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My love bite on your neck

von

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Love bite 46 - Burg-Idyll (Ohne Adult)

Na endlich! Es geht zu Nics Schwiegereltern. Wurde auch mal langsam Zeit, was?

Zum Wohnort von Meilos Eltern, der ist von mir natürlich nur ausgedacht und allein der Geschichte dienlich. ;-)

Ansonsten euch viel Spaß ^^
 


 

Love bite 46 - Burg-Idyll (Ohne Adult)
 

"Was würde es denn überhaupt kosten?" Obwohl Meilos Frage gar nicht für mich bestimmt war, ließ sie mich zusammenzucken, denn ich wollte die Antwort der Maklerin gar nicht hören, und als sie kam, bliebt mir das Herz für wenige Sekunden vor lauter Schreck stehen.

"Das ist allerdings nur das Startgebot. Falls Sie an der Immobilie interessiert sind, müssen Sie bis zum elften Januar ein höheres Gebot abgeben. Derjenige, der dann am Meisten für dieses Schmuckstück bietet, bekommt den Zuschlag", erklärte die Maklerin.

"Das war es dann ja wohl mit dem Eigenheim", sagte ich zu Meilo, nachdem die Maklerin verschwunden, und wir auf dem Weg zur nächsten Bushaltestelle waren.

"Wieso?"

"Hast du den Preis nicht gehört, den sie genannt hat? Und das war gerade mal das Startgebot. Gott weiß, wie viel man überhaupt bieten muss, um den Zuschlag zu bekommen", antwortete ich mit sehr zwiespältigen Gefühlen.

Nachdem ich mir all die schönen Vorstellungen gemacht habe, wie Meilo und ich in diesem Haus unser Leben miteinander teilen, wünsche ich mir insgeheim nichts sehnlicher, als diese Vorstellungen in die Realität zu holen. Doch das ist unmöglich. Selbst die Hälfte des Startgebotes würde mich für Jahre ins Armenhaus stürzen. Na ja, wenigstens hätten wir unseren eigenen Strom und es immer schön warm. Essen wird sowieso überbewertet.

"Dann müssen wir eben so hoch bieten, dass kein Anderer uns überbieten kann", meinte Meilo plötzlich ganz locker und wenig beeindruckt.

Wie vom Donner gerührt blieb ich stehen und starrte meinen anscheinend übergeschnappten Freund an. "Und mit was bezahlen wir das? Ich habe keine Gelddruckmaschine zuhause."

"Die brauchen wir auch nicht. Wozu hast du mich?" Meilos Grinsen brachte meinen Verstand zum Kollabieren.

"Nein", hauchte ich fassungslos. "Du kaufst das nicht allein."

"Gut, dann zahle, was du beisteuern kannst."

"Ich kann gerade mal so viel beisteuern, um sich davon eine Fußmatte zu kaufen!" Und das war schändlicher weise noch nicht mal gelogen.

"Dann kauf eine Fußmatte", giggelte Meilo. "Ein Haus braucht schließlich eine."

"Ich meine es ernst!"

"Ich auch", schoss er zurück. "Es ist doch viel gescheiter, sein Geld in einer Immobilie anzulegen, als sich irgendwo einzumieten."

"Ich kann mir keine Immobilie leisten."

"Aber ich." Unsere Blicke verhakten sich ineinander.

Keine Ahnung, wie lange wir mitten auf dem Bürgersteig gestanden, und uns grimmig angestarrt haben. Irgendwann einigten wir uns darauf, das Gespräch bis zum nächsten Tag zu vertagen, uns erstmal die nächste Mietwohnung anzuschauen, und dann nochmal in Ruhe über alle Möglichkeiten zu sprechen.

Ich willigte ein, und nun stehen wir hier, einen Tag darauf, in einem Neubau aus Beton, Stahlträgern und Glasfronten, die so aussehen, als würden die Betonpfeiler und Stahlträger sie jede Sekunde zerquetschen.
 

"Es ist irgendwie ..."

"Kalt", beende ich Meilos Satz.

"Ja. So kann man es ausdrücken."

Wir stehen in dem großen Wohnzimmer, Schrägstrich, Wintergarten mit Plastikpflanzen. Die Decke über uns ist schräg, was einem den Eindruck vermittelt, hier sei beim Bau irgendwas gewaltig schief gelaufen. Als stecke das Haus schräg im Boden, aber nicht auf die moderne, spannende Art, sondern auf eine 'der Architekt hat zu viel geraucht' Art. Die Maklerin telefoniert, und bekommt unser Gespräch somit nicht mit.

"Hier sehe ich uns schon mal gar nicht", murmle ich und fahre mit dem Zeigefinger über das kalt-graue Betongemisch. Ekelhaft!

"Also das Häuschen im Viertel", säuselt Meilo.

"Das ist noch nicht in trockenen Tüchern! Darüber wollten wir erst noch reden."

"Dann tun wir das jetzt."

"Doch nicht jetzt!"

"Wann dann?"

"Im Auto. Da haben wir genügend Zeit." Meilo brummt unwillig.

"Und? Gefällt es Ihnen?" Laut hallt das Klackern der High Heels der Maklerin auf dem hübschen dreckig-grauen Betonboden wider, als sie auf uns zu kommt.

"Das Häuschen hat uns besser gefallen", erwidert Meilo.

"Dann möchten Sie ein Angebot machen?"

"Ja."

"Nein!", fahre ich dazwischen. "Wir müssen das noch besprechen." Ich spüre Meilos Blick in meinem Nacken, aber sei es drum.

"Wir melden uns bei Ihnen", sagt mein störrischer Freund schließlich seufzend, schüttelt der Maklerin die Hand und damit ist die Besichtigung beendet.

Ich bin froh, als wir im Auto sitzen, und diesem Beton-Albtraum entkommen sind. Nicht, dass das Teil doch noch im Boden versinkt, während wir darin gefangen sind. "Derjenige, der da mal einzieht, muss echt ein großes Problem mit sich haben", seufze ich.

"Manche stehen auf schlichte Wohnräume."

"Hmm. Also nichts gegen schlichte Wohnungen, aber das war nur verstörend. Eine schlichte Monstrosität mit schönen stabilen Stahlträgern zum sich dran aufhängen." Meilo lacht leise. "Weißt du, was perfekt wäre? Wenn das Häuschen zu vermieten wäre."

"Ansichtssache", meint Meilo und biegt auf die Autobahn ein. "Ein Eigenheim hat auch Vorteile."

"Und Nachteile", wende ich ein.

"Die hat eine Mietwohnung auch."

"Ansichtssache." Wieder lacht mein Schatz.

"Lass uns vernünftig darüber reden, ja?"

Ergeben lehne ich mich seufzend auf dem Beifahrersitze zurück. "Ist gut."

"Weißt du, bevor ich dich getroffen habe, dachte ich selbst schon darüber nach, mir etwas Eigenes zu kaufen. Entweder eine Eigentumswohnung oder eben ein kleines Häuschen. Mit Tonstudio und allem Drum und Dran. Stell dir vor, ich hätte mir schon vor langem ein Eigenheim zugelegt. Dann würdest du doch auch zu mir ziehen, oder?"

"Schon, aber das wäre auch was anderes", antworte ich.

"Inwiefern?"

"Das wäre dann dein Haus. Wenn wir jetzt dieses Haus kaufen, dann ist das unser Haus. Das Haus, dass wir zusammen für uns ausgesucht haben. Ich finde, das ist schon etwas anders." Etwas gewaltig anderes!

"Finde ich nicht."

"Ist es aber. Unser Haus, unsere Finanzierung. Das kann ich mir einfach nicht leisten." Punkt. So sehe ich das.

Meilo atmet laut ein. "Um die Finanzierung mach dir mal keine Sorgen."

"Mach ich mir aber!" Wieso versteht er nicht, dass ich nicht will, dass er allein dafür aufkommt? Eine monatliche Wohnungsmiete wäre kein Problem. Ein ganzes Haus dagegen schon. Und dabei geht es mir nicht nur um den monatlichen Abschlag. Da gibt es noch so viel mehr zu beachten.

