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Schicksal eines Engels

Gefühlvolle Geschichte über den Engel Rai
von

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Erste Erlebnisse

D

amals konnte ich es nicht fassen, meinen Zwilling getroffen zu haben. Ihr müsst nämlich wissen, das jeder Engel einen Zwilling hat, sein Spiegelbild. Das bedeutet, wenn im Himmelreich ein Engel "geboren" wird, passiert dasselbe auch im Reich Satans. Doch dort ist es kein Engel der geboren wird, sondern logischer Weise ein Dämon.

Aber ich habe ja schon erzählt, dass Dämonen nicht abgrundtief böse Wesen sind. Eigentlich sind sie so wie Engel, bloß das sie ein bisschen "zickiger" und "kratzbürstiger" sein konnten. Und natürlich leben sie in der "Hölle". Dieser Ort ist aber auch nicht viel anders als der Himmel, nur ein bisschen dunkler, vergleichsweise bedrohlicher. Sonst sind Dämonen und Engel gleich. Aber sie sehen ein bisschen anders aus. Anstatt Federflügel haben sie so ähnliche Schwingen wie Fledermäuse. Häute spannen sich zwischen langen fingerähnlichen Knochen, eben wie bei Fledermäusen. Nur um ein paar Nummern Größer natürlich.
 

Ich war schockiert und auch auf irgendeine Weise froh, denn nicht jeder Engel bekam seinen dämonischen Zwilling je zu Gesicht und auch anders herum war es keine Seltenheit, wenn sich die ungleichen Zwillinge nie sahen. Das lag wahrscheinlich unteranderem auch daran, dass Dämonen nicht in den Himmel und Engel nicht in die Unterwelt können. Nur auf er Erde gab es also eine Möglichkeit, dass sie sich begegnen können.

Ich war zwar froh, meinen Zwilling zu sehen, doch jetzt passte es mir gar nicht. Ich war noch so durcheinander von der Attacke der monströsen Katze, geschwächt von der Heilung, die ich and dem jungen Mann vollzogen hatte und natürlich war ich auf der Mission, die ich von Gott als Prüfung erhalten hatte. Aber irgendwie kam es mir doch so vor, als ob alles etwas miteinander zu tun hätte und sich nicht zufällig ereignet hatte.
 

Ich konnte aber nicht weiter darüber nachdenken, da ich durch Dimion, der jetzt zu sprechen begann, aus meinen Gedanken gerissen wurde. Ich hob den Kopf, um ihn zuzuhören. Während er sprach setzte sich mein Zwilling auf das Bett, in dem ich noch wenige Augenblicke zuvor gelegen hatte.

"Ich will dir Nira vorstellen."

Dabei zeigte er auf das Mädchen auf dem Bett, das mich daraufhin freundlich anlächelte. Ich war immer noch wie weggetreten und sagte nichts, weil mir die Worte dafür fehlten. Doch ich brauchte auch gar nichts zu sagen, da Dimion schon wieder das Wort ergriff. Er erzählte mir, er habe Nira vor nicht all zu langer Zeit, vielleicht einen Monat, zusammengebrochen und total erschöpft vor seiner Haustüre gefunden. Und weil sie ihn bat, bei ihm bleiben zu dürfen, weil in nicht all zu ferner Zukunft jemand zu ihm kommen würde den sie unbedingt treffen musste, lebte sie seit dem bei ihm.

Ich hörte seiner Geschichte nur mit einem Ohr zu. Meine Aufmerksamkeit war eher auf Nira gerichtet. Auch sie schien sich nicht sonderlich für das zu interessieren, was Dimion erzählte.

Als er dann endlich aufgehört hatte zu reden, sah er Nira erwartungsvoll an, drehte sich um und verschwand aus dem Zimmer und schloss die Türe hinter sich. Ich verstand die Welt nicht mehr, aber wahrscheinlich sollte sie das Ganze zuende berichten. Und als sie ihren Mund öffnete, um zu sprechen, sah ich ihre spitzen Eckzähne. (Dämonen haben nämlich "Fangzähne" wie Raubkatzen.) Doch was mich noch viel mehr in Erstaunen versetzte war, dass sich ihre Stimme von der meinen nur durch winzige Unstimmigkeiten unterschied.

"Ich bin von Satan, dem Herrscher der Unterwelt und dem Reich der Dämonen, in die Menschenwelt geschickt worden, um dich zu suchen. Satan wusste, dass der Herr dich auf eine Mission schicken würde, die dich hier her bringt."

Dann sah sie mich an, als ob sie warten würde, das ich etwas sagen würde. Ich brauchte eine Weile, bis ich mich dazu durchringen konnte, den innerlichen Konflikt in mir zu beseitigen, und ihr die Frage zu stellen, die mir eigentlich schon seit dem Zeitpunkt an dem sie durch die Tür dieses kleinen Zimmers getreten war, auf der Zunge brennte.

