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The hidden Diary of Draco Malfoy

von

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Aus alt mach neu

Mit einem groben Keuchen schob Hermine den schweren Schrank zur Seite, der den Durchgang zu einem Flur blockiert hatte – mit Magie hatte sich nichts machen lassen. Sie schniefte leise, als sie es geschafft hatte – Schweiß rann ihr die Stirn herunter, und sie wischte ihn sich mit einer leichten Handbewegung weg.
 

Da war er also – der lange zugeschüttete Gang zu den Gemächern der Slytherins, der seit dem Krieg verbombt und verbarrikadiert gewesen war. Sie stieg über einige Trümmer hinweg, vorsichtig und bedacht darauf, nichts zu zerstören.
 

Ein Schauer lief ihr über den Nacken. Der Gang war eiskalt, leer und mit großen Brocken und Staub bedeckt.
 

„Ist alles in Ordnung? Was siehst du?“
 

Die Stimme von Luna war direkt hinter ihr. Zu zweit waren sie unterwegs gewesen, wie so viele andere, um bisher verschlossene Regionen des Schlosses wieder zu öffnen und freizumachen. Und sie natürlich zu renovieren, denn nach dem Krieg war das Schloss in äußerste Mitleidenschaft gezogen worden.
 

„Es ist wie die anderen Korridore – ein komplettes Chaos. Komm, Luna.“, antwortete sie und wartete, bis auch Luna sich den Weg durch die Steine und Brocken gekämpft hatte.
 

„Wow. Das nenn' ich Chaos. Ziemlich unheimlich hier, oder? Es ist so...“, sagte Luna leise, und Hermine nickte, während sie sich eine Strähne aus der Stirn zupfte.
 

„Es ist unheimlich, weil man weiß, wer hier gelebt hat. Es ist, als würde die Kälte ihrer Anwesenheit nicht weggehen.“
 

„Es sind so viele verschwunden... Denkst du, sie konnten wirklich nicht auf unsere Seite wechseln?“
 

„Ich weiß es nicht und will es auch gar nicht wissen. Ich bin froh, dass sie weg sind. Besonders...“
 

„Er.“
 

„Ja.“
 

Sie gingen dicht nebeneinander gedrängt durch den dunklen Korridor, der nur spärlich bis gar nicht beleuchtet war. Hermine machte nur eine schnelle Bewegung, und schon schenkte ihr Zauberstab den beiden etwas Licht.
 

Es war seltsam, die Räume zu durchschreiten, von denen sie wussten, dass sie nur von Slytherins bewohnt worden waren. Das Portrait, das den Eingang zum Gemeinderaum bewacht hatte, war schlichtweg nicht mehr vorhanden; ein großes Loch klaffte stattdessen an der Stelle. Hermine schluckte leicht, trat jedoch mit Luna am Arm hindurch. Ihre Gänsehaut wurde nicht geringer, auch nicht, als sie durch den schmalen Durchgang in den großen und einst eleganten Gemeinschaftsraum traten.
 

Zerrissene Banner hingen von der Decke, silbern und grün, und hier und da prangte das Abbild der berühmten Schlange. Manchmal waren noch Sachen zu finden; Bücher, Decken, Fotos.
 

Hermine schob einige Steine beiseite und befreite so ein altes Zaubertrankbuch, das ganz eingestaubt war; als sie es vorsichtig aufschlug,las sie einen Namen, der ihr ein blankes Schaudern bescherte: Crabbe.
 

Sie wusste, dass er jetzt mittlerweile tot war; sie selbst hatte ihn brennen gesehen. Sie schloss für einen Moment die Augen und atmete leise aus. Die Schrecken des Krieges waren noch zu frisch in ihrem Gedächtnis, zu tief saß der Schmerz noch. Selbst wenn dies nur Feinde waren – so waren sie doch alle einst zusammen zur Schule gegangen. Waren miteinander groß geworden.
 

Sie hob das Buch auf und legte es auf eine leicht ramponierte Kommode; das dunkle Holz knarrte leise.
 

„Geh' du hoch zu den Schlafsälen der Jungs, ich werde mir die Mädchen vornehmen.“, sagte Luna und nickte Hermine zu; nur einige Momente später war sie die Wendeltreppe hoch verschwunden, die so ähnlich zu denen im Gryffindorraum waren.
 

Hermine stand noch eine Weile herum und sah sich um; was war nur passiert? Wozu all der Hass... Sicher, sie hatte überlebt, einige ihrer Liebsten hatten überlebt, es herrschte endlich Frieden – doch zu welchem Preis?
 

Mit einem Seufzer machte sie sich auf den Weg in den Schlafsaal der Jungen. Der Gang war eng, musste jedoch einst wunderschön tapeziert worden sein – einige Fetzen von der edlen Tapete hingen noch an den steinigen Wänden.
 

Als sie den Saal betrat, stockte sie zunächst.
 

Er war bei weitem nicht so zerstört wie die Räume davor, dennoch herrschte pures Chaos. Die Betten sahen dennoch so aus, als wären sie während der Schlacht benutzt worden. Hermine hielt die Luft an, als sie an einem Bett vorbeiging, in dem eine große Lache Blut lag, die immer noch verdächtig schimmerte.
 

Ein Zauber vielleicht?
 

Sie begann damit, nach Anzeichen zu suchen, dass noch jemand nach der Schlacht dagewesen war – doch Irrtum. Auch befand sich niemand in diesem Raum. Die Anweisungen von Professor McGonnagall waren eindeutig gewesen: Sucht nach Überlebenden, sucht nach etwas, was Familien vielleicht vermissen. Was an ihre Kinder erinnert.
 

Eine schwere Aufgabe.
 

Hermine kramte ungefähr eine halbe Stunde herum; sie durchwühlte Schränke, Schubladen, suchte nach Fotos. Es gab einige Sachen, die sie fand, auch wenn es ihr wie in jedem Raum schwer fiel, sie an sich zu nehmen und in ihre Tasche zu stecken. Wenn sie wusste, dass einige der Besitzer tot waren, fühlte sie sich, als würde sie deren Ruhe stören.
 

Sie gab schon fast auf, als sie plötzlich ein schwarzes, ledernes Buch unter einem der Betten liegen sah – unter dem Bett, auf dem nach wie vor die scharlachrote Blutlache lag. Sie rümpfte die Nase; dieses Bett hatte sie gemieden.
 

Doch nun zwang sie sich, die Tatsache des Blutes zu ignorieren und sich leicht unter das Bett zu bücken, um das einst edel aussehende Buch aufzuheben.
 

Es war mit Staub bedeckt und an einigen Stellen etwas eingerissen, doch es war noch erhalten. Sie setzte sich kurz hin, wischte vorsichtig den Staub weg und suchte nach etwas, dass dem Buch einen Titel gab – doch da war nichts. Vielleicht war es eine Art Hausaufgabenheft, dachte sie, und schlug es vorsichtig an der ersten Seite auf.
 

Sie schrie fast auf, konnte sich jedoch noch fangen; das Buch war ihr vor lauter Schreck aus den Händen geglitten. Nein, das konnte nicht wahr sein.
 

Warum musste gerade sie es entdecken? Ihre Hände zitterten, als sie den schwarzen Einband wieder aufhob und die erste Seite erneut aufschlug, aus Angst, sie habe sich nur verlesen. Doch als sie das schwarze Leder umklappte, bestand kein Zweifel.
 


 

Tagebuch von Draco Malfoy.
 


 

Ihr Herz schlug so fest gegen den Brustkorb, dass es weh tat. Nicht er. Nicht sein Tagebuch. Sie schluckte und versuchte, gegen die aufkommende Hitze in ihrem Innern anzukämpfen.
 

Sie hielt es tatsächlich in den Händen – das Tagebuch ihres absoluten Erzfeindes in der Schule. Das Tagebuch des Jungen, den sie mehr gehasst hatte als andere auf der Welt, der sie schikaniert, beschimpft und beleidigt hatte; gequält, jahrelang.
 

Und nun hielt sie etwas in den Händen, was intimer war als alles, was er ihr jemals hätte antun können.
 

Sie brauchte einen Moment, um klar zu werden.
 

Und traute sich nicht, die erste Seite nach dem Titel aufzuschlagen. Was würde darin zu finden sein? Sollte sie es abgeben, ohne es je gelesen zu haben?
 

Obwohl sie wusste, was zu tun war, siegte diesmal die Neugierde.
 

Sie steckte das Buch in ihre Jackentasche, sah sich noch einmal um und machte sich dann auf den Weg, um Luna zu suchen.
 

Erst als sie abends alleine war in einem der Räume, die ihnen zum Schlafen zur Verfügung standen, wagte sie, das Buch wieder hervorzuholen.
 

Es war wie ein verfluchter Schatz, der ihr einen blanken Schauer über den Rücken jagte.
 

Mit klopfendem Herzen öffnete sie das Buch, las noch einmal die Überschrift, und blätterte dann zur ersten Seite.
 

Sie markierte einen Montag im sechsten Schuljahr. Also war es nicht einmal so alt, dachte sie, biss sich auf die Lippe und begann zu lesen.
 


