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Die Rose von Ferelden

Die Geschichte der Heldin von Thedas
von

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Das Kind der Grauen Wächter

Blackwall wurde von den anderen mit Überraschung aufgenommen. Keiner hat damit gerechnet, dass sich uns ein Grauer Wächter anschließen würde. Leliana erhielt von ihm eine Verträge der Wächter, die uns zusätzlich Unterstützung sichern. Aktuell beschäftigt sie sich damit, diese einzusetzen. Blackwall selbst macht sich bei der Ausbildung der neuen Rekruten nützlich. Schließlich kommen jeden Tag weitere nach Haven, die sich der Inquisition anschließen wollen. Eine Hilfe, die nicht abgelehnt wird.
 

Von der kleinen Anhöhe aus, auf die ich mich gerne zurückziehe, beobachte ich das Dorf. Jeder hier unterstützt die Inquisition auf seine eigene Art und Weise. Manche werden zu Soldaten ausgebildet, andere zu Spähern und jene, die sich nicht für derartige Aufgaben eignen, helfen den Handwerkern oder nehmen andere Arbeiten an, die anfallen. Zwar ist unser Einfluss noch gering, aber dennoch scheinen schon viele von uns gehört zu haben. „Es ist schon erstaunlich, was Ihr da auf die Beine gestellt habt“, die Stimme Blackwalls ertönt hinter mir. „Das ist nicht mein Verdienst“, erwidere ich. „Natürlich ist es Eurer Verdienst. Ihr seit der Herold Andrastes. Ihr seit es, zu der die Leute aufblicken. Und sie tuen es zu recht“, widerspricht er mir. „Blackwall, ich will ehrlich zu Euch sein. Ihr behauptet zwar, mich zu kennen, doch ich kann mich nicht an Euch erinnern“, mein Blick gilt noch immer Haven. „Das wundert mich nicht. Ihr wart noch ein Kind, als ich Euch zuletzt sah“, er lehnt sich neben mich an die hölzerne Absperrung, die verhindern soll, dass man einfach so nach unten stürzt. Anstelle einer Antwort werfe ich ihm einen skeptischen Blick zu. Eigentlich ist das unmöglich. Wenn er damals schon Ausbilder war, muss er älter sein als Duncan. „Ich kann mir gut vorstellen, was Euch gerade durch den Kopf schießt. Ja, ich bin seit zwanzig Jahren ein Grauer Wächter. Und nein, ich höre den Ruf nicht“, dabei lächelt er mich leicht an. „Dann habt Ihr erstaunliches Glück“, erwidere ich. „Nun, wer weiß, wie lange ich noch habe“, verstrickt er sich weiter in seinen Widersprüchen. Alles an ihm wirkt merkwürdig. Ich kann es nicht beschreiben, aber nichts an ihm scheint echt zu sein. Er kann höchstens Mitte dreissig sein, behauptet aber seit zwanzig Jahren ein Grauer Wächter zu sein. Da kann doch etwas nicht stimmen. „Ich empfehle mich dann“, mit diesen Worten verschwindet Blackwall. Nachdenklich starre ich ihm nach. Am liebsten würde ich Nachforschungen über ihn anstellen, aber das geht gerade nicht. Bis zur Feste ist es einfach zu weit.
 

