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Pride (neu)

von

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Das ist ja ein ganz schöner Name

Kae

 

Wow. Der Hauptsitz war eines der schönsten Gebäude, die ich je in meinem Leben gesehen hatte.

Eine dunkelhaarige Frau, die  meiner Beobachtung nach vermutlich gerade erst aus der Pubertät heraus war, führte mich durch einen langen, hellen Flur. Darin standen Pflanzen, die das alles irgendwie heimeliger machten, und auf der rechten Seite befand sich keine Wand, stattdessen ragte alle fünf Meter eine Marmorsäule aus dem Boden. Dahinter konnte ich eine riesige Halle sehen, Tische und Stühle, vermutlich eine Kantine. Wenn man das noch eine Kantine nennen konnte.

Das Gebäude war siebenstöckig, im Boden jedes Stockwerkes war ein gigantisches Loch, durch das man die anderen Stockwerke beobachten konnte. Die Löcher waren mit golden verzierten Geländern bestückt, deren fein gearbeitete Muster mich sprachlos machten.

Alles im Hauptsitz machte mich sprachlos. Mit offenem Mund ließ ich mich von meiner kleinen Gebäudeführerin durch die Gänge und Hallen leiten, während die Hälfte ihres Geplappers komplett an mir vorbei ging.

Als ich mich auf die Leute konzentrierte, die an mir vorbeihuschten und mich leicht neugierig beäugten, konnte ich meinen Augen kaum trauen. So viel Attraktivität! Muskulöse Männer, schlanke, definierte Frauenkörper und wenige, wirklich wenige, die nicht in dieses fast perfekte Bild passten. Machten diese vielen Schönheiten nicht die Spannung im Zusammenleben kaputt? Es musste doch irgendwie Neid oder Seltenheit geben. Aber darüber konnte ich mir später Sorgen machen.

Lieber lenkte ich meine Aufmerksamkeit nach einer Ewigkeit mal auf die Dame vor mir.

„Na ja, also, okay. Das war das Gröbste, jetzt kommen wir zu deinem Mitbewohner“, zwitscherte sie, blieb prompt stehen und drehte sich zu mir um, dass ich nur mit Mühe noch zurückweichen konnte. Mit meiner schweren Sporttasche, die ich auf dem Rücken trug, wurde es auch nicht leichter.

Nach einer kurzen Zeit erst wurde mir bewusst, was sie da gerade gesagt hatte.

„Mitbewohner?“ Fragend sah ich ihr in die großen, grünen Augen und wartete auf eine Antwort. „Du ziehst in die Wohnung deines Kursleiters“, erklärte das Mädchen. „Kursleiters?“ Sie runzelte die Stirn. „Kampfkunst. Dein Kurs.“ Ein kleiner Moment Schweigen. „Kampfkunst?“

Wie niveaulos. Ich war anscheinend zu abgelenkt gewesen.

„Kae, hast du gehört, was ich dir vorhin erzählt habe?“ Nein, nicht das Geringste. „Ja, eigentlich schon.“ Ich lächelte leicht, bis das Mädchen – hatte sie mir überhaupt ihren Namen genannt? – wieder anfing zu reden. Diesmal hörte ich ihr wirklich zu, also wirklich wirklich.

„Ich weiß auch gar nicht wer auf die Idee gekommen ist, euch beide in eine Wohnung zu stecken.“ Sie schüttelte den Kopf und musterte mich inständig. „Du bist nicht zufälligerweise lesbisch oder asexuell?“, fragte sie mich. Worauf zur Hölle wollte sie hinaus, was ging sie meine Sexualität an?