 

***
 


 

Montag, 03. Februar
 

Es ist verdammt kalt hier, überall ist wieder Schnee. Ich habe diese Jahreszeit noch nie gemocht und werde sie auch nie mögen. Es erinnert mich irgendwie an Unschuld, dieses Weiß, und jedes Mal, wenn ich die Leute darin tollen sehe, kriege ich das pure Schaudern. Sie wälzen sich in ihrer eigenen Unschuld, wie es mir scheint.
 

Ich meide den Schnee eigentlich immer, außer, wenn es unbedingt sein muss. Ich hole mir viel zu oft eine Erkältung, und Quidditch ist bei dem Wetter auch nicht einfach.
 

Aber ich werde dieses Jahr nicht mehr spielen können.
 

Wie du weißt, Tagebuch, war es immer mein Wunsch, einmal in Vater's Fußstapfen zu treten – jedoch nicht auf die Art und Weise. Ich wollte immer seinen Ruhm, seine Ehre, sein Ansehen. Dass wir viel mit dem dunklen Lord zu tun haben, konnte ich ja nicht ändern.
 

Ich habe Angst in seiner Gegenwart, weißt du. Ich hasse es, wenn diese kalten, irgendwie toten Augen mich anstarren, mich durchschauen. Meine Tante hat mir beigebracht, mich zu wehren, innerlich... Doch versuche das einmal in Gegenwart von ihm.
 

Er weiß, dass man Angst hat.
 

Und du weißt, dass er diese Angst ausnutzt. Und du nichts dagegen machen kannst.
 

Manchmal habe ich Angst, dass er....
 


 

***
 


 

Hermine schreckte auf; ein Schatten bewegte sich an der Wand. Hastig packte sie das Buch weg und legte sich auf ihre dünne Matratze, schloss die Augen und versuchte, ein ruhiges Atmen zu simulieren.
 

Es war Ron, der im halbdunkel des Raumes umher trampelte.

Zwei Gesichter - eine Person

Sie wartete ein wenig, bis Ron sich auf seine Matratze gelegt hatte; da er sich jedoch noch eine Weile sinnlos hin- und herwälzte, konnte sie im Halbdunkel trotzdem noch nicht weiterlesen. Einfach aus Angst, er würde bemerken, dass sie wach war.
 

Als sie letztlich ein gleichmäßiges Atmen vernahm, das nur gepaart mit einigen Schnarchern war, erst dann öffnete sie das Buch wieder und begann, an der letzten Stelle wieder anzusetzen. Draco's Schrift war fein säuberlich.
 


 

***
 


 

… manchmal habe ich Angst, dass er weiß, was ich denke.
 

Es gibt Momente, da starren mich diese kalten Augen an, selbst dann, wenn ich nicht in einem Raum mit ihm bin. Er starrt mich in meinen Träumen an. Er verfolgt mich darin. Ich frage mich manchmal, ob er in Träume einsteigen kann.
 

Letzte Woche hatte ich, wie ich dir schon geschrieben hatte, einen weiteren Traum, in dem ich auf diesem verlassenden Grundstück stand, mit einem blutigen Pfahl in meiner Hand. Dieser Traum wiederholt sich mittlerweile fast alle zwei Nächte.
 

Ob er es als unterbewusstes Druckmittel einsetzt? Oder ist das meine manifestierte Angst?
 

Es fällt mir schwer zur Zeit, mich auf den Unterricht zu konzentrieren. Mein Kopf dröhnt. Wenn ich die Mitschüler beobachte, kommen sie mir alle wie düstere Schattengestalten vor. Es gab eine Situation in der letzten Zaubertrankstunde, da hatte ich wahrhaftig Angst.
 

Da war Potter, und er starrte mich an. Diese giftgrünen Augen, ich habe sie noch nie ausstehen können... er beugte sich zu Granger, mit der an einem Trank arbeitete, und auch sie begann, wenn auch mit Abstand, einen kurzen Blick auf mein Gesicht zu werfen....
 


 

***
 


 

Hermine stockte.
 

Irgendwie war es seltsam, ihren Namen in seinem Tagebuch stehen zu sehen. Er hatte das „G“ von Granger sehr filigran geschrieben, fein geschwungen und zart. Sie fuhr mit dem Finger über ihren Namen, obwohl ihr dabei ein leichter Schauer über den Rücken lief.
 

Das letzte, was sie von Draco Malfoy gehört hatte nach dem Krieg, war nur, dass niemand ihn gesehen hatte.
 

Er war wie vom Erdboden verschluckt. Selbst seine Familie, die tränenreich zurückgeblieben war, war nicht imstande, irgendjemandem zu sagen, wo sich Draco aufhielt.
 

Und ob er überhaupt noch lebte...
 

Hermine hatte einmal mit Harry darüber gesprochen, und auch er hatte gesagt, dass er nichts gehört oder gesehen hatte. Es war fast so, als sei Draco mit dem düsteren Schatten Voldemorts verschwunden – verschluckt in der dunklen Ära, verschluckt im dunklen Nebel, der noch heute, ein paar Monate später, wie eine Maske auf Hogwarts drückte.
 

Manchmal war ein Grollen im Himmel zu hören, das fast so klang, als sei der Zorn Voldemorts noch immer nicht verraucht.
 

Bei jedem dieser Gedanken fuhr Hermine ein Schauer über den Nacken. Zögernd fuhr sie sich leicht mit der Zunge über die Unterlippe und fuhr fort.
 


 

***
 


 

Granger's Blick auf mir zu spüren war schon immer komisch für mich. Ich weiß nicht, warum gerade diese Person so viel in der Schule reißen kann. Sie ist muggelstämmig, ein Schlammblut.. so wurde es mir zumindest immer gesagt. Wobei ich mich frage – wenn Schlammblüter so minderwertiges Blut haben, warum kann sie dann so manches besser als alle anderen?
 

Vielleicht mogelte sie ja, ich weiß es nicht. Ich hasse sie, ich habe sie immer gehasst. Genau wie Potter. Und Weasley. Die drei Gestalten munter lachend im Sonnenschein zu sehen, Potter, der Goldjunge, das war... das war immer eine Folter.
 

Wie konnte er überleben?
 

Ich habe einmal, das habe ich dir noch nicht erzählt, den dunklen Lord töten sehen. Es war eine junge Frau. Ich habe nicht mitbekommen, was sie getan hat, doch sie hat elendig geweint und war ganz verstört und schmutzig.
 

Der Lord war vor ihr auf und ab marschiert, hatte sie einfach nur angesehen, ihr Flehen um Gnade ignoriert. Ich habe versucht wegzusehen, doch irgendwie konnte ich nicht.
 

Er hörte sich ihr Klagen noch genau zwei Minuten an, dann hob er seinen Zauberstab, richtete ihn auf sie und... sagte es.
 

Ich mag es selbst heute nicht hinschreiben.
 

Diese Frau so sinnlos sterbend auf dem Boden zusammensacken zu sehen, wie eine knittrige Puppe, das war grausam. Ihre Augen waren weit aufgerissen, und es sah so aus, als seien graue Flecken darin zu sehen.
 

Als starre sie direkt in die Leere.
 

Als ihr Kopf dann auf den Boden knallte, war es ganz still im Raum, bis auf das leise Lachen des dunklen Herrschers.
 

Vater hat mir eine Hand in den Nacken gelegt, ganz kalt fühlte sie sich an. Ich werde niemals vergessen, wie die grauen Augen der Frau, selbst im Tod vor Schreck aufgerissen, in meine Richtung starrten – mit einem offenen Mund, aus dem eine kleine Spur Speichel lief.
 

Deshalb frage ich mich, wie Potter das überstanden hat. Und ob ich es auch überleben würde.
 

Denn wie du weißt, hat er mich auserwählt für seine Aufgabe. Als ich Potter's Blick nämlich in dieser Stunde auf mir spürte, war das wie einen Blick in den Spiegel der Zukunft.. nur dass ich dort den Tod sah.
 

Doch zunehmend baut sich Druck auf... Ich weiß nicht, ob ich das kann...
 


 

***
 


 

Hermine stoppte und atmete tief aus.
 

Ihre Finger waren leicht am Zittern, so deutlich hatte sich in ihrer Fantasie das Bild dieser hilflosen Frau eingebrannt.
 

Doch was sie viel mehr verwunderte – hatte der Draco Malfoy, den sie kannte, wirklich solche Gefühle gehabt? Gefühle von Angst, Trauer... gar Mitleid?
 

Es musste ein zweites Tagebuch geben, wenn nicht sogar mehrere, denn sie fragte sich, was wirklich alles vorgefallen war. Da Draco jedoch davon nur platonisch schrieb, würde sie es wohl nie wissen.
 

Es war seltsam, den fiesen, ekligen Draco Malfoy in seiner intimsten und anscheinend auch menschlichsten Form zu sehen und zu lesen. Als würde man über eine fremde Person nachdenken, die nie existiert hatte – denn der Malfoy, den sie kannte, war ein absolutes Scheusal gewesen.
 

Oder war es doch alles nur eine Tarnung gewesen?
 