"Geht es dir wirklich nur um die Finanzierung bei dem Ganzen?", möchte Meilo plötzlich von mir wissen, als hätte er meine Gedanken gelesen.

"Nur? Diese Summe bezeichnest du als nur?"

"Ich rede nicht von der Summe. Ich rede davon, ob es dir zu viel ist, gleich mit mir zusammen in ein Eigenheim zu ziehen."

"... Nein." Aber irgendwie auch schon, wenn ich es mir recht überlege. "Ich will nur nicht, dass wir uns das Haus anschaffen, und dann ..." Ich breche ab. Ich kann es nicht aussprechen, weil es undenkbar für mich ist. Trotzdem schweben diese Befürchtungen in meinem Kopf herum.

"Und dann?"

"Na ... und dann eben. Dass das Leben passiert."

"Sprich: Falls wir uns trennen sollten." Unsicher schaue ich zu ihm rüber. Verbissen starrt Meilo auf die Fahrbahn. Oh oh. "Wenn du jetzt schon so denkst, dann hast du vielleicht recht. Dann sollten wir uns lieber irgendwo eine kleine Bude mieten." Mir wird speiübel.

"Meilo! Ich ..."

"Schon gut. Ist doch nicht schlimm. Ist doch klar, dass du so denkst. Wir sind ja noch nicht lange zusammen, und während dieser kurzen Zeit sind wir auch nie so wirklich wie ein richtiges Pärchen gewesen." Das Blut rauscht laut durch meinen Kopf. Wieso sagt er sowas?!
 

Ich will anfangen zu schreien, aber ich kann nicht. Wir sind nie wie ein richtiges Pärchen gewesen? Denkt er das wirklich? "Wir sind viel mehr als das", krächze ich und verwünsche meine brüchige Stimme.

Erschrocken dreht Meilo seinen Kopf zu mir, sieht mich beinahe entschuldigend an, und schaut dann wieder vor sich auf die Straße, damit er keinen Unfall baut. "So meinte ich das nicht", erklärt er sofort.

"Wie dann?"

"Na eben, dass wir nie wie ein Pärchen wie Ed und Ingo, oder von mir aus auch wie Clem und Kilian waren. Wir haben noch nicht den Alltagstest bestanden. Das ist es doch, was dich zögern lässt, oder?" Den Alltagstest. "Verdammt Nic! Ich habe das nicht abwertend gemeint!" Ich wische mir über die Augen. "Ich wollte doch damit nur sagen, dass ich es verstehen kann, wenn du dir nicht sicher mit dem Haus bist."

Ich senke den Kopf und starre auf meine Finger. Ich will nicht mehr darüber reden. Es war von Anfang an eine dumme Idee gewesen. Ich wusste, dass das Ärger geben würde.

Das leise Klacken des Blinkers ertönt. Irritiert schaue ich auf. Wir biegen auf eine Raststädte ein. "Was wollen wir hier?", frage ich.

"Reden."

"Jetzt? Hier? Deine Eltern warten."

"Meine Eltern sind mir gerade vollkommen egal", knurrt Meilo, fährt auf den erstbesten freien Parkplatz und stellt den Motor ab.
 

Zuerst herrscht Stille. Dann seufzt Meilo, dreht sich zu mir und greift nach meinen Händen. Sie fühlen sich so warm und so unglaublich vertraut an. "Ich nehme alles wieder zurück, hörst du? Vergiss was ich gesagt habe. Es war unglücklich ausgedrückt."

"Dito", flüstere ich. "Neustart?"

"Neustart." Ich lächle, was Meilo erleichtert lächeln lässt. "Ich liebe dich Nic."

"Ich dich doch auch." Wir nähern uns langsam an und küssen uns. Fast zaghaft, aber es bringt mein Herz dazu, wie wild in meiner Brust herumzuflattern. Wie doof von mir, vorhin erwähnt zu haben, dass wir uns vielleicht, irgendwann einmal trennen könnten. Solange mich Meilo will, bleibe ich bei ihm. Und selbst wenn er mich eines Tages satt haben sollte, werde ich um ihn kämpfen. Komme was wolle.

Als wir uns wieder voneinander lösen, geht es mir wieder viel besser. Erleichtert blicken wir uns an. "Ich will dich, Nic. Ich will das Haus. Und ich will mit dir darin leben", flüstert Meilo, was mich wieder leicht aus der Bahn wirft. "Okay. Anderer Vorschlag. Was hältst du davon, wenn ich es kaufe, und du mir Miete bezahlst?"

"Ich soll dir Miete bezahlen?"

"Das wäre die beste Lösung, findest du nicht?" Ich überlege seinen Vorschlag. Ihm Miete bezahlen. Könnte das klappen? Wäre das eine Lösung?

'Wieso nicht?', frage ich mich selbst. "Wie hoch wäre die denn, die Miete?"

"Na ja, das müssten wir ausrechnen. Storm und Heizkosten sind gering. Wir müssten uns wahrscheinlich die Wartungskosten für die Anlangen teilen."

"Das wäre machbar", meine ich.

"Dann gibt es noch die Kosten fürs Essen und die fürs Wasser."

"Logisch", nicke ich.

"Vielleicht noch einen Anteil an der Grundsteuer. Natürlich nur, wenn das zur Miete dazu gehört. Da müsste ich mich noch erkundigen."

"Natürlich", erwidere ich.

"Was auch noch unbedingt dazu gehört, sind all die Dienste, die du bei dem Vermieter zu leisten hättest." Meine Mundwinkel zucken nach oben.

"Und die wären?", frage ich amüsiert.

"Frühstück ans Bett, den Nacken massieren, amouröse Gefälligkeiten ..."

"Amoköse Gefälligkei... Du Idiot!", lache ich auf und verpasse ihm einen leichten Klaps auf den Arm.

"Was denn? Das gehört sich so."

"Wirklich?"

"Wirklich. Das steht in deinem Mietvertrag drinnen."

"Dann nimm das wieder raus", fordere ich von ihm.

"Wieso sollte ich das tun?"

"Ganz einfach", säusle ich und beuge mich vor zu ihm. "Weil ich diesen Teil des Vertrages auch ohne Mietklausel liebend gern einhalte." Und ich zeige ihm gleich mal, dass ich es ernst meine, und besiegle dies mit einem innigen Zungenkuss.
 

***
 

"Heißt das, dass wir mitbieten?", hatte Meilo mich nach unserer Aussprache gefragt.

"Versuchen wir es", meinte ich mit klopfenden Herzen. Wir wollen tatsächlich dieses Haus kaufen! Wir müssen echt total übergeschnappt sein!

Auf meine Frage hin, wie viel er denn bieten wolle, meinte er, das wüsste er noch nicht. Ich sah ihm jedoch an, dass das eine Lüge gewesen war. "Aber sprengt das nicht deine Bank? Du musst doch noch das Tonstudio bauen, und dann verdienst du doch sicher nicht sofort Geld mit deinen neuen Songs", wendete ich ein.

"Das passiert schon nicht", sagte er locker. "Da bleibt noch genügend über, und ich verdiene ja auch noch weiterhin Tantiemen an einigen Keith Songs." Erneut wurde mir ganz unwohl.

"Wie viel Kohle verdienst du mit ihnen?" Wollte ich es wirklich wissen?

"Genug, um uns ein kleines Liebesnest samt Tonstudio zu bauen", lachte er, was mir als Antwort vollkommen ausreichte. Beim Wort Liebesnest musste ich sowieso an ganz andere Dinge denken, als an den schnöden Mammon.
 

Inzwischen fällt mir das Denken an sich schon schwer genug, denn wir nähern uns langsam aber stetig Meilos Elternhaus. Berlin ist nicht mehr weit. Unser genaues Ziel liegt jedoch irgendwo zwischen Gosen und dem Wernsdorfer See. Dort leben Meilos Eltern.

