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Seelenschatten

HPYGO
von

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Dolores Umbridge


 

Dolores Umbridge

 
 

*

 

Professor McGonagall schürzte die schmalen Lippen. Sie war offenkundig sehr angespannt. Ihre langen Finger trommelten steif auf einen sehr dünnen Aktenordner, welcher auf ihrem gepflegten Schreibtisch lag. Es war derselbe Ordner, den Professor Dumbledore ihr vor einigen Wochen ausgehändigt hatte. Inzwischen hatte sie die darin zusammengetragenen Berichte eingehend studiert, doch dies hatte keineswegs zu ihrer Beruhigung beigetragen.

 

Tatsächlich hatte sie das Studium der Akte auf weitere besorgniserregende Vorkommnisse gestoßen.

 

Offensichtlich hatte Mr Mutou eine Schwäche für ein in Japan nicht unpopuläres Kartenspiel und war, was man hörte, darin auch recht erfolgreich. Seinen Gegenspielern jedoch waren oft sehr seltsame Dinge widerfahren.

 

Professor McGonagall, die zwar eine Hexe war, doch deren Vater ein einfacher, schottischer Pfarrer gewesen war, verstand durchaus einige Konzepte von Muggeltechnologien und konnte sich zusammenreimen, was man gemeinhin unter Begriffen wie »Projektoren« und »Hologrammen« zu verstehen hatte. Sie konnte daher mit ziemlicher Gewissheit annehmen, dass in diesem Spiel niemals Menschen zu Schaden hätten kommen sollen.

Und doch hatte sich eine beeindruckende Anzahl von Mutous Gegnern nach ihren Spielen in sehr beklagenswerten seelischen oder körperlichen Verfassungen befunden, was schließlich darin gegipfelt war, dass beinahe alle unterlegenen Teilnehmer eines Turniers in ein Koma gefallen waren. In einem anderen Fall war der Ausrichter tot in seinem Arbeitszimmer aufgefunden worden, nachdem er gegen Mr Mutou verloren hatte. Eine natürliche Todesursache konnte ausgeschlossen werden. Man hatte ihm auf scheußliche Art ein Auge ausgerissen.

 

Professor McGonagall fiel es zunehmend schwerer zu glauben, dass das japanische Zaubereiministerium niemals Wind von diesen Geschehnissen bekommen hatte. Doch offizielle Untersuchungen hatte es zu keinem der Fälle gegeben. Die komatösen Turnierteilnehmer hatte man sich mit Sauerstoffmangel erklärt (das Turnier hatte auf einem Luftschiff stattgefunden) und der ermordete Muggle war einem sehr brutalen Raubüberfall zum Opfer gefallen.

 

Besorgt blickte Professor McGonagall aus dem Fenster ihres Studierzimmers. Inzwischen war der Himmel über dem schottischen Hochland von der untergehenden Sonne feuerrot getränkt. Die Abenddämmerung war angebrochen. Bald würde im Bahnhof von Hogsmeade der Hogwarts-Express eintreffen und diesmal neben einer Meute hungriger und aufgedrehter Schüler auch Mr Mutou in die magische Welt entlassen. Professor McGonagall konnte nicht sagen, dass sie ob dieser Vorstellung besonders erheitert war.

 

Sie erhob sich von ihrem hohen Lehnstuhl, strich rasch die Falten ihres smaragdgrünen Umhangs zurecht und richtete ihren Spitzhut, bevor sie mit straffen Schritt den Raum durchmaß. In Anbetracht der fragwürdigen Umstände, die Mr Mutou offensichtlich verfolgten, hielt sie es für angebracht, diesen in Empfang zu nehmen. Sie konnte es nicht gutheißen, wenn so jemand verloren und ahnungslos über die Ländereien von Hogwarts streunte.

 

Doch Professor McGonagall hatte noch nicht einmal die Tür erreicht, als es an eben dieser plötzlich klopfte.

 

Sie stockte. Hinter ihren quadratischen Brillengläsern zogen sich ihre Augenbrauen argwöhnisch zusammen. Eine glockenhell gekünstelte Stimme erhob sich.
 

»Minerva.«
 

Professor McGonagall schloss für einen Moment die Augen, sich ganz offensichtlich der Hoffnung hingebend, dass, wenn sie das Problem nur lange genug ignorierte, es sich einfach auflöste.
 

Doch es klopfte erneut und die Säuselstimme fragte: »Minerva, hätten Sie einen Augenblick Zeit für mich?«
 

»Ja, schon gut«, presste Professor McGonagall schließlich mit fest aufeinander gebissenen Zähnen hervor, bevor sie gefasster und weitaus gebieterischer hinzusetzte: »Herein.«
 

Die Klinke wurde heruntergedrückt und Dolores Umbridge trat ins Büro. Dabei hätte sie kaum einen größeren Gegensatz zu Professor McGonagall bilden können. Wohingegen Minerva McGonagall eine groß gewachsene Hexe mit ernster Miene war, war Dolores Umbidge untersetzt und gedrungen und hatte ein Gesicht, das dem einer Kröte noch am ehesten ähnelte. Über ihrem Hexenumhang trug sie eine rosa Strickjacke aus flaumigem Flanell und in ihren mausgrauen Haaren saß eine kitschige Schleife im zur Jacke passenden grotesken Farbton.
 

»Minerva, wie schön es ist, Sie endlich zu treffen«, sagte Professor Umbridge und reichte Professor McGonagall die Hand mit den beringten Stummelfingern.
 

»Ebenfalls«, entgegnete Professor McGonagall steif, die keineswegs behaupten konnte, über Umbridges Erscheinen erfreut zu sein. Trotzdem erwiderte sie den Händedruck förmlich. »Kann ich Ihnen behilflich sein, Dolores? Ich muss leider sagen, dass ich sehr in Eile bin-«
 

»Oh, wie entzückend, dass Sie fragen«, unterbrach sie Professor Umbridge liebevoll und strahlte nun über ihr fettes, krötengleiches Gesicht. Die triefenden Glubschaugen traten quellend hervor und sie klimperte besonders mädchenhaft mit den Wimpern. »In der Tat hatte ich gehofft, Sie könnten mir ein paar Fragen beantworten.«

 

Professor McGonagall war einigermaßen entrüstet. Sie war es nicht gewohnt, unterbrochen zu werden. Dennoch beherrschte sie sich.

