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Herzenswille

von

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Liebesgeheimnis

Leise knisterte das Feuer im Kamin in dem Gemeinschaftssalon auf dem Anwesen de Jarjayes und spendete den etwas unterkühlten Fingern die Wärme und trocknete auch die Uniform, die fast durchnässt war und feucht an den unteren Kleidern des Körpers klebte. Oscar saß in dem gepolsterten Stuhl und schaute in die Flamen hinein, als ersuche sie dort eine Lösung. Vielleicht stimmte das ja auch. Sie überlegte, wie sie ihre zwölf Soldaten retten könnte. André lehnte sich im Stehen an dem Kaminsims und beobachtete Oscar sorgenvoll. Er hätte ihr die Entscheidung gerne abgenommen, aber er wusste genau, dass sie vorerst mit ihren Gedanken alleine sein wollte. Sie würde ihm schon sagen, wenn sie keinen Ausweg wusste. Und er hätte sich gewünscht, dass sie sich in trockene Kleider umgezogen hätte. Aber Oscar hatte es gleich bei Ankunft auf dem Anwesen abgelehnt und sich ermattet am Kamin in den gepolsterten Stuhl niedergelassen. Sein Blick ruhte auf ihren Bauch, der in letzter Zeit schon mehr gewachsen war und im Sitzen mehr von sich preisgab als im Stehen. André seufzte schwer. Er machte sich um Alain und seinen Kameraden auch Sorgen, aber noch mehr Sorgen machte er sich um seine Geliebte und ihrem Umstand, der schon bald nicht mehr zu verbergen sein würde... Raschelnde Schritte erregten seine Aufmerksamkeit und auch Oscar schaute aufmerksam in die Richtung. Sophie kam auf sie zu. „Lady Oscar, Euer Vater möchte Euch sprechen...“

 

Oscar hatte es geahnt, dass ihr Vater sie schon bald zu sich bestellen würde – immerhin hatte sie gegen einen Befehl verstoßen und das hatte sich ganz bestimmt in ganz Versailles und Umgebung bereits verbreitet. Beinahe schwerfällig erhob sie sich und ging in das Arbeitszimmer ihres Vaters. „Ihr wolltet mich sprechen?“, fragte sie auf alles gefasst, kaum dass sie über die Türschwelle trat.

 

„Setz dich dorthin und hör mir zu!“, befahl Reynier und zeigte auf einen Stuhl in der Mitte des Raumes. Er wartete, bis Oscar sich hinsetzte und fuhr fort: „Bist du bereit, deinen Dienst zu quittieren?“

 

Oscar ließ sich nichts anmerken, wie unwohl sie sich gerade fühlte und wie mulmig ihr im Herzen war. „Wie habe ich das zu verstehen, Vater?“, konterte sie beherrscht, während sie seiner Aufforderung nachkam und Platz auf den Stuhl nahm.

 

„Du wirst sämtliche Auszeichnungen und deinen Dienstrang zurückgeben!“, schnaubte Reynier außer sich. „Hast du mich verstanden?“

 

„Was wollt Ihr damit erreichen?“ Oscar sah nur stur geradeaus auf die angelehnte Tür. Das kleine Wesen trat wieder in ihrem Bauch und sie war fast nahe daran, die Hände um ihren Leib zu legen und es mit Streicheln zu beruhigen. Aber das konnte sie nicht! Nicht hier und nicht vor ihrem Vater! „Ist das wirklich Euer Wunsch, dass ich das tue?“, fügte sie deshalb mit Nachdruck hinzu.

 

„Willst du dich deinem Vater widersetzen?“ Reynier umrundete den Stuhl und zog langsam sein Amtsschwert aus der Schaft. „Unglaublich! Wenn du mir etwas zu sagen hast, dann tu es! Auch wenn du eine Verräterin bist – du bist immer noch meine Tochter.“ Er sah sie dabei nur auf ihren Scheitel herab.