Mit jedem gefahrenen Meter werde ich nervöser. "Du siehst aus, als würdest du gleich platzen", lacht Meilo.

"Tue ich auch gleich", gebe ich zur Antwort.

"Versuche ruhig zu bleiben. Alle freuen sich schon riesig auf dich."

"Falls du mich damit beruhigen willst, es klappt nicht." Ich kratze unruhig mit dem Zeigefinger an der Naht meiner Hose entlang. Meilo bemerkt dies und unterbindet es, indem er meine Hand schnappt und festhält.

"Einmal tief ein-, und einmal tief ausatmen, ja? Es wird alles gut gehen. Glaube mir."

"Hmhm", nicke ich, nicht wirklich davon überzeugt.

Wieder fängt es draußen an zu regnen, wie schon des Öfteren während der Fahrt über. Wenigstens schneit es nicht, doch der Regen gefällt mir auch nicht sonderlich. Die Bäume, die links und rechts neben uns aufragen, wirken dunkel und trostlos dadurch. Fast schon bedrohlich. "Ich mag den Winter nicht. Wieso haben deine Eltern ausgerechnet am 12.12. geheiratet?"

"Weil meine Mutter den Winter liebt und der 12.12 so ein schönes Datum ist", schmunzelt Meilo. Allein der Gedanke an eine Winterhochzeit, lässt mich frösteln.

Ich rutsche tiefer in den Sitz hinein und lasse mir die warme Luft aus den Düsen vor mir ins Gesicht pusten. Das tut gut!

"Wir sind gleich da", verkündet Meilo kurz darauf. Dahin ist das gute Gefühl von Wärme. Mir wird heiß! Verflucht heiß sogar.

Er setzt den Blinker und biegt auf einen schmalen, aber dennoch asphaltierten Weg. Ein brauner Wegweiser zeigt an, dass es hier irgendwo auch ein Hotel geben muss. Wie praktisch, bedenkt man, dass bald eine große Feier stattfindet. "Kommen wir etwa in einem Hotel unter?", frage ich Meilo grinsend, hauptsächlich, um meine nervösen Nerven abzulenken.

"Nein", antwortet er. "Nur die Freunde und Verwandten, die von weiter weg kommen." Habe ich es mir doch gedacht.

"Wir schlafen nebenan."

"Nebenan?"

"Ja. Im Wohnhaus."

"Wohnhaus", wiederhole ich. "Neben dem Hotel?"

"Ja." Hat Meilo mir nicht mal erzählt, er hätte im Haus neben dem seines Opas gewohnt? "Wir sind da!", ruft Meilo, bevor ich nochmal nachfragen kann.

Vor uns lichten sich die Bäume und was steht vor uns? "Ein Schloss?!" Ich bekomme Maulsperre.

"Das ist doch kein Schloss", kichert es neben mir.

"Was soll es denn sonst sein?"

"Das Hotel meiner Eltern", sagt er ganz unbeeindruckt.

Mir klappt der Unterkiefer noch weiter nach unten. "Warte mal. Soll das bedeuten, dass du in einem Hotel groß geworden bist?"

"So ungefähr." Ist das zu fassen? Meilo Haug, alias Keith Kandyce, der schon in tausend Hotels abgestiegen ist, ist in einem Hotel groß geworden?! Und dann hat er es noch nicht mal für nötig gehalten, mir das zu sagen? "Als mein Opa gestorben ist, haben meine Eltern das Gebäude zu einem Hotel umgebaut."

Ungläubig starre ich Meilos Profil an. "Kein Wunder, dass dich der ganze Schnick-Schnack in den Hotels nicht beeindruckt hat. Wen jucken schon goldene Badezimmerarmaturen, wenn man in einem verdammten Schloss-Hotel groß geworden ist?"

Abermals lacht Meilo leise. "Ich bin nebenan groß geworden. Dieses Gebäude hier war einfach nur der Ort an dem mein Opa gelebt hat, und danach der Ort, an dem meine Eltern gearbeitet haben."

"Ach so. Dann geht's ja", schnaube ich. Ich bin leicht eingeschnappt, muss ich zugeben. Was verheimlicht er mir noch alles?

"Hältst du mir jetzt vor, dass ich hier meine Kindheit und Jugendzeit verbracht habe?", will er wissen, wobei seine Stimme verrät, dass er es nicht böse meint.

"Nein, tue ich nicht. Aber du hättest mir auch mal sagen können, was mich bei deinen Eltern erwartet!"

"Damit du noch nervöser und hibbeliger wirst?", schießt er zurück. Punkt für Meilo.

Apropos. "Muss ich dich jetzt mit Sir oder eure Hoheit ansprechen?"

Der Motor stirbt ab. Wir haben die Parkposition eingenommen. "Wir sind nicht adelig. Mein Opa hatte den Schuppen damals gekauft, als er frisch verheiratet gewesen war."

"Ach so. Na dann ..." Ich bin immer noch total geschockt. Eigentlich hatte ich gedacht, wir kommen in einer kleinen, schicken Reihenhaussiedlung an, doch DAS, das hat mit einer Reihenhaussiedlung so viel gemein, wie unser vielleicht baldiges Heim mit einem kleinen Dorfkiosk.

"Aber wenn du willst, kannst du mich im Bett mit Sir oder eure Hoheit ansprechen", kichert Meilo neben mir, schnallt sich ab und packt mein Kinn.

"Mal nicht frech werden der Herr, ja?" Grinsend bekomme ich einen Kuss auf die Lippen, dann steigt mein Schatz aus.

Seufzend schnalle ich mich ebenfalls ab und wage mich nach draußen. "Die Koffer lassen wir erstmal im Auto. Gehen wir zuerst rein, ja?" Ich nicke, werde von einem total euphorischen Meilo an der Hand genommen und Richtung Hotel gezerrt. "Ich kann es kaum noch erwarten, dich endlich meinen Eltern vorzustellen", strahlt Meilo.

"Ich bin nervös", fiepse ich und starre an der hohen Fassade empor. Angsteinflößend.

Meilo lächelt mich aufmunternd an, küsst mich nochmal, diesmal auf die Schläfe, und zieht mich weiter. Geradewegs auf dieses riesige Anwesen zu.
 

Graue Steine bilden das Mauerwerk. Eigentlich, nach näherer Betrachtung, wirkt das Gebäude viel eher wie eine Burg, als ein Schloss. Dennoch will es noch immer nicht in meinen Schädel, dass Meilo tatsächlich hier aufgewachsen sein soll. Jetzt verstehe ich aber auch, wie er das mit seinem Opa gemeint hat. Der alte finstere Burgherr. Das war anscheinend wirklich so gewesen! Und ich Idiot dachte, in Wirklichkeit sei es einfach nur ein grimmiger, alter, klappriger Mann gewesen, der auf einem zerlutschten Sessel vor einem flimmernden Fernseher hockt hat. Aber mitnichten. Es muss so gewesen sein, wie Meilo gesagt hat, und wenn ich so dieses Burg-Hotel anschaue, kann ich ihn auch verstehen, wieso ein kleiner Junge davor Angst haben kann. Mir macht das Anwesen auch Angst. Aber auf eine ganz andere Art und Weise.

Fünf Stufen sind es, die uns hinauf zu einer großen, oben bogenförmigen Flügeltür bringen. "Sind auch Urlaubsgäste hier?", frage ich Meilo.

"Nein. Bis Ende Februar ist Winterpause."

"Oh. Ziemlich lang."

"Ja, aber dafür gibt es für meine Eltern keinen Sommerurlaub."

"Verstehe." Sie müssen während der Urlaubszeit schuften, und die Urlauber in ihrem Hotel bewirten. "Wie bei Henning und Heiko."

"Jupp. ... Gehen wir rein!"

Mein Herz schlägt schnell und fest gegen meine Brust, als sich Meilos Hand auf die Türklinke legt, sie runterdrückt, und die Tür nach außen hin öffnet.

Wohlig warme Luft heißt uns Willkommen, doch nicht nur die. "Meilo!", ruft ein junger Mann, der an der Rezeption steht.