„Darf ich fragen, was er von dir wollte?“, Cullens Stimme reißt mich unvermittelt aus meinen Gedanken. Verdutzt starre ich den Kommandanten der Truppen an. Wo kommt der denn her? „Wie lange bist du schon hier?“, frage ich ihn verwundert. „Lange genug um mitanzusehen, dass dieser Wächter bei dir war“, erwidert er leicht verärgert. Moment, verärgert? Was hat er denn? „So genau kann ich dir das nicht sagen, aber... seine Aussagen waren ziemlich... widersprüchlich“, antworte ich ihm langsam. „Dann zweifelst du also auch an ihm. Warum jedoch hast du ihm dann gestattet, sich uns anzuschließen?“, ernst sieht mich Cullen an. „Weil die Grauen Wächter mächtige Verbündete wären. Einen der ihren in unseren Reihen eröffnet uns die Möglichkeit Verhandlungen zu führen, die andernfalls sofort abgewiesen worden wären“, erkläre ich. „Du weißt viel über die Wächter. Ich frage mich nur woher“, etwas von seiner Anspannung ist abgefallen, als er sich, ähnlich wie Blackwall eben, neben mich an der Absperrung abstützt. „Das tut nichts zur Sache“, wehre ich schwach ab. „Ich denke schon. Er kennt dich, seit du ein Kind bist. Was praktisch unmöglich ist, da er gemäß eigener Aussage seit zwanzig Jahren dem Orden dient“, er macht mir meinen Fluchtversuch zunichte. „Du hast gelauscht“, stelle ich fest. „Nein, er spricht einfach nur unmöglich laut“, hält er dagegen.
 

Schweigen schwebt zwischen uns. Cullen wartet noch immer auf eine Erklärung meinerseits. Bislang habe ich mit niemanden darüber geredet, der mich nicht aus jener Zeit kennt. Kann ich es riskieren und es ihm anvertrauen? Mein Herz beantwortet mir diese Frage mit einem lautstarkem Ja und übertüncht damit die Zweifel meines Verstandes. „Es ist nicht unmöglich“, meine ich. Fragend wandert seine rechte Augenbraue in die Höhe. Diese ignorierend beginne ich zu erzählen:
 

„Ich bin als Kind kurz nach meiner Geburt von meinem Vater meiner Mutter entrissen worden. Er brachte mich zur Festung Weisshaupt, dem Hauptquartier der Grauen Wächter. Dort gab es einen Wächter namens Duncan, den mein Vater sehr schätzte. Duncan war damals noch nicht lange bei den Grauen Wächtern, war aber bereits ein hochangesehenes Mitglied dort und Kommandant der Grauen Wächter von Ferelden. Mein Vater gab mich in seine Obhut, mit der Bitte, dass er mich aufziehen möge. Duncan stimmte dem zu. So kam es, dass ich im Orden der Grauen Wächter aufwuchs.

Als ich acht wurde kam mein Vater mich zusammen mit meinem Halbbruder Cailan besuchen. Ich habe mich damals unheimlich darüber gefreut, auch wenn ich nicht verstanden habe, warum ich nicht bei meinem Vater leben durfte. Danach waren sie häufiger zu Besuch, bis mein Vater starb und Cailan zum König gekrönt wurde. Zu jenem Zeitpunkt war ich zwölf. Cailan war fünf Jahre älter als ich, dennoch haben wir uns immer gut verstanden. Wenn er zu Besuch war, erzählte er mir von der Welt außerhalb der Festung. Gebannt habe ich ihm immer gelauscht, egal ob das, was er mir erzählte stimmte oder nicht.

Natürlich wurde ich auch dort ausgebildet. Man brachte mir schon früh lesen und schreiben bei. Mit sieben kam dann das Kampftraining hinzu. Schnell wurde damals klar, dass ich nie den Weg eines Kriegers einschlagen würde. Weshalb Duncan mich seinen Kampfstil, den der Schurken lehrte. Als ich zehn war, trat ein Barde aus Orlais den Grauen Wächtern bei. Ich war so sehr von seiner speziellen Ausbildung fasziniert, dass ich sie unbedingt erlernen wollte. Nach einigem Hin und Her durfte ich es auch. Das war auch die Zeit, wo mein Ziehvater damit begann mich in taktischem und strategischem Denken auszubilden. Der Barde unterwies mich in den Grundlagen des Spiels, der schönen Künste und dem Umgang mit Giften. Den benötigten Kampfstil besaß ich bereits. Drei Jahre später ließ ich mich von einem Assassinen zusätzlich in den Künsten der Meuchelmörder ausbilden, um meine Fähigkeiten und meinen Kampfstil zu perfektionieren. Das war auch die Zeit, in der sich mein gesamtes Leben zu verändern begann.