"Und was sollst du tun, wenn du mich gefunden hast?!? Was willst du hier nun von mir?!" Ich sah sie durchdringend an, doch das schien sie nicht aus der Ruhe zu bringen. In der Tat, sie strahlte eine solche Ruhe aus, als könnte sie nicht einmal der Weltuntergang in Panik versetzten. Und wieder lächelte sie mich an. Es dauerte einen Augenblick, bis sie mir antwortete, so als ob sie überlegen müsste, ob sie mir das sagen konnte oder durfte. Doch dann erhielt ich ihre Antwort:

"Du weißt sicher, dass der Herr und Satan einen Pakt geschlossen haben. Doch dieser Pakt beschränkt sich nur darauf, das sie sich nicht gegenseitig bekriegen; so wie sie es vor tausend Jahren noch getan haben. Doch nun wollen sie ihre "Beziehung" vertiefen, in dem sie sich gegenseitig die Tore öffnen. Das würde bedeuten das Dämonen in den Himmel könnten und auch umgekehrt, die Engel in die Unterwelt.

Außerdem können sich der Herr und Satan besser um die Welt der Menschen kümmern und sie davon abhalten, diesen Planeten zu zerstören. Dieser Pakt hat also zwei Funktionen und ..."

"Und was hat das Ganze mit uns beiden zu tun??!" Ich verstand nur noch Bahnhof. Was wollte sie nur von mir, das war doch nicht meine Aufgabe, oder etwa doch? Doch sie grinste nur und fuhr unbeirrt in ihrem Vortrag fort. Langsam wurde ich wütend. Mir wurde klar, das wir im Grunde genommen vollkommen verschieden waren.

"Jetzt lass mich doch einmal aussprechen, dann wirst du schon verstehen, was ich von dir will! Ich glaube, ich muss doch noch ein bisschen weiter ausschweifen, um dir das klar zu machen, was du damit zu tun hast!

Du weißt sicher, wie Dämonen und Engel geboren werde. Und die Geschöpfe, die sie zum Leben erwecken, ob nun Engel oder Dämonen, sind immer direkte Nachkommen von Satan oder Gott. Sie haben eine ganz spezielle Verbindung zu ihnen und deshalb können nur sie die neuen Bewohner der Unterwelt oder des Himmel zum Leben erwecken.

Und da kommen jetzt wir beide ins Spiel, denn ich bin die direkte und Tochter des Teufels. Und weil du mein Zwilling bist, bist du ..."

"Du willst doch wohl nicht damit sagen, dass ausgerechnet ICH eine reine Tochter meines Herrn bin, oder nicht?!" Ich musste sie einfach unterbrechen. Mir wurde es kalt und gleich darauf wieder heiß. Doch wenn das tatsächlich stimmen sollte, was Nira da von sich gab, dann wären damit einige Fragen in meinem Leben geklärt! Sie setzte wieder zu Sprechen an:

"Genau das habe ich gemeint! Du und ich, wir sind diejenigen, die in nicht all zu ferner Zukunft dafür verantwortlich sein werden, das unsere Arten nicht aussterben. Und deshalb sind wir etwas ganz besonderes." Wieder lächelte sie mich an und zeigte mir ihre spitzen Eckzähne. Ich war fassungslos, konnte nicht glauben was Nira da sagte.

"He, sag mir jetzt bitte nicht, dass du DAS nicht gewusst hast!!?" Sie sah mich etwas ratlos und irgendwie verunsichert an. Ich musste ihr auf ihre Frage auch gar keine Antwort geben, denn sie konnte scheinbar spüren, was die Wahrheit war. Schließlich heißt es ja nicht um sonst, dass Zwillinge eine ganz besondere Verbindung zueinander und miteinander haben.

So redeten wir noch einige Stunden. Und je länger wir uns unterhielten, desto bewusster wurde mir, das ich wirklich nicht normal war, wenn man das bei einem Engel überhaupt sagen konnte. Wir redeten über unsere "Kindheit", erzählten von allem, was uns bisher in unserem Leben wiederfahren war. Ich konnte mir nicht helfen, aber ich hatte immer das Gefühl, schon alles über sie zu wissen. Nira schien es offensichtlich nicht anders dabei zu ergehen. Natürlich redeten wir auch über diesen komischen Auftrag, der Nira und mich betraf. Sie erzählte mir, das der neue Pakt damit geschlossen werden würde, das diejenigen, die für die Geburten der neuen Dämonen oder Engel verantwortlich waren, ihre Macht teilten. Das würde bedeuten, dass Nira und ich unsere Anhänger in zwei Hälfen brechen und neu zusammen fügen würden. Damit würde der Pakt besiegelt sein. Dabei würde sich allerdings das Aussehen von Nira und mir etwas ändern. Ich mein linker Flügel würde das Aussehen von ihrem rechten Flügels annehmen. Genauso würde sie die Gestalt ihr linker Flügel in die meines rechten Flügels umwandeln. Damit würde jeder etwas vom anderen an sich haben und bestätigen, das der Pakt gültig war/ist.

Und wenn ich wieder in den Himmel und sie wieder in die Hölle geht, um dort die neunen Engel/Dämonen zu erwecken, würde in diesen jeweils ein Teil des anderen sein. Dadurch hätten Engel etwas dämonisches und Dämonen etwas himmlisches in sich.

Mittlerweile war es schon Nachmittag und vor dem kleinen Zimmer begann sich der Himmel schon rötlich zu verfärben. In der ganzen Zeit, die wir miteinander geredet hatten, war nicht einmal Dimion aufgetaucht. Ich wunderte mich schon, wo er wohl sein könnte, weil ich mich ja noch gar nicht richtig bei ihm für seine Hilfe bedankt hatte. Und ich sprach meine Gedanken laut aus.