Sie legte das Buch sicher unter ihre Matratze und rückte ihr Kissen zurecht. Obwohl sie vom Tag erschöpft war, rasten die Gedanken in ihrem Kopf.
 

Das leise Atmen der anderen ließ sie irgendwann in einen traumähnlichen Zustand übergleiten, und es war ihr, als träume sie von ihrer Schulzeit, von dem sonnigen Hogwarts, das noch nicht mit Schatten und Tod übersät worden war.
 


 

Am nächsten Morgen waren alle früh auf den Beinen; Hermine half Harry und Ron dabei, das Frühstück vorzubereiten, da es ihre Schicht war.
 

„Hermine, du siehst fertig aus.“, sagte Harry, der gerade ein paar Eier in einer alten, gußeisernen Pfanne briet. Hauselfen waren befreit worden; und obwohl einige noch freiwillig mitarbeiteten, so waren es bei weitem nicht genug.
 

Sie seufzte.
 

„Ich habe schlecht geschlafen, das ist alles. Ich hatte seltsame Träume.“
 

„Von...?“
 

Sie sah sich um; Luna und die anderen waren mit dem Aufräumen beschäftigt, und sie beugte sich näher an Harry und Ron, damit andere es nicht mitbekamen.
 

„Habt ihr euch nie gefragt, warum dieser düstere Himmel immer noch über Hogwarts ist?“
 

„Manchmal scheint auch die Sonne.“, bemerkte Ron und lachte leise.
 

Hermine schüttelte den Kopf. „Nein, das ist es nicht. Selbst wenn die Sonne scheint, nachts ist der Himmel so schwarz wie damals, als wir gekämpft haben. Es ist irgendwie so, als drückt noch eine dunkle Macht auf das Schloss. Spürt ihr das nicht auch?“
 

Harry und Ron sahen sich kurz an, schüttelten jedoch die Köpfe. Es war Harry, der als erstes antwortete.
 

„Hermine, du kommst da doch nicht einfach so mit an. Ist etwas passiert?“
 

„Gestern war ich ja, wie ihr wisst, in den ehemaligen Räumen der Slytherins...“, sie stockte; sollte sie ihnen wirklich davon erzählen? Sie wollten das Buch mit Sicherheit auch lesen...
 

„Jaa, und? Hast du einen verzauberten... Socken gefunden oder was?“, prustete Ron, doch Harry warf ihm einen bösen Blick zu, genau wie Hermine.
 

„Ihr habt eine Laune...“, murrte Ron, und Hermine fuhr leicht pikiert fort, auch wenn Ron wieder einmal bewiesen hatte, dass er keinen Sinn für das Zuhören hatte.
 

„Dort war ein Bett, in dem eine frische Blutlache war. Zumindest wirkte sie frisch.“
 

Für einen Moment sahen die zwei Jungs sie schockiert an, dann wisperte Harry leise: „Bist du dir sicher? Aber... da war seit Monaten niemand mehr. Vielleicht war es ein verletztes Tier.“
 

Hermine seufzte erneut, während sie ihren Blick auf das Essen zuwandte.
 

„Ich weiß es nicht. Ich kann es euch zeigen, wenn ihr wollt.“
 

„Ja.“
 

Es dauerte jedoch noch, bis sie Gelegenheit bekamen, den Raum der Slytherins wieder aufzusuchen. Da sie nicht in einer Truppe waren, war es schwer, sich zu treffen; doch sie bekamen es gegen Abend hin, kurz vor dem Essen.
 

Hermine fühlte sich unwohl, als sie wieder in den mit der Dämmerung dunkleren Korridor trat und die dröhnende Stille in ihrem Nacken eine Gänsehaut bildete. Auch Harry und Ron fühlten sich nicht wohl; auch wenn sie nichts sagten, so konnte Hermine in ihren Augen sehen, dass der leere Gang genau dieselben, trügerischen Angstgefühle in ihnen auslöste wie bei ihr.
 

Sie mussten ihre Zauberstäbe benutzen, um überhaupt etwas zu sehen; als sie das klaffende Eingangsloch durchschritten, war es fast so, als sackte die Temperatur in den Räumen noch weiter ab.
 

Sie gingen fast schleichend in den Schlafsaal, obwohl sie wussten, das niemand da war. Obwohl Hermine das dunkle Gefühl beschlich, dass sie beobachtet wurden. Als würden düstere Schatten an der Wand tanzen, die alle wilde Augen hatten.
 

Doch sie den Schlafsaal erreichten und Hermine sich umblickte, stockte ihr der Atem und sie stieß einen leisen Schrei aus.
 

Das Blutlache war verschwunden.

Entdeckungen

Hermine keuchte.
 

„Das ist nicht wahr... Wer...? Außer Luna und mir war hier noch niemand!“
 

Ron hob seine Augenbrauen an und warf Harry einen kurzen Blick zu; dieser sah jedoch dabei zu, wie Hermine hektisch nach Spuren suchte, doch vergeblich.
 

„Bist du dir wirklich sicher?“, fragte er.
 

Hermine's Gedanken drehten sich.
 

Hier war eindeutig noch am letzten Abend Blut gewesen; sie selbst war dem Bett noch ausgewichen, bevor sie Malfoy's Tagebuch gefunden hatte. Doch nun war nichts mehr zu sehen... Keine Spur von Wischbewegungen, keine Spur von anderen Mitteln; es war einfach ein glattes, weißes Laken, dass ein wenig zusammengeknüllt war.
 

Hermine ließ ihren Kiefer knacken und warf einen Blick zu Harry und Ron.
 

„Es war hier, ich bin mir zu tausend Prozent sicher. Ich habe das Bett als letztes untersucht, weil es so gruselig war... Es war wie frisches Blut!“
 

„Vielleicht war es ein Tier, oder du.. naja, wir hatten alle eine anstrengende Zeit.. Es kann auch Erschöpfung gewesen sein.“, sagte Harry und fuhr mit den Händen über das Laken, das nach wie vor wie unbenutzt dalag.
 

„Nein, mir geht es bestens. Jungs, hier muss jemand drin gewesen sein. Jemand, der die Lache verbergen wollte. Das kann nicht sein. Ihr wisst genau, dass wir feste Bereiche haben. Und Tiere können es nicht gewesen sein, weil die Fenster...“
 

Hermine warf einen Blick zu den kleinen Turmfenstern, die in jedem Schlafsaal in Hogwarts identisch waren; doch vergittert waren sie nicht mehr. Jenes Fenster, welches dem blutigen Bett am nächsten stand, war sogar etwas eingerissen. Doch Blut war nirgends mehr zu finden.
 

Eine schwere Enttäuschung machte sich in ihr breit, und obwohl sie wusste, dass die beiden ihr glaubten, war sie innerlich am verzweifeln. Irgendjemand – irgendetwas? - musste das Laken genommen haben und es durch ein neues ersetzt haben.
 

Doch zu welchem Zweck? Und wessen Blut war es gewesen?
 

„Wir sollten wieder gehen.. Buh, dieser Raum ist unheimlich. Wenn ich mir vorstelle, dass jemand wie Draco Malfoy hier mal geschlafen hat.. Da kommt mir glatt das Kotzen.“, stieß Ron hervor und zog ein zerknautschtes Gesicht.
 

„Ron!“
 

„Ja was denn, ist doch wahr. Er war ein Scheusal.“
 

„Du weißt nicht mal, ob er noch lebt, also rede nicht so über ihn.“
 

„Harry, hast du das gehört? Hermine beschützt den toten Malfoy!“
 

„Schluss, ihr beiden, ihr hört euch an wie zwölfjährige Kinder. Lasst' uns gehen... Aber wir werden den Raum vielleicht im Auge behalten. Was meinst du?“
 

Harry wandte sich an Hermine, die leise seufzte und dann nickte. Das würde die beste Lösung sein, und auch wenn sich alle drei sicher waren, dass sie niemandem etwas davon erzählen würden, so beschlich Hermine beim Herausgehen das leise Gefühl, dass ihr wieder Schatten mit ihren Blicken folgten.
 

Ihre Gänsehaut verschwand so lange nicht, bis sie wieder komplett aus dem Trakt mit den Slytherin Räumen heraus waren.
 

Abends, als Hermine sich demonstrativ gähnend auf ihr Bett legte, war sie in Wirklichkeit hellwach. Sie musste lange warten, bis auch die letzten Leute auf den schummerigen Matratzen eingeschlafen waren, dann jedoch zog sie die Decke über sich, zog ihren Zauberstab hervor und machte sich daran, Draco's Tagebuch weiterzulesen. Sie übersprang einige Seiten und kam an eine Stelle, die sie nur aus Harry's Erzählungen kannte.
 

Es beschrieb den 07. Mai, der Tag, an dem Malfoy von Slughorn's Party geflogen war.
 


 

***
 


 

….Ich hatte mir schon gedacht, dass Snape mir gefolgt war, und obwohl er mich bis nach draußen begleitet hatte, ließ er nicht locker.
 

„Lassen Sie sich helfen, ich sehe doch, dass Sie daran verzagen!“, sagte er mit seiner öligen Stimme, die ich mittlerweile hasste.
 