Offensichtlich ein Page, aber warum ein Page, wenn keine Gäste da sind? 'Für die Hochzeitsgäste', meldet sich mein Hirn hilfreich zu Wort. Klar. Einleuchtend.

"Sebastian! Du bist auch hier?" Beide fallen sich in die Arme. Ich knirsche mit den Zähnen, versuche aber zu lächeln. Werd nicht wieder Eifersüchtig, Nic! Dazu besteht gar kein Grund!

"Natürlich bin ich hier. Einer muss sich doch um deine Familie kümmern."

"Auch wieder wahr", lacht mein Schatz, dreht sich um und reicht mir wieder die Hand. Ich klammere mich regelrecht an sie. "Sebastian? Darf ich dir Niclas vorstellen? Mein Partner."

"Du bist also der berühmt berüchtigte Niclas? Wie schön, dich endlich kennenzulernen!" Etwas überrumpelt lande ich ebenfalls in einer festen Umarmung. Huh! Das fängt ja schon mal ... merkwürdig an.

"Danke ... Ebenfalls", krächze ich und lächle verlegen.

"Habt ihr euer Gepäck noch im Auto? Ich kann es für euch rüber ins Haus bringen."

"Schon gut, das machen wir selbst", winkt Meilo ab. Och, da haben wir schon Hotelservice, und müssen trotzdem selbst schleppen? "Ich wollte zuerst meine Eltern begrüßen. Sind sie hier?"

"Die sind vor einer Stunde mit den Hunden raus. Sie kommen sicher gleich wieder. Geht doch solange in den grünen Salon. Ich mache euch einen schönen heißen Kaffee. Oder Tee?" Sebastian sieht uns abwechselnd fragend an.

"Äh ... Tee", stammle ich.

"Für mich auch", sagt Meilo. Sebastian nickt und dampft davon.

"Wow. Von ihm können sich andere Hotelangestellte aber eine Scheibe abschneiden."

"Oh ja. Er ist der Beste. Er hält das ganze Hotel am Laufen, wenn meine Eltern mal nicht da sind."

"Dann ist er gar kein Page?"

"Nicht mehr. Das ist lange her", gluckst mein Schatz. "Eigentlich ist er der stellvertretende Hotelchef, aber er packt überall mit an." Ich nicke beeindruckt. "Los. Gehen wir in den Salon."

"Jawohl, Hoheit", sage ich mit nasaler Stimme. "Und danach ein Krocket-Turnier im Lustgarten?"

"Von mir aus, aber bei dem Regen dürften die kleinen Torbögen im Rasen einsinken."

"Das war ein Scherz", brumme ich.

"Ich weiß", trällert Meilo.

"Snob", trällere ich zurück und lasse mich in den grünen Salon ziehen, der den Namen mehr als verdient hat.

Überall im Raum sind kleine runde Tische mit Löwenfüßen verteilt, an denen jeweils zwei dunkelbraune, alt aussehende Ledersessel stehen. Eine grüne Tapete mit goldgelben Blumenornamenten verziert und große Gemälde, die allesamt irgendwelche Jagdszenen darstellen, runden das Bild ab. Natürlich gibt es hier auch einen grün gekachelten Kaminofen. "Wahnsinn! Sind die Möbel echt?"

"So weit ich weiß sind sie das größtenteils. Alles noch von meinem Opa. Der hat Antiquitäten geliebt und gesammelt."

"Sehen alle Räume so aus? Auch die Hotelzimmer?"

"Ja", meint er und rückt mir einen der Sessel zurecht, ehe er sich selbst setzt.

"Die muss ich sehen! Geht das?"

"Ich kann dir eine Spezialführung anbieten, wenn du möchtest."

"Unbedingt!", rufe ich begeistert, als auch schon wieder Sebastian auftaucht und den Tee serviert. Verdammt, komme ich mir vornehm vor!

"Setz dich doch zu uns", bittet Meilo ihn, doch er verneint.

"Ich habe noch viel zu tun. Wir haben nur zwei Zimmermädchen da und der Koch ist auch noch auf dem Großmarkt."

"Soll ich helfen?"

"Soweit kommt es noch Meilo", lacht Sebastian. "Wir bekommen das schon hin. Entspann dich und kümmere dich um deine bessere Hälfte." Sebastian zwinkert mir zu, dann verschwindet er wieder und tut das, was ein stellvertretender Hotelführer eben so tun muss. Ich glaube, ich kann ihn ganz gut leiden. Jedenfalls hat mir Sebastians Auftreten ein bisschen die Nervosität genommen.

Meilo und ich beschränken uns derweil ganz faul darauf, den Tee trinken und Herumsitzen. "Erzählt mir von deiner Jugend hier", bitte ich ihn und mopse mir einen der Kekse, die Sebastian zusammen mit dem Tee hergebracht hat.

"Du weißt doch schon so gut wie alles von meiner Jugend", erwidert Meilo.

"Schon, aber du hast mir bei deinen ganzen Erzählungen das Highlight verschwiegen!" Ich breite die Arme aus. "Da gibt es doch sicherlich noch mehr, das du mir erzählen kannst."

"Eigentlich nicht." Er lächelt leicht und schüttelt den Kopf.

"Das glaube ich dir nicht."

"Doch, wirklich. Da gibt es nicht viel." Er lügt mich doch an! "Ich war ein sehr schüchternes Kind, und viel Aufregendes gab es hier auch nicht zu erleben."

"Nicht viel Aufregendes? In einem Hotel? Du nimmst mich auf den Arm!"

"Tue ich nicht", beteuert Meilo erneut. "Manchmal, wenn nicht gerade einer meiner wenigen Freunde zu Besuch war, habe ich mit den Kindern der Gäste gespielt, aber das kam eher selten vor."

"Und als du älter wurdest? Keine Romanzen?"

"Vor den Gästen wusste ich mich zu beherrschen", lacht er. "Dafür aber ..."

"Ja? Ich bin ganz Ohr." Ich lehne mich vor, weil Meilo es genauso macht.

"Verrate es niemanden, aber als Sebastian damals hier angefangen hat, hatten wir was am Laufen." Mir rutscht der Keks aus der Hand. WAS?!
 

"Meilo?" Lautes Kratzen, Schaben und Hecheln.

"Mama!" Meilo steht aufgeregt auf, während ich noch immer mit dem angebissenen Keks im Schoß dasitze und es nicht fassen kann. Meilo hatte was mit Sebastian?!

"Da bist du ja endlich", höre ich eine dunkle Frauenstimme sagen. Nur ganz langsam sickert mir die Info ins Hirn, dass das Meilos Mutter sein muss, die hinter mir steht, und ich endlich auch mal aufstehen sollte. Also tue ich das, wenngleich mich immer noch Meilos letzte Worte arg beschäftigen.

Als ich mich umdrehe, steht da nicht nur Meilos Mutter, sondern auch ein älterer Mann, sicher sein Vater, und daneben wuseln vier riesige graue Köter durch den Salon.

Meilo umarmt seine Mutter, dann seinen Vater, der ihm fest auf den Rücken klopf. "Und da ist ja auch meine kleine Süße", kichert mein Schatz mit einer merkwürdig hohen Stimme. Er meint einen der Hunde, der ihn auch prompt anspringt. Das riesige Tier kann bequem seine Vorderpfoten auf Meilos Schultern legen. "Hast du mich vermisst, hm?" Und nun leckt der Köter auch noch Meilos Gesicht ab. Oh bitte nicht!

"Typisch. Dem Hund schenkst du mehr Beachtung als deinen Eltern."

"Sie ist ja auch mein kleines Baby, nicht wahr meine Schöne?" Meilo knuddelt weiter mit diesem riesigen Hund, der wahrscheinlich noch jedes Pony überragt, erst recht, wenn er auf seinen Hinterbeinen steht.

"Und du musst Niclas sein, richtig?"

"Äh ..." Na super! Gerade vor Meilos Mutter gerate ich in den Henning-Modus.