Ich hatte gerade meine Ausbildung zur Assassine abgeschlossen, als Duncan von einer längeren Reise in die Festung zurückkehrte, zusammen mit einem neuen Rekruten der Wächter, der auf seinen Beitritt vorbereitet wurde...
 

Flashback

8 Jahre zuvor in der Feste Weisshaupt
 

Mit schnellen und präzisen Hieben taxiere ich die Trainingspuppen um mich herum. Dabei gewinne ich zunehmend an Geschwindigkeit. Umgeben von sechs Puppen schlage ich blitzschnell auf alle ein. Eine Magierin der Wächter hat sie mit einem Zauber belegt, damit sie mich angreifen, ohne dabei einem bestimmten Muster zu folgen. So trainiere ich meine Geschwindigkeit und Ausdauer. Aber gleichzeitig muss ich auch auf meine Deckung achten. Ein komplizierte Angelegenheit, wenn man von sechs dieser Teile auf einmal angegriffen wird. Keinen meiner Gegner aus den Augen lassend, schlage ich einen zurück, wirble zu dem direkt hinter mir herum und trenne dieser den Kopf ab. Brav hört diese auf sich zu bewegen. Zwischen zwei Angriffen höre ich eine Stimme nach mir rufen. Das Rufen ignorierend konzentriere ich mich weiter auf meine Gegner. Nicht ablenken lassen, ermahne ich mich. Vier sind noch übrig, als das Rufen erneut, dieses Mal um einiges lauter und auch ziemlich erbost ertönt: „LEYLA!“ Erschrocken fahre ich zusammen, vernachlässige meine Deckung und taumle nur einen Moment später, von einem Schlag in den Magen getroffen, nach hinten. Die Puppen hören auf mich zu bewegen und Sara eilt besorgt auf mich zu: „Alles in Ordnung?“ Sie ist die Magierin, die die Puppen für mich verzaubert. Leicht winke ich ab: „Es gibt schlimmeres. Das wäre nicht passiert, wenn man mich nicht gestört hätte.“
 

Mit meinen Augen suche ich den Störenfried, welcher sich als Duncan herausstellt. Gut, das könnte vielleicht doch Ärger geben. Er winkt mich zu sich. Als ich näher komme, bemerke ich den Jungen, der neben ihm steht und mich fassungslos mustert. „Was sollte das?“, fragt mich mein Ziehvater. „Das frage ich dich. Du hast doch gesehen, dass ich am trainieren war“, rechtfertige ich mich. Ich kann es auf den Tod nicht ausstehen, wenn mich dabei unterbricht. Zumal das bei mir fast immer bedeutet, dass ich einen Schlag einstecken muss. „Ich hatte dir geschrieben, dass ich heute zurückkomme und dich dann sofort und ohne Umschweife sehen möchte“, erwidert Duncan. „Dann hättest du eine Uhrzeit hinzufügen sollen. Wir gingen nämlich alle davon aus, dass du erst gegen Abend eintreffen würdest und wenn ich dich daran erinnern darf, ist das bei dir normal“, antworte ich murrend. „Nun, es ist im Grunde ja auch egal. Zieh dich um und melde dich anschließend bei mir“, weißt er mich an. Einen unzufriedenen Laut von mir gebend ziehe ich ab.
 