„Ich brauche keine Hilfe von einem Freak!“, war es mir herausgerutscht, und obwohl ich wusste, dass mich das locker hätte von der Schule kicken können, blieb er ganz ruhig. Sein Blick wirkte irgendwie verzweifelt, nicht so düster wie sonst immer.
 

„Draco, wenn Sie sich nicht helfen lassen, werden Sie sterben.“
 

Ich musste nicht verbergen, dass mir selbst jetzt noch der blanke Schauer über den Rücken läuft, als ich ihn das sagen hörte... Doch ich wollte nicht klein beigeben.
 

„Woher wollen Sie wissen, dass ich es nicht schaffe?“
 

„Ich sehe es in Ihren Augen. Der dunkle Lord wartet – ungeduldig. Während Sie im Dunkeln umherschleichen und immer mehr unter Druck geraten.“
 

„Sie haben keine Ahnung!“, schrie ich ihm entgegen, und riss mich los von seinem geklammerten Griff um meinen Unterarm.
 

Ich ging, ohne mich noch einmal umzusehen.
 

Und ich wusste, dass er Recht hatte. Mit jedem Satz, den er gesagt hatte, hatte er mich mehr enttarnt.
 

Ja, ich habe Angst. Die Angst schnürt mir die Kehle zu. Ich kann nicht mehr schlafen. Nachts liege ich wach und frage mich, ob es das wert ist, dieses Bangen um den Tod... bis mir wieder einfällt, Tagebuch, dass ich keine andere Wahl habe.
 

Und dass ich dank meiner Familie auch nie eine Wahl hatte. Wer würde schon wissen, was mal aus mir geworden wäre, wären meine Eltern keine Anhänger des dunklen Lords gewesen? Ich bin stolz auf meine Herkunft, doch manchmal bezweifle ich ihre Durchsetzung.
 

Meine Tante Bellatrix hat mich gelehrt, vor allen, die mir Böses wollen, die Gedanken zu verschließen. Sie hat es mit mir trainiert, endlose Stunden lang in den Ferien, bis ich nicht mehr konnte, bis ich vor ihren Knien einsackte. Sie tat mir weh. Sie tat mir weh mit meinen Gedanken, meinen Erinnerungen, meinen Ängsten, und sie schrie und spuckte sie mir so lange entgegen, bis ich es gelernt hatte.
 

Es war ein beißender Prozess gewesen, lang und hart; doch nun bin ich in der Lage, die wichtigsten meiner Gedanken vor dem dunklen Lord zu verstecken.
 

Dennoch weiß ich, dass ich mich sputen muss. Ich schaffe das sonst nicht. Er drängt von Tag zu Tag mehr, auch wenn es nur in meinen Albträumen geschieht.
 

Doch wenn ich es schaffe, muss ich nie wieder im Leben Angst haben.. Nie wieder die törichten Blicke von Potter, seinen Freunden und anderen auf mir spüren, nie wieder leiden.
 

Was mich am Leben hält, ist die Tatsache, dass ich tatsächlich soweit bin. Innerlich, meine ich. Ich bin bereit, jemanden anzusehen, nicht einzusacken, und ihn zu töten.
 


 

***
 


 

Hermine stieß ein leises Keuchen aus; ihre Finger zitterten leicht. Sie zwinkerte ein wenig, als seien ihre Augen trocken, und las die feinen Buchstaben Wort für Wort nochmal.
 

Ich bin bereit, jemanden zu töten.
 

Natürlich wusste sie heute, dass Dumbledore gemeint war; doch wer hätte gedacht, dass Malfoy sich jemals wahrhaftig zu einer solchen Tat bereit gefühlt hätte? Sie konnte es nicht glauben, denn mit einem Mal schoss ihr das Bild von einem Malfoy in den Kopf, der wie ein kleiner Junge ausgewichen war, als sie ihm im dritten Schuljahr eine verpasst hatte.
 

Sie hatte die Angst noch ganz genau im Sinn; die grauen Augen, die ihre so ängstlich anstarrten, als sei er noch nie so derart in eine Ecke gedrängt worden. Den leichten Schweiß auf seiner blassen Stirn, das sonst so stolze Feixen wie von selbst aus dem Gesicht gewischt.
 

Doch hier stand es schwarz auf weiß: da war während der Jahre mehr passiert, viel dunkles, viel Leid, dass der eigentlich zarte Draco so aufgenommen hat, dass es ihn verändert hatte.
 

Hermine strich sich eine ihrer braunen Haarsträhnen hinter ihr Ohr, bevor sie mit einem leichten Seufzer den letzten Satz noch einmal las.
 

Doch er hatte Dumbledore nie getötet. Was war wohl aus der Wut geworden? Sie wusste, dass der Abend oben auf dem Turm chronologisch nicht weit entfernt sein musste. Sollte sie direkt dorthin blättern?
 

Eines interessierte sie jedoch noch brennender als der Abend am Turm: wie die Zeit in Hogwarts gewesen war, als Harry, Ron und sie Horkruxe gejagt hatten.
 

Sie wollte gerade zu den Seiten blättern, als etwas plötzlich die Decke über ihrem Kopf weggerissen wurde und sie einen leisen Schrei ausstieß.
 

Als sie von ihrem Schock aufblickte, sah sie Harry im Halbdunkel stehen, die Brillengläser verdächtig düster in dem Schein der nur lau brennenden Nachtfackeln an den Wänden.
 

„Harry! Hast du mich erschreckt!“, stieß sie leise zischend hervor, und Harry setzte sich neben sie.
 

Hermine konnte das Buch nicht einmal verstecken, weil er es schon gesehen hatte.
 

Mit einem leichten Nicken deutete er darauf.
 

„Was ist das?“
 

Sie zögerte, blickte sich um und flüsterte dann jedoch leise: „Du darfst es Ron nicht zeigen. Ich habe unter dem Bett etwas gefunden, dass dich interessieren wird. Es ist... es...“
 

Harry hob eine Augenbraue an, als Hermine den Satz immer wieder abbrach; dann jedoch nahm sie allen Mut zusammen und sprach es aus: „Es ist Draco Malfoy's Tagebuch.“
 

Harry starrte sie mit einer Mischung aus Verwirrung und Schock an; er nahm ihr das Buch aus den Händen und las selbst nach; er wurde blasser, als er das Buch sinken ließ.
 

„Tatsache. Wow... das ist... komisch. Weißt du, es wurde doch immer gemunkelt, er sei tot und alles... nach dem Krieg verschollen, ohne, dass man je eine Leiche fand.“
 

„Ja, ich weiß.“
 

„Hast du schon nachgesehen, wann der letzte Eintrag war?“
 

„Nein.“
 

Hastig beugten die beiden sich über das Buch, blätterten bis zum Ende, dass ungefähr die Hälfte des Buches einnahm. Harry keuchte leicht.
 

„Hermine... das ist der 07. Januar.“
 

„Ja.. und?“
 

„Das ist die Nacht, in der wir die Schlacht in Hogwarts führten... die Nacht, in der er zuletzt gesehen wurde... und danach spurlos verschwand.“

Der letzte Eintrag

Hermine erschrak sichtlich; wie auch Harry zuvor stieß sie ein leises Keuchen aus.
 

„Du meinst... dies ist sein letzter Eintrag, bevor er...? Naja, vielleicht hat er Hinweise hinterlassen, immerhin wurde das Buch in seinem Schlafsaal gefunden.“, sagte sie und strich über die leicht zerknitterte Seite mit der feinen Schrift.
 

„Das heißt ja nichts. Jemand anderes hätte es finden können und dort hinbringen können. Vielleicht Freunde oder Verwandte. Aber interessiert dich nicht, was seine letzten Gedanken waren? Immerhin ist es der letzte Abend bei der Schlacht gewesen.“
 

Harry's Stimme war deutlich angespannt; sie verlor sich jedoch leise, als beide hinunter auf das Buch starrten. Und ohne, dass sie einander Absprachen gaben, begannen sie zu lesen.
 


 

***
 


 

Dunkel ist es und nass, und überall sind Funken und Flüche... Ich kann die Angst riechen, die sie alle haben, ich kann ihre Tränen sehen, ihr Leiden.
 

Und mein eigenes Leiden, dass ich schon längst einmal mit Tränen vergossen habe. Hier, gerade in diesem Bereich, ist es für einen Moment wenigstens trocken und sicher.
 

Ich kann nicht mehr schlafen, nicht mehr essen, ich will nichts mehr sehen. Ich will keine Angst und keine Schmerzen mehr haben.
 

Er folgt mir, auch wenn er physisch nicht da ist; sein Schatten folgt mir, egal, wo ich bin. Ich spüre seine blanken, kalten Finger auf meiner Haut, sehe die Augen, die geschlitzten Augen, die mich durchbohren und mich immer wieder zerreißen.
 

Ich kann nicht mehr. Ich weiß nicht mehr weiter.
 

Er hat mir gesagt, wenn ich ihm helfe, wird er mich von all dem Leiden befreien. Wird meine Schmerzen lindern und meine doch so offensichtliche Angst. Ich habe immer versucht sie zu verbergen vor ihm, doch irgendwie muss sie in den letzten Wochen, in denen mein Körper nachgegeben hat, durchgesickert sein.
 