"Ach je", seufzt sie und kommt auf mich zu. "Wir haben dich ja ganz schön überrannt was? Ich habe doch gesagt, lass die Hunde draußen, Eberhard." Eberhard, Meilos Vater, zuckt unschuldig mit den Schultern.

"Komm doch erstmal her und lass dich umarmen." Ich, erstarrt zur Salzsäule, werde von Meilos Mutter in den Arm genommen, gedrückt, und anschließend genaustens unter die Lupe genommen. Ein Gutes hat es ja, dass ich so konfus bin. Meine Nervosität ist wie weggeblasen. "Was für ein schöner Mann du doch bist!" Äh ... Wie? Und plötzlich ist sie wieder da, die Nervosität.

Meilos Mutter rückt wieder von mir ab und streckt mir ihre Hand hin. Ich bin froh, dass mein Arm allem Anschein nach noch funktioniert, denn er hebt sich ganz von allein und ergreift sie. Inzwischen hat sich Meilo endlich wieder zu mir gesellt und beschützend den Arm um mich gelegt. "Ich bin Dorothea, aber nenne mich ruhig Doro, ja?"

"Äh ja. Gern. Danke. Ich bin Niclas." Oh Gott! Was rede ich da? Hört sich an, als würde ich einen Funkspruch runterrattern. "Ich freue mich wirklich, Sie endlich kennenzulernen", setze ich nach, was mich wieder ruhiger werden lässt. Ich kann ja doch noch reden.

"Lass doch das Sie weg! Da komme ich mir so alt vor", lacht sie. Dabei fällt mir auf, das Meilo ihr wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Wenn er lacht, hat er auch dieses kleine Grübchen an der linken Wange, wie seine Mutter. Ich fühle mich gleich noch ein wenig besser.

Als nächstes tritt Meilos Vater, Eberhard, an mich ran. Sein Händedruck ist fest, doch Meilo hat mir gesagt, dass ich keine Miene verziehen, und ebenfalls fest zudrücken soll. "Na! Starker Händedruck", lächelt Meilos Vater. "Hervorragend." Ich glaube, diesen Test habe ich bestanden, womit auch diese Hürde geschafft wäre.

Meilos Griff um mich wird fester. Erst lächelt er mich, dann seine Eltern an. "Mama? Papa? Das ist er", verkündet Meilo feierlich. "Meine große Liebe. Mein Niclas." In meinem Bauch kribbelt es wie verrückt. Hat er das nicht schön gesagt?
 

***
 

Zeus, Herkules, Achilles und Daisy. Diese vier wohlklingenden griechischen Götternamen (mit Ausnahme von Daisy, warum auch immer sie keine Göttin werden durfte) gehören den irischen Wolfshunden der Familie Haug.

Als Meilo sie mir sozusagen vorstellte, zwinkerte er mir bei Herkules zu. Das ist also der Hund, den Meilo bei unserem ersten Date erwähne. Und ich dachte, er wolle mich nur an der Nase herumführen, doch ihn gibt es wirklich. Genau wie die drei anderen, die alle vier mich mit ihren riesigen, feuchten Nasen äußerst neugierig untersuchen. Allein Daisy langweilt sich bald schon, hört auf, meine Schuhe und Hosenbeine zu beschnuppern, und gesellt sich zu Meilo, bei dem sie sich unter dem Tisch genau vor die Füße legt und wohlig zu grunzen beginnt.

"Und wie habt ihr euch nochmal genau kennengelernt?", fragt uns Doro, in dessen Wohnzimmer wir sitzen. Muss ich extra erwähnen, dass das Wohnhaus der Haugs ebenso eindrucksvoll ist, wie das Hotel?

Als Doro und Eberhard uns vorhin einluden, sie mit zum Wohnhaus zu begleiten, ahnte ich ja schon, dass das kein einfaches Häuschen im Grünen sein würde, aber als wir darauf zugingen, staunte ich nicht schlecht.

Es ist im selben Stil erbaut, wie das Hotel, graue Steinquader, zwei Stockwerke hoch. Früher diente das Gebäude als Stallung für die Pferde, wurde aber schon vor Jahrzehnten zum Wohnhaus umgebaut, noch bevor Meilos Eltern hier eingezogen waren. Die jetzigen Ställe (natürlich haben die Haugs auch noch Pferde) liegen nun weiter hinten auf dem Gelände, so berichtete man mir.

Während mir all dies erzählt und teilweise auch gezeigt wurde, kam ich mir die ganze Zeit über so vor, als währen wir auf einer von Meilos Museumstouren, die wir in Passau absolviert haben. Kein Wunder, dass er diesen alten Krempel so gern hat. Muss er von seinem Opa geerbt haben, denn auch hier gibt es überall Antiquitäten, dunkle, schwere Holzmöbel und alt aussehende Einrichtungsgegenstände, ganz zu schweigen von den großen Gemälden überall.

"Aber das habe ich dir doch schon erzählt", antwortet Meilo seiner Mutter auf ihre eben gestellte Frage, wie wir uns kennengelernt haben. "Auf einem Parkplatz, weil mein Kühler den Geist aufgegeben hat."

"Stimmt das wirklich?", möchte sie von mir wissen. "Manchmal erzählt Meilo mir Geschichten, von denen ich nicht wirklich überzeugt bin, dass sie auch so passiert sind."

Meilo seufzt leicht genervt, was mich zum Lachen bringt.

Ich tätschle beruhigend Meilos Bein, ehe ich Doro die Geschichte bestätige. "Genau so ist es passiert. Sein Kühler ging in Rauch auf und er musste auf dem Parkplatz einen Notstopp einlegen. Dabei hätte er mich beinahe umgefahren. Ich war dort, weil ich kurz zuvor die alten Liebesbriefe von meinem Ex in den Mülleimer des Parkplatzes versenkt hatte.

Nachdem ich gerade so der Kühlerhaube seines Wagens entkommen bin, hatte ich bei Meilo nachgeschaut, ob alles okay ist, schleppte ich ihn danach ab und nahm ich ihn mit zu mir nach Hause, bis sein Wagen wieder fahrtüchtig war. So fing alles an." Es kommt mir vor, als wären seit dem Jahre vergangen. Als lägen Welten dazwischen, und irgendwie ist es ja auch so. Damals ahnte ich noch nicht mal, was alles auf mich zukommen würde. Oder besser gesagt, welcher Popstar ...

"Wenn die Geschichte tatsächlich so passiert ist, dann war das ganz bestimmt Fügung", lacht Doro. "Wenn nicht sogar Schicksal."

"Ganz bestimmt ...", flüstert Meilo, wobei er mich frech angrinst. Ich grinse zurück, und schiebe einen allzu neugierigen Hundekopf von meinem Oberschenkel runter.

"Zeus! Gehst du da weg!" Doro steht auf und verscheucht die drei Köter, die sich immer noch neugierig über meine Hose hermachen. Doch als Doro mit ihnen schimpft, verkrümeln sie sich augenblicklich und stromern beinahe beleidigt durch das Wohnzimmer. "Raus mit euch. Ihr könnt euch im Garten austoben." Doro führt sie nach draußen in den Flur. Nun wuselt auch Daisy unterm Tisch hervor und folgt ihren drei Hundegöttern hektisch. Im Garten spielen muss für sie interessanter sein, als Meilos Füße zu wärmen oder mir im Schritt herum zu schnüffeln.

"Entschuldigung, aber sie können manchmal ganz schön aufdringlich sein", schnaubt Doro und setzt sich wieder auf ihren Platz.

"Kein Ding", winke ich ab. Das ich schon Bekanntschaften mit Zweibeinern gemacht habe, die genauso aufdringlich waren, behalte ich mal für mich.

"Noch jemand Tee?" Eberhard schaut in die Runde. Alle nicken, also füllt er jedem etwas nach.

"Was für eine Arbeit hast du denn eigentlich Niclas?" Eberhard sieht mich neugierig an. Auf die Frage habe ich nur gewartet. Das meine ich aber nicht im positiven Sinne.