Sie bot Umbridge mit einer Handbewegung einen Stuhl an, der bei ihrem Schreibtisch stand. Professor Umbridge lächelte noch eine Spur zuckriger und nahm – ohne ein Wort des Dankes – Platz. Sie selbst kehrte zu ihrem hohen Lehnstuhl zurück. Auch sie lächelte, sah dabei jedoch so aus, als hätte sie Zahnschmerzen. »Nun, was kann ich für Sie tun, Dolores?«
 

»Wie Sie sicherlich wissen«, begann Professor Umbridge und zauberte nun aus einer geblümten Handtasche – ebenfalls von einem grässlichen Pink – ein Klemmbrett sowie einen langen Federkiel hervor, »hat Professor Dumbledore uns – dem Zaubereiministerium – nach Beschluss von Ausbildungserlass 22 eine Liste der aktuell besetzten Professuren zukommen lassen. Schließlich mussten wir sichergehen, dass auch alle Posten ordentlich besetzt sind.«
 

»Sicherlich«, sagte Professor McGonagall knapp ohne zu lächeln.
 

»Dabei sind wir auf einen Namen gestoßen, der uns bisher noch nicht bekannt war. Sehen Sie.« Sie nahm ihren Federkiel und deutete auf etwas auf ihrem Klemmbrett, das sie daraufhin Professor McGonagall zeigte. Man hatte Yugi Mutous Namen auf die Liste gesetzt. Umbridge schürzte die Lippen. »Sie als stellvertretene Schulleiterin wissen nicht zufällig, wer dieser Mr Mutou ist?«
 

Professor McGonagall hob beide Brauen. »Dürfte ich fragen, warum Sie sich darüber nicht bei Professor Dumbledore erkundigen?«
 

Dolores Umbridge kicherte. Es klang sehr unangenehm. »Nun, sicherlich hat Albus so kurz vor Beginn des Schuljahres sehr wichtige Angelegenheiten zu koordinieren. Ich wollte ihn dabei nicht stören.«
 

»Ah ja, natürlich. Wie ausgesprochen rücksichtsvoll von Ihnen«, erwiderte Professor McGonagall schroff und schürzte missbilligend die Lippen, »Professor Dumbledore hat mich über Mr Mutous Einstellung in Kenntnis gesetzt.«
 

»Das heißt, er existiert?«, fragte Umbridge unverblümt verblüfft und ihr breiter Mund verzog sich zu einer enttäuschten Schnute. »Nun, das ist eigenartig. Wir vom Zaubereiministerium konnten nämlich überhaupt keine Informationen über einen gewissen ‚Yugi Mutou‘ finden.«
 

»Wirklich? Wie ungewöhnlich«, entgegnete Professor McGonagall tonlos. Sie hatte ihre Hände nun zusammengefaltet, so wie es Professor Dumbledore zu tun pflegte. Die ohnehin schon schmalen Lippen hatte sie so fest zusammengepresst, dass sie nun eine dünne, blasse Linie bildeten. Sie dachte an die Akte, die neben ihr auf dem Schreibtisch lag.
 

»Ja, nicht wahr?«, sagte Umbridge und ihre Stimme nahm einen fremdartig scharfen Tonfall an. »Also, haben Sie vielleicht einige zusätzliche Informationen? Schließlich geht es um das Wohl der Schüler«, setzte sie, nun wieder säuselnd, hinzu. Sie hatte die Feder bereits gezückt und das Klemmbrett in ihrem Schoß platziert.

 

Professor McGonagall nahm einen tiefen Atemzug. »So weit ich weiß, hat Professor Dumbledore Mr Mutou in Ägypten getroffen.«
 

»Ägypten? Nein, wie spannend«, erwiderte Professor Umbridge und kritzelte inzwischen eifrig auf ihr Klemmbrett. Dann sah sie erwartungsvoll zu Professor McGonagall auf. Ihre Krötenaugen quollen gierig auf. »Und wissen Sie, was Mr Mutou dort gemacht hat?«
 

»Nicht jedes Detail«, antwortete Professor McGonagall vage. Sie wog ab, was man Dolores Umbridge offen mitteilen konnte ohne ihr Misstrauen zu erwecken. »Er befand sich dort wohl auf einer Art Forschungsreise. Er hat sich intensiv mit der Historie des Alten Ägyptens auseinandergesetzt und frönt sich eines beeindruckenden Rufes in diesem Fachgebiet.«
 

Umbridge machte sich noch eine Notiz. »Vortrefflich. Sonst noch etwas?«

 

»Ich fürchte, mehr kann ich Ihnen bedauerlicherweise nicht mitteilen«, entgegnete Professor McGonagall mit einem kühlen Lächeln, »Sie könnten natürlich Mr Mutou selbst fragen, sobald er hier eingetroffen ist. Ich nehme an, dass er Ihnen wohl am besten mitteilen kann, wer er ist.«  
 

Professor Umbridge schien über die Antwort tatsächlich ein wenig enttäuscht zu sein. Ihr breites Lächeln fiel etwas in sich zusammen und sie ließ die gezückte Feder sinken.
 

»Oh, sicherlich werde ich das tun«, sagte sie lahm. Sie steckte Federkiel und Klemmbrett wieder in ihren Umhang und erhob sich, wobei sie im Stehen nicht einen Zoll größer als im Sitzen war. »Nun, das ist immerhin etwas. Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Unterstützung. Wenn Sie mich nun bitte entschuldigen. Ich habe noch eine dringende Eule zu verschicken. Ich wünsche noch einen angenehmen Abend.«
 

Und mit einem zuckersüßen Lächeln verließ Dolores Umbridge das Büro.

 
 

*

 

»Wahnsinn!«
 

Yugi hatte noch nie ein westliches Schloss gesehen. Daher war er umso beeindruckter, als er nun vor einem besonders atemberaubenden Exemplar stand.

 

Bereits aus der Ferne hatte das Schloss, welches die magische Schule beherbergte, prachtvoll ausgesehen. Es ragte auf dem Zenit eines Hügels empor. Seine schwarzen Umrisse reichten wie ein unzerstörbares Monument in einen sternenlosen Himmel auf. Türme und Zinnen schmückten ineinander verschachtelte Bauten und in hunderten winziger Fenster brannte warmes, flackerndes Licht. Es warf sich in langen Lichtbahnen auf die Ländereien und malte auf die umliegenden und sanft abfallenden Wiesenhänge briefmarkengroße und gelblich schimmernde Quadrate. Ein gigantisches Eichenportal markierte den Zugang zum Schloss. Dessen Flügel waren weit aufgestoßen und zahlreiche Schüler strömten in ihren langen, schwarzen Roben ins Innere des Schlosses. Beide Seiten des Tores wurden von Fackeln flankiert, deren Licht auf den zum Eingang hinaufführenden steinernen Treppenabsatz fiel.
 