"Ich habe ihm vorher gesagt, das er uns nicht stören soll." Nira sah mich an. Ich konnte mir nicht erklären warum, aber da war irgendetwas an ihr, was sie mir verschwieg. Ich wollte ja nicht misstrauisch sein, doch ich hatte das Gefühl, sie sagte mir nicht alles, was sie wusste. Doch eine innere Stimme sagte mir, das ich ihr vertrauen konnte, auch wenn sie etwas geheimnisvoll war. Tief in unserem Inneren waren wir unzertrennlich miteinander verbunden und das musste selbst sie als Dämon zugeben.

Unerwartet öffnete sich die Zimmertür und Dimion trat ein. Doch er war nicht allein ...
 

R

egen, es regnet. Der Himmel weint. Leise und stetig trommeln die Tropfen des Himmelswassers an die verdunkelten Scheiben meines kargen Gefängnisses. Auch ich vergieße Tränen, denn die Erinnerung an diese noch so schöne Zeit macht mich traurig und führt mir vor Augen, was ich alles zurücklassen werde, wenn mich mein Herr Gott endlich wieder für immer zu sich nimmt. Doch dieser Trost und die Hoffnung, das ich nie wieder von meinem Herr getrennt sein werde, macht mich nicht stärker, lässt mich nicht aufhören zu weinen.

'Wer wird jetzt den Pakt schließen, wer wird die Tropfen am Baum des Lebens küssen, damit es wieder Engel gibt?' Diese Gedanken gehen in mir herum. Und ein furchtbarer Schreck durchfährt mich, als ich daran denke. Denn es kann nur alle 1000 Jahre ein Engel begoren werden, der die besondere Kraft hat, die Engelchen aus ihren Tropfen zu befreien. Wenn ich also sterbe, werden fast tausend Jahre lang keine Engel geboren und unsere Art könnte aussterben. Und nicht einmal der Herr könnte das ändern.

Ich spüre, wie mich meine Kräfte immer mehr verlassen, nicht mehr viele Stunden und mein Körper wird leblos in der Ecke dieses gefühlslosen Schaukäfigs liegen. Langsam hört es auf zu regnen, doch ich kann den wunderbar frischen Duft, der jetzt in der Luft liegen muss, riechen, denn ich bin hinter diesen Mauern davon abgeschirmt.

Und wieder kommen mir die Bilder der Zeit in den Sinn, in der ich auf der Erde noch glücklich war ...
 

Ich war erstaunt und erschrocken, als ich sah, wer da hinter Dimion in das kleine Zimmer trat. Es war ein junger Mann, nicht älter als Dimion es sein könnte war. Seine Augen , deren Iris schwarz wie die Nacht waren, starrten mich an. Ein kalter Schauer ging über meinen Rücken und ich wagte nicht zu atmen. Dann wandte er seinen Blick von mir ab und drehte seinen Kopf zu Nira, die ihn besänftigend anlächelte. Dabei fielen ihm die pechschwarzen, etwas längeren Haare in sein bleiches Gesicht. Langsam atmete ich auf. Er war ganz in Schwarz gekleidet. Seine lange Hose, das T-Shirt und sein langer Mantel mit dem hochgeschlagenen Kragen waren so schwarz wie die tiefste Finsternis. Dadurch sah er noch viel bleicher aus, als er es eh schon war, als hätte nie ein Sonnenstrahl seine Haut berührt. Und da war noch etwas an ihm, etwas Schwarzes, das man aber nicht sehen, nur spüren konnte. Wie Schuppen fiel es mir von den Augen, als ich wusste, was ich da spürte: Es war die Aura eines Dämons! Also noch einer ...

Wenig später saßen wir alle an einem kleinen Tisch in einem großen, hohen Raum, dessen eine Seite vollkommen aus Glas bestand, so das man im Westen die langsam sinkende Sonne sehen konnte. Vor dieser Fensterwand konnte man in den großzügig angelegten Garten mit den vielen Bäumen, Blumen und Sträuchern blicken. In einer Ecke, nahe der hohen weißen Mauer, die dieses kleine Paradies umschloss, war sogar ein kleiner Teich.

Es standen verschiedene, dampfende Gerichte auf dem Tisch. Einige davon bereiteten mir Übelkeit, da sie Fleisch oder Fisch enthielten. Wie schon angedeutet werden Engel krank, wenn sie Getötetes essen. Deshalb nahm ich auch nichts zu mir. Und keiner fragte, warum. Anscheinend wusste sie, was in mir vorging. Jedenfalls bei Nira konnte ich mir da sicher sein.

Der pechschwarz gekleidete Dämon hatte sich als Neo vorgestellt. Doch was er hier wollte, wusste ich nicht. Ich hatte Angst vor ihm, er war mir unheimlich. Deshalb hatte ich ihn auch nicht danach gefragt. Bestimmt würde er noch alles erzählen, wenn die Zeit dafür gekommen war. Doch genau das hatte ich nicht, Zeit. Ich musste schließlich die Aufgabe meines Herrn erfüllen, den Pakt mit Nira besiegeln und wieder zu in das Himmelsreich zurückkehren. Aber irgendetwas tief in meinem Herzen sträubte und weigerte sich mit aller Kraft, dass ich aufbreche und meine Missionen erfülle. Aber ich wusste nicht, warum ...