Bei meinem argwöhnischen Blick rollte sie mit den Augen. „Du musst etwas über Adrian wissen, er…“ „Wer ist Adrian?“

Sie zog die Augenbrauen zusammen und sah mich tadelnd an. „Du hast mir nicht zugehört.“ Wie ist sie da nur drauf gekommen? „Gut, fass alles noch mal klein und fein für mich zusammen, ich streng mich an dir zuzuhören“, schlug ich vor und lächelte schief. Dass wir uns schon von Anfang an geduzt hatten, überraschte mich auch ein bisschen – dass sich wohl alle beim Vornamen nannten ebenfalls. Es wirkte weniger wie eine Haupteinheit einer Organisation, die praktisch in einem Krieg steckte, sondern mehr wie eine Highschool. Bloß das Alter variierte.

„Klar, ich hab ja nichts Besseres zutun“, giftete – oh ich sah es! Sie trug ein Namensschild! Hätte mir das nicht früher auffallen können? Nadine, das ist ja ein ganz schöner Name – Nadine, setzte trotzdem zu einer Zusammenfassung an. „Du wirst in der nächsten Zeit erstmal einen Kampfkunstkurs belegen, den Adrian Connor leitet. Wohnen wirst du in Adrians Appartement.“

„Und was ist so schlimm daran, dass ich bei ihm wohne?“ Nadine zog die Augenbrauen hoch. „Na ja, sexuelle Handlungen sind zwischen Lehrern und Schülern verboten, und…“ Anstelle davon, ihren Satz zu Ende zu bringen, studierte sie meinen ganzen Körper. Letztendlich blieb ihr Blick an meinem Dekollete hängen, was mich nicht besonders erfreute.

„Warum gehst du jetzt gleich davon aus, dass ich mich an jeden Kerl heranschmeiße, der mir über den Weg läuft?“ Sie machte Anstalten etwas zu sagen, doch bevor sie anfing fuhr ich säuerlich fort. „Sind wir jetzt fertig?“ „Ich meinte doch nicht…“ Ich fiel Nadine ins Wort, rechtfertigen musste sie sich auch nicht mehr. „Sind wir jetzt fertig?“, wiederholte ich scharf und hoffte einzig und allein auf ein ‚Ja’.

„Geh durch die Tür und die Treppe runter, da findest du Adrian. Den Rest klärst du mit ihm“, sagte sie (niedergeschlagen?) und deutete auf die besagte Tür, vor der wir schon seit einer Weile standen.

„Danke“, verabschiedete ich mich kalt und riss die schwere Tür auf, mit etwas gereizter Laune.

Da hatte ich mich schon den ewig langen Flug hierher geschleppt und bekam so was an den Kopf geworfen. Schönen Dank auch, Nadine.

Je weiter ich die Treppe herunter ging, desto stärker wurde der Geruch von Chlor. War da ein Schwimmbad? Das hieß, wenn mein Kursleiter, oder wie die liebe Nadine ihn genannt hat, Lehrer, dort schwimmen würde, begegnete er mir direkt in einer Badehose? Unter Lehrern stellte ich mir fünfzig- bis sechzigjährige Spießer vor, mit großer Brille und möglicherweise einer winzigen pädophilen Neigung. Dieser Gedanke war wirklich kindisch, das musste ich schon zugeben. Aber wenn ich das Wort ‚Lehrer’ hörte, hatte ich automatisch dieses Bild in meinem Kopf.

Ich öffnete die getrübte Glastür und fand mich tatsächlich in einem kleinen Schwimmbad wieder, mit ebenso wunderschönen Verzierungen wie überall, wo ich im Hauptsitz bisher gewesen war. Mit meinen Chucks würde ich es nachher noch bereuen, den nassen Boden betreten zu haben, aber was sollte es schon. So lange verbrachte ich da ja hoffentlich nicht. Im Becken kraulte jemand seine Runden, ohne aufzugucken oder mich zu bemerken.

Ich schmiss meine Tasche auf eine der Liegen und setzte mich gleich daneben, sollte sich der Kerl im Wasser nur Zeit lassen. War doch natürlich nicht so, dass ich einen zehnstündigen Flug hinter mir hatte und unter einem fiesen Jetlag litt, neeiiin.