Yugis Ehrfurcht wich einem sehr nachdenklichen Gesichtsausdruck. Schon im tropfenden Kessel war es ihm aufgefallen. Elektrizität, Mobiltelefone und Internet gab es in dieser magischen Parallelgesellschaft offenbar nicht. Tatsächlich war das modernste, was er bisher gesehen hatte, die alte Dampflok gewesen, die sie hierhergebracht hatte. Er fragte sich zwangsläufig, ob Technik überhaupt kompatibel mit dieser magischen Welt war. In der ausgedellten Tasche, welche auch seine Millenniumsgegenstände beherbergte und die er sich über die Schulter geworfen hatte, kramte er nach seinem Handy. Er zog es hervor und stellte fest, dass es ausgeschaltet war und auch auf keinen seiner Versuche, es wieder einzuschalten, reagierte. Er hatte sowas in der Art schon erwartet. Im tropfenden Kessel hatte das Telefon bereits gesponnen, doch dort hatte es Yugi auf einen schlechten Empfang geschoben.
 

»Hast du dafür eine Erklärung?«, fragte er den Pharao, dessen Geisterform tatsächlich mit leichten Kuriosum das Schloss studierte, und zeigte ihm das streikende Telefon. 

 

Atemu runzelte die Stirn, bevor er schließlich nur unbestimmt den Kopf schüttelte. »Es existieren einige Dinge in dieser Welt, die ich mir nicht erklären kann.«
 

Yugi nahm an, er könne nur den Kratzer meinen, der immer noch gut sichtbar auf seinem Oberarm prangte. Auch auf dieses Rätsel hatten sie sich noch keinen Reim gemacht.

Doch stattdessen deutete Atemu plötzlich über seine Schulter.
 

»Diese Kutschen dort«, sagte er und zeigte auf die schwarzen, pferdelosen Kutschen, die gleich eines Trauerzuges auf einem geschotterten Zufahrtsweg standen und welche sämtliche Passagiere des Hogwarts-Expresses von einem einsamen Bahnsteig hierher transportiert hatten, »Siehst du, von was sie gezogen werden?«
 

»Sie werden von etwas gezogen?« Yugi betrachtete skeptisch die Kutschen, wobei er ganz besonders die leeren Deichseln untersuchte. Aber wie sehr er sich auch bemühte, er konnte absolut nichts entdecken.
 

»Unsichtbar?«, fragte er den Geist.
 

»Zum Teil«, antwortete dieser und besah sich nun eingehend die Mienen der ins Schloss kehrenden Schüler. Einige von ihnen schienen von Furcht und Unbehagen gekennzeichnet. Der Rest jedoch wirkte vergnügt und aufgekratzt. »Ich nehme an, dass nicht jeder in der Lage ist, die Gestalt dieser …« – er suchte kurz nach einem passenden Wort – »… dieser Wesen wahrzunehmen. Doch ich kann dir die Gründe dafür nicht nennen.«

 

Yugi fragte, ob Atemu sie denn sehen konnte, was dieser bejahte. Neugierig wollte er wissen, wie diese Wesen aussahen. Er war ein wenig neidisch darüber, dass Atemu sie sah. Dieses Empfinden erlosch jedoch sehr rasch wieder, als der Geist tatsächlich sogar vergnügt antwortete: »Sie erinnern mich an Ryous Deck.«

 

Yugi erbleichte. Er erinnerte sich sehr gut an Ryous Duel Monsters Deck. Jounouchi packte jedes Mal das blanke Grauen, wenn er nur daran dachte, was in diesem unscheinbaren Kartenstapel lauerte, und Yugi hatte es ihm nie verübeln können. Ryous Deck war vollgestopft mit Untoten, Zombies, Unterweltler und etlichem okkulten Schnickschnack, wobei fast jede Karte die vorhergehende in puncto Gruseligkeit noch übertraf. Yugi wollte sich lieber nicht ausmalen, wie ein reales Geschöpf aussehen musste, das angeblich so perfekt in diese Sammlung passte.
 

»Wir sollten uns überlegen, was wir wegen des Telefons unternehmen. Die anderen werden sich Sorgen machen, wenn wir uns nicht melden«, sagte er, um sich auf andere Gedanken zu bringen, und wog das Handy nachdenklich in seiner Hand. Auf die Schnelle jedoch wollte ihm keine Möglichkeit einfallen. Auch der Pharao zuckte lediglich ratlos mit den Schultern. Also mussten sie eine Lösung des Problems auf später verschieben.

Seufzend steckte Yugi das Telefon zurück in seine Tasche, vergewisserte sich, dass diese auch ja ordentlich geschlossen war, dann machte er sich auf den Weg zum Schloss.

 

Dort erwartete man ihn bereits.

 

»Yugi Mutou?«, fragte eine Hexe, die auf den Steinstufen vor dem Eichenportal stand, und die Ankunft der Schüler überwachte. Sie war eine große Frau mit sehr ernster und strenger Miene, die ihn über den Rand einer Brille mit eckigen Gläsern eisern musterte. Yugi hatte das Gefühl, wie ein fremdartiges Museumsstück studiert zu werden. Der Blick der Hexe blieb an Yugis Tasche hängen und ihre Brauen kniffen sich argwöhnisch zusammen. Die feinen Härchen in Yugis Nacken sträubten sich. Er hoffte inständig, dass sie bloß nicht fragte, was sich in der Tasche befand. Sie tat ihm den Gefallen.

 

»Sehr schön«, sagte sie steif, als sie von ihrer Begutachtung abließ, »Mein Name ist Minerva McGonagall. Professor Dumbledore hat mich darum gebeten, Ihnen den Weg zur Großen Halle zu weisen. Folgen Sie mir bitte.«

 
 

*

 

Eigentlich hatte sich Harry Potter auf den Beginn des neuen Schuljahres ziemlich gefreut. Nach einem besonders desolaten Sommer, dessen negative Höhepunkte die Wiederauferstehung von Voldemort, ein Dementoren-Angriff in Little Whinging und nicht zuletzt eine Anhörung vor dem Zaubergamot, dem höchsten Gericht der Zauberei, gewesen waren, hatte Harry angenommen, dass seine Rückkehr nach Hogwarts ihm wenigstens ein gewisses Maß an Freude verschaffen und somit die bitteren Gedanken aus seinem Kopf treiben konnte. Doch diese Hoffnung war jäh zerplatzt, als sich Harry auf einen Stuhl am Haustisch der Gryffindors gesetzt hatte und zum Lehrertisch aufblickte. Auch hier fehlte von Hagrid jede Spur. Die Abwesenheit seiner massigen Gestalt riss unweigerlich eine klaffende Lücke in die Reihen der Professoren. Doch es war nicht nur Hagrid, der fehlte. Überhaupt schien die lange Holztafel auf dem Podium heute nur sehr dürftig besetzt zu sein.
 

»Wo sind die denn alle?« Ron, der sich neben Harry ächzend und magenknurrend auf einen Stuhl hatte plumpsen lassen, hatte ebenfalls die recht beträchtliche Anzahl freier Plätze am Lehrertisch bemerkt.
 