So saßen wir da und keiner sagte auch nur ein Wort. Es musste schon ein komisches Bild gewesen sein. Ein Engel, ein Mensch und zwei Dämonen mehr oder weniger friedlich um einen Tisch versammelt. Ich war wie weggetreten. Alles war in den letzten Stunden so schnell gegangen, ich wusste nicht, ob es nur ein Traum oder tatsächlich Realität war. Irgendwie war es so unwirklich. Mein ganzes bisheriges leben wurde in weniger als einem tag total umgekrempelt. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das alles noch Zufall war. Ich hatte das Gefühl, als hätte der Schicksalsengel seine Hände da mit im Spiel. (Gott hat Engeln die besondere Kräfte haben auch besondere Aufgaben zugeteilt. So gibt es zum Beispiel den Schicksalsengel, der eben das Schicksal anderer bestimmen und auch beeinflussen kann.)

Und doch war es seltsam, dass alle hier saßen, bei einem Menschen. Ich hatte Dimion nicht gebeten bleiben zu dürfen, nachdem er mit diesem unheimlichen Neo in das Zimmer gekommen war, denn eigentlich sollte ich ja wieder gehen. Doch Nira sagte, ich solle noch bleiben, wir müssten schließlich den Pakt abschließen und sie meinte, das der Auftrag des Herr noch warten könnte und sie mir dann auch aber der Suche nach dem Amulett helfen würde. Aber da war auch irgendetwas in Dimions Augen, das mich bleiben lies. Es sah aus, als ob er Angst hätte. Angst, etwas wertvolles das er eben erst gefunden hatte, wieder zu verlieren. Doch ich konnte mir in dem Moment nicht erklären, was das zu bedeuten hatte. Und so war ich schließlich doch geblieben, saß mit diesen "Wesen" an einem Tisch und schwieg mich aus, vollkommen in Gedanken versunken.

Ich fragte mich, warum Ausgerechnet Dimion uns hier bei sich verweilen lies. Er hatte doch bestimmt nichts mit der ganzen Sache zu tun. Außerdem konnte ich mir nicht vorstellen, dass er es für normal erachtete mit zwei schweigsamen und dazu unheimlichen Dämonen und einem jungen weiblichen Engel der nichts essen wollte an einem Tisch zu sitzen! Irgendwie war er nicht normal, und das nicht nur in seinem Verhalten. Er hatte etwas an sich, etwas das nicht menschlich, nicht dämonisch und nicht engelsgleich war!! 'Schon komisch, diese ganze Situation, in der ich stecke! Vor einem tag noch ein ganz normaler Engel im Reich Gottes und nun ein Teil des wahrscheinlich wichtigsten Abschnittes der Geschichte der Engel, Dämonen und Menschen ...'

Unerwartet wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, als Nira mich anstieß und mit dem Kopf auf Neo verwies. Anscheinend wollte er etwas sagen, was ich nicht verpassen sollte. Vielleicht würde er nun endlich den Schleier des Unwissens um seine Person lüften. Ich saß auf einmal kerzengerade da, wollte nicht ein einziges Wort überhören, zumal ich ihn noch die hatte sprechen hören. Während er sich räusperte, stand Dimion auf um das Geschirr und die Reste des Abendessens, von dem ich nichts angerührt hatte, wegzuräumen. Es herrschte eine unausgesprochene Spannung zwischen Neo und Dimion. Irgendetwas war da das die Harmonie zwischen ihnen störte. Engel haben nämlich einen besonders feinen Sinn für Harmonie und Frieden zwischen allen Lebewesen; egal ob Mensch, Engel, Dämon oder sogar Tier und Pflanze.

"Also, ich denke mal, Nira hat dich darüber unterrichtet, was du für eine Aufgabe du bei dem Abschluss des Paktes hat!?" Durchdringlich starrten mich diese schwarzen, unheimlichen Augen an. Mir fuhr ein Schauer über den Rücken, als ich nickend zustimmte.

"Gut." Er nahm die Augen von mir, schloss sie für einen kurzen Moment um sie wieder zu öffnen und aus dem Fenster zuschauen. Draußen war die Sonne gerade untergegangen und der blutrote Himmel begann sich in das Schwarz der Nacht zu verwandeln.

"Denn schon in zwei Woche wird es soweit sein, das wir den Pakt besiegeln können."

"Aber warum denn erst in zwei Wochen?" Ich saß ratlos da. Warum mussten wir noch so lange warten?! Warum konnten wir nicht gleich dieses Ritual durchführen und ich könnte mich wieder auf die Aufgabe des Herrn konzentrieren?!

Immer noch war Neos Gesicht in Richtung Fensterwand gedreht, als er mir mit seiner tiefen Stimme antwortete.

"Weil wir nur an dem Tag in genau zwei Wochen das Ritual des Packschlusses vollziehen können. Und zwar weil an diesem Tag Sonne und Mond voll am Himmel stehen werden. Nur dann sind die dämonischen und die himmlischen Kräfte auf Erden genau gleich und auch nur dann könnt ihr eure Anhänger in zwei Teile brechen.

Dieses Naturphänomen ereignet sich aber nur alle 200 Jahre. Es ist aber unbedingt erforderlich, das es schon jetzt geschieht, da die Zerstörung des Planten durch die Menschheit immer weiter fortschreitet."