"Zur Zeit helfe ich in einem Laden eines Freundes aus. Er verkauft Weine und Feinkost. Hauptsächlich aus Spanien und Italien."

"Wirklich?", fragt Doro. Ich nicke. "Dann kommst du doch bestimmt an den ein oder anderen schwer zu bekommenden Wein ran?"

"Ich denke schon. Da müsste ich nachfragen." Doro strahlt über beide Ohren. Na das läuft doch ganz gut bis jetzt.

"Und was tust du sonst so? Wenn du dort nur aushilfst, ist das doch sicher nicht dein Traumjob", möchte Eberhard abermals von mir wissen. Ich schlucke hart. Läuft doch nicht so gut.

"Ich äh ... Ich programmiere", antworte ich leicht verlegen.

"Du bist also ein Programmierer", schlussfolgert Meilos Vater.

"Nicht so ganz. Gelernt habe ich eigentlich Einzelhandelskaufmann. Ich kam durch Zufall zum Programmieren. Leider zahlt es sich nicht aus. Noch nicht, weshalb ich jobben gehe." Ich komme mir immer armseliger vor. Einen tollen, supererfolgreichen Mann hat sich ihr Sohn da angelacht, was?

"Was programmierst du denn? Computerspiele?"

"Mama!", zischt Meilo. "Computerspiele?"

"Was denn?" Sie zuckt mit den Schultern, sieht mich dann allerdings wieder neugierig an.

Ich muss grinsen. Wie bei mir zuhause. "Zur Zeit arbeite ich an einem verbesserten Programm zur schnelleren Erstellung und Berechnung von Analysen. Zum Beispiel zur Wettervorhersagen oder auch im medizinischen Bereich."

"Interessant", murmelt Eberhard, doch es hört sich nicht desinteressiert an, wie bei den meisten Menschen, denen ich davon das erste, und somit auch das letzte Mal, erzähle. "Also gibt es einen Markt dafür."

"Ja. Nur muss ich dort erstmal irgendwie rein kommen." Besonders, wenn man ein 'Hobbyprogrammierer' ist.

"Nur nicht aufgeben", meint Doro plötzlich. "Weißt du, als wir uns unseren Traum von einem eigenen Hotel angegangen sind, warf man uns auch nur Stolpersteine in den Weg, und es war mühsam, sie alle zu bewältigen und aus dem Weg zu schaffen, aber am Ende zahlt es sich aus. Man muss nur an seinem Traum festhalten und hinter dem stehen was man tut." Ich kann nicht anders, und lächle Doro breit und ein Stück weit auch dankbar an. Sie hat ja so recht. "So ihr Lieben! Es wird Zeit! Ich muss nochmal mit dem Fotografen für morgen reden", seufzt Meilos Mutter und steht auf.

"Und wir gehen unsere Koffer hoch aufs Zimmer bringen", verkündet Meilo und steht ebenfalls auf.
 

"In dein ehemaliges Kinderzimmer?", frage ich Meilo, dem ich folge, nachdem ich mich von seinen Eltern vorerst verabschiedet habe.

"Wohin den sonst?" Da bin ich aber mal gespannt, doch nicht nur darauf. Mir brennt noch eine Frage auf der Seele, die ich vor Meilos Eltern nicht stellen konnte.

Meilo führt mich durch das große, offen und hell gestaltete Untergeschoss. Unsere Koffer, die wir vorhin mitgenommen hatte, stehen noch neben der Eingangstür im Flur. Wir schnappen sie uns und nehmen sie mit nach oben. Die alte Holztreppe knarrt bei jedem Schritt.

Oben ist es nicht ganz so groß wie unten, was daran liegen mag, dass es hier mehrere Zimmer gibt, die sich entlang eines schmalen Flurs erstrecken. "Nett hier", finde ich. "Für einen Stall sehr komfortabel."

"Nicht wahr? Ich liebe dieses Haus. Ich mochte es schon immer, und war immer ganz stolz, wenn ich sagte: Wir wohnen in einem Pferdestall."

Ich lache leise. "Wirklich? Das hast du herumerzählt?"

"Als ich kleiner war schon." Das kann ich mir richtig gut vorstellen. Klein Meilo, wie er schockierten Menschen von seinem Zuhause im Pferdestall erzählt. Was die sich dabei wohl gedacht haben?

"Gibt es eigentlich auch Fotos aus dieser Zeit?" Ich bin zu neugierig, wie mein Meilolein als kleiner süßer Fratz wohl ausgesehen haben mag.

"Meine Mutter hat ganze Alben voll. Frag sie einfach."

"Das werde ich auf jeden Fall tun", kichere ich.

"Mach das, aber zuerst: Willkommen in meinem schnuckeligen Kinderzimmer." Meilo öffnet eine Tür und lässt mir den Vortritt.

Schnuckelig ist gut! Das Zimmer ist größer als meins, mehr als doppelt so groß, würde ich schätzen. Niclas aus der Vergangenheit pustet neidisch, weil er auch gern so ein großes Reich zum Spielen gehabt hätte, während der Niclas aus der Gegenwart es sich neugierig anschaut.
 

Unverkennbar das Zimmer eines Jugendlichen. An der Wand sind Poster von damaligen Stars und Bands, die ich teilweise auch gerne gehört habe. Dazu passend eine große Musikanlage und weiter hinten, neben einem großen Kleiderschrank, ein Schreibtisch zum Lernen. Das Einzige, was nicht ganz recht in das Bild eines störrischen Jugendlichen passen möchte, steht an der Wand rechts von mir: Ein riesiges Bücherregal, voll bis oben hin mit Büchern und eine Menge gestapelte Zeitschriften. "Gib's zu, die hast du da nur zum Angeben stehen", sage ich zu ihm.

"Sehe ich so aus, als hätte ich das nötig gehabt?"

"Weiß nicht. Ich habe ja noch keine Jugendfotos von dir gesehen." Meilo nimmt mir lachend den Koffer ab und trägt ihn zu seinem Bett. Ein Doppelbett wohlgemerkt. Dieses Zimmer ist echt riesig! "Warum mieten wir uns nicht in dein altes Zimmer ein? Platz genug wäre auf jeden Fall."

"Ha ha."

"Was heißt hier ha ha? Schau doch nur." Ich lasse mich auf Meilos Bett fallen. "Allein das Bett ist größer als mein jetziges Zimmer."

"Stimmt", antwortet er rotzfrech und setzt sich neben mich. "Trotzdem wäre es keine gute Idee, sich hier einzumieten."

Ich wippe leicht auf und ab. "Und warum nicht? Weil du schon Sebastian hier oben gehabt hast?" Herausfordernd schaue ich ihn an. Ich finde, es wird Zeit, dass er mir davon erzählt. Vorhin wurden wir ja unterbrochen.

"Weil ich Seb...?" Meilo runzelt die Stirn. "Verstehe", grinst er. "Du bist schon wieder eifersü..."

"Unterstehe dich!" Drohend hebe ich den Finger. "Ich bin nicht eifersüchtig!" Bin ich wirklich nicht. Na ja, vielleicht ein kleines Bisschen, doch ich weiß, dass das schwachsinnig ist. Wir sind beide keine unbeschrieben Blätter, was Beziehungen und Liebeleien angeht. Aber das Sebastian dieses Wochenende auch hier ist, bringt mich schon zum Grübeln. Nur ein klitzekleines Bisschen.

"Und warum fängst du dann jetzt damit an?"

"Weil du vorhin damit angefangen hast, es mir aber noch nicht erklärt hast. Deine Eltern kamen dazwischen."

"Wenn das so ist, was willst du darüber wissen?" Alles!

"Was du mir erzählen willst", antworte ich jedoch bloß. Nicht, dass er sich noch in seiner Vermutung, ich sei eifersüchtig, bestätigt fühlt.