»Da sitzt bestimmt die Raue-Pritsche«, sagte Hermine sofort. Sie saß ihnen gegenüber und zeigte auf einen freien Stuhl, welcher neben dem von Hagrid stand. Harry und Ron nickten zustimmend. Da Professor Raue-Pritsche noch die Erstklässler über den Schwarzen See lotste, war es logisch, dass ihr Platz ebenfalls unbesetzt war. Der Stuhl an Dumbledores rechter Seite war um die Uhrzeit gewöhnlicherweise auch noch leer. Er gebührte Professor McGonagall, die wie üblich in der Eingangshalle auf die neuen Schüler wartete. Doch keiner konnte sich den unbesetzten Stuhl zwischen McGonagalls Platz und Professor Snape, der am heutigen Tag besonders sauertöpfisch die einkehrenden Schüler beobachtete, erklären. Außerdem befand sich auch zu Dumbledores anderer Seite hin noch ein freier Platz.

 

»Fehlt noch jemand?«, fragte Harry, der nun die Professoren reihum ansah. Ihm jedenfalls kam es so vor, als seien mit Ausnahme von Binns und Trelawney – die allerdings beide nie am Festessen teilnahmen, da Binns tot und Trelawney verrückt war – alle Lehrer anwesend. Ron jedoch schnippte plötzlich mit den Fingern und riss die Augen weit auf.
 

»Ja, klar! Der Typ aus‘m Zug fehlt.«
 

»Wer?«, fragte Harry reichlich ahnungslos, woraufhin Rons Ohren schlagartig einen blassrosa Farbton annahmen und er hilfesuchend zu Hermine blickte. Auch sie machte einen äußerst verlegenen Eindruck. Sie biss sich auf die Lippen.
 

»Tut mir leid, Harry«, sagte sie rasch und in einem Tonfall, von dem sie annahm, dass er Harry einigermaßen beschwichtigte, »Aber wir hatten so viel mit unseren Aufgaben als Vertrauensschüler zu tun, dass wir einfach vergessen haben, es dir-«
 

»Ja, schon gut. Ich hab’s verstanden«, unterbrach sie Harry grollend. Er konnte ihre Ausreden, warum sie dieses und jenes nicht getan oder ihm nicht gesagt hatten, nicht mehr ertragen. Den ganzen Sommer hatte er sie sich bereits anhören müssen. »Also, wen habt ihr getroffen?«

 

Offensichtlich höchst glücklich darüber, dass Harry nicht erneut aus seiner Haut fuhr, begannen Hermine und Ron ihm ihre Begegnung mit dem neuen Professor zu schildern.
 

»Ziemlich seltsamer Kauz«, urteilte Ron schließlich, der Harry eben Krummbeins Attentatsversuch sowie die Reaktion des neuen Professors zusammengefasst hatte, und nun vielsagend einen Finger neben seiner Schläfe kreisen ließ.

 

Hermine sah ihn scharf an. Ihr lag offensichtlich bereits ein Tadel auf den Lippen. Doch anstatt diesen auszusprechen, stieß sie plötzlich ein leises »Oh« aus und ihre Augen weiteten sich. Noch bevor Harry und Ron fragen konnten, was los sei, zeigte sie bereits auf die Flügeltüren, welche von der Eingangshalle in die Große Halle führten. »Da ist er ja!«
 

Harry und Ron drehten sich blitzlinks auf ihren Stühlen um. Und Harry kam zu dem Schluss, dass Rons Beschreibung des neuen Lehrers als »seltsamer Kauz« kaum treffender hätte ausfallen können.

Weitere Köpfe flogen zum Neuankömmling herum, welchem von Professor McGonagall der Weg gezeigt wurde, und noch mehr folgten diesem Beispiel. Eine Woge verhaltenen Geflüsters und Getuschel brandete auf. Harry konnte es niemanden verdenken. Flapsig ausgedrückt erinnerte ihn der neue Professor an einen Muggel-Punk mit Zaubererumhang. Ein paar Plätze weiter pfiffen Fred und George Weasley daher anerkennend.

 

»Was glaubst du, was dieser Typ unterrichten wird?«, fragte Ron.

 

»Ist das nicht klar?«, warf Hermine selbstverständlich ein. Doch als sowohl Ron wie auch Harry sie nur verständnislos ansahen, seufzte sie und erklärte: »Es gibt nur eine Stelle, die Dumbledore jedes Jahr neubesetzen muss: Verteidigung gegen die Dunklen Künste
 

»Schade um ihn«, erwiderte Ron nüchtern, woraufhin Hermine ihn sehr streng ansah.

 

Ron zuckte unbekümmert mit den Achseln und begann an seinen Fingern abzuzählen: »Erstes Schuljahr: Quirill. Von Du-weißt-schon-wen besessen und tot. Zweites Schuljahr: Lockhart, der sich sein Gedächtnis selbst ausradiert hat-«
 

»Aber nur, weil er deinen kaputten Zauberstab benutzt hat.«
 

»Drittes Schuljahr«, fuhr Ron fort, ohne Hermines Einwand zu beachten, »Lupin, der als Werwolf bloßgestellt und zur Kündigung gezwungen wurde. Und viertes Schuljahr« – er machte eine besonders dramatische Geste – »Moody, den man für ein Jahr in einen Koffer gesperrt hat, während seinem Todesser-Doppelgänger von einem Dementor die Seele ausgesaugt wurde. Also wenn du mich fragst, kann sich der Kerl schon glücklich schätzen, wenn er das Jahr überlebt. Der Job ist verflucht.«

 

Harry konnte Ron nur zustimmen. Auf ihn machte der neue Professor keinen besonders taffen Eindruck. Tatsächlich schien er sogar verängstigt zu sein, denn er hatte sich verkrampft an eine Tasche geklammert, die er über seine Schulter geworfen hatte. Harry stutzte darüber. Eigentlich war es Praxis, sein Gepäck im Zug zu lassen. Er drehte sich fragend zu Hermine um.

Auch ihr schien es aufgefallen zu sein, denn sie hatte die Stirn nachdenklich in Falten gelegt. Doch noch bevor sie ihre Beobachtung laut aussprechen und somit auch Ron darauf hinweisen konnte, verengten sich ihre Augen plötzlich zu argwöhnischen Schlitzen.

 

»Wer ist das denn?«, fragte sie scharf.
 

Harry folgte ihren Augen. Eben war eine Frau in die Große Halle eingetreten, die nicht minder sonderlich wirkte als der zuvor angekommene Professor. Ihre rosafarbene Strickjacke leuchtete wie ein Signalfeuer zwischen den schwarzen Schulumhängen. Ihr Gesicht war plump, fahl und krötenähnlich. Harry erschrak. Er kannte diese Frau. Er hatte sie schon einmal gesehen.
 