 

Oscar rührte sich nicht. Obwohl sie das Klirren der Klinge gehört hatte und sich schon denken konnte, was das bedeutete oder was ihr Vater damit vorhatte, trotzdem rührte sie sich nicht vom Fleck. Stattdessen nutzte sie ihre Chance und setzte damit ihren Umstand aufs Spiel – so ähnlich wie vor wenigen Stunden bei dem königlichen Garderegiment. „Im Gefängnis von Abbaye werden zwölf meiner Soldaten gefangen gehalten, sie sollen schon bald exekutiert werden. Wenn ich sicher wäre, dass mein Tod das Leben dieser Männer retten könnte, würde ich Euch gerne mein Leben zu Verfügung stellen. Doch solange ich mein Rang behalte, habe ich vielleicht eine Möglichkeit das Leben meiner Männer zu retten!“

 

„Die Entscheidung liegt bei dir...“ Reynier konnte es kaum glauben, dass sie das Leben von ein paar Abtrünnigen ihrem eigenen bevorzugte. Dieses törichte Kind... Wie dem auch sei, er hatte seine Entscheidung bereits getroffen und es gab keinen Ausweg – weder für sie, noch für ihn... „Aber eine Familie, die schon seit Generationen treu seiner Majestät, dem König, dient, kann sich nicht leisten, einen Rebellen unter sich zu haben!“

 

 

 

 

 

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André sah seiner Oscar besorgt nach, als diese die Treppen in das obere Stockwerk erklommen hatte und in der Düsternis des langen Ganges verschwunden war und während er von seiner Großmutter mit Fragen überschüttet wurde. Darauf achtete er nicht. Er bekam das beklommene Gefühl, dass seine Geliebte in Schwierigkeiten steckte. Er musste nachsehen! „Nichts ist passiert“, sagte er knapp und ging ebenfalls zu dem Arbeitszimmer des Generals. Vorsichtig machte er die nicht verschlossene Tür einen Spaltbreit auf und ihm gefror das Blut vor Entsetzen. Der General wollte Oscar für ihre Befehlsverweigerung eigenhändig bestrafen! Er beabsichtigte sie hinzurichten und dann ihr selbst zu folgen! Und Oscar ließ das zu?

 

Sie sah ihn ausdruckslos an, nickte ihm kaum merklich zu und André verstand, dass sie nur auf einen günstigen Moment wartete. Nein, sie würde niemals zulassen, dass man sie tötete, wenn sie eine große Verantwortung trug! Sie würde das kostbare Leben unter ihrem Herzen beschützen, koste es was es wolle – sie zog es nur in die Länge, bis es fast zu spät sein würde...

 

Reynier hob schon sein Schwert über Oscars Kopf, als André nicht mehr aushielt und hereinstürmte. Oscars Zögern kam ihm zu riskant vor und er fürchtete, sie würde nicht rechtzeitig dem tödlichen Hieb ausweichen können! „Nein!“, schrie er dabei und stürzte auf den General. Er umklammerte seinen Arm, mit der er das Schwert gehoben hielt und schob ihn nach hinten - fort von Oscar!

 

„Es ist meine Pflicht, dies zu tun! Du sollst mich loslassen!“, schnaufte Reynier, aber André hielt das nicht auf. Er schob ihn mit aller Kraft bis ans Fenster zurück. „Ich werde nicht aus diesem Raum gehen, bevor Ihr Euer Schwert fallen lasst und versprecht Oscar am Leben zu lassen!“ Unerwartet ließ er von ihm doch noch ab und ging einen kleinen Schritt zurück. Bevor Reynier sich versah, richtete André schon seine Pistole auf ihn. „Wenn Ihr nur einen Schritt näher kommt, drücke ich ab! Ich verlasse mit Oscar sofort diesen Raum!“

 

„Was?“ Reynier verharrte für einen kleinen Moment wie versteinert auf der Stelle. Aber nicht die gerichtete Feuerwaffe gegen ihn entsetzte ihn so sehr. Sondern die Tatsache, dass der halbblinde Leibgardist seiner Tochter wagte sich einzumischen und sich gegen ihn zu stellen! „Du willst mit Oscar fliehen?“

 

„Ja!“ André war so entschlossen wie niemals zuvor.

 

Reynier war geneigt seinen Arm mit dem Schwert herabzusenken. Ihm ging dabei ein Licht auf – zu lange hatte er bereits an der Seite seiner Tochter gedient... „So viel empfindest du also für sie?“

 

„Ja.“ Auch hier kam es entschlossen und fest von seinen Lippen.