"Sebastian arbeitet schon lange im Hotel meiner Eltern. Daher lernten wir uns noch vor meiner Kariere kennen. Ich glaube, ich war erst so um die sechzehn Jahre alt. Sebastian war schon volljährigt und arbeitete damals noch als Page. Wir freundeten uns schnell an und eines Abends plünderten wir den Spirituosenschrank meines Vaters, als diese unterwegs waren." Meilo schüttelt lächelnd den Kopf. "Wir waren stockbesoffen, jung und geil."

"Die guten alten Zeiten, was?"

"So in etwa." Ich lehne mich an ihn und nehme seine Hand. Sein Daumen streichelt sanft über meinen Handrücken. Ein leichtes Kribbeln setzt in meinem Bauch ein. An angenehmes ich-fühle-mich-wohl-bei-dir-Kribbeln. "Eins kam schließlich zum anderen und wir landeten in der Kiste. Nicht in meiner Kiste, sondern in einem der Hotelbetten, wo wir uns zuvor mit einer Flasche Scotch eingeschlossen hatten, damit man uns nicht erwischt. Es blieb bei dem einen Mal, und wir blieben Freunde. Es war nur Sex. Betrunkener Teenagersex unter Freunden." Schön formuliert. Betrunkenen Teenagersex hatte ich auch das ein oder andere Mal in meinem Leben.

"Okay", sage ich, weil mir das als Antwort reicht, und stehe auf. "Apropos Hotel. Zeigst du es mir jetzt?" Meilo wirkt leicht irritiert. Anscheinend wegen meines abrupten Themenwechsels. "Ich bin wirklich nicht eifersüchtig. Ich war bloß neugierig", erkläre ich deshalb, denn jetzt, wo ich weiß, was zwischen den beiden war, geht es mir schon viel besser. Außerdem ist mir vorhin beim Servieren des Tees der kleine goldene Ring an Sebastians Ringfinger aufgefallen, der besagt, dass er hochoffiziell vergeben ist. "Gehen wir jetzt?"

"Schön. Gehen wir", grinst mein Schatz.
 

Hand in Hand verlassen wir das Haus, nachdem wir Meilos Eltern Bescheid gesagt, und uns warm eingepackt haben. Zwar liegt kein Schnee, aber es ist dennoch kalt draußen.

Gemütlich schlendere ich mit Meilo über den gepflasterten Weg hinüber zum Hotel. Hohe Laubbäume säumen den Weg. Noch sind sie kahl, aber im Sommer muss es einfach wunderschön sein, unter ihnen entlangzuspazieren, besonders, wenn man dabei seinen Schatz neben sich hat. Ruhig ist es, fast verschlafen. Sicherlich nicht nur jetzt im Winter, sondern auch im Sommer, wenn das Hotel voll ist. "Das Hotel ist bestimmt immer ausgebucht, bei der Lage", sage ich viel mehr zu mir selbst, doch Meilo antwortet mir trotzdem.

"Meistens. Am Anfang war das noch nicht so. Meine Eltern haben hart dafür gearbeitet, bis alles so reibungslos klappte, wie es inzwischen der Fall ist."

"Das glaube ich dir." Ich mag mir gar nicht vorstellen, was das Anwesen allein monatlich an Unterhalt kostet. Allein das zu stemmen, muss schon eine unglaubliche Aufgabe sein, besonders, wenn die Gäste ausbleiben.

Ich bin ganz vertieft in meinen Gedanken, in denen ich Meilos Eltern sehe, wie sie sich zu Anfang dieser gewaltigen Herausforderung gestellt haben, da bleibt Meilo plötzlich sehen. "Möchtest du vielleicht zuerst die Ställe sehen?", fragt er. "Die liegen gleich dort hinten."

"Warum nicht?" Ich zucke mit den Schultern. Mit Pferden habe ich eigentlich gar nichts am Hut, aber anschauen kann ich sie mir ja mal. "Kannst du reiten?", möchte ich von ihm wissen. Ihn auf einem stattlichen Hengst vorzustellen, hat was. Kurz muss ich an diesen Club denken. An das Stud. Zwischen dem Meilo hier, den ich an der Hand halte, und dem, der dort damals aufgetreten ist, scheinen Meilen zu liegen. Bald gibt es nur noch einen davon. Den, dessen Hand ich halte. Lange dauert es nicht mehr.

Glücklich lehne ich meinen Kopf auf Meilos Schulter, während wir weitergehen. "Früher hat mich meine Mutter immer mal mit aufs Pferd genommen, aber ich habe immer angefangen zu plärren." Ich lache leise. "Das ist nicht lustig! Ich hatte Angst."

"Schon gut. Entschuldige. Ich hätte wahrscheinlich auch geheult." Und dann vor lauter Seekrankheit gekotzt. Das arme Pferd. "Und außerdem", raune ich Meilo ins Ohr "reite ich viel lieber auf ganz anderen Dingen herum."

"Ah ja", kichert mein Schatz. "Und die wären?"

"Das zeige ich dir heute Nacht."

"Erst?"

"Hm ... Vielleicht auch schon früher." Meilos Augen bekommen sofort diesen verräterischen Glanz, den ich mittlerweile besser kenne als alles andere auf der Welt. Mein Herz fängt allein von einem kurzen Blick in seine Augen an, Purzelbäume zu schlagen, was in meinem Schritt umgehend ein drängendes Pochen auslöst. Meine Finger schließen sich fester um seine, doch dann lasse ich wieder locker und versuche mich auf andere Dinge zu konzentrieren. Hier ist ganz weder der richtige Zeitpunkt, noch der richtige Ort, um sich aufs 'reiten' zu 'versteifen'.

"Wie viele Pferde haben deine Eltern?", frage ich Meilo deshalb und laufe schneller.

"Vier."

"Vier? Wow."

"Früher waren es mal mehr, aber die Arbeit, die damit verbunden ist, war neben dem Hotelbetrieb einfach nicht zu schaffen."

"Mit vier Pferden aber schon, oder was?"

"Anscheinend", grinst Meilo und bleibt stehen. Vor uns steht ein großes Gebäude aus Backstein. Unverkennbar die Stallungen. Meilo öffnet die große breite Flügeltür und lässt mich zuerst eintreten. Der Geruch nach frischem Heu und der unverkennbare Duft nach Pferden empfängt mich.

"So viele Boxen", staune ich. "Stehen die alle leer?" Hier ist viel mehr Platz als bloß für vier Pferde.

"Im Sommer bieten meine Eltern extra Urlaub für Reiter an, die mit ihrem eigenen Pferd verreisen möchten", erklärt Meilo mir.

"Also ist das ein Pferdehotel."

"Genau." Gute Idee. Warum den freien Platz nicht nutzen und auf diese Weise mehr Übernachtungsgäste anlocken?

Wir laufen den breiten Gang entlang. Plötzlich taucht rechts neben mir ein kleiner Pferdekopf auf. Ein Pony. "Ist das deins?", necke ich Meilo.

"Nein. Aber wenn du mal reiten möchtest, kann ich dir den kleinen Muck gerne satteln."

"Nee, lass das mal lieber. Des arme Tier bricht ja unter mir zusammen."

"Wird er schon nicht. Das ist ein Isländer. In Island reiten auch Erwachsene auf ihnen."

"Schaffen die das denn?"

"Logisch. Das sind kräftige Ponys, nicht wahr Muck?" Meilo tätschelt dem Tierchen den Kopf. Ich bleibe lieber auf Abstand. Als ich klein war, hat mich mal ein Pferd gebissen. Es hat aber zum Glück nur mein Hemd erwischt. Trotzdem hat das mein Vertrauen zu ihnen nicht gestärkt, wie man sich denken kann.

Neben der Box des Ponys, ertönt ein lautes Klopfen. Ein graues Pferd schaut aus der Box und tritt gegen die Tür. "Der will wohl auch mal von dir gestreichelt werden", lache ich. "Dir widersteht eben keiner."

"Der denkt nur, dass ich was zu Fressen dabei habe. Gestreichelt will Pegasus nicht werden. Er mag keine Männer."

"Auch keine schwulen Männer?"

"Da macht er keinen Unterschied", schmunzelt mein Schatz.