Langsam drehte er sein Gesicht wieder zu mir und Nira, riss seine Augen von der schleichend kommenden Schwärze der Nacht ab und blickte uns beide an. Nira war wie immer guter Dinge und lächelte ihn an. Ich konnte nicht recht verstehen, wie sie bei seinem Blick, der es womöglich vermocht hätte einen anderen zu töten, noch so fröhlich zu sein. Aber das lag vielleicht auch daran, dass sie sicher daran gewöhnt war, dass Dämonen nun einmal so sind. Sie unterschied sich eh ohnehin von ihnen, so wie ich mich von den anderen Engel unterschied. Wir waren uns im Grunde genommen sehr ähnlich, auch wenn wir uns doch so voneinander unterschieden.

"Denn schon in zwei Woche wird es soweit sein, das wir den Pakt besiegeln können."

"Aber warum denn erst in zwei Wochen?" Ich saß ratlos da. Warum mussten wir noch so lange warten?! Warum konnten wir nicht gleich dieses Ritual durchführen und ich könnte mich wieder auf die Aufgabe des Herrn konzentrieren?!

Immer noch war Neos Gesicht in Richtung Fensterwand gedreht, als er mir mit seiner tiefen Stimme antwortete.

"Weil wir nur an dem Tag in genau zwei Wochen das Ritual des Packschlusses vollziehen können. Und zwar weil an diesem Tag Sonne und Mond voll am Himmel stehen werden. Nur dann sind die dämonischen und die himmlischen Kräfte auf Erden genau gleich und auch nur dann könnt ihr eure Anhänger in zwei Teile brechen.

Dieses Naturphänomen ereignet sich aber nur alle 200 Jahre. Es ist aber unbedingt erforderlich, das es schon jetzt geschieht, da die Zerstörung des Planten durch die Menschheit immer weiter fortschreitet."

Langsam drehte er sein Gesicht wieder zu mir und Nira, riss seine Augen von der schleichend kommenden Schwärze der Nacht ab und blickte uns beide an. Nira war wie immer guter Dinge und lächelte ihn an. Ich konnte nicht recht verstehen, wie sie bei seinem Blick, der es womöglich vermocht hätte einen anderen zu töten, noch so fröhlich zu sein. Aber das lag vielleicht auch daran, dass sie sicher daran gewöhnt war, dass Dämonen nun einmal so sind. Sie unterschied sich eh ohnehin von ihnen, so wie ich mich von den anderen Engel unterschied. Wir waren uns im Grunde genommen sehr ähnlich, auch wenn wir uns doch so voneinander unterschieden.

"Warum ist dann nicht noch ein Engel mit mir gekommen? Reicht es denn, das uns ein einzelner Dämon beschützt?!" Des war nicht die letzte Frage, die ich an diesem Abend stellte. Ich wollte einfach alles wissen, was in den nächsten zwei Wochen geschehen sollte. Und zu meiner Überraschung wurde mir jede dieser Fragen beantwortet. Natürlich bekam ich auch eine Antwort auf meine zweite Frage. Neo meinte, dass es nicht notwendig wäre, noch einen Engel in die Welt der Menschen zu bringen. Ich wusste zwar nicht warum, aber ich gab mich mit der Antwort zufrieden, denn schließlich musste er und Nira mir noch mehr sagen.

Nach einiger Zeit kam auch Dimion wieder zu uns, anscheinend war er in der Küche fertig gewesen und gesellte sich einfach zu uns. Und keiner hielt ihn auf. Anscheinend verstrauten ihm Nira und Neo. Er setzte sich still hin und schien in Gedanken ganz wo anders zu sein. Vielleicht schaute er auch nur aus dem Fenster und beobachtete, wie sich einige Insekten um die draußen aufleuchtenden Straßenlaternen versammelten. Ich war davon überzeugt, dass er kein schlechter Mensch sein konnte. Schließlich hatte er sich ja zwischen mich und diese monströse Katze gestellt um mich zu beschützen und hat dabei sogar freiwillig einen ziemlich tiefen Kratzer eingesteckt. Aber den hatte ich ihm ja wieder geheilt, so dass nichts mehr an den Schmerz erinnerte. Trotzdem fühlte ich mich irgendwie schuldig und während wir so in seiner Wohnung in diesem Raum saßen, wurde ich das Gefühl nicht los, dass ich mich trotzdem revanchieren müsste.
 

L

ange lag ich noch wach. Es war spät als Neo meinte, dass Nira und ich uns ausruhen sollten. Dimion brachte mich wieder in das kleine Zimmer, in dem ich aufgewacht war. Es schien das Gästezimmer zu sein, doch nun stand statt dem Schreibtisch ein zweites Bett darin. Wahrscheinlich sollten Nira und ich uns diesen Raum teilen. Dann wünschte er mir eine gute Nacht, meinte das Nira auch gleich kommen würde und verschwand. Eigentlich war er die ganze Zeit über sehr schweigsam, verzog so gut wie nie keine Miene. Und ich hatte ihn eigentlich auch noch nie richtig lachen sehen. Er schien immer etwas traurig und niedergeschlagen zu sein. Als ob er einen großen Schmerz seit Jahren mit sich herumtragen würde. Doch ich traute mich nicht danach zu fragen, wollte ihm nicht lästig sein oder aufdringlich wirken., schließlich war es keine Selbstverständlichkeit, zwei Dämonen und einen Engel ganz um sonst bei sich wohnen zu lassen. Vielleicht war er aber einfach nur einsam und wollte nicht immer alleine sein. Aber vielleicht bildete ich mir das auch nur ein und er war eben von Natur aus so schweigsam und unnahbar.

