich mich an ihn.
 

Als ich mich beruhigt habe, fragt er nach: „Was ist passiert?“ Nach kurzem Zaudern erzähle ich ihm von meinen Gedanken. Von dem was vor fünf Jahren mit Tahri wirklich geschehen ist. Aufmerksam lauscht er meinen Worten, unterbricht mich kein einziges Mal.
 

Stille schwebt zwischen uns, als ich geendet habe. Sachte wischte er mir die Tränen fort. „Weißt du...“, beginnt er langsam, „es war nicht deine Schuld. Es war ihre eigene Entscheidung, diesen Weg zu gehen, von Anfang an. Ohne dich und eure gemeinsamen Freunde hätte sie das vielleicht nie geschafft. Sie hätte vielleicht nicht die Kraft gefunden, sich dem Erzdämon zu stellen. Sie war eine Heldin und als diese wird sie Ferelden in Erinnerung bleiben. Doch dir und deinen Gefährten aus jener Zeit, wird sie als eure Freundin und Anführerin in Erinnerung bleiben. Und dass sie sich für euch alle geopfert hat, zeugt nur davon, wie wichtig ihr ihr wart.“ Ich stimme ihm mit einem schwachem Nicken zu. Cullen beugt sich vor, haucht einen Kuss auf meine Lippen: „Du bist nicht alleine, Leyla.“ Ein zaghaftes Lächeln erscheint auf meinen Lippen, ehe ich diese gegen seine drücke. Das weiß ich doch schon längst.



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