"Oh. Dann halte ich mal Abstand."

"Musst du nicht. Er droht nur. Und das auch nur, wenn meine Mutter nicht dabei ist. Bei ihr ist er das liebste Lämmchen." Kann ich mir gar nicht vorstellen, so wie der Gaul die Ohren anlegt und den Hals streckt.

"Mir egal. Ich geh da nicht dran."

"Okay. Dann zeige ich dir noch Papas Pferd Ronja und unser Kutschpferd Robert."

"Robert?", lache ich los. "Wer nennt ein Pferd denn Robert?"

Meilo zuckt mit den Schultern. "Der Name passt eben zu ihm." Na wenn das so ist. Ich muss dabei unwillkürlich an diesen Kerl denken, der ebenfalls Robert hieß. Er stand auf Lederzeugs und trug schwarze Chaps mit Nieten und dazu das passende Halsband. Irgendwie gar nicht so weit weg von einem Pferd, mit seinem Zaumzeug aus Leder ... Vertiefen wir das jetzt mal lieber nicht.

Meilo führt mich zur nächsten Box. Um Pegasus mache ich einen großen Bogen. Bedrohlich funkeln mich seine dunklen Augen an, während sich seine Ohren nach hinten legen. Ich weiß nicht viel über Pferde, aber was angelegte Ohren bedeuten, weiß ich. Dann ist Vorsicht angesagt.

"Das hier ist Ronja", sagt mein Schatz und zeigt auf eine hellbraune Stute. Mit gebührenden Sicherheitsabstand bleibe ich vor der Box stehen. "Sie ist ganz lieb. Vor ihr brauchst du keine Angst zu haben."

"Schön für Ronja, aber ich traue ihr trotzdem nicht." Meilo streckt seine Hand nach mir aus. "Vergiss es! Ich gehe da nicht hin."

"Gut. Dann zeige ich dir jetzt Robert. Vor ihm brauchst du wirklich keine Angst haben. Er hat noch nie jemanden gebissen oder gar nach jemanden ausgekeilt. Er ist eine Seele von einem Pferd." Das sagt er, aber weiß das auch der gute Robert?

Meilo läuft weiter, bis zum nächsten Fenster. Ich folge ihm. Wieder mit Abstand. "Der ist ja ... fett!"

"Der ist doch nicht fett!", prustet Meilo los. "Das ist ein Kaltblut. Die sind stämmig gebaut, aber nicht fett!"

"Ist das nicht das Selbe?", frage ich altklug.

"Bei Pferden nicht." Grinsend öffnet er die Tür der Box.

"Du lässt den doch jetzt nicht raus?", japse ich und schiele rüber zum Ausgang, ob ein schneller Abgang möglich ist.

"Keine Sorge. Es ist noch eine Kette davor", beruhigt er mich.

"Der sieht aber so aus, als könne er die leicht durchbrechen", gebe ich zu bedenken, als ich das dünne Kettchen sehe, das innen vor der Tür hängt.

"Das wird er aber nicht ... Nicht wahr mein Hübscher? Na komm her." Meilo streckt seine Hand aus. Mit langsamen, ausholenden Schritten dreht sich dieses riesige Pferd um und schnuppert neugierig an seiner Hand, bevor die große Oberlippe über die Handfläche zappelt und dann Meilos Hand genüsslich ableckt. Mich überläuft es. Wenn der zubeißt! Meilo scheint meine Sorgen nicht zu teilen. Der streichelt mit der anderen Hand das Tier, klopft ihm auf den Hals und krault ihn hinter den Ohren. "Das mag er besonders. Willst du auch mal?"

"Nein!" Im Leben nicht!

"Jetzt komm schon du Schisser. Ich bin doch bei dir."

"Ich will aber nicht!"

Wieder streckt Meilo seine Hand nach mir aus. Wenigstens ist es nicht die angesabberte. "Du vertraust mir doch."

"Das schon, aber nicht dem dicken Robert." Dem menschlichen Robert habe ich übrigens auch nicht so recht über den Weg getraut. Zum Glück ging unsere Bekanntschaft über ein freundliches Hallo nicht weiter hinaus. Ich wurde ihm von einem Bekannten vorgestellt und danach sahen wir uns nie wieder.

"Aber ich vertraue ihm. Und wenn er gefährlich wäre, würde ich dich erst gar nicht in seine Nähe lassen", sagt Meilo zu mir. Sehr beruhigend. Dennoch bleibe ich da stehen, wo ich bin. "Er ist total liebt, glaube mir. Sogar kleine Kinder trägt er manchmal spazieren." Meilo grinst frech und ich sehe ihm genau an, was er denkt. Er denkt, ich hätte mehr Schiss als ein kleines Gör! Na warte! Dem zeig ich's!

Ich beiße die Zähne zusammen und gehe zwei Schritte vor. Gerade soweit, dass ich Meilos Hand erreiche. "Du musst schon näher kommen", kichert er. Fein. Dann eben noch einen Schritt. Meilo scheint das immer noch nicht nahe genug zu sein. Er greift meine Hand und zieht mich zu ihm. "Hey!"

"Nur die Ruhe. Siehst du? Robert zuckt noch nicht mal, obwohl du herumhampelst und herumschreist."

"Ich hample nicht herum! Und schreien tu ich auch nicht!" Ich stürze beleidigt die Lippen.

"Ja, ja, wie du meinst. Komm her jetzt." Ja, ja?

"Ich geb dir gleich ja, ja", knurre ich.

"Jetzt sofort?" Verschmitztes Grinsen.

"Nicht vor Robert. Ich stehe nicht so sehr auf Sex mit Zuschauern."

"Zier dich nicht so. Los. Fass ihn an." Äh ... was?

"Aber ... Kann hier denn niemand reinkommen?"

"Jederzeit", raunt Meilo mir zu.

"Aber dann ... Ah!" Auf einmal liegt meine Hand auf Roberts breiter Brust. Ich fasse gerade ein Pferd an!

"Siehst du? Halb so schlimm", sagt Meilo und tupft mir einen Kuss auf die Schläfe.

"Du hinterlistiger Kerl! Ich dachte, ich soll dich anfassen!"

"Wer behauptet denn sowas?" Boha! Manchmal könnte ich ihn ... "Aber wo wir schon mal beim Thema sind ..." Mein Mund wird gestürmt. Und immer noch liegt meine Hand auf Robert. Sein Fell ist weich und warm, aber nichts im Vergleich zu Meilos verheißungsvollen Lippen.

Als wir uns wieder trennen, sehe ich das selbe Glimmen in seinen Augen, wie zuvor auf dem Weg hier her. "Sind wir hier wirklich nicht ungestört?", frage ich ihn mit belegter Stimme.

"Nein, aber ich kenne einen Ort, wo wir das sind." Roberts Stalltür wird wieder zugemacht. "Folge mir."
 

*
 

Vorsichtig ziehe ich meine Finger aus dem Heu, nachdem ich wieder halbwegs geordnet denken kann. Meilo lehnt schwer an meinem Rücken und hält mich noch immer fest in seinem Arm. "Meilo?"

"Ja?"

"Das Heu piekst mich in den Bauch." Wollpullover sind heudurchlässig. Wer hätte das gedacht?

"Warte." Er löst sich von mir. "Hast du Tempos einstecken?"

"Leider nicht." Zu blöd. Aber wer hätte auch voraussagen können, dass Meilo und ich zusammen im Heu landen?

Meilo pustet laut Luft aus dem Mund, während ich meine verkrampften Finger lockere. Durch das Plastiknetz des Heuballens, zieren rote Striemen meine Fingerglieder. "Warte kurz hier. Ich hole was zum Säubern."

"Okay. Beeil dich aber."

"Mach ich. Bin gleich wieder da. Und schön die Arschbacken zusammenkneifen." Ich verziehe das Gesicht, was ihn zum Grinsen bringt. Schön die Arschbacken zusammenkneifen. Pff! Als ob ich eine andere Wahl hätte ...
 

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