Er tut mir weh, weißt du.
 

Ich kann die Wunden an meinem Körper nicht mehr zählen, ebenso wenig wie meine seelischen Wunden. Ich höre Schreie in meinem Kopf, tagein, tagaus.
 

Ich will, dass es aufhört.
 

Und ich weiß, dass er der Schlüssel dafür ist. Ich habe dir doch damals erzählt, was genau er vorhat... Was er will, das ich für ihn tue, noch bevor der Abend der Schlacht vorüber ist.
 

Ich habe noch genau eine Stunde, dann muss ich mich entschieden haben.
 

Weißt du, welche Wahl ich habe?
 

Ein Stück von ihm oder der Tod.
 

Ich weiß nicht, was ich wählen soll, Tagebuch, ich weiß es nicht. Der Tod wird sowieso eines Tages kommen... Doch muss er auf diese Art und Weise kommen?
 

Manchmal frage ich mich, was aus mir geworden wäre, wenn ich von Hause weggelaufen wäre. Damals schon. Vielleicht ist die andere Seite doch anders, wärmer, heller, und obwohl sie alle Angst haben, kämpfen sie.
 

Wozu tun sie das, wenn sie doch ebenso sterben werden?
 

Aber sie werden sicher nicht vor so eine Wahl gestellt. Vor die Wahl: Entweder du hilfst mir, ewig zu leben und spendest deinen Körper, oder du stirbst auf der Stelle.
 

Ich bin noch nicht einmal 18.
 

Wo soll das alles hinführen?
 

Könnte ich es wirklich ertragen, einen Teil von diesem Monster in mir zu tragen? Frisst es mich innerlich auf? Wird es mich doch umbringen? Tut es weh?
 

Ich wünschte, jemand könnte mir diese Fragen beantworten. Kannst du es? Kann es überhaupt irgendjemand?
 

Ich habe nächtelang darüber nachgedacht, nächtelang, in denen ich wach war und den Druck nicht mehr aushielt.
 

Noch vor zwei Abenden stand ich am Fenster und bin auf die Kante gestiegen; das Fenster habe ich geöffnet und mich einen Moment rausgelehnt, die Hand nur leicht an der Mauer festgehalten.
 

Die Luft war kühl an dem Abend, und ich habe wirklich überlegt, ob ich mich nicht einfach aus dem Fenster stürzen soll. Einfach hinunter in die Tiefe, kurz umrandet von der Luft, und dann dumpf in den Tod zu fallen.
 

Ich weiß nicht, warum ich es nicht einfach getan habe. Ich musste an so viele Sachen, an so viele Leute denken... an meine Familie. Es wäre ein zu feiger Ausweg gewesen.
 

Doch meine Entscheidung hat es weder beeinflusst, noch vereinfacht.
 

Was soll ich tun?
 

Mich auf die dunkle Seite stellen und ihm die Möglichkeit geben, weiterzuleben? Oder mich ihm stellen und sterben?
 

Ich habe eine solche Angst...
 

Wenn mir einer die Entscheidung abnehmen kann, dann ist das der Moment. Der wird entscheiden, dann, wenn ich vor ihm stehe, mit der größtmöglichen Angst, die ein Mensch haben kann und mit der reinsten Entscheidung, die ein Mensch treffen kann: vom Herzen aus, wenn er gegenüber dem Tod steht, wenn der Tod ihn ansieht, und er weiß, egal, was passiert, es ist nur kurz und es wird vielleicht gar nicht so weh tun.
 

Deshalb werde ich in den Wald gehen, mich vor ihn stellen und meinen Instinkt entscheiden lasse, ob ich sterbe oder seinen Teil annehme. Ich weiß nicht, was passieren wird, aber gerade geht es mir besser, weil ich weiß, dass mein Herz entscheiden wird. Und nicht ich diese wahnwitzige Entscheidung treffen muss.
 

Wie auch immer das aussehen wird... Ich habe gelebt und ich bin dankbar, dass ich so viel miterlebt habe.
 

Wer weiß, wenn das hier alles vorbei ist, werde ich vielleicht wieder schreiben. Wenn nicht, weißt du ja, dass ich gut angekommen bin, was auch immer nach dem Tod auf einen warten wird.
 

Aber es kann niemals so schlimm wie das hier sein....
 


 

***
 


 

Hermine spürte, wie ihr kleine Tränen die Wange hinab sickerten; sie wischte sie schnell weg, bevor Harry ihr einen Blick zuwarf. Er sah bedrückt aus.
 

„Hermine, das ist... ich weiß nicht ganz, ob ich das verstanden habe... Vor welcher Wahl stand er? Tod oder... was bedeutet dieses ein Teil von ihm?“
 

Hermine schluckte nervös und strich sich ihre Haare hinter das Ohr, während sie die Zeilen immer und immer wieder las.
 

„Ich weiß nicht genau, aber wie wir Voldemort und seine Methoden kannten, könnte ich mir denken, dass er einen Teil von Voldemort's verkrüppelter Seele meinte... Aber ich glaube kaum, dass er es geschafft hat. Denn wie du weißt, war seine Seele ja bereits in sieben Teile zerrissen, und die Instabilität hätte Voldemort getötet. Der letzte Horkrux warst immerhin du.“
 

„Ja schon.. Aber nur mal angenommen...“, Harry entnahm ihr das Buch und fuhr ebenfalls über die Zeilen; „... nur mal angenommen, Voldemort hat es geschafft, dann würde das heißen, dass ein Teil seiner Seele, wenn auch ein verkümmerter, in Draco Malfoy leben würde.“
 

„Wir wissen nicht einmal, ob er lebt. Laut einigen Aussagen wurde er zuletzt gesehen, bevor er in den Wald ging, und wie du lesen kannst, war dort die Entscheidung fällig. Also sind wir so weit wie vorher – NIEMAND weiß, wo er ist. Ob er lebt.“, sagte Hermine und sah Harry's Augenbrauen sich zusammenziehen.
 

„Hermine, mal ehrlich.. Denkst du wirklich, sein Herz hätte sich freiwillig für den Tod entschieden?“
 

„Ich weiß es nicht. Er hatte Angst, Harry, und er wollte das alles nicht. Ich glaube, wenn ein Mensch am Ende seines Lebens wirklich vor der Wahl steht, dann wählt er immer das Gute. Draco war kein Monster, er hatte einfach keine Wahl. Vielleicht wurde er an dem Abend getötet, weil er sich dagegen entschied.“
 

Die beiden schwiegen einen Moment; Hermine kaute auf ihrer Unterlippe herum. Tausend Gedanken und Fragen kreisten ihr durch den Kopf, doch sie fand keine Antwort.
 

„Meinst du wirklich? Naja, du hast schon immer mehr an das Gute geglaubt.. Wir werden es wohl nie herausfinden. Ich glaube, selbst wenn er überlebt hat, hätte man ihn schon längst sehen müssen.“
 

„Wie denn? Du weißt, wie viele Zauberer während Voldemorts verschiedenen Aufbauphasen jahrelang verschwunden sind, ohne eine Spur...“, stieß sie hervor. Ihre Finger glitten erneut über die letzten Zeilen.
 

Irgendwo, tief in ihrem Herzen, tat es ihr weh, jemanden, auch wenn sie ihn gehasst hatte, derart leiden zu sehen. In geschriebenen, ehrlichen Worten.
 

„Das bringt nichts, Hermine. Wir sollten das wieder vergessen. Du kannst das Buch ja gerne noch behalten, aber es ist sinnlos, in der Vergangenheit umherzustreifen.“
 

Er klopfte ihr kurz auf die Schulter, bevor er sich wieder aufmachte.
 

Sie runzelte die Stirn und las den letzten Eintrag Draco's noch mehrere Male, bevor sie es wieder unter ihr Kopfkissen legte und sich langsam schlafen legen wollte.
 

Doch ihr Verstand kam einfach nicht zur Ruhe. Es war verzwickt, die ganze Geschichte musste einen Haken haben. Sicher, sie hatten viele Seiten übersprungen und nicht gelesen; wer wusste, was alles noch in der Zwischenzeit passiert war? Hatte Draco Malfoy getötet? Oder war er doch verschont geblieben?
 

Es dauerte bestimmt eine Stunde, bis ihre Augen so schwer wurden, dass sie letzten Endes zufielen und sie in einen tiefen Schlaf gleiten ließen.
 

Dieser Schlaf war jedoch geprägt von Albträumen. Dunkle Schatten verfolgten sie darin, und es war ein blasser, geistähnlicher Draco Malfoy, der sie in ihrem Traum feixend ansah.
 

„Du bist so nah dran, siehst den Weg aber nicht!“, keckerte der bleiche Malfoy, bevor er immer wieder weiter in einem Nebel verschwand, als Hermine auf ihn zutreten wollte und ihn fragen wollte, was er gewählt hatte.
 

Noch vor der Dämmerung schrak sie auf und wurde von einem leichten Luftzug aus dem Schlaf gerissen; sie keuchte. Mit angespannter Miene wischte sie sich über die Stirn, weil sie stark während des Schlafens geschwitzt hatte.
 