Ich stöhnte und vergrub mein Gesicht in den Händen, bis ich ein lautes Plätschern hörte und wieder aufguckte. Was sich da vor mir aus dem Pool stemmte, konnte ich beim besten Willen nicht glauben.

Breite Schultern, schmale Hüften, trainierter Körper. In was für einem Film steckte ich? Das konnte unmöglich echt sein. Oder vielleicht hatte er ein hässliches Gesicht, oder…

Dann stand er am Beckenrand und sah mich an. Nein, nein, das konnte nicht echt sein. Zu diesem Traumkörper noch markante Gesichtszüge? Dichte Augenbrauen, volle Lippen, dunkelbraune Haare, die ihm ins Gesicht hingen und – ein Lippenpiercing?! Nein, nein, nein. Das musste einen Haken haben. Bestimmt hatte er einen winzigen Penis. Ja, das musste es sein.

„Darf ich fragen, was du hier machst?“, sprach er mich an, mit einer tiefen Stimme, die so unglaublich war wie sein Körper. Ach, nein, der Penis musste ja klein sein. Dann war es wohl kein Vergleich. „Ich bin Kae, deine Mitbewohnerin.“ Ich stand auf, guckte zu ihm hoch und streckte meine Hand aus. Er ergriff und schüttelte sie mit einem festen Händedruck, während ich mich darüber wunderte, dass ich so gefasst war. Ich hatte erwartet, nicht mal stehen zu können, aber hey, ich war anscheinlich ein gebranntes Kind.

„Du sprichst perfekt Deutsch“, bemerkte er und ließ meine Hand los. Wie schön, dass er sich mir auch vorstellte. Was für eine soziale Person. „Ich hab in vielen Ländern gelebt, hab viele Sprachen gelernt“, sagte ich und beobachtete sein Gesicht. Wie Nadines, wanderte Adrians Blick an mir hoch. Von meinen Beinen zu meinen Hüften zu meinem Bauch und – oh, er war bei den Brüsten angekommen. Es kam mir ziemlich komisch vor, dass ich von jedem hier erstmal körperlich abgecheckt wurde. Dabei war ich noch nicht mal besonders erotisch angezogen. Schwarzes Top, blauschwarz karierte Bluse, schwarze Skinnyjeans, blaue Chucks. Ja, ja, sehr stylisch.

„Bitte sag, dass du nicht auf Männer stehst“, flehte Adrian und sah mir wieder in die Augen.

Wo war ich hier gelandet?

„Kannst du mir die Frage beantworten, warum du nicht der erste bist, der sich für meine sexuelle Ausrichtung interessiert?“ Er zog eine Augenbraue hoch, wie die Klischeeschönlinge es eben so taten und presste die Lippen zusammen. Dieses Piercing war echt… heiß.

„Nein, wahrscheinlich nicht. Aber… stehst du auf Männer?“ Ich musste fast anfangen zu lachen. „Du machst nicht gerade den besten ersten Eindruck auf mich“, log ich. Der erste Eindruck war dieser Körper gewesen. „Du lenkst vom Thema ab.“

Kopfschüttelnd verschränkte ich die Arme vor der Brust. „Ich weiß zwar nicht, warum du so scharf darauf bist, das zu wissen. Trotzdem: Ich bin hetero.“

Mein wunderbarer neuer Mitbewohner schien sichtlich unbeeindruckt von der Antwort. „Fuck“, murmelte er und ging an mir vorbei, griff sich ein Handtuch von der Liege neben meiner Sporttasche. „Hab ich dich etwa enttäuscht?“, rief ich und musste grinsen. Mit einem ernsten, fast verärgerten Ausdruck auf dem Gesicht drehte sich Adrian wieder zu mir. „Nein. Aber ich fürchte, dass ich in den nächsten Wochen meinen Kurs verlieren werde.“



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