»Das ist diese Umbridge!«, sagte er entsetzt zu Ron und Hermine gewandt. Beide sahen ihn an, als könnten sie seinem Entsetzen nicht folgen. Wütender als angedacht setzte er hinzu: »Sie war bei meiner Anhörung. Sie arbeitet für Fudge und das Zaubereiministerium.«

 
 

*

 

Dumbledores blaue Augen funkelten, als sie Yugi entdeckten. Er sprang vergnügt von seinem hohen Lehnstuhl auf und ging mit eleganten Schritten auf diesen zu. Sein Umhang, der am heutigen Tag von einem sattem Dunkelviolett war und mit silbernen Sternen gesprenkelt war, wogte hinter ihm. Er strahlte den Neuankömmling an.
 

»Ah, Yugi, es freut mich außerordentlich, Sie so wohlbehalten hier in Hogwarts willkommen heißen zu dürfen.«
 

»Danke«, erwiderte Yugi höflich, wobei es ihm allerdings schwerfiel, sich überhaupt auf Dumbledore zu konzentrieren. Ehrfürchtig sah er nach oben, wo sich eigentlich eine Decke hätte befinden sollen. Doch stattdessen blickte er in etwas, das exakt wie der schottische Nachthimmel aussah und ihn ganz offenkundig überforderte.

 

Dumbledore lächelte gütig. »Beeindruckend, nicht wahr?«

 

»Ee. Haben … anou … Sie das gemacht?« Fahrig deutete Yugi zum verzauberten Himmelwerk hinauf. Er machte immer noch einen sehr überfahrenen Eindruck.  
 

»Oh, Sie schmeicheln mir«, entgegnete Dumbledore sogleich und zwinkerte über den Rand seiner halbmondförmigen Brillengläser, »Nicht einmal in meinen kühnsten Träumen würde ich es mir anmaßen, so ein gewaltiges Stück Magie zu wirken. Nein, diese Decke wurde einst von den Gründervätern dieser Schule verzaubert, was sie meines Erachtens umso beeindruckender-« Dumbledore stutzte plötzlich, blickte einen Moment sehr aufmerksam in die Große Halle. Dann seufzte er schwermütig und fuhr fort: »Doch ich befürchte, dass wir unser Gespräch über die Wunder dieser Schule vorerst verschieben müssen.«
 

Yugi Mutou schwieg höflich, was Professor Dumbledore als stumme Bitte sah, seine Ausführungen fortzuführen. Die Stimme hielt er dabei verschwörerisch gesenkt. Die Fröhlichkeit war längst aus ihr gewichen. Sogar das vergnügte Zwinkern seiner Augen blieb aus. Er wirkte in jeder Hinsicht betrübt.  
 

»Yugi, in Anbetracht der aktuellen Situation halte ich es für unerlässlich, Ihnen einige sehr wichtige Geschehnisse, die sich seit unserem letzten Treffen zugetragen haben, zu erklären. Die Konsequenzen könnten sonst möglicherweise fatal sein.«
 

»Inwiefern?«, erkundigte sich Yugi unerwartet eisig. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen.

 

Professor Dumbledore war erstaunt ob dieser offenen Austragung von Misstrauen. Für einen Augenblick gar gewann er den Eindruck, Yugis Persönlichkeit wäre einem herben Wandel unterlaufen. Doch Albus Dumbledore war zu klug genug, um diese offenkundige Änderung des Naturells anzusprechen, und sie war bereits wieder verflogen, als er schließlich bedeutungsschwer das Haupt schüttelte.
 

»Ich fürchte, dies ist nicht der richtige Ort, um eine solche Angelegenheit zu besprechen. Es gibt hier zu viele Ohren, die an zu scharfen Verständen mit zu viel Einfluss hängen.«
 

Yugi öffnete den Mund, freilich um die Bemerkung zu hinterfragen, als ein leises »chrm, chrm« ihn jäh zusammenfahren und herumwirbeln ließ.

Eine kleine, stämmige Hexe hatte den Lehrertisch erreicht. Sie lächelte breit, als sie Yugi entdeckte.
 

»Ah, Professor Umbridge, wie schön, dass Sie uns Gesellschaft leisten«, begrüßte Professor Dumbledore sie, längst wieder mit einem fröhlichen Lächeln auf den Lippen. »Yugi, wenn ich Ihnen vorstellen darf: Das ist Professor Dolores Umbridge. Sie wird sich in diesem Schuljahr dem Fach Verteidigung gegen die dunklen Künste widmen. Dolores, ich nehme an, Sie wissen, wer das hier ist?«
 

»Aber natürlich«, sagte sie strahlend und ihr Lächeln wurde noch breiter, »Sie müssen Mr Mutou sein, nicht? Ich habe gehört, Sie waren in Ägypten. Das muss unheimlich faszinierend gewesen sein, nicht wahr?«
 

»Ee … ja.«
 

»Fantastisch!« Sie klatschte sich in die fetten Hände. »Was halten Sie davon, wenn Sie mir ein wenig von ihrer Reise berichten? Ich wette, das wäre für mich sehr aufschlussreich.«
 

»Ah, ein ausgezeichneter Vorschlag, Dolores«, entgegnete Dumbledore, noch bevor Yugi überhaupt etwas zu erwidern wusste, »Aber ich befürchte, wir müssen diese zweifellos sehr hervorragende Idee unglücklicherweise auf eine andere Gelegenheit vertagen. Wir sollten die Schüler nicht länger warten lassen. Yugi, hätten Sie wohl die Güte sich neben Professor Snape zu setzen?«, fügte er lächelnd hinzu und bedeutete mit einer Hand auf einen leeren Stuhl neben einem besonders griesgrämig dreinblickenden Mann.

 

Yugi folgte dem Zeig und zögerte, woraufhin Dumbledore erheitert gluckste.
 

»Nehmen Sie es dem guten Severus nicht übel. Er bevorzugt die Darstellung als Griesgram. Doch tief in seinem Herzen ist er ein überaus gutmütiger und warmherziger Mensch.«
 

Yugi fragte sich still, wie tief man im Herzen von Severus Snape wohl suchen musste, um die beschriebenen Eigenschaften aufzuspüren.

 

Dumbledore antwortete verschwörerisch: »Sehr tief.«

 
 

*

 
 

»In alter Zeit, als ich noch neu,

Hogwarts am Anfang stand,

Die Gründer unsrer noblen Schule

Noch einte ein enges Band.
 

[…]
 

Oh, seht das Verderben und deutet die Zeichen,

Die aus der Geschichte erstehen.

Denn unsere Schule ist in Gefahr,

Sie mag durch äußere Feinde vergehen.
 

Wir müssen uns stets in Hogwarts vereinen

Oder werden zerfallen von innen.