Was ein Traum... Ihr Kopf drehte sich. Malfoy als einen Geist in ihren Träumen zu sehen, musste doch heißen, dass er tot war.. oder nicht?
 

Vielleicht nur ein Schatten seiner selbst?
 

Sie tastete ihre kleine Kommode nach dem Glas Wasser ab, was sie sich immer vor jedem Schlafengehen dorthin stellte; erleichtert trank sie das kühle Nass.
 

Gerade, als sie sich noch einmal für fünf Minuten hinlegen wollte, weil ja noch alle schliefen und es noch nicht zu spät war, verrutschte ihr Kissen leicht.
 

Sie murrte sachte und schüttelte es aus; als sie es jedoch von dem Bett aufhob, entfuhr ihr ein kleiner Aufschrei, und das Kissen landete auf dem Boden.
 

Das Tagebuch war weg.

Schrecken

Sie hatte alles panisch durchsucht, das Kissen, hatte die Decke zur Seite geschoben, unter ihrem Laken nachgesehen – doch es bestand kein Zweifel: Draco's Tagebuch war fort.
 

Wie konnte das sein?
 

Derjenige, der es gestohlen hatte, hätte sie anheben und somit wecken müssen... Hatte sie einen Schlaftrank verabreicht bekommen, von dem sie nichts bemerkt hatte?
 

Panisch durchforstete sie ihre Gedanken und Erinnerungen nach einem Zauber, der Schlafende noch fester schlafen ließ oder sie betäubte; doch spontan fiel ihr keiner ein, denn es hätte sie wecken müssen.
 

Selbst der Traum hatte sie irgendwann geweckt - ein schrecklicher Traum. Als sie das blasse und halbtote Gesicht von Draco Malfoy in ihrem Kopf sah, stieß sie ein Keuchen aus.
 

Auch als sie am nächsten Morgen Harry fragte, hatte dieser es nicht genommen.
 

„Wieso sollte ich das? Ich hätte darin genauso gerne weitergelesen wie du, Hermine.“
 

„“Aber wer stiehlt so etwas sonst? Harry, begreifst du denn nicht? Jemand hat mich bewegt und das Tagebuch entnommen, ohne, dass ich wach geworden bin. Jemand war hier... du weißt genau, dass ich einen nicht sehr tiefen Schlaf habe!“, antwortete Hermine; sie war blass um die Nase und rieb sich ständig die Augen.
 

Der Gedanke daran, dass jemand – oder etwas – in der Lage war, unbemerkt nachts mit den Leuten Dinge anzustellen, jagte ihr einen eiskalten Schauer über den Rücken. Harry, der diese Angst bemerkte, strich ihr sanft über den Rücken.
 

„Hör zu, wir finden das Buch schon. Vielleicht hat sich jemand einen Scherz erlaubt und es mitgenommen. Immerhin wissen wir doch beide, wem es gehört hat. Vielleicht hat jemand Wind davon bekommen und....“
 

„Wind davon bekommen? Wer interessiert sich bitte für ein Tagebuch, Harry?“
 

„Hermine“, seufzte Harry und sah sie durch seine dicken Brillengläser scharf an; „ich erinnere dich nur ungern daran, dass du diejenige warst, die dieses „uninteressante“ Tagebuch aus den Gemächern entnommen und es noch nicht an die Professoren gemeldet hat. Überleg' doch mal... Draco Malfoy ist seit seinem Verschwinden das letzte ungelöste Rätsel. Fast alle wurden tot aufgefunden oder haben überlebt, nur um ihn rankt sich diese Legende. Nie eine Leiche, nie ein Wort, er ist einfach verschwunden. Von einer Stunde in die nächste. Weg.“
 

Hermine seufzte leise und schwer, während sie ihre Finger um Harry's Unterarm wand. „Ich weiß doch. Nur komme ich auf keine Antwort... Ich habe schrecklich geträumt letzte Nacht. Er war in meinen Träumen.“
 

„Wer? Voldemort?“
 

„Nein, es war Draco. Er war ganz blass und sah aus wie ein Geist, und er sagte mir, ich sähe den Weg nicht vor der Lösung... Das ist doch seltsam. Kann es sein, dass er ein Geist ist?“
 

Harry kam nicht umher ein leises Kichern auszustoßen; als er sah, wie Hermine die Augenbrauen zusammenzog, nickte er.
 

„Du weißt genauso wie ich, dass es nur ein Traum war. Wäre er ein Geist, so hätte man ihn schon längst einmal gesehen. Zumindest die anderen Geister.“
 

„Du hast ja recht, tut mir leid, Harry.“
 

Sie sprachen noch eine Weile weiter über ihren Verdacht, jedoch kamen sie zu keinem eindeutigen Schluss. Es war seltsam, dass das Tagebuch weg war, jedoch war Harry sich bei weitem sicherer als Hermine, dass es nur ein Versehen war.
 

Doch Hermine konnte sich keinen Reim auf die ganzen seltsamen Dinge machen.
 

Als sie an diesem Nachmittag kurz nach draußen ging, um nach einer weiteren erfolglosen Suche nach Überlebenden im Schloss ein wenig Luft zu schnappen, ging sie nah an den Waldrand heran. Hagrid, dessen Hütte wieder aufgebaut worden war, ließ anhand des Rauches verlauten, dass er da war; sie hatte jedoch keinen Nerv dazu, ihn jetzt zu besuchen. Zu tief waren ihre Gedanken noch und der Schreck der letzten Nacht.
 

Kurz vor dem Waldrand blieb sie stehen.
 

Die Luft war warm und roch holzig; nichts Ungewöhnliches schien sich im Innern abzuspielen. Ein Hase hüpfte über einen kleinen, grasüberzogenen Hügel unter einer Tanne.
 

Ihr Blick glitt zum Himmel – ja, der Himmel war grau und schien immer noch eine dunkle Wolkenfront in sich zu bergen, die nichts mit Unwettern zu tun hatte.
 

„Wo bist du gewesen....“, murmelte Hermine in sich hinein, als sie ihren Blick wieder zwischen die düsteren Bäume warf; sie wagte nicht, den Wald zu betreten. Zu groß war die Angst, dass dort mehr als Tiere zu finden wären. Mehr als die Schrecken, vor denen sie sich in der Schulzeit gehütet hatten.
 

Ein heftiger Windstoß fuhr Hermine durch ihr Gesicht und die Haare; seltsam warm war dieser, und dennoch hinterließ er bei ihr eine dicke Gänsehaut.
 

Als ein zweiter Windstoß kam, machte sie sich auf den Weg zurück ins Schloss.
 

Sie wusste es nicht genau, doch irgendwie jagte ihr der Wald Angst ein. Er schien die ganze düstere Geschichte von Draco Malfoy und Voldemort auszustrahlen.
 

Wie gern hätte ich weitergelesen; dachte sie sich, bevor sie sich beim früheren Abendessen bei den anderen einfand.
 

Ron sah auf, als Hermine sich gegenüber von ihm setzte und wortlos ein Toast nahm.
 

„Und, hast du dich wegen der Blutlache schon erkundigt?“, fragte er mit vollem Mund, und Hermine schüttelte den Kopf und sah Ron etwas genervt an, als dieser beim Sprechen eine kleine Fontäne Krümel auf Harry spuckte, der nur ein leises „Ey!“ ausstieß.
 

„Warum nicht?“, mampfte Ron, und Hermine seufzte, während sie kurz mit der Hand durch ihr Haar fuhr.
 

„Könntest du bitte erst einmal schlucken, bevor du Harry und mich mit noch mehr Essen bespuckst? Gott Ron, du kannst so ungehobelt sein...“
 

„Reg' dich ab, du Verrückte, ist ja gut.“
 

„Da, du tust es schon wieder!“
 

Ron verzog sein Gesicht zu einer kurzen Grimasse und sagte dann gar nichts mehr. Harry und Hermine warfen sich einen kurzen Blick zu, dann aßen sie jedoch ruhig weiter.
 

„Wir können ja heute Abend noch einmal gucken gehen.“
 

„Wieso? Ich dachte, dich interessiert die Sache nicht sonderlich?“, warf Hermine ein, doch Ron schüttelte den Kopf.
 

„Eigentlich wirklich nicht, aber ihr beiden seht so kaputt aus... wie damals, als wir diese ganzen Sachen in der Schulzeit schon hatten. Vielleicht ist die Lache ja wieder da.“
 

Hermine kaute unsicher auf ihrer Unterlippe herum, dann nickte sie jedoch leicht.
 

„Vielleicht sollten wir es wirklich tun. Wenn sie nicht da ist, kann ich mich wenigstens heute Nacht entspannen.“
 

Harry sah sie kurz an, sagte jedoch nichts. Sie beide wussten, dass sie garantiert heute Nacht kein Auge zu tun würden.
 

Es war schon spät, sehr spät, als die drei sich aus dem Saal schlichen und die langen und nächtlichen ruhigen Korridore bis zu den Gängen der Slytherins entlang gingen; unterwegs trafen sie niemanden, nicht einmal Geister.
 