Eine Viertelstunde später betrete ich sein Büro. Dort werde ich nicht nur von ihm, sondern auch von dem fremden Jungen erwartet. Mit einem Seufzen lasse ich mich in den freien Sessel fallen: „Was beim Nichts ist denn jetzt so wichtig?“ Nach wie vor merkt man mir deutlich an, dass es mich stört, dass ich mein Training für heute beenden musste. „Junge Dame, das ist äußerst unhöflich“, weißt mich Duncan zurecht. „Es ist ebenfalls äußerst unhöflich eine Schurkin im Training zu unterbrechen“, kontere ich. Was mir ein Kopfschütteln meines Ziehvaters einbringt. So langsam sollte er doch wissen, dass ich es hasse dabei gestört zu werden. „Wenn es nicht wirklich wichtig wäre, und das versichere ich dir, hättest du ruhig die Puppen weiter zu Kleinholz verarbeiten dürfen. Allerdings sollten wir uns jetzt eben jenem Wichtigem zuwenden. Leyla, dies ist Alistair Cameo, dein Bruder. Alistair, deine Schwester Leyla“, stellt mir mein Vater den Jungen vor. „Guter Witz. Mein Bruder sitzt in Denerim auf dem Thron, schon vergessen?“, ich nehme ihn nicht wirklich ernst. „Nein, dein ältester Bruder, beziehungsweise dein älterer Halbbruder, Cailan sitzt durchaus noch in Denerim auf seinem Thron. Alistair hingegen ist dein leiblicher und drei Jahre älterer Bruder. Euer Vater hat seine Frau, die Königin, mit Eurer Mutter nicht nur einmal betrogen. Ferner habt ihr beiden noch eine ältere Halbschwester mütterlicherseits, Goldanna Cameo, welche ebenfalls in Denerim lebt“, eröffnet Duncan. Stillschweigend starre ich ihn einen Augenblick lang fassungslos an, ehe sich mein Blick meinem Bruder zuwendet. Er wirkt bei weitem nicht so geschockt über diese Eröffnung wie ich. „Ich dachte, es wäre ein flüchtige Affäre gewesen“, murmle ich schließlich. „Das war es auch. Leider suchte euer Vater gerne das Vergnügen in anderen Betten. Recht unbewusst und ungewollt landete er zweimal mit eurer Mutter im Bett, welche das außergewöhnliche Glück besaß, beide Male ein Kind von ihm zu gebären“, erklärt Duncan ruhig. „Warum erfahre ich erst jetzt davon?“, frage ich sauer. „Weil ich Alistair erst finden musste. Er wurde von Arl Eamon versteckt, nachdem eure Mutter sechs Monate nach deiner Geburt ums Leben kam. Wenn öffentlich bekannt wird, dass Maric noch zwei Kinder und Erben hat, würdet ihr in zu großer Gefahr schweben. Daher bist du bei uns und Alistair bei den Templern aufgewachsen. Eure wahre Herkunft wurde weitestgehend verschleiert. Jedoch konnte ich Alistair erst vor kurzem finden und es dauert noch etwas, die Oberste Klerikerin davon zu überzeugen, ihn gehen zu lassen“, antwortet mir mein Ziehvater. „Wenn es dich beruhigt, ich weiß selbst erst seit kurzem von dir“, bringt sich Alistair nun ebenfalls ins Gespräch mit ein. Seine Tonlage ist erstaunlich neutral. Scheinbar bedeutet es ihm nicht viel, plötzlich eine kleine Schwester zu haben. Diszipliniert zwinge ich mich zur Ruhe, ehe ich mich wieder Duncan zu wende: „Und wie soll es nun weitergehen?“ „Alistair wird ab sofort bei uns sein und auf seinen Beitritt vorbereitet werden. In einem Jahr, wenn er sein 18tes Lebensjahr erreicht hat, wird er dem Orden beitreten. Da du nun alt genug bist und deine Ausbildungen mit Bravour absolviert hast, wirst du von nun an auf kleinere Aufträge geschickt werden“, erläutert dieser mir sein Vorhaben. „Wie bitte? Das meinst du doch nicht ernst?! Er darf dem Orden beitreten, ich aber nicht? Was soll der Scheiß?“, brause ich auf. Immer wurde mir gesagt, dass ich kein Teil des Ordens werden dürfe. Begründet wurde das nie und ich habe es nicht hinterfragt, dass jetzt aber mein Bruder das darf ist mehr als ungerecht. „Ganz einfach Leyla, du bist zu rein um ein Grauer Wächter zu werden. Deine außergewöhnliche Fertigkeiten sind zu wertvoll, als dass wir das Risiko eingehen könnten, dich an die Dunkle Brut zu verlieren“, ernst sieht mich Duncan an. „Kurz gesagt: Du eignest dich nicht zu einer Wächterin. Deine Berufung ist eine andere, auch wenn du sie bislang noch nicht gefunden hast.“ Wortlos wende ich mich ab und stürme aus dem Raum.
 