 

„Du bist ein Dummkopf!“ Reynier konnte es nicht fassen, was er da hörte! „Glaubst du, dass euer Standesunterschied dadurch aufgehoben wird?“

 

„Ich verstehe Euch nicht ganz!“ Oh, doch, André verstand ihn sehr wohl, aber er war nur zu umsorgt um seine Liebste, um ausgerechnet jetzt klein beizugeben und verriet sich daher immer mehr: „Was für ein Standesunterschied? Ich denke, alle Menschen auf der Erde sind gleich!“

 

Das glaubte er doch wohl selber nicht, oder?! Reyniers Zorn wuchs ins Unermessliche auf diesen Habenichts, der sich zu viel erlaubte, als es ihm zustand! „Weiß du denn nicht, dass Adlige, wenn sie heiraten, den König um Erlaubnis bitten müssen?!“

 

„Doch, das weiß ich...“ André vernahm eine Bewegung hinter seinem Rücken und Oscars kaum hörbare Stimme: „André...“, brachte sie halblaut von sich, aber ihn hielt das nicht auf. Im Gegenteil spornte ihn das in seinem Mut und seiner Entschlossenheit mehr an: „Aber das ist ungerecht! Oder muss der König irgendjemanden um Erlaubnis bitten, wenn er jemanden liebt?“

 

Das war zu viel für den General! Niemand beleidigte den König und erst recht nicht ein einäugiger Abkömmling aus einfacher Herkunft! „Untersteh dich!“ Ungeachtet dem Lauf der Pistole, die ihm noch immer gegen das Zwerchfell gedrückt wurde, verpasste er André einen heftigen Faustschlag ins Gesicht und brachte ihn zu Boden. Dabei entdeckte er seine Tochter, die die ganze Zeit hinter André gestanden zu haben schien. Er sah die blanke Fassungslosigkeit und den Schrecken im Gesicht stehen und die Unfähigkeit, sich einzumischen. „Ich kann euch unmöglich vergeben!“, schnaubte Reynier und seine Nasenflügel bebten.

 

Oscar rührte sich noch immer nicht, als wäre sie zu einer Säule verwandelt worden und ihr Blick war nur auf André gerichtet. Dieser legte seine Pistole neben sich. „Wenn Ihr uns unbedingt töten müsst, dann fangt mit mir an! Sonst müsste ich mit ansehen, wie Ihr einen Menschen umbringt, den ich von Herzen liebe! Und das könnte ich niemals ertragen!“

 

„Nun denn, ich werde tun, worum du mich bittest.“ Reynier hob erneut sein Schwert, aber diesmal über Andrés Kopf. Nein! Oscars Gefühle überschlugen sich. Wie konnte ihr Geliebter so selbstlos sein?! Sie wollte einschreiten, sich zwischen ihnen werfen, aber konnte es nicht... Das Kind in ihrem Bauch bewegte sich erneut und kündigte sich mit kleinen Tritten an... Warum ausgerechnet jetzt?

 

Sekunden zogen sich in die Länge und Reynier wollte schon die Strafe vollziehen, als eine laute Stimme von draußen und ein Poltern an der Tür des Anwesens erscholl: „Öffnet die Tür, schnell! General de Jarjayes, ich bin ein Bote des Königs aus Versailles und habe eine wichtige Nachricht für Euch!“ Der General verharrte augenblicklich und spitzte seine Ohren. Das könnte wichtig sein! „Ich kümmere mich um euch später!“, knurrte er und verließ mit langen Schritten das Zimmer, ungeachtet auf Sophie, die mit verweinten Augen hinter der Tür stand und ihm dann auch folgte.