Seltsam war es schon, dass alles so leise und unheimlich wurde, sobald sie in den Trakt der ehemaligen Schlangen kamen; als sei selbst der Staub gefroren. Und als sei das noch nicht genug, war außer dem Knacken der alten Gemäuer nichts zu hören.
 

Sie stiegen über die letzten Trümmer hinweg und betraten den Gemeinschaftsraum; er war leer wie immer und lag so verlassen da, als wäre nie jemand hier gewesen.
 

„Hier entlang“, flüsterte Hermine, eine Gänsehaut überall verspürend, als ihre Stimme seltsam hallte.
 

„Dieser Raum hat echt zu denen gepasst – der Raum ist zum Fürchten und die Leute waren auch zum Fürchten... wisst ihr noch, Malfoy...!“, begann Ron, doch im selben Moment drehten Hermine und Harry sich energisch zu ihm und bedeuteten ihm mit den Fingern auf den Lippen, dass er still sein solle.
 

Ron verzog zwar eine Miene, sagte jedoch nichts und folgte den schleichenden Anderen.
 

Die Stufen zum Schlafsaal der Slytherins waren seltsam verklebt, doch als sie auf den Boden sahen, war dort nichts außer dem grauen Stein zu erkennen.
 

Sie betraten den düsteren Raum, der nun mehr nur durch ihre Zauberstäbe beleuchtet wurde.
 

Sie leuchteten alle gleichzeitig und gespannt auf das weiße Bett Malfoy's – doch dort war nichts. Es war wie ein einziges Aufatmen, als alle drei ihre Glieder zumindest etwas entspannten.
 

Ron ging auf ein nebenstehendes Bett zu und durchsuchte die Schubladen, während Hermine sich einer der Kommoden widmete. Seltsam, dachte sie sich; vielleicht hatte ich mir das nur eingebildet. Es musste an der Spannung gelegen haben.
 

„Hermine.“
 

Harry's Stimme war wie ein dumpfer Ton, der in dem Raum hallte; Hermine sah augenblicklich zu ihm hin.
 

Harry stand wie angewurzelt da, hielt seinen Zauberstab auf den Boden und starrte etwas an, das dort zu liegen schien.
 

Er war so blass, dass Hermine sich direkt zu ihm aufmachte und sich neben ihn stellte.
 

„Harry, was ist?“
 

Doch Harry antwortete nicht.
 

Er deutete mit seinem Kopf auf den Teil des Bodens, den er beleuchtete – und Hermine zuckte heftig zusammen.
 

Dort lag Draco Malfoy's Tagebuch.
 

„Wie....?“, stieß sie panisch hervor, während sie sich mit weichen Knien bückte und Ron's „Was gibt’s hier schönes?“ überhörte.
 

Mit zittrigen Fingern hob sie das Buch auf.
 

Die drei starrten wie gebannt auf das Buch, das Hermine nun hielt. Sie nahm all ihren Mut zusammen und öffnete es, bis zur letzten Seite...
 

.. und alle drei stießen einen kurzen Schrei aus, und Hermine spürte, wie ihr Herz fast aus der Brust sprang und ihr eiskalt die Luft weg blieb.
 

Im Buch war ein frischer Eintrag.

Dunkelheit

Es vergingen mehrere Minuten in einem blinden Taumel, in denen keiner von ihnen etwas sagte – wie Eisfiguren standen sie da und starrten auf die feinen Buchstaben, die eindeutig von frischer Tinte herkamen.
 

Hermine musste sich auf das Bett setzen, da ihr ein mächtiger Schwindel im Kopf dröhnte.
 

„Was steht da?“, hauchte Harry leise, doch als er sich neben Hermine setzte, spürte sie, dass er genauso zitterte wie sie selbst. Die pure Gänsehaut vor Schauer blieb bei beiden bestehen.
 

„Ich weiß nicht, ob ich...“, stieß Hermine hervor, japsend, da ihr die Luft nach wie vor wegblieb. Das konnte nicht wahr sein. Erlaubte sich jemand einen Scherz mit ihnen?
 

Harry stieß Hermine sanft an und sah sie durch seine Brillengläser an; sein blasses Gesicht erinnerte sie daran, dass sie nicht ohne Grund hier waren. Sie mussten es lesen, um herauszufinden, was dort vor sich ging. Ein Scherz konnte es gut sein, denn ein Toter konnte nicht schreiben. Oder doch...?
 

„Bitte, Hermine.“
 

Hermine schluckte und schloss für einen Moment die Augen; dann nickte sie stumpf und öffnete sie wieder.
 

Ihre Finger zitterten so stark, dass die Seite fast abriss.
 


 


 

***
 


 

Ich sehe Granger nachts in meinem Tagebuch lesen. Sie weiß nicht, dass ich sie sehe, und sie weiß nicht, dass ich derjenige bin, der es ihr wieder wegnahm.
 

Wertloses Schlammblut...
 

Sie hört mich nachts unbewusst atmen, sie spürt meine Gegenwart. Doch ich kann nur darüber lachen, denn was will sie schon ausrichten?
 

Ich sehe sie mit Potter und Weasley auf meinem Bett sitzen...
 


 

***
 


 

Hermine konnte nicht anders als aufzuspringen und zu kreischen, und auch Harry und Ron sprangen auf und sahen sich hektisch im Raum um. Alle drei hielten ihre Zauberstäbe und leuchteten in jede Ecke des Raumes, leuchteten an die Decke, an die Fenster, unter die Betten.
 

Doch nichts war zu sehen.
 

Es war wie in einem nebelhaften Albtraum...
 

„Wo ist er!? Kann er uns sehen!? Gott, Harry! Das kann nicht...“, schrie Hermine und drehte sich noch einmal, um in jede Ecke des Raumes zu leuchten; doch nichts war zu finden.
 

Harry stieß ein heftiges Atmen aus.
 

„Das kann nicht sein. Es geht gar nicht! Niemand kann uns sehen und gleichzeitig in dieses Buch schreiben.. Das MUSS ein Scherz sein. Jemand beobachtet uns und weiß, dass wir spionieren. Anders geht es nicht.“
 

Ron, der so blass war, dass er fast wie ein Geist wirkte, schluckte schwer. Er konnte sein ängstliches Quietschen in seiner Stimme nicht unterdrücken. „Was läuft hier? Leute, wenn ihr mich verarscht, ist das nicht komisch. Das macht mir 'ne Scheißenangst, hört auf!“
 

„Sehen wir etwa so aus, als würden wir Witze machen?! Du spinnst wohl! Jemand weiß von dem Tagebuch... Das kann doch nicht...“, stieß Hermine hervor. Sie spürte heiße Tränen in ihre Augen schießen, die sie nicht einmal wegwischte.
 

Ein blanker Schauer lief ihr über den Rücken, als sie ihren Lichtpegel wieder auf das Tagebuch richtete.
 

Es lag etwas zerknittert auf dem Boden, da alle drei es fallen gelassen hatten, als sie vor Schreck vom Bett aufgesprungen waren. Schwarz und etwas verblichen, lag es so da, als würde es nur darauf warten, weiter gelesen zu werden. Doch Hermine konnte nicht einmal in die Nähe dieses Buches gehen.
 

„Was ist, wenn es doch...“, murmelte Harry, der seinen Zauberstab ebenfalls auf das am Boden liegende Buch gerichtet hatte; er kaute auf seiner Unterlippe herum, während Hermine und Ron ihn anstarrten.
 

„Was ist wenn was, Harry?“, schluchzte Hermine. Sie machte ihren Zauberstab aus und steckte ihn in ihre Tasche; ihre Finger zitterten einfach zu stark.
 

„Was ist, wenn.. Draco Malfoy gar nicht tot ist und noch im Schloss wandelt?“
 

Berstende, schneidende Stille entstand. Niemand wagte auch nur ein Wort zu sagen – es war fast, als hätte Harry etwas ausgesprochen, dass schlimmer war als die Taten von Voldemort selbst. Sie wussten alle, dass der dunkle Schatten, der über dem Schloss hing, noch nicht ganz verzogen war; und diese Legende nun als Wahrheit abzutun, war so, als würden die Mauern des Schlosses wieder aufatmen.
 

Ein Knacken rauschte in der Ferne, doch es war keines, dass die drei als ungewöhnlich identifizieren würden; es waren einfach die Geräusche von Hogwarts. Auch wenn sie alle drei zusammengezuckt waren.
 

„Ich weiß nicht... Harry, ihn hätte jemand sehen müssen. Nein, ich... ich will es nicht glauben.“, flüsterte Hermine. Sie raffte all ihren Mut zusammen und hob das Buch mit spitzen Fingern vom Boden auf, als wäre es etwas Totes.
 

Mit klopfenden Herzen schlug sie die Seite mit dem frischen Eintrag auf, auch wenn ihr mittlerweile der Angstschweiß auf der Stirn stand.
 

Sie fuhr mit den Fingern über die Buchstaben und war erstaunt, dass die Tinte wirklich wie frisch war – sie hinterließ leichte Spuren auf ihren Kuppen. Doch die Buchstaben waren eindeutig.
 

„Es ist seine Schrift.“, stellte sie trocken fest.
 

Ron beugte sich ebenfalls über das Buch, das Gesicht immer noch blass.
 