Die darauffolgenden Tage gehe ich sowohl Duncan als auch Alistair aus dem Weg. So ruhig und bedacht ich sonst auch bin, ich bin einfach nur enttäuscht. Duncan scheint es relativ egal zu sein, dass ich mich in seiner Nähe nicht mehr blicken lassen. Er kümmert sich um meinen Bruder. Unbemerkt der beiden beobachte ich sie von einem Fenster der Feste aus. Ich muss ja zugeben, dass mein Bruder kein schlechter Kämpfer ist. Seine Ausbildung zum Templer ist für ihn und auch für den Orden nur von Vorteil. Trotzdem tut es weh, dass Duncan mir überhaupt keine Aufmerksamkeit mehr schenkt. Mein Bruder scheint wichtiger als alles andere zu sein. Lautlos verlasse ich meinen Beobachtungsposten und ziehe mich auf mein Zimmer zurück.
 

Wenige Stunden später klopft es an der Tür und Stroud tritt ein: „Was ist denn los mit dir?“ Langsam setzt er sich neben mich. Der Kommandant der Wächter von Orlais schüttelt den Kopf: „Es ist wegen deinem Bruder, nicht wahr? Normalerweise bist du doch nicht so. Sonst lässt du neue Rekruten kaum in Ruhe, aber jetzt, das kennt man nicht von dir.“ „Hab mich mit Duncan gestritten“, gestehe ich leise. „Ich weiß. Er hat keine Ahnung, wie er noch mit dir umgehen soll. Ihm ist klar, dass dich seine Entscheidung verletzt hat, aber er musste deinem Vater zu seinen Lebzeiten schwören, niemals zu zulassen, dass du ein Grauer Wächter wirst“, leicht streicht mir Stroud durchs Haar. „Weißt du, Leyla, du wirst in einer nicht mehr allzu weit entfernten Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Deshalb darfst du keine Wächterin werden. Gib deinem Bruder eine Chance. Für ihn ist das Alles noch viel schwerer als für dich.“ „Hm... ich kann's ja mal versuchen“, murmle ich leise. „Duncan will dich sehen. Du sollst dich in seinem Büro melden“, Stroud sieht mich aufmunternd an. Wortlos erhebe ich mich und begebe mich in Duncans Büro.
 

Wider meiner Erwartungen steht dort nicht mein Ziehvater, sondern mein älterer Bruder. „Ich würde gerne mit dir reden“, erklärt er mir. „Ich dachte, Duncan will mich sehen?“, hake ich nach. „Das... also... das war eine Lüge. Ich hatte Stroud darum gebeten mir zu helfen, da ich sonst nicht an dich heran gekommen wäre“, schuldbewusst senkt Alistair den Kopf. Einen Moment ziehe ich in Erwägung einfach das Büro zu verlassen, doch dann entscheide ich mich dagegen und setze mich stattdessen in einen der Sessel. „Dieses Gespräch ist vermutlich überfällig“, stimme ich zu. Verwundert hebt er den Blick und schaut mich ungläubig an: „Du... verlässt nicht den Raum oder gehst mir aus dem Weg?“ Das ist mein Bruder? Dieser schüchterne Junge, der bei den Templern ausgebildet wurde? Irgendwie ist das ja liebenswert, zumal er sich ganz anders anhört als bei unserem letzten Aufeinandertreffen. „Nein, werde ich nicht“, antworte ich. Nickend setzt er sich mir gegenüber.
 