Ich hab’s euch gesagt, ich habe gewarnt…

Lasst die Auswahl nun beginnen.« *)

 
 

*

 

Yugi war überrascht, wie wenig er sich über einen sprechenden Hut wunderte. Natürlich, im ersten Moment hatte er weder seinen Augen noch seinen Ohren getraut, als sich ein Riss über der Krempe eines von Flicken zusammengehaltenen Hexenhutes geöffnet hatte, um ein Liedchen anzustimmen. Doch er hatte sich schneller gefasst, als es wohl ein gewöhnlicher Mensch getan hätte, was zweifellos ein Zeichen dafür war, wie sehr sich die Magie in sein Leben eingemischt hatte.

Er hatte sich auch nicht darüber gewundert, dass der Hut offensichtlich in den Kopf seines jeweiligen Trägers spähen konnte, denn jeder neue Schüler trat vor, setzte sich den alten Filzhut auf und dieser verkündete nach einer Weile den Namen des Schulhauses, welches den Charaktereigenschaften des Kindes am ehesten entsprach.

 

Die Auswahlzeremonie endete, nachdem der sprechende Hut den letzten Schüler (»Zeller, Rose«) nach Hufflepuff geschickt hatte und nun füllten sich die zuvor noch leeren goldenen Platten mit allerlei Speisen und in den Karaffen schwappten Getränke.

Sogleich klapperten Teller, Bestecke klirrten, Schüler schwatzten und schmatzten munter.
 

Auf diesen Moment hatte Yugi insgeheim gewartet. Er überprüfte, ob seine Nachbarn – Professor McGonagall auf der einen und Professor Snape auf der anderen Seite – auch wirklich mit dem Abendessen beschäftigt waren, dann wandte er sich an die Stimme in seinem Kopf.  

 

»Hast du bemerkt, wovon der Hut in seinem Lied gesprochen hat?«

 

»Eine Warnung, offenkundig.«
 

»Ja, schon. Aber worauf bezieht sie sich?«

 

Der Pharao überlegte einen Moment. Normalerweise war er es, der problemlos zwischen den Zeilen las und versteckte Botschaften entschlüsselte. Diesmal jedoch schien auch er keine Antwort parat zu haben.

 

»Wir wissen nicht genug über die Situation in dieser Welt, um die richtigen Schlüsse zu ziehen. Zweifellos trägt sich etwas zu, vor dem wir uns in Acht nehmen sollten.«

 

»Glaubst du, er hat über das gesprochen, vor dem uns auch Dumbledore warnen will?«
 

Erneut ließ sich der Geist sehr viel Zeit. »Spekulationen werden uns vorerst keine Hilfe sein. Wir werden uns in Geduld üben müssen, bis man bereit ist, uns notwendige Antworten zu geben. Ob diese Antworten jedoch unseren Erwartungen entsprechen, bleibt abzuwarten.« 

 

»Du traust Dumbledore nicht?« Yugi konnte nicht sagen, dass ihn diese Feststellung sonderlich verwunderte.
 

»Ich zweifle nicht daran, dass jene Dinge, die er uns bisher offenbart hat, der Wahrheit entsprechen. Doch Dumbledore scheint eine Menge Geheimnisse zu kennen. Und mich beschleicht das Gefühl, dass dieses Wissen auch Aspekte unserer Geheimnisse einschließen könnte. Wir sollten in seiner Gegenwart auf der Hut sein.«

 

»Glaubst du, er hat es bemerkt? Als wir getauscht haben, meine ich.«
 

Yugi sah unsicher zu Dumbledore hinüber. Dieser hatte sich den langen, silbernen Bart über die Schulter geworfen und hielt einen goldenen Kelch in Händen, indessen er sehr interessiert den Ausführungen von Professor Umbridge lauschte.
 

»Möglich«, entgegnete der Pharao – offenkundig verärgert über seine eigene Unbedachtheit, »Jedenfalls war es unklug meinerseits, die Kontrolle zu übernehmen.«
 

Doch Yugi winkte gelassen ab. Er wusste, dass jede Erwähnung von potenzieller Gefahr, die sich womöglich auch gegen Yugi richten konnte, die Alarmglocken des Geistes besonders kräftig schrillen ließ.
 

»Es wäre sowieso irgendwann passiert«, sagte er und zuckte leichthin mit den Schultern. Er dachte nach, lächelte, dann ergänzte er: »Eigentlich war es sogar ziemlich klug, oder? Je eher sie alle glauben, ich sei einfach nur durchgeknallt, desto wahrscheinlicher ist es doch, dass sie keine unbequemen Fragen stellen.«
 

»Diese Methode hat sich zumindest in der Vergangenheit als bewährt erwiesen«, räumte Atemu ein und klang nun sogar eine Spur belustigt. »Trotzdem ist es ratsam, vorerst unauffällig zu bleiben. Die Beobachtungsgabe dieser Menschen ist durch ihre eigene Magie geschärft. Sie könnten unser Wechselspiel weitaus schneller bemerken, als-«

 

Atemu unterbrach sich. Yugis Nebenmann, Professor Snape, hatte sich aus heiterem Himmel an diesen gewandt.

 

»Verzeihung«, sagte Severus Snape mit öliger Stimme, wobei seine blassen Lippen sich süffisant kräuselten. Er war ein ausgesprochen hagerer und fahlgesichtiger Mann, dem das schwarze Haar fettig und strähnig bis zu einer beunruhigend krummen Hakennase reichte. »Ich habe mich nur gewundert, ob es einen bestimmten Grund gibt, warum Sie nicht essen.«

 

»Anou … Ich …« Yugi suchte nach einer passenden Ausrede. Ein guter Lügner war er nie gewesen. Er blickte auf die Speisen, denen er bisher noch gar keine Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Er kannte kaum etwas davon. »Das sind … anou … sehr ungewöhnliche Gerichte und …«

 

»So?«, entgegnete Professor Snape höhnend, die Augenbrauen gefährlich in die Höhe gerissen, »Und ich nahm an, Sie wären zu vertieft in die Diskussion gewesen, die Sie mit sich selbst führen. Mein Fehler.«

 

Yugi erblasste sichtlich unter der Bemerkung. Unbehaglich rutschte er auf seinem Stuhl zurück, der plötzlich sehr unbequem geworden war. Doch Severus Snape hatte sich bereits von ihm weggedreht und sich wieder seinen eigenen Angelegenheiten gewidmet.   
 

»Nicht nur er hat dich beobachtet«, bemerkte der Pharao plötzlich, »Diese Frau dort neben Professor Dumbledore tut es ebenfalls.«

 

Yugi lehnte sich über den Tisch und spähte diesen hinab. Atemu hatte recht. Professor Umbridge beobachtete ihn ebenfalls. Und ihr scheinbar omnipräsentes Lächeln wurde zunehmend hässlicher.