 

„Puh... Das war jetzt knapp...“ André rappelte sich auf die Beine hoch und drehte sich um. Blaue Augen, in denen sich so viel Angst und gleichzeitig Beherrschung spiegelten, sahen ihm direkt ins Gesicht und er konnte nicht anders, als seine Geliebte in seine Arme zu ziehen. „Geht es wieder?“

 

„Ja...“ Aber nur für einen kurzen Augenblick und so lange sie sich an ihn schmiegen konnte... Durch die Geborgenheit und Wärme, die er ihr in seinen Armen schenkte, fühlte sie sich wohler, aber es gab noch einiges zu tun um dies länger genießen zu können... „André, lass uns nachsehen, was der königliche Bote mitzuteilen hat...“

 

 

 

 

 

Zum Glück war der Königsbote aus Versailles herbeigeeilt und hatte vielleicht die grausame Tat des Generals unbewusst mit seiner Ankunft vereitelt... „Auf Geheiß Ihrer Majestät der Königin, wird weder gegen den Kommandanten Oscar Francois de Jarjayes, noch gegen ihrer Familie eine Anklage erhoben! Dennoch wird künftig von der Familie de Jarjayes mehr Loyalität gegenüber der Königlichen Familie erwartet!“, zitierte der Bote das Dokument in seinen Händen zu Ende, rollte dann das Papier zusammen und verließ gleich nach dem Vorlesen das Anwesen de Jarjayes.

 

„Unsere Königin also...“, murmelte der General und drehte sich um. André und seine Tochter standen direkt oben an der Treppe. „Hast du gehört Oscar? Bedank dich bei Ihrer Majestät der Königin!“ Seine Gesichtszüge schienen ungewöhnlich weicher zu werden, wobei sein Blick scharfsinnig und eisenhart auf sie gerichtet blieb. „Du bist soeben dem sicheren Tode entkommen! Ich bin ja so dankbar...“

 

Oscar und André atmeten gleichermaßen erleichtert auf. Nun galt es Alain und die anderen zu befreien. Allerdings unterschwellig und dass es keiner von Ihresgleichen merkte, dass sie damit etwas zu tun haben würde. Auch der General fühlte sich erleichtert, dass er niemanden hinrichten musste - das las man an seinem Gesicht ab. Er blickte noch immer zu seiner Tochter herauf, die an der Brüstung der Treppe ausdruckslos, zusammen mit André, stand. Wie war das noch mal? André liebte sie? Und was war mit Oscar? Die Gesichtszüge des Generals änderten sich schlagartig. „In meinen Salon! Wir waren noch nicht fertig!“

 

„Was soll das heißen?“ Oscars Haltung versteifte sich, in ihren Lungen begann es zu brennen und in ihrem Leib entstanden leichte Schmerzen. Aber sie versuchte das alles krampfhaft zu ignorieren. „Die Familie de Jarjayes ist doch freigesprochen!“, erhöhte sie ihren Ton und atmete mehrmals tief ein und aus.

 

„Das schon, aber ich werde nicht vergessen, was André gesagt hat und das muss geklärt werden!“

 

„In Ordnung, Vater...“ Oscar fühlte sich noch schlechter, ihr wurde mit einem Mal schwindelig und obwohl sie standhaft auf den Beinen auszuharren versuchte, knickten schon nach wenigen Schritten die Knie ein. André fing sie erschrocken auf und der General befahl ihm, selbst von ihrem plötzlichen Zusammenbruch überrascht, sie auf ihr Zimmer zu bringen. Er selbst schickte sogleich nach dem Arzt und als dieser eintraf, war Oscar wieder bei Bewusstsein. Entgegen ihren Protesten wurde sie von Doktor Lasonne untersucht und was er feststellte, erschütterte das ganze Haus: Oscar war schwanger! Und das auch noch im vierten oder fünften Monat! Ihre leichte Bauchwölbung gab kaum etwas davon Preis und dennoch bestätigte es ihren Umstand.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  YngvartheViking86
2016-07-22T16:44:34+00:00 22.07.2016 18:44
Was für ein Kapitel :)
Ich bin gespannt was der General zu sagen hat, nun da bekannt ist dass Oscar schwanger ist.
Vielleicht wird er ja etwas ruhiger ;)
Ich mag die Szene persönlich sehr gerne.
LG Chris
Antwort von:  Saph_ira
22.07.2016 18:47
Dankeschön. :-)
Ich mag die Szene auch sehr gerne, aber mal sehen was der werte Herr General machen wird... ;-)
Liebe Grüße,
Ira


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