„Also... Leyla... ehm... ich wusste nicht, dass ich eine kleine Schwester habe, bis Duncan bei uns im Orden erschien und mich für die Grauen Wächter einberufen hat. Die Oberste Klerikerin war ziemlich sauer, konnte sich aber der Einberufung nicht Widersetzen, auch wenn sie es versucht hat. Auf dem Weg hierher erzählte er mir dann von dir. Ich... konnte es nicht wirklich fassen, also, dass ich eine kleine Schwester habe meine ich. Deshalb war ich beim letzten Mal auch so neutral“, Alistair wirft mir einen unsicheren Blick zu. „Es tut mir Leid, dass ich mich beim letzten Mal so egoistisch verhalten habe“, entschuldige ich mich. „Nein, das brauchst du nicht. Ich kann es verstehen. Ich hätte an deiner Stelle wohl genauso gehandelt“, entgegnet er.
 

Eine Weile schwebt Stille zwischen uns, doch Alistair bricht sie: „Wie war er so? Also unser Vater?“ Seine Frage trifft mich unvorbereitet. Einen Augenblick denke ich nach, ehe ich ihm antworte: „Er war ein wunderbarer und liebevoller Mann. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass er mit mehren Frauen das Bett geteilt hat. Aber, wenn er hier war, dann hat er sich fast immer nur mit Duncan über irgendwelche Angelegenheit beraten und hin und wieder mich beim trainieren beobachtet. Allerdings brachte er immer Cailan mit. Weshalb ich dann jedes Mal mit ihm die Zeit verbracht habe.“ Er nickt: „Und wie ist unser Bruder so?“ „Für mich war er stets der Inbegriff eines Helden. Meistens saßen wir irgendwo in einer Ecke und er hat mir Geschichten erzählt. Oder wir haben Schach gespielt, wobei er da so schlecht war, dass er jedes Mal verloren hat. Mittlerweile denke ich anders über ihn und halte ihn nicht mehr für einen Helden“, erwidere ich. „Warum war ein Held für dich?“, fragt Alistair. „Weil er so viel über die Welt wusste und so viel konnte. Mit der Zeit habe ich begriffen, dass das am Altersunterschied zwischen uns lag. Auch wenn nicht alle Geschichten, die er mir erzählt hat, der Wahrheit entsprechen, habe ich ihm jedes Mal gerne zugehört, wenn er mir von Orten erzählte, die ich nur aus Büchern kannte“, ich zucke leicht mit den Schultern. „Du spielst also Schach“, nimmt er die Unterredung wieder auf. Ich nicke zur Bestätigung. „Lust auf eine Partie?“, fragt mein Bruder etwas unbeholfen weiter. Ein Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen: „Gerne.“

Flashback Ende
 

Damals standen mein Bruder und ich einander so nahe, doch trotzdem gelang es uns nie, ein Band zwischen uns zu schmieden. Im darauffolgendem Jahr vollzog er den Beitritt der Grauen Wächter und arbeitete ab dann als Wächter, während ich den Orden durch Spionagemissionen unterstütze. Die Zeiten verliefen friedlich bis die fünfte Verderbnis begann und wir die Festung verließen, um in Ostagar dem Herr zu helfen.“
 

Sprachlos blickt mich Cullen an. Er scheint nicht damit gerechnet zu haben, dass ich bei den Grauen Wächtern großgeworden bin. „Ich... du bist der Erste, dem ich davon erzähle. Behalte es daher bitte für dich“, füge ich meiner Erzählung hinzu. Cullen legt eine Hand auf meinen rechten Unterarm: „Keine Sorge, ich werde niemandem davon erzählen. Du wirst nicht gerne an jene Zeit oder allgemeine deine Vergangenheit erinnert, nicht wahr?“ Ich bestätige seine Aussage mit einem Nicken. Er hebt seine Hand und legt sie an meine Wange: „Was auch immer ist, du kannst jederzeit zu mir kommen und mit mir über alles reden, wenn dir danach sein sollte. Ich werde immer für dich da sein.“ Diese, seine Worte lassen mein Herz schneller schlagen. „Ich danke dir“, wispere ich leise. Ein sanftes Lächeln erscheint auf seinen Lippen.



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