Eine kleine Lampe die an der Decke baumelte erhellte den Raum, denn von außen kam nicht einmal das Licht der Straßenlaternen, denn vor dem Fenster stand ein großer Kirschbau dessen blütenschwere Zweige das Licht regelrecht abschirmten. Als Nira rein kam und die Tür wieder hinter sich schloss, begann die Lampe im Luftzug zu schaukelt.

"Na, bist du gar nicht müde?" Wie immer trug sie ein Lächeln auf ihren rosigen Lippen.

"Eigentlich nicht. Ich könnte wahrscheinlich eh nicht schlafen. Ich bin noch so aufgewühlt von diesem Tag. Es ist in so kurzer Zeit so unglaublich viel passiert! Mein ganzes bisheriges Leben hat sich an dem heutigen Tag umgekrempelt!! Es ist einfach nichts mehr so, wie es früher war.

Und do bin ich froh darüber, denn jetzt habe ich viele Antworten auf Fragen, die ich mich nie getraut hätte sie jemandem zu stellen."

"Ich kann mir vorstellen wie es dir gehen muss. Ich wäre auch so aufgewühlt wie du.

Aber weißt du, mich habe das alles schon gewusst und deshalb ist es keine Überraschung mehr für mich. Ich kann allerdings nicht verstehen, dass du davon nicht den leisesten Schimmer hattest!" Wir setzten und auf mein Bett und Nira sah mich etwas besorgt, mitfühlend und aufmunternd zugleich an. Sie war wirklich etwas besonderes.

"Ich weiß auch nicht, warum mir etwas so für mein ganzes Leben entscheidendes nicht gesagt wurde. Wobei ich glaube, das meine Freundin Mai genau wusste, was ich wirklich bin. Und auch ich selbst habe schon immer gespürt, dass ich nicht ganz so bin wie die Engel um mich herum. Ich war schon immer etwas eigen.

Und selbst als ich vor meinem Herr stand, dem ich jetzt doch näher bin als ich angenommen hatte, hat mir niemand auch nur den kleinsten Hinweiß gegeben. Meinst du, sie hatten einen guten Grund dafür oder haben sie mich nur aus versehen in Unwissenheit gelassen?!" Langsam in mir Trauer und auch Wut hoch, denn ich fühlte mich von allen, denen ich bis jetzt vollkommen vertraut hatte, hintergangen.

"Sei nicht traurig darüber und zerbrich dir nicht unnötig den Kopf. Ich denke sie wollten dich einfach nicht damit belasten um dich nicht einzuengen. Nun kennst du ja die Wahrheit! Gräm dich nicht weiter und denke nicht mehr an die Vergangenheit. Schau lieber in die Zukunft und blick auf das, was noch vor dir und auch vor uns liegt!" Sie sah mir ins Gesicht und zwinkerte mir zu.

"Und jetzt sollten wir uns in hinlegen und versuchen zu schlafen.

Bis wir in zwei Wochen das Ritual des Paktschlusses vollziehen, bleibt noch genug Zeit uns den Kopf zu zerbrechen. Ich verspreche dir, dir bei der Suche nach dem Amulett zu helfen. Außerdem gibt es in der Welt der Menschen viel zu sehn!" Mit einem Lächeln stand sie auf, löschte das Licht und legte sich in ihr Bett. Auch ich schlüpfte unter die Decke und hingegen meiner Erwartungen schlief ich schnell ein. Ich war wohl doch noch erschöpft; und ich schlief einen langen, traumlosen Schlaf in dieser mir doch noch so unbekannten Welt ...
 

Ich wachte schon früh auf, noch bevor die Sonne ganz hinter dem Rand des Horizontes hervorgekrochen war. Das Zwitschern der Vögel und das rauschen des Windes in den Blättern des Kirschbaumes hatten mich aus dem Land des Schlafes kommen lassen. Die Nacht war ein bisschen unruhig gewesen, da ich nicht gewohnt war in solch einem Bett zu schlafen. Im Himmel ist es nicht notwenig sich so warm zuzudecken, denn es wird nie so kalt. Dort schlafen wir unter, in und auf Bäumen. Sie decken und mit ihren Blättern zu und streicheln und sanft in den Schlaf, während das Rascheln ihrer Zweige und Blätter wie eine Gutenachtgeschichte wirkt. Sie erzählt schon seit Jahrhunderten von der Entstehung allen Lebens und immer kommen neue Strophen und Verse hinzu.