„Denkst du wirklich, jemand kann nicht einfach die Schrift nachmachen? Sowas geht relativ einfach... Ich konnte Mom's Unterschrift auch immer fälschen.“
 

„Es ist möglich, ja. Aber diese Schrift gleicht den anderen Einträgen wirklich wie ein Ei dem anderen. Siehst du? Er macht die „G's“ gleich und die anderen auch.. Und hier, den kleinen Schnörkel hat er auch immer gehabt. Es ist eindeutig seine Schrift, Ron.“
 

Harry lauschte den nächtlichen Geräuschen im Schloss, während die anderen beiden noch weiter über die Schrift feilschten. Etwas stimmte hier nicht, etwas stimmte hier ganz und gar nicht...
 

Nur konnte er sich keinen Reim darauf machen.
 

„Leute, etwas ist hier faul.“, stieß er schließlich hervor, und Hermine und Ron sahen ihn erneut an. Hermine nickte vorsichtig.
 

„Ja, ich glaube... Selbst wenn das hier ein Scherz ist, dann muss es ein viel zu gut durchdachter sein... Ich kann morgen in die Bibliothek gehen, um zu sehen, welche Zauber es mit Büchern gibt. Es kann ja auch sein, dass das Buch durch Magie gesteuert wird, ob zum Scherz oder nicht. Anders kann ich mir das...“, sie zeigte auf das Buch, das Ron noch locker in den Händen hielt; „...nicht erklären. Es geht gegen jede Logik.“
 

Harry hob seine Augenbrauen an. Er fixierte Hermine, die seinen Blick erwiderte, und obwohl ihr mittlerweile eiskalt war, war sie immer noch schweißgebadet.
 

„Und wenn er ein Geist ist?“
 

„Dann müssten wir ihn sehen, Harry.“
 

„Hermine, überleg' doch mal. Wenn er wirklich noch auf irgendeine Art und Weise auf dieser Welt ist, dann hat er einen Teil von Voldemort in sich, wenn der Eintrag im Buch stimmt. Wie wir Voldemort kennen, ist er zu allem fähig. Malfoy könnte ein Geist sein, nur ohne dass man ihn sieht.“
 

Hermine biss sich fest auf ihre Lippe und sah sich nervös um; der Schlafsaal war nach wie vor leer und dunkel; jedoch wirkte er stickig und irgendwie bedrückend. Sie wusste nicht genau, ob es nur an ihr lag, oder ob die anderen dieses dunkle Gefühl auch auf sich spürten.
 

„Ohne dass man ihn sieht? Ich weiß nicht.. Natürlich gibt es Wege, unsichtbar zu werden, ohne dass jemand einen sieht... Ja.. Aber wie kann der Eintrag genau so verfasst sein, dass er uns angeblich auf dem Bett sitzen sieht? Wir haben keinen Schreibprozess gesehen, es war bereits geschrieben.“
 

„Ja, aber anhand der Tinte muss es wenige Augenblicke vor unserem Eintreten gewesen sein. Vielleicht hat er uns gehört und eben schnell...“
 

Doch weiter kam Harry nicht, denn mit einem Mal hörten sie ein leises Lachen aus einer der dunklen Ecken.
 

Hermine schrie auf; Ron und Harry stellten sich schützend vor sie, leuchteten mit ihren Zauberstäben die Ecken ab – doch nichts war zu sehen.
 

„Wer ist da?!“, brüllte Harry in die hitzige Dunkelheit, doch nichts und niemand antwortete darauf. Es war erneut totenstill.
 

Hermine schluckte und drückte sich fest an Ron.
 

„Was für eine Teufelei ist das?“, flüsterte sie, so leise, dass nur Ron es hören konnte – sie hatte zu sehr Angst, dass das Etwas, welches gerade gelacht hatte, sich zeigen würde.
 

„War es seine Lache? Hat jemand genauer hingehört?“, stieß Harry hervor, der immer noch panisch in jede Ecke leuchtete, ohne dass etwas zu sehen war.
 

„Nein, ich habe da wirklich nicht drauf geachtet, sorry! Wie auch, ich hab mir fast in die Hose gemacht dass ÜBERHAUPT etwas lacht....Scheiße, wir sollten gehen.“
 

Harry nickte, legte den Zauberstab jedoch nicht ab.
 

Sie drehten sich noch einmal alle um, blickten in jede Ecke, und dann hob Hermine mit bebenden Fingern das Buch vom Boden auf.
 

„Du willst das verfluchte Ding doch wohl nicht mitnehmen?“, zischte Ron sie an, doch Hermine warf ihm nur einen giftigen Blick zu.
 

„Natürlich nehme ich das mit, du glaubst doch nicht, dass ich das hier einfach liegen lasse? Wir müssen die Schrift weiter analysieren.“
 

„Ich finde nicht, dass...“
 

Ein durchdringendes, schallendes Lachen kam direkt aus der Dunkelheit vor ihnen, urplötzlich und so nah, dass alle drei nach hinten stolperten und einen Schrei ausstießen; ihre Zauberstäbe erloschen wie von selbst, und kein Spruch schien sie wieder in Takt zu bringen.
 

Der Raum war getaucht in tiefste Finsternis, und das seltsame Lachen kam immer näher - schrittweise durch die Dunkelheit.
 

Hermine schrie, spürte ihren Rücken gegen die kalte Steinwand pressen – sie spürte Harry und Ron neben sich, bebend vor Angst, die Zauberstäbe immer noch nutzlos.
 

Und mit einem Mal flüsterte eine kalte, heisere Stimme hämisch:
 

„Willkommen zurück in der Dunkelheit.“



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Kommentare zu dieser Fanfic (15)
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Von:  likethat
2017-02-03T13:41:12+00:00 03.02.2017 14:41
Super spannend und angsteinflößend !! Kann kaum das nächste Kapitel abwarten ...
Von:  _ShioRi_
2016-06-05T21:36:17+00:00 05.06.2016 23:36
echt sehr sehr spannend ^^
Von:  Majaaaa
2016-06-03T04:43:25+00:00 03.06.2016 06:43
Boah ich habe so mega Angst. Das Kapitel war mega spannend. Es schwirren gerade so viele Fragen durch meinen Kopf. Wow. Super Kapitel. Mach weiter so
Von:  SlytherinPrincess
2016-06-02T21:22:33+00:00 02.06.2016 23:22
Wow.... das Kapitel ist echt der Hammer. Ich hatte wirklich Gänsehaut beim Lesen. Und ich freue mich schon wahnsinnig auf das nächste Kapitel
Von:  BlackAmathia
2016-05-17T08:17:42+00:00 17.05.2016 10:17
Uh sehr, sehr cool!
Ein neuer Eintrag, evtl. von Draco selbst?
Ich bin wirklich gespannt ^^
Von:  Tatzi88
2016-05-13T21:40:57+00:00 13.05.2016 23:40
Wahhh.... wie kann das sein? Echt aufregend u der traum... malfoy doch ein Geist oder Iwie in einer zwischenebene gefangen? Omg.... spannend! Weiter so! Gefällt mir super
Von:  Majaaaa
2016-05-13T20:36:21+00:00 13.05.2016 22:36
Hilfe irgendwie bekomme ich Angst. Ich finde keine Erklärung und weiß nicht, wie das alles passiert. Also dass Ron jetzt eingeweiht ist. Hm ich weiß nicht, wie ich das finden soll. Hoffentlich macht er nicht allzu viele Probleme. Ich hab nichts gegen Ron. Ich mag ihn sogar. Aber manchmal kann er so nervig und dumm sein. Naja super Kapitel. Ich denke langsam, dass Draco Malfoy noch lebt. Mach weiter so
Von:  BlackAmathia
2016-04-25T09:28:19+00:00 25.04.2016 11:28
Heueueueueu XD
Das ist ja mal was. Sehr interessanter Denkansatz. Ich bin gespannt, was wirklich mit Malfoy passiert ist und wie es Hermine herausfindet. ^^
Antwort von:  Sauron
13.05.2016 22:08
Hehe, danke für deinen Kommi! Ja, da gibt es noch so einiges herauszufinden.. liebe Grüße und viel Spaß mit dem neuen Kapitel!
Von:  Majaaaa
2016-04-24T02:19:17+00:00 24.04.2016 04:19
Draco Malfoy ist ein Horcrux von Voldemort? Ach du Schande. Armer Draco. Schön dass Harry zu Hermine steht. Aber was passiert hatte nachdem das Tagebuch weg ist? Ich freue mich schon mega auf das nächste Kapitel. Mach weiter so
Antwort von:  Sauron
13.05.2016 22:08
Hihi, wer weiß wer weiß ;) Danke für den weiteren, lieben kommi und Viel Spaß mit dem neuen Kapitel! :)
Von:  Tatzi88
2016-04-23T08:48:43+00:00 23.04.2016 10:48
Hi.... finde deine fanfic voll interessant. Mal was neues. Bin total gespannt was nun mit draco ist u ihn indirekt durch ein Tagebuch in die Story einzubringen ist klasse. Weiter so
Antwort von:  Sauron
23.04.2016 15:57
Danke danke sehr lieb von dir :)


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