 
 

*

 

»Willkommen!«

 

Harry fühlte sich bereits angenehm dösig und dämmerig, als sich Dumbledore von seinem throngleichen Stuhl in der Mitte des Lehrertisches erhob. Er hatte die Arme in einer willkommen heißenden Geste ausgebreitet und hinter seiner Brille funkelten seine Augen im Schein der schwebenden Kerzen.

Harry und Ron lauschten der feierlichen Rede zum Abschluss des Festessens und der Eröffnung des Schuljahrs nur halbherzig. Stattdessen kämpften sie mit der Müdigkeit, die ihnen bleiern in den Knochen saß, und bemühten sich, nicht zu auffällig zu gähnen, was ihnen zwar von Hermine verärgerte Blicke einbrachte, sie jedoch nur wenig kümmerte. Sie tauschten kurz ein künstliches Lächeln aus, als Dumbledore die Erstklässler davor warnte, den Verbotenen Wald zu betreten, dann wollten sie sich eigentlich ihrem angenehmen Dämmerzustand hingeben, als Hermine plötzlichen an den Ärmeln ihrer Umhänge zog.
 

»Dumbledore stellt die neuen Lehrer vor«, zischte sie ihnen zu. Harry und Ron fuhren rasch hoch.
 

»… erfreut, drei Änderungen im Kollegium anzukündigen«, sprach Dumbledore derweil, »Wir freuen uns, Professor Raue-Pritsche erneut willkommen zu heißen, die Pflege magischer Geschöpfe unterrichten wird. Ebenfalls bitte ich euch, Professor Mutou herzlich in unseren Reihen aufzunehmen.« Dumbledore machte eine rhetorische Pause und wies höflich auf den jungen Mann am Tisch. »Er wird sich zukünftig Geschichte der Zauberei widmen. Und nicht zuletzt freuen wir uns ebenfalls, euch Professor Umbridge vorstellen zu können, die fortan unsere neue Lehrerin für Verteidigung gegen die dunklen Künste sein wird. Wir wünschen ihr dafür alles …«

 

Doch Dumbledores letzte Worte gingen in einem schier unglaublichen Durcheinander aus geflüsterten Unterhaltungen, ungläubigem Keuchen und euphorischen Jubelrufen unter, welches plötzlich wie ein Großbrand in der Großen Halle aufflammte.

 

Harry, Hermine und Ron sahen sich überrascht an.

 

»Geschichte der Zauberei?«, wiederholte Hermine. Sie klang beinahe ein wenig enttäuscht. »Aber was ist mit Professor Binns?«
 

»Ist doch egal«, entgegnete Ron. Er machte ein Gesicht, als wären Weihnachten und sein Geburtstag auf eben diesen Tag vorverlegt worden. »Hauptsache er ist weg.«
 

»Aber-«, begann Hermine, doch Ron würgte sie ab.
 

»Sieh es positiv«, sagte er und grinste sie nun breit und überlegen an, »Jetzt wo Binns weg ist, werden wir vielleicht sogar mal zuhören und du musst uns danach nicht ständig alles nochmal erklären.«

 

Hermine verbrachte den restlichen Abend damit, Ron besonders zornig anzufunkeln.

 
 

*

 

-----

*) Lied des Sprechenden Hutes aus Harry Potter und der Orden des Phönix, S. 241ff

 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo!
Da bin ich wieder. Und bin auch schon wieder weg.
Leider war ich beruflich sehr eingespannt und hatte gleichzeitig noch einen Urlaub - Lettland ist durchaus einen Besuch wert, nur so am Rande -, sodass es etwas länger gedauert hat.

Außerdem war dieses Ding, dieses Kapitel, wirklich eine ziemliche Hürde. Ich habe unterschätzt, wie schwierig es sein kann, eine bereits existente Handlung so zu schildern, dass es nicht wie eine plumpe Nacherzählung wirkt. Mit dem Endergebnis bin ich allerdings nicht zufrieden. Ich muss in dieser Hinsicht noch einiges üben ... aber dafür existieren ja FFs. :)
Überhaupt stand ich mit diesem Kapitel sehr auf dem Kriegsfuß. Inhaltlich ist es zwar ungefähr das, was ich wollte, aber die Feinheiten betreffend Ausdruck und Perspektive stimmen einfach nicht. Aber ich fürchte, noch mehr rumdoktern wird es nicht besser machen …

Auch habe ich sehr mit Harry gehadert. Gerade am Anfang von Orden des Phönix ist er unheimlich ... anstrengend, schwierig und kompliziert. Deswegen habe ich vorerst noch viele Interaktionen auf Hermine und Ron geschoben. Ich hoffe, dass ich das in Zukunft besser händeln kann.

Im Übrigen – und wie ihr sicher schon bemerkt habt – lasse ich Yugi gelegentlich ins Japanische abrutschen. Dies dient vor allem dazu, zu zeigen, dass er aus einem anderen Sprachraum kommt als unsere HP-Charaktere und dementsprechend nicht nur Englisch beherrscht. Ich werde das allerdings nicht immer explizit kenntlich machen (mit Ausnahme einer visuellen Hervorhebung, wenn mehr als eine Sprache im gleichen Satz gebraucht wird … aka Kursivschreibung wie bisher gehandhabt), weil mir Sätze wie »Bla bla bla«, sagte er auf Japanisch/Englisch einfach zu doof sind. Sollte es die Perspektive jedoch bedingen, dass ein Charakter den anderen nicht versteht, weil dieser in einer für ihn fremden Sprache spricht und dies einen gesamten Mono- oder Dialog umfasst, wird dieser entsprechend mit »er verstand kein Wort« oder so ähnlich (natürlich besser ausgedrückt) abgespeist.
Klar, was ich meine?

Joar, ansonsten bleibt mir nicht mehr viel zu sagen. Trotz aller Mängel hoffe ich, dass Kapitel konnte doch unterhalten und vllt. lesen wir uns ja wieder.