Dieses leise und beruhigende Flüstern hatte mir zwar gefehlt, aber ich war zu müde um auch zu aufgeregt um mich daran wirklich zu stören. Aber jetzt war ich wach, konnte nicht mehr ruhig liegen bleiben und beschloss schließlich so leise wie es nur ging aufzustehen. Nira schien immer noch tief zu schlafen und ich wollte sie auch nicht unnötig aufwecken. Vorsichtig schlug ich die Decke zurück, setzte mich auf und stieg behutsam und ohne auch nur ein lautes Geräusch hören zu lassen aus dem Bett. Meine Schuhe hatte ich ausgezogen, bevor ich mich am Abend zuvor in das Bett gelegt hatte. Doch ich hielt es nicht für unbedingt nötig sie jetzt an zu ziehen. Ich wollte um keinen Preis riskieren, Nira doch noch aufzuwecken. Und als ich an das Fenster trat, stand ich direkt neben ihrem Bett. Es sah so friedlich und unschuldig aus, wie sie da lag und womöglich gerade einen Traum hatte. Einige ihrer langen hellbraunen und silbern glänzenden Strähnen fielen in ihr zartes fast weißes Gesicht, während sie gleichmäßig ein- und ausatmete. Sie musste sich bestimmt schon an diese Welt gewöhnt haben, hat sie mir doch erzählt das sie schon länger hier sei. Ich fragte mich, ob sie wohl doch ihre Heimat, die Unterwelt, vermisst. Doch vielleicht gibt ihr die Anwesenheit von Neo eine gewisse Vertrautheit und ein Gefühl von einem zweiten Zuhause. Bei mir war leider nichts, was mich irgendwie noch an das Reich Gottes hätte erinnern können. Doch ich war nicht traurig darüber, wusste ich doch genau, dass ich nicht mehr lange warten musste bis ich zu meinem Herrn und zu Mai zurückkehren konnte.

So geräuschlos es ging, schob ich die dunklen Vorhänge einen kleinen Spalt zur Seite und öffnete die gläserne Schiebetür, die den Raum von dem davor liegenden Balkon trennte. Sogleich ergoss sich ein heller Lichtstrahl der aufgehenden Sonne in das kleine Zimmer und erhellte es kurzzeitig mit einem warmen orange Ton, bis ich schnell wieder die Vorhänge zuzog, damit Nira nicht von dem Licht geweckt wurde. Die Luft war frisch und kühl, erfüllt von den abertausenden Düften der im Frühling aufblühenden Natur. Erst als ich ganz auf den kalten Steinboden des Balkons hinaustrat konnte ich sehen, dass dieser nicht nur vor dem kleinen Zimmer lang. Er zog sich über die ganze Breite dieser Hausseite und verband so die einzelnen Zimmer miteinander. Im Zimmer neben uns musste wohl noch ein Schlafzimmer sein, denn die Vorhänge waren ganz zugezogen.

Überwältigt von der Schönheit des Anblickes der sich mir hier bot und etwas geblendet von der Sonne trat ich an das Geländer des Balkons und umschloss das eiserne, kalte Geländer mit meinen Händen. Tief atmete ich die frische Luft ein. Langsam konnte ich spüren wie jede einzelne Zelle meines Körpers das Licht der Sonne in sich aufsog um es in Energie umzuwandeln. Wohlige Wärme durchströmte meine Adern und ich genoss das satte Gefühl, dass sich in mir ausbreitete. Mein Herz füllte sich mit Freude als ich sah, dass auf dem großen alten Kirschbaum, dessen Äste schwer mit Millionen von zartroten Blüten besetzt waren, ein kleiner Schwarm von Vögeln saß. Es waren nicht mehr als fünf dieser kleinen Federkugeln, aber sie sangen so zusammen, als wären sie mindestens hundert.

Lächelnd hörte ich ihnen zu und genoss es, denn es erinnerte mich an die vielen Morgende im Paradies Gottes, dem Garten Eden. Eines der kleinen gefiederten Wesen erhob sich in die Luft und folg mit schnellen Flügelschlägen auf mich zu, drehte eine Schleife um mich herum, bis es sich tschilpend auf dem Geländer neben meinen Händen niederließ. Nicht lange und auch die anderen vier Sangeskünstler kamen zu mir um ihr Talent vor mir darzubieten. Freudestrahlend stimmte ich leise in ihren Gesang ein, denn ich wollte je schließlich niemanden aufwecken. Als ob sie mich aufforderten mit ihnen zu kommen, zupften sie mir ihren kleinen Schnäbelchen vorsichtig an meinem Kleid. Dann flogen sie zurück auf den Kirschbaum. Und da ich mir sicher war, das mich um diese Zeit niemand sehen würde, folgte ich ihnen. Durch ein kurzes Aufglühen meines magischen Kristalls entfalteten sich meine weißen Federschwingen auf meinem Rücken. Wie die Flügel eines Adlers breiteten sie sich durch die Schlingen des blauen Bandes meines Kleides auf dem Rücken aus. Vorsichtig schaute ich mich doch noch einmal um, denn ich wollte sicher sein nicht beobachtet zu werden. Aber weil ich nichts verdächtiges entdecken konnte, schwang ich mich elegant mit einer Hand über den Rand des Geländers um wenige Meter in die Tiefe zu fallen. Doch mit einem kurzen Flügelschlag stieg ich schon wieder empor in den rot-gelb gefärbten Himmel. Es waren nur wenige Meter zu dem knorrigen Baum und schon saß ich zwischen den kleinen Sängern der Natur auf einem dicken Ast zwischen den vielen süßduftenden Blüten. Inzwischen warne noch mehr Vögeln hinzugekommen und alle stimmten sie mit mir in diesen ungewöhnlichen Chor mit ein. Selbst der Wind, die Bäume und das Wasser des kleinen Teichs schienen sich zu freuen und ihre leisen Stimmen in den Klangteppich unseres Liedes einweben zu wollen.

Doch plötzlich verstummten die Vögeln und auch das Rauschen der Bäume so wie das Plätschern des Teiches erloschen. Ein wenig irritiert schaute ich mich um und als ich Dimion auf dem Balkon entdeckte, auf dem ich noch wenige Augenblicke zuvor gestanden hatte, war ich sichtlich beruhigt. Lächelnd erhob ich mich, leicht wie eine Feder im Wind, von dem Ast und schwebte in seine Richtung. Er hatte mich noch nicht entdeckt und schien sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Lautlos wie eine Schleiereule flog ich zu ihm hoch, drehte mich geschickt in der Luft und setzte mich mit dem Rücken zu der Hauswand auf das Geländer. Selbst jetzt sah er mich nicht an. Erst als sich eine meiner weißen Federn aus meinen Schwingen löste und direkt vor seinem Gesicht zu Boden fiel drehte er seinen Kopf zu mir und sah mich an. Er sah müde aus, als hätte er nicht gut oder fast gar nicht geschlafen. Ein leichter Windstoß wirbelte einige meiner langen Strähnen, die aus meinem Zopf gerutscht waren, auf und trug sie in seine Richtung.

"Guten Morgen!" Freudig lachte ich ihn an, doch er erwiderte es nicht, knurrte nur ein unverständliches "morgen" und drehte sich wieder von mir weg. Ein wenig geknickt schwang ich mich auf den kühlen Boden des Balkons. Dimions Blick schweifte weit in die Ferne. Doch es sah so aus, als ob er nicht mehr auf der Erde wäre, als würde er in eine ganz andere Welt hineinschauen, seinen Geist auf die Reise schicken.

"Ist es nicht unvorsichtig von dir, dich hier in deiner wahren Gestalt zu zeigen? Hier, wo dich jeder sehen könnte ist das doch gefährlich ..." Fast geflüstert stellte er diese Frage in die klare Morgenluft. Vielleicht machte er sich ja tatsächlich Sorgen um mich, was man sich bei seiner Miene die er hinzog nicht gerade vorstellen konnte.

"Ich hatte gedacht, das mich um diese Zeit bestimmt niemand sehen würde.

Aber wenn du meinst das es zu unvorsichtig ist, dann sollte ich besser ..." Ich beendete meinen Satz nicht, lies einfach meine Augen und den Kristall aufglühen und dadurch meine Flügel in unzähligen Federn zerspringen. Aber schon nach einigen Augenblicken war nichts mehr von ihnen zu sehen, denn sie zerplatzten bei der kleinsten Berührung.

Ich war irgendwie traurig, konnte mir damals aber noch nicht so recht erklären warum. Und weil Dimion mich nicht mehr eines Blickes würdigte, ging ich etwas niedergeschlagen zu der Glastür die in unser Zimmer führet und wollte sie leise aufschieben. Doch als ich gerade meine Hand nach dem Griff ausstrecke, wurde der schon von Innen heruntergedrückt und die Wand aus Glas aufgeschoben. Etwas erschrocken sah ich in das noch Hier ziemlich verschlafene Gesicht meines Zwillings. Nira war wohl gerade erst aufgewacht.

"He, guten Morgen. Was bist denn du schon hier draußen so munter?!" Träge rieb sie sich den Schlafsand aus den Augen und kam zu mir auf den Balkon, atmete tief ein und steckte ihre Glieder. Dimion war schon wieder verschwunden. Irgendwie war er mir noch immer nicht ganz geheuer. Aber auf der anderen Seite schien er mir ungewöhnlich vertraut zu sein.

"Dir auch einen guten Morgen! Habe ich dich aufgeweckt oder bist du von alleine aufgewacht?!"

"Nee, du bist nicht daran schuld das ich wach bin. Ich konnte einfach nicht mehr liegen bleiben und da ich gesehen hatte das dein Bett leer war, hab mich mir schon fast gedacht dich hier draußen zu finden." Langsam wachte sie richtig auf. Auch sie schien es zu genießen das Licht des neuen Tages auf sich fallen zu lassen. Ich wusste es nicht, aber vielleicht bezogen auch Dämonen ihre Lebensenergie aus den Strahlen der Sonne. 'Wohl kaum, sie sind ja schließlich Wesen der Nacht und der Dunkelheit ...'

Kopfschüttelnd über meine Gedanken ging ich wieder in das Haus. Nira kam mir nach und meinte das wir zum Frühstück gehen sollte. Ich wollte ihr schon noch einmal auslegen, dass ich davon nichts essen könnte, doch sie nahm mich einfach an der Hand und zog mich hinter sich aus dem Zimmer durch den schmalen Gang zu dem großen Raum mit dem Tisch, an dem wir am Abend zuvor auch schon gesessen hatten. Neo saß schon dort und beobachtete mit finsterem Blick unser Ankommen. Nira ging in die Küche zu Dimion um ihm zu helfen und ich setzte mich, ein bisschen verunsichert von Neos Blick, auf eines der Sitzkissen nahe man Fenster. Es war mir nicht aufgefallen, aber der Tisch in diesem Zimmer war niedrig und falsch und man setzte sich auf den Boden davor, nicht auf Stühle. Mit verträumtem Blick schaute ich aus den Fenstern und vergas fast das, was um mich herum war. Dimion und Nira kamen mit dem Frühstück herein und dieses Mal war sogar etwas für mich dabei, Milch. Das ist neben Wasser das Einzige, was ich zu mir nehmen kann. Mal abgesehen von Blütennektar, aber das konnten sie mir hier wohl kaum anbieten. Keiner sagte ein Wort und jeder nahm schweigsam sein Frühstück zu sich.



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