Doch bevor ich ganz verschwinde, möchte ich mich noch bei allen fleißigen Kommischreibern, Lesern und Favoritennehmern bedanken. Ihr seid meine Motivation. Vielen Dank. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Rowanna
2016-11-12T23:02:33+00:00 13.11.2016 00:02
Der Dialog vom Umbridge und McGonagall war umwerfend! Und als Fred und George Yugi beim reinkommen anerkennend gemustert haben, oder sich Yugi gefragt hat, wie lange man in Snape suchen muss, um auf gute Eigenschaften zu stoßen, habe ich mich vor Lachen weggeschmissen. Das die Lehrer Yugi so genau beobachten sorgt definitiv für Spannung. Und ich finde toll, dass er zwischen McGonagall und Snape sitzt. *g*
Antwort von:  Maclilly
26.12.2016 14:52
Oh ja ... Snape ist sicherlich auch noch ein sehr wichtiger Punkt für die Handlung. Seine Beobachtungsgabe wird für Dumbledore und McGonagall noch sehr wichtig sein. Außerdem wirkt er so schon gruselig ... obwohl ich sagen muss, dass ich zum Beispiel kein großer Fan von Snape bin ... aber gut.
Von:  Votani
2016-10-30T20:54:20+00:00 30.10.2016 21:54
Ich liebe die Geschichte ja sehr und freu mich immer auf ein neues Kapitel, aber diesmal war ich echt langsam mit dem Lesen. :D' Leben ist grad so stressig, aber jetzt hab ich mir doch mal die Zeit genommen und hab es nicht bereut. Eigentlich weiss ich gar nicht, was ich noch grossartig sagen soll, da ich mich bestimmt wiederhole, wenn ich dir sage, dass ich den Crossover und die Umsetzung bisher wahnsinnig toll finde!
McGonagalls Part hat mir besonders gefallen. Die Frau ist einfach klasse und es ist wirklich verstaendnis, dass sie evt. Zweifel bei all dem hat, was Yugis Gegenspielern widerfahren ist. Trotzdem haelt sie stets zu Dumbledore und seiner Lehrerwahl, in dem sie nichts davon Umbridge erzaehlt. :)
Ich bin gespannt, wie sich Yugi als Lehrer fuer Geschichte der Zauberei macht. Im Grunde ist Geschichte ja total sein Ding, abgesehen davon, dass er nix ueber diese bestimmte Zauberwelt weiss. Das wird bestimmt noch spannend. :D Ich finde aber auch, dass dir Harry gelungen ist und allgemein hat sich das Kapitel aeusserst fluessig und gut gelesen. Klingt ein bisschen so, als seiest du eine Perfektionistin, denn ich habe nichts zum Kritisieren gefunden. ;D Freu mich aufs naechste Kapitel.
Antwort von:  Maclilly
06.11.2016 20:20
Hallo!

Vielen Dank für deinen Kommi.

Es freut mich, dass dir die Geschichte immer noch gefällt. Gerade jetzt, wo sie eigentlich noch sehr lahm ist, weil ich das ganze Setting erst aufbauen muss. Mich motiviert dieser Zuspruch wirklich sehr und ich bin dankbar für jede Bemerkung, so kurz sie auch sein mag. Im Übrigen bin ich zur Zeit so schlimm von diesen Yu-Gi-Oh!-Harry Potter Crossover-Ding im Allgemeinen fasziniert, dass mir bereits die nächste Idee im Kopf herumspukt. ich muss wirklich dagegen kämpfen, sie nicht gleichzeitig zu schreiben. Möp ... frustrierend ist das, sag ich dir.

Ah ja, McGonagall ... ich muss sagen, dass ich sie wirklich sehr gerne habe und deswegen sehr viel Mühe darauf gebe, sie zu schreiben. Sie ist einfach eine so unglaublich tolle Hexe. ich liebe ihre ganze Geschichte einfach und ... ich schweife mal wieder ab.

Ja, Geschichte passt schon zu Yugi, gerade mit seinem Hintergrund. Es ist ja auch nicht so, dass er eigentlich nichts über Magie weiß. Im alten Ägypten war Magie durchaus populär und Atemu hat ja Erfahrung mit Zauberei wegen den Millenniumsgegenständen und dem Zauber, den er selbst gewirkt hat, um sich an das Puzzle zu binden ... Er ist sozusagen ein wandelndes Lexikon für Magie in Ägypten ... Allerdings hast du recht, wenn du dich auf Binns gewöhnlichen Unterricht beziehst. Von Riesenkriegen und Koboltaufstände hat Yugi ganz bestimmt keinen Schimmer. :P Aber der Unterricht an sich wird ohnehin eher weniger plotrelevant sein ... jedenfalls am Anfang.

Und ja, ich bin Perfektionist. Ich weiß, dass ich in diesem Punkt furchtbar bin und absolut unfähig, mit meiner Leistung zufrieden zu sein. :P Aber ich bin sehr froh, dass es dir gefallen. ich hoffe, die folgenden Kapitel werden dir auch gefallen.

LG Maclilly
Von:  EL-CK
2016-10-07T20:22:19+00:00 07.10.2016 22:22
Ich muss mich Kyuubi19 anschließen... ein tolles und überhaupt nicht plumpes Kapitel ;)

ich finde deine Idee mit dem kursiv schreiben auch gut gelungen.. es ist klar was passiert ohne groß den lesefluss zu stören

ich freu' mich schon aufs nexte Kapitel...

Antwort von:  Maclilly
06.11.2016 19:48
Huhu,

Ich bin mal wieder sehr spät dran, deinem lieben Kommentar zu antworten. Es freut mich jedenfalls, dass dir das Kapitel gefallen hat und es nicht zu eintönig und langweilig war. Und es ist schön, dass die Wahl der Schreibung akzeptabel ist.

Noch einmal vielen Dank,

LG Maclilly
Von:  Kyuubi19
2016-10-07T05:14:37+00:00 07.10.2016 07:14
Hey, ist echt ein richtig tolles Kapitel, ich finde nicht das es plump geworden ist. Dein Schreibstil ist immer wieder schön zu lesen, und gerade wie du Yugi beschreibst, finde ich echt toll. Ich bin gespannt wie es dann auch mit Dumbledore und Yugi weitergeht. Und ich habe generell immer viel Spaß beim lesen wenn Atemu und Yugi interagieren. Ich freu mich dann mal auf das neue Kapitel ^^
LG Kyuubi19
Antwort von:  Maclilly
25.10.2016 09:21
Hallöchen!

Ich danke dir ganz herzlich für dein Kommentar. Ich freu mich, dass dir das Kapitel gefallen hat. Ich war da wirklich ziemlich unsicher, bin jetzt aber erleichtert. Vielen Dank.

Ich hoffe, du wirst auch weiterhin Spaß beim lesen haben,
LG Maclilly
Von:  Seelendieb
2016-10-06T19:10:06+00:00 06.10.2016 21:10
Wunderschönes Kapitel! Es ist einfach nur genial wie du die zwei Welten mit einander verflichst.

Insgeheim freue ich mich schon diebisch darauf auf das Aneinadergeraten Atemu - Umbridge und Atemu - Snape XD

Einfach nur toll!
Antwort von:  Maclilly
10.10.2016 18:22
Huhu!

Ich danke herzlich für das Kommi und es freut mich, dass dir die Art, wie ich die Welten verbinde gefällt.

Oh ja, Atemu vs. Umbridge und Snape ... das wird noch eine Aktion. Ich schwanke ehrlich zwischen Vorfreude und Angst vor diesen Stellen. Wir werden sehen, was aus diesen Begegnungen wird. :)

LG Maclilly


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